Instanzenzug: LG Duisburg Az: 2 KLs 35/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Verbreitung“ kinderpornografischer Inhalte, „Verbreitung“ jugendpornografischer Inhalte und „Erwerbs“ kinderpornografischer Inhalte in Tateinheit mit „Erwerb“ jugendpornografischer Inhalte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie Führungsaufsicht angeordnet. Von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen. Der Angeklagte wendet sich mit den nicht ausgeführten Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft, deren Revision vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet mit der Sachrüge die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Urteilsformel ersichtlichen (Teil-)Erfolg.
I.
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen besteht beim Angeklagten eine sexuelle Devianz in Form einer polymorphen Sexualstörung und pädophilen Neigung nicht ausschließlichen Typs. Nachdem er als Heimkind selbst vergewaltigt worden war, beging er ab dem Alter von 16 Jahren unter anderem Sexualdelikte zulasten von Kindern und jungen Frauen, die jeweils Inhaftierungen zur Folge hatten. So zwang er im Jahr 1981 einen Neunjährigen unter Einsatz eines Messers zum Oralverkehr und missbrauchte eine Siebenjährige. 1984 versuchte er in vier Fällen, im öffentlichen Raum Frauen zu vergewaltigen. 1988 wurde er der „versuchten Nötigung zu sexuellen Handlungen im schweren Fall in Tateinheit mit Körperverletzung“ schuldig gesprochen. Im Juni 1990 vergewaltigte er eine 21-jährige Anhalterin. Zwischen 1999 und Juli 2001 missbrauchte er die anfänglich vier, zuletzt sechs Jahre alte Tochter einer Bekannten in sechs Fällen, indem er jeweils ihren unbekleideten Intimbereich anfasste und seinen Finger in ihre Scheide einführte.
3Von Mai 2006 bis Mai 2007 beging der Angeklagte elf Übergriffe gegenüber der Tochter einer damaligen Lebensgefährtin und ihrer Freundin, von denen er jeweils Lichtbilder fertigte, um sie später zur sexuellen Stimulation zu nutzen: In sechs Fällen legte er seinen erigierten Penis zwischen die Gesäßhälften und in zwei Fällen gegen den Mund jeweils eines der schlafenden Mädchen. In einem weiteren Fall drückte er die Schamlippen und die Gesäßbacken des einen Kindes auseinander. Eines der Mädchen veranlasste er dazu, seinen erigierten Penis mit einer Grillzange zu umfassen, und zu einer anderen Gelegenheit, diesen zu küssen.
4Am verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig für die von 1999 bis 2001 begangenen Taten wegen sechsfachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. In der Haft schrieb der Angeklagte Briefe über Phantasien von schwerem sexuellen Kindesmissbrauch. Nach der Vollverbüßung bis Juli 2011 fasste er im Mai 2012 der – schlafenden – Tochter einer neuen Lebensgefährtin in drei Fällen an die Scheide und legte ihr jeweils seinen erigierten Penis in die Hand, wovon sie in einem Fall erwachte. Des Weiteren masturbierte er vor dem schlafenden Kind und ejakulierte auf dessen Schlaf-Short. Erneut fertigte er Fotos von den Geschehen. Im Juli 2014 besaß der Angeklagte zahlreiche kinderpornografische Dateien, die bei einer Durchsuchung sichergestellt wurden.
5Am verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch Widerstandsunfähiger in vier Fällen sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch Widerstandsunfähiger, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Im Oktober 2021 wurde er nach Vollverbüßung entlassen. Er zog zu einer neuen Partnerin, die er während der Haft über eine Annonce kennengelernt hatte. Ab Mai 2023 nahm er in der Öffentlichkeit heimlich Videos von Kindern und jungen Frauen auf, wobei er auf deren Gesäß und Intimbereich fokussierte. Insbesondere filmte er ein sechs bis neun Jahre altes Mädchen, das in einem Sommerkleid breitbeinig in einer Straßenbahn saß; er richtete seine Kamera über mehrere Minuten auf dessen nur mit einer Unterhose bedeckten Intimbereich.
