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BAG Beschluss v. - 7 ABR 30/23

Betriebsabgrenzungsverfahren - Feststellungsinteresse

Leitsatz

Der von einem Arbeitgeber erhobene Feststellungsantrag im Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG, in dem mangels unmittelbarer betriebsverfassungsrechtlicher Betroffenheit außer ihm als Antragsteller keine weiteren Beteiligten zu hören sind, ist unzulässig.

Gesetze: § 18 Abs 2 BetrVG, § 19 Abs 2 BetrVG, § 256 Abs 1 ZPO, § 97 Abs 1 AktG, § 98 AktG, § 99 AktG, § 83 Abs 3 ArbGG, § 97 Abs 1 ArbGG, § 98 ArbGG, § 26 FamFG, Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 9 TVG

Instanzenzug: Az: 9 BV 3/23 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 10 TaBV 2/23 Beschluss

Gründe

1A. Die Antragstellerin - eine Fluggesellschaft mit Sitz in P - begehrt die Feststellung, dass ihre Basis am Flughafen K keine betriebsratsfähige Organisationseinheit ist.

2Hierfür hat die Antragstellerin in dem von ihr - ohne Angabe weiterer Beteiligter - eingeleiteten und auf § 18 Abs. 2 BetrVG gestützten Beschlussverfahren vorgebracht, der Stationierungsort am Flughafen K bilde ebenso wie ihre anderen Basen mit identischen Strukturen an den Flughäfen N, B, Nü, H, K/B und M keinen selbständigen Betrieb(-steil) im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn. Es fehle an einem im Inland gelegenen Hauptbetrieb als für die Geltung des BetrVG notwendigen Bezugspunkt und ungeachtet dessen an der für einen Betrieb oder einen Betriebsteil notwendigen hinreichenden Leitungsmacht und Organisationsstruktur.

3Ein negativer Feststellungsantrag sei für sie die einzige Möglichkeit, effektiv eine rechtsverbindliche Klärung bezüglich der Betriebsratsfähigkeit des Stationierungsorts K herbeizuführen. Ungeachtet des Umstands, dass für einen Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG Zweifel am Vorliegen einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit genügten, habe in der Vergangenheit - im Zusammenhang mit Kurzarbeitergeld und Kündigungsschutz - durchaus Streit darüber bestanden, ob die Antragstellerin einen Betrieb in Deutschland unterhalte. Auch seien - nachdem zunächst an keiner ihrer Basen in Deutschland ein Betriebsrat gewählt oder ein Wahlvorstand bestellt worden sei - im März 2023 bzw. November 2023 jeweils Wahlvorstände für die Wahl eines Betriebsrats an den Basen B bzw. K/B bestellt worden. Ein Feststellungsinteresse folge zudem aus der - zT im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor einem Gericht für Arbeitssachen - geführten, die Basis am Flughafen B betreffenden Auseinandersetzung mit der V-Gewerkschaft (v) sowie deren angekündigtem Vorgehen auch in Bezug auf andere Stationierungsorte.

4Die Antragstellerin hat beantragt

5Das Arbeitsgericht hat den Antrag als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und angenommen, der Antrag sei unbegründet. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

6B. Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen den das Feststellungsbegehren als unzulässig abweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Allerdings ist der Antrag entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht unbegründet, sondern bereits unzulässig.

7I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht in dem Verfahren, dessen Gegenstand ein auf § 18 Abs. 2 BetrVG gestütztes Feststellungsbegehren ist, keine weiteren Beteiligten gehört.

81. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind in einem Beschlussverfahren (neben dem Arbeitgeber und ggf. den Arbeitnehmern) die Stellen zu hören, die im einzelnen Fall beteiligt sind. Die Vorschrift regelt nicht selbst, wer Beteiligter eines Beschlussverfahrens ist. Maßgeblich ist, welche Personen oder Stellen durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen, personalvertretungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen sind. Für das Verfahrensrechtsverhältnis ist entscheidend, wer materiell-rechtlich berechtigt oder verpflichtet ist. Die Beteiligtenbefugnis ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen ( - Rn. 18, BAGE 180, 149).

