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BGH Urteil v. - VIa ZR 1491/22

Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 10 U 182/21vorgehend LG Frankfurt (Oder) Az: 11 O 60/21

Tatbestand

1 Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im Dezember 2015 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten Mercedes-Benz Marco Polo V 250 CDI, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

2 Die Klage, mit der die Klägerin im Wesentlichen so gestellt werden möchte, wie sie stünde, wenn sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB bestehe nicht. Selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausginge, in ihrem Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut, reiche dies nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein objektiv sittenwidriges Gepräge zu geben. Die Klägerin habe weder eine Prüfstandsbezogenheit der von ihr behaupteten Abschalteinrichtungen dargelegt, noch seien sonstige Umstände ersichtlich, die deren Einsatz als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Beklagte hafte auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und den Normen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen liege.

II.

6Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die insoweit erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann auch nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

                                                

                                          

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:010425UVIAZR1491.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-89627