62. Zum hiesigen Tatgeschehen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen, rechtliche Würdigungen vorgenommen und Einzelstrafen verhängt:
7a) Am schickte er über Instagram einem anderen Nutzer ein Bild, welches ein vorpubertäres Mädchen zeigte, das kniend seinen Rock hochhob und dabei seinen nackten, unbehaarten Genitalbereich entblößte. Der Angeklagte wollte hierdurch den Empfänger dazu veranlassen, ihm ebenfalls kinderpornografische Inhalte zu senden, um seine pädophile Neigung zu befriedigen (Fall II.2 der Urteilsgründe). Diesen Fall hat das Landgericht als „Verbreitung“ kinderpornografischen Materials gemäß § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB gewürdigt und den Angeklagten unter Anwendung des Strafrahmens aus dieser Vorschrift in der Fassung vom mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten belegt.
8b) Am versandte der Angeklagte in derselben Intention über Instagram ein Video an einen anderen Nutzer. Die Filmsequenz zeigte eine Jugendliche, die sich vaginal mit einer Haarbürste penetrierte, wobei ihr unbekleideter Unterkörper zu erkennen war (Fall II.3 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat ihn deshalb wegen „Verbreitung“ jugendpornografischer Inhalte auf der Grundlage des Strafrahmens aus § 184c Abs. 1 StGB ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.
9c) Ab Mai 2022, etwa ein halbes Jahr nach seiner letzten Haftentlassung, besorgte sich der Angeklagte kinder- und jugendpornografisches Material. Am hatte er wissentlich und willentlich in Speichern oder sogenannten Cache-Ordnern von zwei Mobiltelefonen 3.131 Bilder und 457 Videos abgelegt, die ein Sexualgeschehen zeigten, in das Kinder involviert waren, sowie 388 Bilder und 127 Videos, die ein solches mit Jugendlichen zum Inhalt hatten (Fall II.4 der Urteilsgründe). Die Strafkammer hat den gesamten Vorgang als eine Tat gewürdigt und den Angeklagten des tateinheitlichen „Erwerbs“ kinder- und jugendpornografischer Inhalte nach § 184b Abs. 3 StGB schuldig gesprochen. Unter Anwendung des Strafrahmens aus § 184b Abs. 1 Satz 1 StGB in der Fassung vom hat es ihn deshalb zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
103. Die Strafkammer hat Führungsaufsicht angeordnet, um „sicherzustellen, dass der Lebenswandel des Angeklagten nach der Haftentlassung kontrolliert wird und so effektiv verhindert werden kann, dass er es schafft, eine Beziehung zu Kindern im sozialen Nahbereich aufzubauen und diesen gefährlich zu werden“.
114. Hinsichtlich der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB hat das Landgericht die formalen Voraussetzungen und den Hang des Angeklagten als gegeben erachtet, jedoch dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit verneint. Dies hat es maßgeblich damit begründet, dass seine Sexualdelinquenz remittiere, er seit 2012 an einer erektilen Dysfunktion leide und es „nach der Entlassung aus der ihm nunmehr drohenden Strafhaft“ sowie dem damit einhergehenden „steigenden Alter“ für ihn schwieriger werde, sich Kindern anzunähern. Außerdem wirkten seine aktuelle Partnerin und die angeordnete Führungsaufsicht insoweit protektiv. Im Rahmen letzterer könne ihm „beispielsweise aufgegeben werden, seinen Wohnsitz nicht in unmittelbarer Nähe zu Kindern aufzusuchen“.
II.