92. Unter Anwendung dieser Grundsätze sind keine weiteren Stellen in dem Verfahren beteiligt.

10a) Ein Betriebsrat oder ein für seine Wahl bestellter Wahlvorstand existieren am Stationierungsort K nicht. Entsprechende Anhaltspunkte sind weder von der Antragstellerin vorgetragen noch vom Landesarbeitsgericht festgestellt.

11b) Auch sind weder v noch andere ggf. in der Basis vertretene Gewerkschaften - etwa die Vereinigung C - als Beteiligte zu hören.

12aa) Die Grundsätze zur Beteiligtenstellung von Gewerkschaften im Verfahren der Anfechtung einer Betriebsratswahl, wonach deren nicht fristgemäß wahrgenommene Anfechtungsbefugnis des § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in einem anderweitig eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren keine Rechtsposition verleiht, gelten entsprechend für das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG. Die Gewerkschaften haben zwar ein Interesse daran zu wissen, ob in einer betrieblichen Organisationseinheit, in der sie vertreten sind, ein Betriebsrat oder mehrere Betriebsräte zu wählen sind. Deshalb kommt ihnen nach § 18 Abs. 2 BetrVG ein Antragsrecht zu. Aus einer nicht wahrgenommenen Antragsbefugnis folgt aber nicht notwendigerweise die Beteiligtenstellung in einem nach § 18 Abs. 2 BetrVG von anderen Antragsberechtigten (der Arbeitgeber, jeder beteiligte Betriebsrat, jeder beteiligte Wahlvorstand) eingeleiteten Beschlussverfahren. Vielmehr bedarf es auch in diesem Fall einer betriebsverfassungsrechtlichen Betroffenheit. Eine solche liegt nur vor, wenn gewerkschaftliche Interessen aufgrund der konkreten, den Sachverhalt regelnden Norm geschützt werden sollen und gewerkschaftliche Rechte durch die Entscheidung geregelt werden. Das ist im Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG ebenso wenig wie in einem Anfechtungsverfahren nach § 19 Abs. 1 BetrVG der Fall (vgl. zu all dem  - zu II 2 c der Gründe, BAGE 53, 119; zust. BeckOK ArbR/Besgen Stand BetrVG § 18 Rn. 11; GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 18 Rn. 68; Fitting BetrVG 32. Aufl. § 18 Rn. 67).

13bb) Demnach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine Gewerkschaft(en) gehört. Diese haben eine ihnen als ggf. in der Basis am Flughafen K vertretene Gewerkschaften zukommende Antragsberechtigung nicht beansprucht.

14II. Der Feststellungsantrag ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts unzulässig.

151. Rechtsfehlerhaft ist bereits die Annahme des Landesarbeitsgerichts, bei einem Begehren nach § 18 Abs. 2 BetrVG sei die „Zweifelhaftigkeit“, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliege, eine Voraussetzung für dessen Begründetheit. Ist eine Organisationseinheit betriebsratsfähig, könnte ein entsprechender Antrag nicht deswegen als unbegründet abgewiesen werden, weil es insoweit keine Zweifel gäbe mit der Folge, dass mit der entsprechenden Antragsabweisung das Nichtbestehen einer Organisationseinheit feststünde. Ist eine Organisationseinheit zweifelsfrei betriebsratsfähig, besteht an einer entsprechenden Feststellung schlichtweg kein Rechtsschutzinteresse. Die Zweifelhaftigkeit gestaltet insoweit allein die Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 BetrVG (zusätzlich) aus.

162. Ungeachtet dessen hat das Landesarbeitsgericht verkannt, dass das von der Antragstellerin angebrachte Feststellungsbegehren nicht den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO genügt. Diese gelten (entsprechend) auch für im Beschlussverfahren erstrebte Feststellungen (vgl. zB  - Rn. 31 ff.; Germelmann/Matthes/Prütting/Spinner 10. Aufl. ArbGG § 81 Rn. 15 mwN) und ebenso für einen Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG (ausf.  - Rn. 18; vgl. auch  - Rn. 26, BAGE 174, 269).

