Instanzenzug: Az: 1 Sch 1/24
Gründe
1A. Die Antragstellerin, eine Vereinigung von Sortenschutzinhabern, wurde von den Inhabern der P. (nachfolgend: P. ) zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Auskunftserteilung und Bucheinsicht ermächtigt.
2Unter dem schlossen 18 Züchter, unter anderem die P. , mit dem Antragsgegner einen Vertrag über die Organisation der Vermehrung sowie über die Gewährung einer Vertriebslizenz für Getreide und Grobkörnige Leguminosen (nachfolgend: Vertrag). Der Antragsgegner wurde dadurch mit der Vermehrung und dem Vertrieb von bestimmtem Saatgut beauftragt. § 8 des Vertrags sieht eine Buchführungspflicht des Antragsgegners, ein Recht der Antragstellerin zur Einsicht in diese Unterlagen und zu deren Prüfung sowie ein Vertragsstrafeversprechen des Antragsgegners für den Fall der schuldhaften Verweigerung der Einsichtsgewährung vor. In § 10 des Vertrags findet sich eine Schiedsklausel.
3In den Jahren 2020 und 2021 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner mehrfach zur Auskunftserteilung auf. Vereinbarte Überprüfungstermine fanden nicht statt oder konnten nicht abgeschlossen werden. Im Juli 2022 machte die Antragstellerin vor dem Schiedsgericht für bestimmte Jahre und Sorten aus dem Vertrag Ansprüche auf Einblick in die Buchhaltung des Antragsgegners geltend.
4Seit dem Jahr 2021 ist gegen den Antragsgegner ein Ermittlungsverfahren anhängig. Am stellte die P. Strafanzeige und Strafantrag gegen ihn (nachfolgend: Strafanzeige) und trat dem Ermittlungsverfahren als Nebenklägerin bei. Hintergrund hierfür war die Mutmaßung, er könnte die Sortenschutzrechte der P. beeinträchtigt und dadurch Strafnormen, insbesondere § 39 SortSchG, verletzt haben.
5Nach einem Anerkenntnis des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am erließ dieses am einen Schiedsspruch, mit dem es den Antragsgegner zur Gewährung von Einsicht in seine Buchhaltung und Aufzeichnungen (nachfolgend auch: Duldung einer Buchprüfung) und zur Zahlung eines Betrags von 400 € nebst Zinsen verurteilte.
6Mit Anwaltsschreiben vom teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, er habe Anfang Januar 2024 im Rahmen einer erweiterten Akteneinsicht in dem Ermittlungsverfahren Kenntnis davon erlangt, dass die P. bereits am gegen ihn Strafantrag gestellt und den Anschluss als Nebenklägerin erklärt habe. Da der Grundsatz "nemo tenetur" gelte, werde während eines laufenden Ermittlungsverfahrens, an dem die P. beteiligt sei, keinerlei Akteneinsicht gemäß dem Schiedsspruch gewährt. Mit Anwaltsschreiben vom , vom unter Beifügung einer Vollmacht sowie vom erklärte der Antragsgegner die Anfechtung sämtlicher im Schiedsverfahren abgegebener Willenserklärungen wegen arglistiger Täuschung.
7Die Antragstellerin hat vor dem Oberlandesgericht einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gestellt. Der Antragsgegner hat die Zurückweisung dieses Antrags sowie die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt.
8Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er seinen Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs weiterverfolgt. Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
9B. Das Oberlandesgericht hat angenommen, es verstoße nicht gegen den ordre public, dass sich der Antragsgegner durch die Erteilung der Auskunft selbst belasten könnte. Der nemo-tenetur-Grundsatz könne nicht auf das Anerkenntnis in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am übertragen werden. Über die Behauptung hinaus, er setze sich möglicherweise durch Gewährung der Akteneinsicht einer Strafverfolgung aus, habe der Antragsgegner nichts vorgetragen, was für eine Anwendung des nemo-tenetur-Grundsatzes spreche. Bereits im Rahmen des gesetzlichen Auskunftsrechts nach § 37b SortSchG befreie die Gefahr, sich selbst oder einen Dritten in strafrechtlich relevanter Weise zu belasten, nicht von der Auskunftspflicht, sondern dürften Erkenntnisse wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten in einem Strafverfahren nur mit dessen Zustimmung verwertet werden. Dies müsse erst recht für die vorliegende vertragliche Auskunftspflicht gelten. Die Frage nach einer Beschränkung der Hoheitsgewalt zum Schutz der Grundrechte des Antragsgegners stelle sich erst auf der prozessualen Ebene, wo der Staat seine Hoheitsgewalt repressiv einsetze, um die Auskunft im Interesse des Gläubigers zu erzwingen.
10Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB sei nicht gegeben. Der Einwand des Antragsgegners, es liege eine zur Anfechtung berechtigende arglistige Täuschung vor, gehe fehl. Es fehle an der hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung im Sinn des § 123 Abs. 1 Fall 1 BGB. Dabei könne unterstellt werden, dass der Antragsgegner das Anerkenntnis im Fall einer Unterrichtung über das weitere Motiv der Antragstellerin nicht abgegeben hätte. Der Antragsgegner habe seiner Darlegungs- und Beweislast für zur Anfechtung berechtigende Umstände nicht genügt. Er habe Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren und den vergeblichen Bemühungen der Antragstellerin, Einsicht zu erhalten, gehabt und hätte deshalb selbst erkennen können, dass ein Interesse der Verwertung der Auskünfte auch im Ermittlungsverfahren bestehen könnte. Der Antragsgegner habe die Gewährung der Einsicht erwarten können, jedenfalls soweit es - wie hier - nur um Auskünfte gehe, zu deren Erteilung er sich vertraglich verpflichtet habe. Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn sich der Antragsgegner am zu einer darüber hinaus gehenden Auskunft verpflichtet hätte. Da bei einem Verstoß gegen Sortenschutzrechte gleichzeitig ein Verstoß gegen das Saatgutverkehrsgesetz vorliegen könne, würde das in dem Vertrag vereinbarte und außerdem gesetzlich verankerte Einsichtsrecht entwertet, wollte man eine Anfechtung des Anerkenntnisses zulassen. Es könne auch keinen Unterschied machen, ob aufgrund eines vertraglichen Auskunftsrechts ein Schiedsspruch nach Anerkenntnis oder eine Verurteilung zur Einsichtsgewährung durch das nicht an den Grundsatz des "nemo tenetur" gebundene Schiedsgericht ausgesprochen werde.
11Aufhebungsgründe im Sinn des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO seien nicht zu berücksichtigen, da sie nicht geltend gemacht worden seien.
12Der Aufhebungsantrag des Antragsgegners sei zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
13C. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) und - bezogen auf die Vollstreckbarerklärung seiner Verpflichtung zur Duldung einer Prüfung seiner Buchhaltung - auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1, § 575 ZPO). Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unzulässig. Soweit sie zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.
14I. Mit Recht hat das Oberlandesgericht die vom Schiedsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners zur Duldung einer Prüfung seiner Buchhaltung für vollstreckbar erklärt.
151. Der Schiedsspruch ist nicht wegen von Amts wegen zu berücksichtigender Aufhebungsgründe des § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, insbesondere nicht wegen eines Verstoßes gegen den ordre public gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO, aufzuheben.
16a) Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO kann ein Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn das Gericht feststellt, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Die öffentliche Ordnung steht der Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs in Deutschland entgegen, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen (vgl. , SchiedsVZ 2018, 53 [juris Rn. 55]; Beschluss vom - I ZB 31/21, SchiedsVZ 2022, 237 [juris Rn. 13]; Beschluss vom - KZB 75/21, BGHZ 234, 288 [juris Rn. 13]).
17b) Dem Schiedsspruch ist nicht deswegen die Vollstreckbarerklärung zu versagen, weil er durch eine Straftat erwirkt worden wäre.
18aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht das Vorliegen eines Restitutionsgrunds nach § 580 ZPO dem Vorliegen eines Aufhebungsgrunds nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO gleich. Allerdings müssen hierfür auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen der §§ 581, 582 ZPO erfüllt sein. Wird der Restitutionsgrund des § 580 Abs. 4 ZPO geltend gemacht, der voraussetzt, dass das Urteil von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist, muss demnach auch die Voraussetzung des § 581 Abs. 1 ZPO erfüllt sein, dass wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann (vgl. , BGHZ 145, 376 [juris Rn. 15 bis 18]; BGH, SchiedsVZ 2018, 53 [juris Rn. 55 und 58]). Auch hierfür gilt - wie stets im Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren (vgl. , SchiedsVZ 2022, 228 [juris Rn. 53]; Beschluss vom - I ZB 41/22, WM 2023, 567 [juris Rn. 34]) - der Beibringungsgrundsatz.
19bb) Die Rechtsbeschwerde behauptet nicht, Vertreter der Antragstellerin seien rechtskräftig wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) verurteilt worden oder es bestünden insoweit Strafverfolgungshindernisse im Sinn des § 581 Abs. 1 ZPO.
20c) Der Einwand einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) steht einer Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ebenfalls nicht entgegen.
21aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schiedsspruch auch dann nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO aufzuheben, wenn die Erwirkung des Schiedsspruchs oder das Gebrauchmachen von diesem Titel nach den für die Anwendung von § 826 BGB auf ein Urteil staatlicher Gerichte geltenden Maßstäben als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung zu werten ist (vgl. BGHZ 145, 376 [juris Rn. 19]; BGH, SchiedsVZ 2018, 53 [juris Rn. 55 und 60]). Nach § 826 BGB zu versagen ist einem Gläubiger die Vollstreckung eines rechtskräftigen, aber materiell unrichtigen Titels in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen, in denen es mit dem Gerechtigkeitsempfinden schlechthin unvereinbar wäre, dass er seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt. Das setzt neben der materiellen Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels und der Kenntnis des Gläubigers hiervon zusätzliche besondere Umstände voraus, die die Erlangung oder die Ausnutzung des Vollstreckungstitels als sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH, SchiedsVZ 2018, 53 [juris Rn. 60]; , NJW 2023, 2721 [juris Rn. 19], jeweils mwN).
22Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner weiß oder damit rechnet, dass dem Gläubiger hierdurch Nachteile entstehen. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, SchiedsVZ 2018, 53 [juris Rn. 61]; , NJW 2024, 1222 [juris Rn. 34], jeweils mwN).
23bb) Die Erwirkung des Schiedsspruchs und das Gebrauchmachen davon stellt im Streitfall nicht deswegen eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Antragsgegners im Sinn des § 826 BGB dar, weil die Antragstellerin zuvor am Strafanzeige gegen ihn gestellt und dies weder bei Abgabe des dem Schiedsspruch zugrundeliegenden Anerkenntnisses in der mündlichen Verhandlung vom noch bis zum Erlass des Schiedsspruchs offengelegt hat.
24(1) Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte anfängliche Nichtigkeit des zwischen den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am abgegebenen Anerkenntnisses nach erfolgreicher Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 Fall 1, § 124 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB) hätte für sich genommen noch keine Auswirkungen auf den danach erlassenen Schiedsspruch. Allerdings können die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte bei der Prüfung des § 826 BGB berücksichtigt werden.
25(a) Das Anerkenntnis als Prozesshandlung im Verfahren vor einem staatlichen Gericht ist grundsätzlich unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389 [juris Rn. 8 f.]; Urteil vom - X ZR 33/20, NJW-RR 2021, 1505 [juris Rn. 22]). Beim Anerkenntnis eines einmalig zu erfüllenden Anspruchs (zu Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen vgl. , NJW 2024, 593 [juris Rn. 30] mwN) ist ein Widerruf ausnahmsweise möglich, wenn ein Restitutionsgrund vorliegt (vgl. , NJW 1993, 1717 [juris Rn. 15]). Ferner kann die Berufung auf ein Anerkenntnis treuwidrig sein, wenn die Verurteilung der materiellen Rechtslage nicht entspräche und die Unrichtigkeit dem Kläger bekannt ist oder eine Partei durch ihr Verhalten für den anderen Teil einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 1505 [juris Rn. 26 f. und 30]).
