Unstatthaftes Rechtsmittel - Umdeutung - unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde - Fristversäumung
Instanzenzug: ArbG Bayreuth Az: 1 Ca 295/23 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 4 SLa 29/24 Urteil
Gründe
1I. Die Parteien haben sich über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags gestritten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende - mit Urteil vom - 4 SLa 29/24 - zurückgewiesen und die Revision im Tenor der Entscheidung ausdrücklich nicht zugelassen. In Übereinstimmung damit wird in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, dass gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben sei, und auf § 72a ArbGG hingewiesen.
2Das Urteil wurde dem Kläger am zugestellt. Am legte seine Prozessbevollmächtigte Revision gegen das Berufungsurteil ein und beantragte gleichzeitig eine Fristverlängerung um einen Monat zur Begründung der Revision. Mit gerichtlichem Schreiben vom wurde der Kläger auf die Nichtzulassung der Revision im Tenor des Berufungsurteils hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Abgabe von Prozesserklärungen bis zum gegeben. Gleichzeitig erhielt er die Mitteilung, dass sodann auch über den Fristverlängerungsantrag entschieden werde.
3Mit Schriftsatz vom begehrte der Kläger die Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde. Mit einem weiteren Schriftsatz vom selben Tag legte er eine Nichtzulassungsbeschwerde ein. Zugleich erbat er erneut die bereits beantragte Fristverlängerung. Durch Beschluss der Vorsitzenden vom wurde der Antrag, die Frist zur Begründung der als Nichtzulassungsbeschwerde umzudeutenden Revision zu verlängern, abgewiesen. Der Kläger wurde zudem darüber informiert, dass die Entscheidung über die Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde dem Senat vorbehalten sei, die Abweisung des Fristverlängerungsantrags insoweit nur aus prozessualer Vorsorge erfolge und die nach Auffassung des Klägers vorsorglich am eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verfristet sei. Der Beschluss wurde dem Kläger am zugestellt.
4Nachdem der Kläger mit dem am zugestellten gerichtlichen Schreiben vom auf die Versäumung der Frist für die Begründung seines Rechtsmittels bzw. -behelfs hingewiesen worden war, legte er am selben Tag gegen den Beschluss vom Beschwerde ein und teilte mit, die Begründung werde nachgereicht. Mit gerichtlichem Schreiben vom wurde ihm eine Frist zur Begründung dieser Beschwerde und zur Abgabe von Prozesserklärungen bis zum gesetzt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass weder die Revision noch die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der gesetzlichen Fristen begründet worden und deshalb als unzulässig zu verwerfen seien.
5Mit Schriftsatz vom beantragte der Kläger erneut die Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde und begründete letztere mit einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Landesarbeitsgericht.
6II. Die Revision des Klägers ist unzulässig. Sie ist nicht statthaft und war deshalb gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG zu verwerfen.
71. Nach § 72 Abs. 1 ArbGG findet die Revision nur statt, wenn sie im Urteil des Landesarbeitsgerichts oder durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG zugelassen worden ist (vgl. zB - Rn. 11 f.; - 2 AZR 276/94 - zu II der Gründe mwN; - 2 AZR 206/86 - zu II 1 der Gründe).
82. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision in seinem Tenor ausdrücklich nicht zugelassen. Auch der Fall einer Zulassung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht ist nicht gegeben.
9III. Der Kläger hat auch keine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Revisionsschrift vom lässt zwar erkennen, dass mit ihr das Urteil des Landesarbeitsgerichts angegriffen werden soll. Gleichwohl ist weder eine Auslegung noch eine Umdeutung dahingehend möglich, dass mit ihr der allein zulässige Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden sollte.
101. Eine Auslegung der Revisionsschrift kommt nur in Betracht, wenn die abgegebene Erklärung mehrdeutig und damit auslegungsfähig ist (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. zB - Rn. 14 mwN, BAGE 164, 168). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Schriftsatz vom lässt bereits im Betreff erkennen, dass es sich um eine Revision handeln soll. Des Weiteren wird auf S. 2 in fett gedruckten Großbuchstaben, unterstrichen und deutlich vom übrigen Text abgesetzt das Rechtsmittel der „Revision“ eingelegt und gleichzeitig beantragt, die Frist zur Revisionsbegründung zu verlängern. Schließlich wird mitgeteilt, dass die Anträge der Revisionsbegründungsschrift vorbehalten werden. Da die Rechtsmittelschrift von einer Rechtsanwältin formuliert wurde, der Wortlaut eindeutig ist und das vermeintliche Ziel, die Zulassung der Revision zu erreichen, in der Revisionsschrift nicht einmal angedeutet wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das beabsichtigte Rechtsmittel lediglich falsch bezeichnet und in Wahrheit der statthafte Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt worden ist (vgl. hierzu zB B 10 ÜG 1/20 R - Rn. 4; - B 2 U 6/18 R - Rn. 4).