17a) Allerdings mangelt es nicht an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Das gibt § 18 Abs. 2 BetrVG vor, wonach bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. der Arbeitgeber eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen kann. Damit ist die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, das gerichtlich gesondert festgestellt werden kann ( - Rn. 26, BAGE 174, 269). Der Umstand, dass der streitbefangene Antrag darauf gerichtet ist festzustellen, dass der in ihm benannte Stationierungsort keine betriebsratsfähige Organisationseinheit „im Sinne des BetrVG“ darstellt, steht der Annahme eines Rechtsverhältnisses nicht entgegen. Zwar zielt § 18 Abs. 2 BetrVG vornehmlich auf eine Feststellung der (richtigen) Betriebsabgrenzung zur Klärung von Zweifelsfragen, wo ein Betriebsrat gewählt wird (zum Begriff Betriebsabgrenzungsverfahren vgl. GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 18 Rn. 66). Hingegen - das zeigt schon der Wortlaut der Vorschrift - kann eine gerichtliche Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG auch zu der Frage, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt oder nicht, beantragt werden (vgl. etwa GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 18 Rn. 60 f. mit Bsp.). Die von einem Antragsberechtigten reklamierte Feststellung, dass keine betriebsratsfähige Organisationseinheit gegeben ist, bildet verfahrensrechtlich einen negativen Feststellungsantrag, dem ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zugrunde liegt (zur Zulässigkeit negativer Feststellungsbegehren allg. vgl. zB Vollkommer in Zöller ZPO 35. Aufl. Einl. Rn. 77).

18b) Es mangelt dem Antrag aber an dem erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.

19aa) Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das Erfordernis des rechtlichen Interesses an der (alsbaldigen) Feststellung ist eine besondere Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses (vgl.  - Rn. 17). Einem Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz fehlt das Rechtsschutzbedürfnis ua. dann, wenn der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb für ihn als nutzlos erscheint. Mit der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Rechtsschutzbedürfnisses in Form des nach § 256 Abs. 1 ZPO gebotenen Feststellungsinteresses ist sichergestellt, dass die Gerichte das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses tatsächlich klären, und nicht im Sinn einer gutachterlichen Tätigkeit über (Rechts-)Fragen befinden. Es ist nicht gegeben, wenn durch eine Feststellung des begehrten Inhalts eine sachgemäße oder erschöpfende Streitlösung nicht erzielt würde und die Rechtsunsicherheit weiterhin bestehen bliebe (für das Urteilsverfahren vgl.  - Rn. 9).

20bb) Des besonderen rechtlichen Feststellungsinteresses als Ausprägung des Rechtsschutzinteresses bedarf es auch bei einem auf § 18 Abs. 2 BetrVG gestützten Begehren (zum Erfordernis des Rechtsschutzinteresses bei § 18 Abs. 2 BetrVG vgl. bereits  - zu II der Gründe; zum Erfordernis des besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO vgl.  - Rn. 11 ff., BAGE 121, 7). Zwar hebt § 18 Abs. 2 BetrVG darauf ab, dass bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. der Arbeitgeber eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen kann. Auch kann die Entscheidung des Arbeitsgerichts außerhalb und ohne Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl herbeigeführt werden ( - Rn. 57 mwN). Damit ist aber nicht auf das Erfordernis verzichtet, dass sich durch die erstrebte Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG für die Zukunft rechtsverbindlich die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage klären lassen muss, ob oder welche Organisationseinheiten eigenständige Betriebe darstellen. Auch bei einem Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG muss die erstrebte Feststellung geeignet sein, eine Rechtsunsicherheit - konkret: Zweifel über das (Nicht-)Vorliegen der Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit - zu beseitigen. Dem vermag ein Feststellungsausspruch nach § 18 Abs. 2 BetrVG nicht zu genügen, wenn in dem Verfahren mangels betriebsverfassungsrechtlicher Betroffenheit neben dem antragstellenden Arbeitgeber keine anderen Personen und Stellen als Beteiligte zu hören sind. Die (beantragte) gerichtliche Entscheidung würde keine materielle Rechtskraftwirkung entfalten und sich damit in der bloßen Begutachtung einer Rechtsfrage erschöpfen. Von einer solchen Sachlage ist vorliegend auszugehen, ohne dass es darauf ankäme, ob die andere Stationierungsorte der Antragstellerin in Deutschland betreffenden Initiativen zur Wahl eines Betriebsrats und die diesbezüglichen gerichtlichen Auseinandersetzungen Zweifel an der Betriebsratsfähigkeit der hier streitbefangenen Organisationseinheit („Stationierungsort [Basis] am Flughafen K“) begründen. Jedenfalls vermitteln sie kein besonderes Interesse an der verfahrensgegenständlichen Feststellung.

