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BGH Urteil v. - VIa ZR 638/22

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 15 U 137/20vorgehend Az: 2 O 1051/19

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erwarb im Oktober 2016 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz C 250 Td 4MATIC, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Er hat zuletzt den Ersatz des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Deliktszinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1) sowie die Feststellung der Erledigung des ursprünglich weitergehenden Antrags zu 1 (Berufungsantrag zu 4) begehrt. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2) sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen und die Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 3) verlangt.

3Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang weiter.

Gründe

4Die Revision des Klägers hat Erfolg.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Die Voraussetzungen für einen allein in Betracht kommenden Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB seien nicht erfüllt. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, in seinem Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen in der Weise verbaut, dass das Abgasrückführungs- und das SCR-System temperatur- oder auch drehzahlabhängig in ihrer Wirkung verringert würden und dadurch das Emissionskontrollsystem gesteuert werde, habe der Kläger ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht dargelegt. Sein neuer Vortrag zur Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR) im Berufungsverfahren sei nicht zuzulassen; im Übrigen habe er keine greifbaren Anhaltspunkte für eine prüfstandsbezogene Funktionsweise der KSR aufgezeigt.

II.

7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

81. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

92. Die Revision wendet sich allerdings mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).

10Das Berufungsgericht hat daher zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

11Der angefochtene Beschluss ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

12die erforderlichen

                                             

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250325UVIAZR638.22.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-89405