Revision des Angeklagten
12Die auf die Sachrüge des Angeklagten veranlasste umfassende materiellrechtliche Prüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs (1.) und deckt Rechtsfehler im Strafausspruch (2.) sowie hinsichtlich der Anordnung der Führungsaufsicht (3.) auf, die das Urteil insoweit zu Gunsten des Angeklagten zu Fall bringen. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
131. Der Schuldspruch bedarf in mehrfacher Hinsicht der Änderung.
14a) Soweit das Landgericht in Fall II.2 der Urteilsgründe das Weiterleiten des Bildes an einen (einzigen) Nutzer rechtsfehlerfrei als Verstoß gegen § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB gewürdigt hat, unterfällt dies der Tathandlung „Drittbesitzverschaffung“ kinderpornografischer Inhalte. Ein „Verbreiten“ liegt nur dann vor, wenn der Täter die Inhalte im Sinne des § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zugänglich macht (s. etwa , juris Rn. 3; Urteil vom – 3 StR 350/20, juris Rn. 14). Entsprechendes gilt für Fall II.3 der Urteilsgründe hinsichtlich der jugendpornografischen Inhalte.
15b) Soweit die Strafkammer den Angeklagten in Fall II.4 der Urteilsgründe wegen „Erwerbs“ der inkriminierten Inhalte verurteilt hat, wäre ein Sichverschaffen nach § 184b Abs. 3 Variante 2, § 184c Abs. 3 Variante 2 StGB (zur Tenorierung s. , juris Rn. 15 mwN; zur Abgrenzung zum „Abrufen“ gemäß § 184b Abs. 3 Variante 1 StGB s. BT–Drucks. 18/2601, S. 34; BeckOK StGB/Ziegler, 64. Ed., § 184b Rn. 19; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 184b Rn. 29) anzunehmen, wenn sich die einzelnen Verschaffungsakte konkret und tragfähig hätten feststellen lassen. Dies ist aber nicht der Fall. Bekannt ist nur ein Zeitraum von 14 Monaten, innerhalb dessen der Angeklagte die Bilder und Videos sammelte. Er ist hierfür deshalb nach den Auffangtatbeständen des Besitzes kinder- sowie jugendpornografischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 Variante 3, § 184c Abs. 3 Variante 3 StGB zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 264/19, NStZ–RR 2020, 172, 173 f.; vom – 1 StR 350/24, juris Rn. 5; zur Parallele im Betäubungsmittelrecht s. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 892).
16c) Konkurrenzrechtlich liegt insgesamt nur eine Tat vor (§ 52 StGB). Denn die Urteilsgründe sind dahin zu verstehen, dass sich die beiden in den Fällen II.2 und II.3 der Urteilsgründe vom Angeklagten verschickten Dateien unter den am auf seinen Datenträgern gespeicherten befanden oder jedenfalls einige der von Fall II.4 der Urteilsgründe erfassten Inhalte bereits zu den Zeitpunkten der beiden Drittbesitzverschaffungstaten im Mai/Juni 2023 im Besitz des Angeklagten waren. Deshalb überschneiden sich der Besitz und die zwei Instagram-Posts in ihren tatbestandlichen Ausführungshandlungen. Somit gilt:
17aa) Der zeitgleiche Besitz von einer anderen Person zugänglich gemachten und weiteren kinderpornografischen Inhalten verknüpft beide Delikte zu einer einheitlichen Tat. Zwar verdrängt die prinzipiell härter bestrafte Begehungsweise nach § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB grundsätzlich diejenige des Besitzes solcher Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 StGB als subsidiären Auffangtatbestand. Dies betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Zugänglichmachung und zudem nur die zugänglich gemachten Dateien. Geht der Besitz in zeitlicher und quantitativer Hinsicht über den – für das Zugänglichmachen erforderlichen – Besitz hinaus, tritt das Dauerdelikt des Besitzes tateinheitlich neben das jeweilige Verbreitungsdelikt. Dabei liegt dem Besitz mehrerer kinderpornografischer Inhalte ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3 StGB zu Grunde. Bei gleichzeitigem Besitz von einer anderen Person zugänglich gemachten kinder- beziehungsweise jugendpornografischen Inhalten – hier in den Fällen II.2 und II.3 der Urteilsgründe – und weiterem, darüber hinausgehend gespeichertem Material bleibt danach für eine tatmehrheitliche Verurteilung kein Raum. Der der Verbreitung nachfolgende Besitz ist nicht als eigenständige materiellrechtliche Tat zu beurteilen; denn für die Fortsetzung der Speicherung bedurfte es keines neuen Tatentschlusses, aufgrund dessen eine tatmehrheitliche Tatbegehung anzunehmen wäre (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 180/18, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 2 Rn. 15; vom – 1 StR 424/21, NStZ 2022, 407 Rn. 6; vom – 4 StR 309/24, juris Rn. 6).