21(1) Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sind der formellen und materiellen Rechtskraft fähig. Formell rechtskräftig werden sie, wenn sie mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden können. Die von dieser äußeren Rechtskraft abhängige materielle (innere) Rechtskraft bedeutet, dass der Gegenstand des Verfahrens durch die Verfahrensbeteiligten bei unverändertem Sachverhalt nicht erneut einer Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen unterbreitet werden kann. Subjektiv wirkt die materielle Rechtskraft nach § 325 Abs. 1 ZPO grundsätzlich allein zwischen den Parteien des Prozesses (inter partes), im Beschlussverfahren also zwischen den Beteiligten (vgl.  - Rn. 10, BAGE 144, 340; - 1 ABR 21/99 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 95, 47; vgl. auch  - Rn. 13, BAGE 173, 46). Die Rechtskraft eines Beschlusses erstreckt sich dabei auf alle Beteiligten des Verfahrens ( - zu B II 3 der Gründe, BAGE 82, 291; Germelmann/Matthes/Prütting/Spinner 10. Aufl. ArbGG § 84 Rn. 27; ErfK/Koch 24. Aufl. ArbGG § 84 Rn. 2; Weth in Schwab/Weth ArbGG 6. Aufl. § 84 ArbGG Rn. 31).

22(2) Mangels weiterer Verfahrensbeteiligter käme der vorliegend erstrebten Feststellung keine (subjektive) Rechtskraftwirkung zu. Anderes folgt nicht aus den Gesichtspunkten der präjudiziellen Bindungswirkung und der Rechtskrafterstreckung von Entscheidungen im Beschlussverfahren.

23(a) Rechtskräftige Beschlüsse in Beschlussverfahren über betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten können grundsätzlich - auch außerhalb vom Bestehen ausdrücklicher Präklusionsnormen und des vom Wortlaut des § 325 ZPO vorgegebenen Rahmens - eine sog. präjudizielle Bindungswirkung entfalten und eine Rechtskrafterstreckung zur Folge haben (vgl. ausf.  - Rn. 23, BAGE 173, 46; - 1 AZR 73/14 - Rn. 22 mwN, BAGE 154, 136; ausf. Treber NZA 2016, 744). In einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG kommt dem rechtskräftigen Beschluss präjudizielle Bindungswirkung für alle an dem Verfahren Beteiligten zu; er wirkt darüber hinaus auch im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern (ausf.  - zu II 1 der Gründe). Eine präjudizielle Bindungswirkung für Verfahrensbeteiligte würde vorliegend ausscheiden, weil es diese - neben der antragstellenden Arbeitgeberin - nicht gibt. Eine Erstreckung der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs auf nichtbeteiligte Dritte (Arbeitnehmer) würde voraussetzen, dass überhaupt eine der (subjektiven) Rechtskraft fähige Entscheidung in einem Verfahren mit weiteren Beteiligten (als allein dem Antragsteller) getroffen ist.