112. Die Revision kann - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.
12Dies scheitert bereits daran, dass beide Anfechtungen unterschiedliche Zwecke verfolgen. Zwar kommt auch im Verfahrensrecht die Umdeutung einer Prozesshandlung in entsprechender Anwendung von § 140 BGB in Betracht, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht ( - Rn. 17, BGHZ 221, 278). Nach diesen Grundsätzen scheidet allerdings eine Umdeutung eines Rechtsmittels in eine andere Rechtsmittelerklärung aus, wenn sich die beiden nicht nach Ziel und Wirkung entsprechen, sondern auf unterschiedliche Ziele gerichtet und nicht austauschbar sind. Mit einer Nichtzulassungsbeschwerde wird ausschließlich die Zulassung der Revision durch das Revisionsgericht begehrt. Die Revision selbst richtet sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts. Sie stehen damit in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander und sind nicht austauschbar. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Revision eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, die Entscheidung des Berufungsgerichts mit diesem Rechtsmittel anzugreifen (vgl. zB - Rn. 11; - IX ZR 101/67 - juris-Rn. 8; 4 B 14.18 - Rn. 7; - 6 B 50.08 - Rn. 5 und 7; - 6 B 54.05 - zu 1 b der Gründe; zum Charakter der Nichtzulassungsbeschwerde sh. auch - Rn. 5).
13IV. Selbst wenn man aber zugunsten des Klägers eine Umdeutung der Revisionseinlegung in die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde annehmen würde, wäre die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Der Kläger hat die Frist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde versäumt. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Berufungsurteils (zB - Rn. 5 mwN). Sie beträgt zwei Monate und kann, weil es sich um eine Notfrist handelt, nicht verlängert werden (§ 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG; sh. hierzu Rn. 18 f.). Da im vorliegenden Fall das angefochtene Urteil dem Kläger am zugestellt worden ist, war die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am Montag, den , um 24:00 Uhr abgelaufen. Die Begründung erfolgte am , mithin nach Fristablauf. Ein Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht erfolgt.
14V. Ungeachtet dessen erfüllen die Ausführungen im Schriftsatz vom auch nicht die Anforderungen an eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerdebegründung. Der Kläger stützt sich auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und rügt, das Landesarbeitsgericht habe es zu Unrecht unterlassen, ihn im Wege der Parteieinvernahme anzuhören.
151. Für eine Gehörsrüge gelten die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO gestellt werden. Daher sind die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes so substantiiert vorzutragen, dass allein anhand der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision geprüft werden kann (vgl. zB - Rn. 6 mwN).
162. Dies zugrunde gelegt ist die Beschwerde nicht in zulässiger Weise begründet. Der Kläger hat weder vorgetragen, überhaupt einen Antrag nach § 447 ZPO gestellt zu haben, den das Landesarbeitsgericht übergangen haben soll, noch, dass er die hierfür erforderlichen Voraussetzungen dargetan hat. Soweit er auf S. 2 der Beschwerdebegründung auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom verweist, weist dieses ein solches Begehren nicht aus. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom . Auch hier wurde ein entsprechendes Begehren des Klägers nicht protokolliert. Des Weiteren hat die Beschwerde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Parteieinvernahme von Amts wegen gemäß § 448 ZPO nicht dargelegt.
17Im Ergebnis wendet sich der Kläger mit seinen Ausführungen gegen eine seiner Auffassung nach fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht. Eine unzutreffende Rechtsanwendung - sollte sie vorliegen - stellt jedoch keinen der im Gesetz abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dar. Ihre Überprüfung kann nicht im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, sondern nur in einem zugelassenen Revisionsverfahren erfolgen (vgl. zB - Rn. 2; - 3 AZN 442/20 - Rn. 13). Daran fehlt es vorliegend.
18VI. Die Beschwerde vom gegen den das Fristverlängerungsgesuch vom abweisenden Beschluss vom ist unstatthaft und war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.
19Bei der Frist des § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG handelt es sich - worauf der Kläger in dem angefochtenen Beschluss auch hingewiesen worden ist - um eine Notfrist. Die Möglichkeit ihrer Verlängerung ist im Gesetz nicht vorgesehen und deshalb nach § 224 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO ausgeschlossen (vgl. - Rn. 9 mwN zur Notfrist des § 321a ZPO; ErfK/Koch 25. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 6; BeckOK ArbR/Klose Stand ArbGG § 72a Rn. 3 und 8; GMP/Müller-Glöge ArbGG 10. Aufl. § 72a Rn. 25 und 30 mwN).
20VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:200325.B.6AZR301.24.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-89453