18bb) Ob der überdauernde Besitz von kinderpornografischem Material dazu in der Lage ist, mehrere Verbreitungs- beziehungsweise Drittbesitzverschaffungstaten zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zu verbinden, richtet sich nach den Grundsätzen der Klammerwirkung. Danach kann das dritte Delikt weitere an sich selbständige Taten verklammern, wenn es mit ihnen idealkonkurriert und zwischen dem dritten und jedenfalls einem der anderen Delikte annähernde Wertgleichheit besteht. Eine Klammerwirkung ist nur zu verneinen, soweit das Dauerdelikt in seinem Unwert deutlich hinter zumindest zwei für sich gesehen selbständigen Straftaten zurückbleibt, mit denen es jeweils in teilidentischen Ausführungshandlungen zusammenfällt (st. Rspr.; s. grundlegend , BGHSt 31, 29; Urteil vom – 3 StR 189/24, NJW 2025, 456 Rn. 14 mwN).
19Der Besitz von kinderpornografischen Inhalten ist danach nicht in der Lage, mehrere Verbreitungs- beziehungsweise Drittbesitzverschaffungstaten nach § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StGB zu verklammern. Denn der Tatbestand des Besitzes bleibt in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung zum Ausdruck kommt, hinter demjenigen der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte zurück (st. Rspr.; s. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 180/18, juris Rn. 21; vom – 4 StR 309/24, juris Rn. 8 zum Verbreiten; vom – 3 StR 301/23, NStZ–RR 2024, 76 f.; vom – 4 StR 132/24, juris Rn. 4 zum Herstellen).
20Anders liegt es im Hinblick auf die Drittbesitzverschaffung jugendpornografischer Inhalte (Fall II.3 der Urteilsgründe). Der im Tatzeitraum geltende Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB (ein bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) übersteigt ebenso wie der aktuelle (drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) denjenigen des § 184c Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) deutlich. Der Besitz kinderpornografischen Materials wiegt mithin schwerer als die Drittbesitzverschaffung jugendpornografischer Inhalte.
21Daraus folgt, dass der Angeklagte mit Fall II.2 der Urteilsgründe lediglich eine Straftat beging, die höheres Gewicht hatte als das Delikt, mit dem die zwei für sich gesehen selbstständigen Straftaten jeweils in teilidentischen Ausführungshandlungen zusammenfielen. Er ist deshalb insgesamt nur einer materiellrechtlichen Tat strafbar, und zwar der Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Inhalte in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffung jugendpornografischer Inhalte und mit Besitz kinder- und jugendpornografischer Inhalte. Entsprechend ist der Schuldspruch zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
222. Die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen unterliegen bereits aus diesem Grund der Aufhebung. Sie begegnen allerdings auch für sich genommen Bedenken, weshalb die Festsetzung der bisherigen Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe nicht in Betracht kommt.
23Denn in den Fällen II.2 und II.4 der Urteilsgründe hat das Landgericht seiner Strafzumessung § 184b Abs. 1 Satz 1 StGB in der Fassung vom und damit einen Strafrahmen von einem bis zehn Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt, anstatt in Fall II.4 die Strafandrohung aus § 184b Abs. 3 StGB (damals ein bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) anzuwenden. Außerdem ist am das Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte vom (BGBl. 2024 I Nr. 213) in Kraft getreten. Hierdurch wurden die Mindestfreiheitsstrafen der Vorschrift von einem Jahr auf sechs (§ 184b Abs. 1 Satz 1 StGB) beziehungsweise drei Monate (§ 184b Abs. 3 StGB) herabgesetzt. Diese Neuregelung ist für den Angeklagten günstiger und deshalb im Revisionsverfahren gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen (vgl. etwa , juris Rn. 3).