26(b) Diese Fragen stellen sich vorliegend jedoch nicht, weil die Zivilprozessordnung den (einfachen) Schiedsspruch und den Schiedsspruch mit vereinbarten Wortlaut im Sinn des § 1053 ZPO, aber keinen speziellen "Anerkenntnisschiedsspruch" vorsieht (vgl. Voit in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl., § 1042 Rn. 16 f.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 18 Rn. 15; Lachmann, Handbuch der Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. Rn. 1800 und 1807; im Grundsatz auch MünchKomm.ZPO/Münch, 6. Aufl., § 1056 Rn. 16 f.). Unabhängig davon, ob das Schiedsgericht einen (einfachen) Schiedsspruch oder einen - von ihm allerdings nicht so bezeichneten - Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wollte, kommt diesem die Rechtskraftwirkung des § 1055 ZPO zu (zur Trennung zwischen materiell-rechtlichem Vergleichsvertrag und Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vgl. MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1053 Rn. 43; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 1053 Rn. 13; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 1053 Rn. 7, 19, 26; Saenger/Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 1053 Rn. 5; Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 301; Gottwald in Festschrift Schlosser, 2001, S. 31, 39; Spohnheimer in Festschrift Kaissis, 2012, S. 933, 934). Die Aufhebung eines Schiedsspruchs setzt das Vorliegen eines Aufhebungsgrunds nach § 1059 Abs. 2 ZPO voraus.
27(c) Das hindert aber nicht, die für die Beurteilung der Anfechtbarkeit des Anerkenntnisses als materiell-rechtliche Willenserklärung (und gegebenenfalls auch als Prozesshandlung, vgl. MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1056 Rn. 16 f.) maßgebliche Frage, ob die Antragstellerin eine Pflicht traf, den Antragsgegner vor Abgabe des Anerkenntnisses über die bereits gestellte Strafanzeige aufzuklären, auch bei der im Rahmen der Prüfung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO, § 826 BGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, ob die Erwirkung des Schiedsspruchs oder das Gebrauchmachen von diesem Titel eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung darstellt.
28(2) Bei Vertragsverhandlungen besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Allerdings besteht auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise erwarten darf (, NJW 2010, 3362 [juris Rn. 21 f.]; Urteil vom - V ZR 77/22, BGHZ 238, 179 [juris Rn. 24], jeweils mwN).
29(3) Die Rechtsbeschwerde macht im Wesentlichen geltend, die Antragstellerin beabsichtige, eine vom Antragsgegner aufgrund des Schiedsspruchs erteilte Auskunft den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen, um den bereits erhobenen Verdacht näher darzulegen, er habe sich nach § 39 SortSchG strafbar gemacht. Diese Vorschrift stellt bestimmte vorsätzliche Sortenschutzverstöße unter Strafe. Das Vorbringen der Rechtsbeschwerde trägt die Annahme einer Aufklärungspflicht der Antragstellerin jedoch nicht.
30(a) Soweit keine anderen Motive erkennbar werden, ist anzunehmen, dass der Zweck eines Anerkenntnisses in der Beendigung des Streits über die vor dem Schiedsgericht anhängigen Ansprüche ohne streitige Entscheidung des Schiedsgerichts liegt. Dass die von der Antragstellerin erstattete Strafanzeige diesen Zweck vereiteln könnte, ist nicht ersichtlich. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Anerkenntnis habe dazu gedient, das Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner auch für die Zukunft zu befrieden, zeigt sie bereits nicht auf, wie dieser Zweck im Anerkenntnis oder im Schiedsspruch Ausdruck gefunden hätte. Mit Blick auf die Antragstellerin erscheint ein solcher Zweck schon deswegen unplausibel, weil er auf ein Absehen von der Geltendmachung weiterer zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Antragsgegner, etwa auf Unterlassung und Schadensersatz wegen einer Überschreitung der Lizenz und der sonst durch den Vertrag eingeräumten Rechte, ohne Berücksichtigung des Ergebnisses der begehrten Buchprüfung hinausliefe.