24(b) Einer über die präjudizielle Bindungswirkung und Rechtskrafterstreckung hinausgehenden Annahme der Rechtskraftwirkung von Sachentscheidungen in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG steht entgegen, dass es sich bei dem Betriebsabgrenzungsverfahren weder um ein Verfahren zur Klärung von rechtlichen Eigenschaften oder ein Normenkontroll- bzw. Tarifanwendungsverfahren mit Wirkung für und gegen jedermann (erga omnes) handelt - wie bei der Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung nach § 97 Abs. 1 ArbGG (bei der es im Übrigen neben dem Antragsteller zwingend weitere Beteiligte gibt, vgl.  - Rn. 18 ff., BAGE 163, 108) oder der Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung und über Rechtsverordnungen nach § 98 ArbGG (zur notwendigen Anhörung weiterer Beteiligter neben dem Antragsteller vgl.  - Rn. 22 ff., BAGE 177, 147) oder der Entscheidung über den nach § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag nach § 99 ArbGG (zur notwendigen Beteiligung neben dem Antragsteller vgl. Helml/Pessinger/Pessinger 5. Aufl. ArbGG § 99 Rn. 12) - noch um ein der Verbandsklage des § 9 TVG (mit der dort ausdrücklich geregelten weiterreichenden Bindungswirkung) nachgebildetes Verfahren. Für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten allgemein - und gleichfalls für das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG - fehlt es an ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen zu einer (und sei es „teilweisen“) erga-omnes-Wirkung entsprechend den Bestimmungen in § 97 Abs. 3 Satz 1, § 98 Abs. 4 Satz 1, § 99 Abs. 3 ArbGG oder § 9 TVG (vgl. ausf. Treber NZA 2016, 744, 747).

25(c) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Bindungswirkung von Beschlüssen nach § 18 Abs. 2 BetrVG für Verfahrensunbeteiligte nicht deshalb zu „erweitern“, weil es sich um ein „gegnerloses“ Verfahren handelt. Es ist zutreffend, dass zwischen den an einem Beschlussverfahren Beteiligten, anders als zwischen den Parteien des Zivilprozesses, kein kontradiktorisches Prozessrechtsverhältnis entsteht; entsprechend kennt das Beschlussverfahren keinen förmlichen Antragsgegner. Neben dem Antragsteller gibt es nur Personen und „Stellen“, die in ihren Rechtspositionen durch das vom Antragsteller reklamierte Recht betroffen sind. Ihre Beteiligung folgt unabhängig von den Intentionen und Vorstellungen des Antragstellers aus dem Gesetz ( - Rn. 19, BAGE 125, 300). Für die (erstreckte) Bindungswirkung von Beschlüssen ist aber nicht entscheidend darauf abzustellen, ob es einen Antragsgegner, sondern ob es weitere Beteiligte gibt. Ohne eine Anhörungsnotwendigkeit weiterer Beteiligter gleicht jeglicher im Beschlussverfahren zur Entscheidung gestellter Verfahrensgegenstand der Erstellung eines Rechtsgutachtens im Auftrag des Antragstellers und vermag keine Bindungswirkung für Verfahrensunbeteiligte zu vermitteln.

26(d) Es gibt auch keinen generellen Verfahrensgrundsatz, wonach Entscheidungen in einem Verfahren ohne „Antragsgegner“ Bindungswirkung für Dritte, also Nichtbeteiligte, entfalten können. Ein solcher folgt insbesondere entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht aus den Grundsätzen des - ohnehin nicht mit dem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG vergleichbaren - aktienrechtlichen Statusverfahrens nach §§ 97 ff. AktG.

27(aa) Die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 98 AktG wirkt für und gegen alle (§ 99 Abs. 5 Satz 2 AktG). Aufgrund der Verweisung in § 99 Abs. 1 AktG auf § 26 FamFG gilt der Amtsermittlungsgrundsatz: Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Es ist nicht an das Vorbringen von Tatsachen und Beweisangeboten der Beteiligten gebunden. Dementsprechend dürfen der Entscheidung auch Tatsachen zugrunde gelegt werden, die die Beteiligten nicht vorgetragen haben (Drygala in K. Schmidt/Lutter AktG 5. Aufl. § 99 AktG Rn. 2; MüKoAktG/Habersack 6. Aufl. AktG § 99 Rn. 12). Dies verhindert, dass rein formelle Entscheidungen zu Ergebnissen führen, die vom Gericht nicht nachgeprüft sind (Hopt/Roth in Hirte/Mülbert/Roth AktG 5. Aufl. § 99 Rn. 12). Allerdings sollen die Beteiligten nach § 27 FamFG bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken.