24In Ansehung der nunmehr anzuwendenden Strafrahmen ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht, hätte es die drei Fälle rechtlich zutreffend als eine Tat gewertet, für diese eine geringere Einzelstrafe als drei Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe festgesetzt hätte. Ob es sich darüber hinaus als rechtsfehlerhaft darstellt, dass die Strafkammer in Fall II.3 der Urteilsgründe auf der Grundlage des Strafrahmens aus § 184c Abs. 1 StGB – Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe – die gleiche Einzelstrafe verhängt hat wie für das damals als Verbrechen eingestufte Geschehen in Fall II.2 der Urteilsgründe, ohne diese Gleichbehandlung zu erläutern, kann danach dahinstehen.
253. Die Anordnung von Führungsaufsicht unterliegt der Aufhebung, weil sie bei der Verhängung einer mehrjährigen (Gesamt-)Freiheitsstrafe jedenfalls wegen in § 181b StGB genannter Straftaten in der Regel entbehrlich ist. Hierzu zählen die nach § 184b StGB strafbaren Geschehen zu II.2 und 4 der Urteilsgründe. In derartigen Fällen greifen bei der Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft entweder § 57 StGB (bei Aussetzung des Strafrests) oder § 68 Abs. 2, § 68f Abs. 1 StGB (bei Vollverbüßung) ein, so dass staatliche Hilfestellung und Kontrolle in Form von Bewährungs- oder Führungsaufsicht kraft Gesetzes ohnehin gewährleistet sind (vgl. , BGHR StGB § 256 Führungsaufsicht 1; vom – 2 StR 597/18, NStZ-RR 2019, 223; Beschluss vom – 4 StR 488/99, juris Rn. 5). Dass das Landgericht sich bei der Ermessensentscheidung nach § 68 Abs. 1 StGB dieser Grundsätze bewusst gewesen ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
264. Die jeweils zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
III.
Revision der Staatsanwaltschaft
27Auf die Revision der Staatsanwaltschaft sind ebenfalls die Strafen und die Anordnung der Führungsaufsicht aufzuheben (1.). Überdies hat die Entscheidung über die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung keinen Bestand (2.).
281. Der Strafausspruch und die Anordnung der Führungsaufsicht sind von der Revision der Staatsanwaltschaft umfasst.
29a) Zwar hat die Staatsanwaltschaft lediglich die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung angegriffen. Die Beschränkung des Angriffs ist auch wirksam, was die Herausnahme des Schuldspruchs vom Rechtsmittel anbelangt. Die fehlerhafte Subsumtion des Tatgerichts steht dem nicht entgegen (vgl. , juris Rn. 10; vom – 3 StR 412/21, NStZ–RR 2022, 290, 291).
30Jedoch kann der Strafausspruch vorliegend nicht vom Rechtsmittel ausgenommen werden. Denn der Grundsatz, dass zwischen Strafe und Maßregel keine Wechselwirkung besteht, gilt nicht, wenn das Tatgericht beide Rechtsfolgen in einen inneren, ihre getrennte Prüfung ausschließenden Zusammenhang gesetzt hat (st. Rspr.; s. etwa , NStZ-RR 2020, 339, 340; vom – 5 StR 616/19, juris Rn. 24; vom – 3 StR 327/20, juris Rn. 11, jeweils mwN). So liegt es hier: Die Strafkammer hat die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit unter anderem aufgrund der Höhe der zu verbüßenden Gesamtfreiheitsstrafe verneint. In einem solchen Fall ist die Beschränkung auf die Nichtanordnung der Maßregel unwirksam, und das Rechtsmittel erstreckt sich auch auf die verhängte Strafe.
31Die Anordnung der Führungsaufsicht ist im Hinblick auf die rechtliche Verbindung und Wechselwirkung aller Maßregeln untereinander (§ 72 StGB) ohnehin vom Angriff der Staatsanwaltschaft erfasst (vgl. , juris Rn. 19; vom – 3 StR 66/20, NStZ-RR 2020, 339, 341; vom – 4 StR 23/24, juris Rn. 23 mwN).
