Instanzenzug: Az: 23 U 396/21vorgehend Az: 23 O 117/19
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Der Kläger erwarb im September 2013 von der Beklagten einen von ihr hergestellten neuen Mercedes-Benz GLK 200 CDI, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Er hat die Beklagte unter den Gesichtspunkten des gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritts vom Kaufvertrag und seiner deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Er hat in erster Instanz zuletzt die Zahlung von 25.041,72 € nebst Deliktszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in Höhe eines weiteren Betrags (Klageantrag zu 1), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Klageantrag zu 2) sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen und die Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3) begehrt.
3Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung und mangelbedingten Rücktritts vom Kaufvertrag zur Zahlung von 21.966,98 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt, die Erledigung des Rechtsstreits in Höhe von 2.481,36 € und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt sowie die Beklagte zur Erstattung eines Teilbetrags der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten verurteilt.
4Dagegen haben beide Parteien Rechtsmittel eingelegt. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung die vollumfängliche Abweisung der Klage begehrt. Der Kläger hat mit seiner Berufung den Klageantrag zu 1 mit der Maßgabe weiterverfolgt, dass er zuletzt die Zahlung von 22.960,59 € nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangt und den Antrag im Übrigen einseitig für erledigt erklärt hat. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen.
5Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten sowie seinen Berufungsantrag weiter, soweit er die Anträge auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.
Gründe
6Die Revision des Klägers hat im tenorierten Umfang Erfolg.
7Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
8Dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 826 BGB nicht zu. Nach seinem Vortrag habe die Beklagte hinsichtlich des Thermofensters und hinsichtlich der KSR nicht sittenwidrig gehandelt. Der Kläger habe weder eine Funktionsweise nach Art einer Umschaltlogik schlüssig dargelegt noch sonstige Umstände aufgezeigt, aus denen sich eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten ergebe. Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bestehe ebenfalls nicht. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liege nicht im Aufgabenbereich der genannten Vorschriften.
II.
9Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
101. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
112. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
12Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
13Das angefochtene Urteil ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO. Die Teilzurückweisung der Revision beruht darauf, dass hinsichtlich des von dem Landgericht aberkannten Teils der von dieser Teilzurückweisung betroffenen Hauptforderung die Berufung des Klägers nicht ordnungsgemäß begründet worden (§ 520 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO) und eine Erweiterung des Klagebegehrens durch Anschlussberufung angesichts des bereits eingetretenen Fristablaufs (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. etwa , GRUR 2017, 785 Rn. 38) insoweit nicht mehr möglich ist.
14Im Umfang der Aufhebung stellt sich das Berufungsurteil nicht aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Der Senat kann insoweit nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
15die erforderlichen
C. Fischer Möhring Katzenstein
Ostwaldt Tausch
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250325UVIAZR76.22.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-89625