28(bb) Entgegen der im Termin zur Anhörung vor dem Senat geäußerten Auffassung der Antragstellerin, es genüge eine Bekanntmachung am schwarzen Brett im Betrieb, hat der Vorstand nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AktG seine Ansicht, dass der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist, in den Gesellschaftsblättern und damit jedenfalls auch im Bundesanzeiger (vgl. § 25 AktG) zu veröffentlichen. Das Landgericht hat zudem einen Antrag nach § 98 AktG gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 AktG in den Gesellschaftsblättern und damit ebenfalls im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Zweck der Bekanntmachung ist, alle potenziell Beteiligten auf das Verfahren aufmerksam zu machen und damit deren Beteiligung für eine verlässliche Entscheidung zu sichern (Hölters/Weber/Simons 4. Aufl. AktG § 99 Rn. 8; vgl. Hopt/Roth in Hirte/Mülbert/Roth AktG 5. Aufl. § 99 Rn. 16). Nach § 99 Abs. 2 Satz 2 AktG sind der Vorstand und jedes Aufsichtsratsmitglied sowie die nach § 98 Abs. 2 AktG antragsbefugten Betriebsräte, Sprecherausschüsse, Spitzenorganisationen und Gewerkschaften zu hören.

29(cc) Vor diesem Hintergrund ist es unzutreffend, wenn die Antragstellerin von einem „einseitigen Verfahren“ ausgeht, weil das Statusverfahren - ebenfalls wie Beschlussverfahren nach den §§ 80 ff. ArbGG - keinen Antragsgegner kennt. § 99 Abs. 2 Satz 2 AktG schreibt - im Gegenteil - vor, dass das Gericht die dort genannten Stellen zu hören hat. Insoweit wird auch von formell Beteiligten gesprochen (vgl. Hopt/Roth in Hirte/Mülbert/Roth AktG 5. Aufl. § 99 Rn. 20; KK-AktG/Mertens/Cahn 3. Aufl. §§ 97-99 Rn. 48; Grigoleit/Tomasic 2. Aufl. AktG § 99 Rn. 5). Im Übrigen - und das zeigt die mangelnde Vergleichbarkeit eines Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG und nach §§ 98 f. AktG - unterliegen Entscheidungen im aktienrechtlichen Statusverfahren der ausdrücklich angeordneten erga-omnes-Wirkung nach § 99 Abs. 5 Satz 2 AktG.

30(e) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG das Fehlen einer Anhörungsnotwendigkeit weiterer Beteiligter - mangels einer betriebsverfassungsrechtlichen Betroffenheit weiterer Personen oder Stellen - auch nicht mittels einer vertieften oder verstärkten Amtsermittlung substituiert.

31(aa) Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gilt für das Beschlussverfahren ein eingeschränkter Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatz. Das Gericht hat die Tatsachen zu erforschen, die nach seiner Ansicht in Bezug auf den Verfahrensgegenstand entscheidungserheblich sind. Es ist damit dafür verantwortlich, dass die Entscheidung auf einem zutreffenden und vollständig aufgeklärten Sachverhalt beruht. Diese Aufklärungspflicht zwingt das Gericht aber nicht zu einer unbegrenzten Amtsermittlungstätigkeit und Beweisaufnahme ( - Rn. 34). Sie entbindet insbesondere die Beteiligten nicht davon, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen (BeckOK ArbR/Roloff Stand ArbGG § 83 Rn. 2; GK-ArbGG/Ahrendt Stand Oktober 2024 § 83 Rn. 9). Das verdeutlicht auch § 83 Abs. 1a ArbGG. Danach kann der Vorsitzende den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf der gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt, wenn die Beteiligten über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist belehrt worden sind. Kommen die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach, bestehen für weitere Ermittlungen durch das Gericht vielfach kein Anlass oder keine Möglichkeit (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Spinner 10. Aufl. ArbGG § 83 Rn. 90; Weth in Schwab/Weth ArbGG 6. Aufl. § 83 ArbGG Rn. 7; GK-ArbGG/Ahrendt Stand Oktober 2024 § 83 Rn. 9).