32b) Danach sind die Aussprüche über die Strafe und die Anordnung der Führungsaufsicht – zugunsten des Angeklagten – auch auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft aufzuheben (§ 301 StPO). Hierzu wird auf die obigen Ausführungen unter II.2. und 3. verwiesen. Ein durchgreifender Rechtsfehler, der den Angeklagten begünstigt, hat sich insoweit nicht ergeben.
332. Anderes gilt für die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung.
34a) Die formalen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 und 3 StGB hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Soweit der Angeklagte am wegen elf (UA 5) beziehungsweise 15 (UA 15) Fällen des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde, lässt sich dem Gesamtzusammenhang des Urteils entnehmen, dass dem die Taten aus den Jahren 2006 bis 2007 und Mai 2012 zugrunde lagen.
35b) Auch die Annahme eines eingeschliffenen Verhaltens zum sexuellen Missbrauch von Kindern und damit eines Hangs zur Begehung erheblicher Taten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB ist nachvollziehbar begründet und begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat insoweit mit dem Sachverständigen unter anderem die langjährige Sexualdelinquenz und die Vielzahl von Taten gewürdigt. Dabei hat es im Blick gehabt, dass der Angeklagte nach 2012 keine „Hands–on–Delikte“ mehr verübte, wenngleich er seither nur kurze Zeit auf freiem Fuß war.
36c) Vor diesem Hintergrund trifft die Ablehnung der Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit auf durchgreifende Bedenken. Denn die vom Landgericht angestellte Prognose lässt nicht hinreichend erkennen, weshalb sich der Angeklagte trotz seines Hangs in Zukunft erheblicher Straftaten wird enthalten können.
37aa) Die Strafkammer hat im Ansatz zutreffend erkannt, dass ein Hang des Täters regelmäßig die Wahrscheinlichkeit neuer erheblicher Straftaten belegt. Je eingeschliffener das hangbegründende Verhaltensmuster ist, desto höher ist die Gefahr, die vom Angeklagten ausgeht. Deshalb sind Hangtäter im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nur ausnahmsweise nicht gefährlich für die Allgemeinheit. Eine solche Ausnahme kann etwa dann gegeben sein, wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Urteil neue Umstände eingetreten sind, welche die Wahrscheinlichkeit zukünftiger erheblicher Taten entfallen lassen (st. Rspr.; s. etwa , BGHSt 50, 188, 196; vom – 1 StR 530/06, NStZ 2007, 464 Rn. 5; vom – 1 StR 594/14, juris Rn. 30; vom – 4 StR 511/18, NStZ–RR 2020, 10, 12; vom – 5 StR 364/20, juris Rn. 16, jeweils mwN; s. auch BeckOK StGB/Ziegler, 64. Ed., § 66 Rn. 16).
38bb) Vom Vorliegen einer derartigen Ausnahme angesichts neuer Umstände ist das Landgericht ausgegangen. Es hat letztere vor allem in der angeordneten Führungsaufsicht, dem fortschreitenden Alter des Angeklagten und seiner aktuellen Partnerin erblickt; alle drei Faktoren würden seine Annäherung an Kinder künftig erschweren. Dies ist allerdings angesichts des aufgezeigten Regel-Ausnahme-Verhältnisses im Urteil nicht nachvollziehbar begründet.
39Was die Führungsaufsicht anbelangt, so ist dieser Umstand nicht „neu“. Die Strafkammer hat insoweit nicht bedacht, dass der Angeklagte seit 2011 nach jeweils vorangegangener Vollverbüßung durchgehend unter Führungsaufsicht stand und sogar Teilnehmer eines speziellen Rückfallverhinderungsprogramms („KURS“) war, ohne dass hierdurch die seither von ihm begangenen vielfachen Taten hätten abgewendet werden können. Es ist ihm vielmehr ohne Weiteres gelungen, seine Annäherung an Kinder und die daraus folgende Delinquenz vor den Aufsichtführenden zu verbergen. Deshalb lassen die Urteilsausführungen besorgen, dass das Landgericht die rechtlichen und tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Maßregel auf den Angeklagten überschätzt hat. Im Übrigen hat es die Erteilung der schon mangels hinreichender Bestimmtheit ersichtlich unwirksamen Weisung erwogen, seinen Wohnsitz nicht in der Nähe von Kindern „aufzusuchen“.