32(bb) Vor diesem Hintergrund vermag der Verweis der Antragstellerin, das Gericht treffe in einem - neben dem Antragsteller ohne weitere Beteiligte geführten - Beschlussverfahren eine (vertiefte) Amtsermittlungspflicht, nicht zu überzeugen. Ohnehin legitimierte allein der Untersuchungsgrundsatz eine Bindungswirkung für Verfahrensunbeteiligte nicht (vgl. Konzen FS Zeuner 1994 S. 401, 417; Nottebom Rechtskrafterstreckung präjudizieller Entscheidungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 127). Zudem hat die Amtsermittlung auch tatsächliche Grenzen. Anders als etwa Strafgerichten und -behörden stehen den Arbeitsgerichten keine Ermittlungsbehörden zur Seite (Weth in Schwab/Weth ArbGG 6. Aufl. § 83 ArbGG Rn. 12).

33(cc) Im Übrigen zeigt der Verweis der Antragstellerin auf §§ 98, 99 AktG gerade, dass allein der Untersuchungsgrundsatz die Annahme einer Bindungswirkung von rechtskräftigen Entscheidungen gegenüber Dritten nicht zu rechtfertigen vermag, denn der im aktienrechtlichen Statusverfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz nach § 99 Abs. 1 AktG iVm. § 26 FamFG wird flankiert von der zwingenden Anhörung der in § 99 Abs. 2 Satz 2 AktG genannten Organe, Personen und Stellen.

34(f) Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist die Zulässigkeit eines Antrags im Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG, obwohl es neben dem antragstellenden Arbeitgeber keine weiteren Beteiligten gibt, nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Insbesondere vermittelt die grundgesetzliche Rechtsweggarantie der Antragstellerin kein besonderes Feststellungsinteresse.

35(aa) Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts, das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes zu verfolgen ( - Rn. 16). Die Rechtsschutzgarantie setzt allerdings voraus, dass dem Betroffenen eine Rechtsposition zusteht; die Verletzung bloßer Interessen reicht nicht aus. Neben den verfassungsmäßigen Rechten bestimmt das einfache Recht, welche Rechte der Einzelne geltend machen kann. Der Gesetzgeber befindet unter Beachtung der Grundrechte darüber, unter welchen Voraussetzungen jemandem ein Recht zustehen und welchen Inhalt es haben soll (vgl.  - Rn. 21). Bei einem Widerstreit zwischen den Belangen des Einzelnen, die für einen möglichst weitgehenden Rechtsschutz streiten, und gegenläufigen Belangen muss der Gesetzgeber entscheiden, ob die allgemeinen in der Rechtsschutzordnung vorgesehenen Schutzmöglichkeiten ausreichen oder aber Sonderregeln geschaffen werden sollen. Der Justizgewährungsanspruch ermöglicht und verlangt in Lagen, in denen unterschiedliche Interessen Mehrerer betroffen sind, keine schlichte Maximierung der Rechtsschutzmöglichkeiten des einzelnen Rechtsuchenden. Er zielt vielmehr auf eine sachgerechte Gewichtung und Zuordnung der betroffenen rechtlich geschützten Belange. Einzubeziehen ist das Interesse des Rechtsuchenden an einem effektiven Schutz seiner subjektiven Rechte. Der Gesetzgeber ist auch bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes dazu berufen, die miteinander kollidierenden und verflochtenen Interessen in einen Ausgleich zu bringen, der allen in verhältnismäßiger Weise gerecht wird. Dabei kommt ihm ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der sich auf die Beurteilung der Vor- und Nachteile für die jeweils betroffenen Güter sowie auf die Güterabwägung mit Blick auf die Folgen für die verschiedenen rechtlich geschützten Interessen bezieht ( - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 116, 135).

36(bb) Nach diesen Maßstäben ist es nicht - mit der Folge eines besonderen Interesses der Antragstellerin an der erstrebten Feststellung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO - geboten, eine (präjudizielle) Bindungswirkung einer im Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG ohne Anhörung von Beteiligten ergangenen rechtskräftigen Entscheidung gegenüber Verfahrensunbeteiligten anzunehmen. Eine solche würde vielmehr die gleichfalls von Art. 19 Abs. 4 GG flankierten Rechte der Verfahrensunbeteiligten einschränken.

37(aaa) Dabei kann dahinstehen, ob § 18 Abs. 2 BetrVG der Antragstellerin überhaupt ein subjektives Recht vermittelt. Die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit als solche ist jedenfalls kein Recht des Arbeitgebers.

38(bbb) Jedenfalls verkürzte eine Erstreckung der Rechtskraft der Entscheidung in einem „einseitigen“ Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG auf verfahrensunbeteiligte Dritte deren Rechte, sofern sie zwar nicht aktuell, aber ggf. durch spätere Maßnahmen in einer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen sind. Entsprechend hat auch der Senat in seiner Entscheidung vom (- 7 ABR 27/04 - zu II 2 der Gründe) darauf verwiesen, dass Arbeitnehmer, die an dem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG nicht beteiligt waren, selbst nicht die Möglichkeit hatten, durch tatsächliches Vorbringen, Rechtsausführungen oder die Einlegung von Rechtsmitteln auf den Ausgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Mithin ist im Rahmen der Auslegung des § 18 Abs. 2 BetrVG sowie der Frage nach der Rechtskraft eines Beschlusses im Rahmen eines „einseitigen“ Verfahrens nicht allein das Recht des antragstellenden Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Fragen der Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit und der Bindungswirkung eines Beschlusses betreffen zumindest ebenso Rechte einer in der Organisationseinheit vertretenen Gewerkschaft und von Arbeitnehmern, die nach § 17 Abs. 3 BetrVG zu einer Betriebsversammlung einladen können, um einen Wahlvorstand zu bestellen. Die Ausweitung der Bindungswirkung auf diese Personen und Stellen verkürzte deren allgemeinen Justizgewährungsanspruch sowie deren Anspruch auf rechtliches Gehör.

39(ccc) Es ist nicht wegen angeblicher Rechtsschutzlücken erforderlich, dem Beschluss in einem „einseitigen“ Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG eine Bindungswirkung für Verfahrensunbeteiligte zuzugestehen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG hat ohnehin keine blockierende bzw. aufschiebende Wirkung für eine Betriebsratswahl (GK-BetrVG/Kreutz 12. Aufl. BetrVG § 18 Rn. 67; Boemke jurisPR-ArbR 36/2023 Anm. 7). Ein Arbeitgeber kann also nicht verhindern, dass bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG eine Betriebsratswahl in der jeweiligen Organisationseinheit durchgeführt wird, sofern kein Nichtigkeitsgrund einen Abbruch der Wahl rechtfertigen könnte. Im Übrigen sollen mit der Regelung des § 18 Abs. 2 BetrVG zwar unnötige Wahlanfechtungen vermieden werden (BT-Drs. I/1546 S. 43). Gegenstand und Ziel dieses Verfahrens soll aber nicht nur sein, die Voraussetzungen für eine (künftige) ordnungsgemäße Wahl von Betriebsräten zu schaffen, sondern auch Streitigkeiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder Meinungsverschiedenheiten über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats zu entscheiden (vgl. bereits  - zu II 2 c der Gründe, BAGE 68, 1). Es ist mit der Regelung nicht bezweckt, Betriebsratswahlen als solche zu verhindern, oder die hohen Anforderungen, die an einen Wahlabbruch im Wege der einstweiligen Verfügung gestellt werden, zu vermeiden. Der Gesetzgeber will vielmehr grundsätzlich die Bildung von Betriebsräten erleichtern und fördern (vgl. BT-Drs. VI/1786 S. 34). Ein betriebsratsloser Zustand soll nach der Konzeption des BetrVG lediglich bei einer nichtigen Wahl eintreten ( - Rn. 33, BAGE 138, 377).

40(cc) Schließlich geht die Argumentation der Antragstellerin mit Art. 3 Abs. 1 GG fehl. Zwar verweist sie zutreffend darauf, dass bei einem von einer der anderen Antragsberechtigten eingeleiteten Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG („jeder beteiligte Betriebsrat, jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft“) das Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zwangsläufig bestünde, denn ein solches Verfahren wäre im Hinblick auf die zwingende Anhörung des Arbeitgebers als Beteiligter iSv. § 83 Abs. 3 ArbGG kein „einseitiges“. Gerade diese verfahrensrechtliche Auswirkung rechtfertigt aber auch die verfahrensrechtliche Differenzierung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:271124.B.7ABR30.23.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-89454