40Gleichen Bedenken begegnet, dass die Strafkammer der aktuellen Lebensgefährtin protektive Wirkung beigemessen hat. Denn der Angeklagte war während sämtlicher seit 1999 begangener Delikte fest mit (verschiedenen) Frauen liiert, ohne dass dies erkennbaren Einfluss auf seine Delinquenz gehabt hätte. Soweit das Landgericht betont hat, die Freundin habe „nunmehr“ Kenntnis von der pädophilen Neigung des Angeklagten, hat es in die Bewertung nicht eingestellt, dass sie den Angeklagten als wegen Kindesmissbrauchs zu knapp sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Insassen einer Haftanstalt kennenlernte. Hinzu kommt, dass die neue Partnerschaft jedenfalls die abgeurteilte Tat und die Filmaufnahmen von Kindern und jungen Frauen im öffentlichen Raum nicht verhinderte. Außerdem erläutern die Urteilsgründe nicht, weshalb davon auszugehen ist, dass die noch junge Beziehung die jetzige Inhaftierung überstehen wird. Angesichts des Umstands, dass der Angeklagte seine Partnerinnen in der Vergangenheit häufig wechselte, erklärt sich dieser Umstand nicht von selbst.
41Das fortgeschrittene Lebensalter allein ist schließlich ebenfalls nicht geeignet, die mit dem Hang grundsätzlich einhergehende Gefährlichkeit entscheidend abzumildern. Zwar mag es zutreffen, dass der Angeklagte sich dadurch schwieriger Müttern von vorpubertären Kindern nähern kann. Die hierfür erforderlichen sozialen Fähigkeiten besitzt er nach Einschätzung des Sachverständigen jedoch nach wie vor.
42d) Die Entscheidung über das Absehen von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung unterliegt deshalb der Aufhebung.
43Der aufgezeigte Rechtsfehler erfasst auch das Absehen vom Vorbehalt dieser Maßregel nach § 66a Abs. 1 StGB. Deren Voraussetzungen zu prüfen, hat das Landgericht in Gänze unterlassen. Hierzu hätte aber Anlass bestanden. Denn anders als § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB fordert der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht die sichere Feststellung der hangbedingten Gefährlichkeit, sondern lässt es ausreichen, dass deren Vorliegen wahrscheinlich ist (vgl. BT–Drucks. 17/3403, S. 15 und 26; , BGHR StGB § 66a Abs. 1 Nr. 3 nF Voraussetzungen 1 Rn. 4 mwN; Urteil vom – 3 StR 300/18, NStZ-RR 2019, 140, 141).
44Zugleich sind die zugehörigen Feststellungen aufzuheben, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige und widerspruchsfreie Entscheidung über die Maßregel zu ermöglichen.
45Sollte auch die neue Strafkammer in ihre Abwägung einstellen wollen, dass der Angeklagte seit 2012 an einer dauerhaften Potenzstörung leidet, wird sie Gelegenheit dazu haben, diese Feststellung beweiswürdigend zu belegen. Insoweit wird gegebenenfalls zu bedenken sein, dass das Tatgericht schon dann nicht ohne Weiteres zu Gunsten des Angeklagten von der Richtigkeit von dessen Angaben ausgehen darf, wenn das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte hierfür erbracht hat (st. Rspr.; s. etwa , NStZ 2023, 494 Rn. 34 mwN). Vorliegend könnte sogar Gegenteiliges aus den im Mai 2012 begangenen Taten folgen, bei denen der Angeklagte – fotografisch dokumentiert – seinen erigierten Penis einsetzte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230125U3STR351.24.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-89289