31(b) Unabhängig davon musste der Antragsgegner auch mit Blick auf die vom Oberlandesgericht festgestellten und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen zeitlichen Abläufe mit einem strafrechtlichen Vorgehen der Antragstellerin gegen ihn rechnen. Danach hatte die Antragstellerin bereits seit dem Jahr 2020 auf Grundlage des Vertrags erfolglos ein Recht auf Auskunftserteilung über die Nutzung der lizenzierten Sortenschutzrechte gegenüber ihm geltend gemacht. Vor dem Hintergrund seiner andauernden Weigerung, die Auskunft zu erteilen, war es nicht fernliegend, dass die Antragstellerin neben einer Schiedsklage auch eine Strafanzeige in Betracht ziehen könnte, um ihr (mutmaßliches) vertragliches Recht über eine spätere Einsichtnahme in die Ermittlungsakten faktisch durchzusetzen.
32(c) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Oberlandesgericht habe mit seiner Annahme, der Antragstellerin stehe ein vertragliches Recht auf Auskunftserteilung gegen den Antragsgegner zu, in die von den Parteien vereinbarte Schiedsbindung eingegriffen, zumal das Schiedsgericht keine Sachentscheidung getroffen, sondern lediglich einen Schiedsspruch auf Grundlage eines Anerkenntnisses erlassen habe. Ob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner zur Aufklärung über die von ihr erstattete Strafanzeige verpflichtet war, hängt nicht davon ab, ob ihre Schiedsklage im Fall einer streitigen Entscheidung begründet gewesen wäre. Daher kann auch die im Grundsatz berechtigte Kritik an dem ergänzenden Argument des Oberlandesgerichts, eine Anfechtbarkeit des Anerkenntnisses entwerte den vertraglichen Anspruch der Antragstellerin, der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Gleiches gilt, soweit sie sich gegen die vom Oberlandesgericht gezogene Parallele zwischen einem Schiedsspruch nach Anerkenntnis und einem streitigen Schiedsspruch wendet.
33(d) Fehlt es - wie dargelegt - bereits mit Blick auf den erkennbaren Zweck des Anerkenntnisses an einer Aufklärungspflicht der Antragstellerin, kann die Rechtsbeschwerde auch mit ihren darüber hinaus erhobenen Rügen nicht durchdringen. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob das bereits anhängige und bekannte Ermittlungsverfahren gegen den Antragsgegner einen anderen Gegenstand betroffen hat als die Strafanzeige der Antragstellerin. Unerheblich ist auch, ob der Antragsgegner das Anerkenntnis bei Kenntnis eines (etwaigen) Motivs der Antragstellerin, das Ergebnis der Buchprüfung für die Strafverfolgung des Antragsgegners zu verwenden, nicht abgegeben hätte.
34(4) Auch unter sonstigen Gesichtspunkten ist eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Antragsgegners nicht erkennbar.
35(a) Die Rechtsbeschwerde bringt nicht etwa vor, dass die Antragstellerin die Strafanzeige ohne Anlass lediglich "ins Blaue hinein" gestellt hätte. Im Gegenteil verweist sie selbst darauf, der Antragsgegner könne durch die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs dazu gezwungen werden, sich selbst strafrechtlich zu belasten.
36(b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht erkennbar, dass ein etwaiger mit der Abgabe des Anerkenntnisses verfolgter Befriedungszweck wegen der von der Antragstellerin gestellten Strafanzeige generell verfehlt würde. Ob die von der Antragstellerin begehrte Buchprüfung zur Geltendmachung weiterer zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Antragsgegner führt, hängt - wie dargelegt - vor allem vom Ergebnis dieser Buchprüfung ab. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsgegner auch dann eine weitere Strafverfolgung zu befürchten hätte, wenn seine Tätigkeit sich innerhalb des durch den Vertrag gezogenen Rahmens gehalten hat.
37d) Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs setzt den Antragsgegner jedenfalls unter den Umständen des Streitfalls auch keinem unzulässigen Zwang zur Selbstbezichtigung aus. Es bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen ein Schiedsspruch wegen unzulässigen der Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO unterliegen kann.
38aa)
39Aus der Verfassung ergibt sich kein ausnahmsloses Gebot, dass niemand zu Auskünften oder zu sonstigen Handlungen gezwungen werden darf, durch die er eine von ihm begangene strafbare Handlung offenbart. Handelt es sich um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses, ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung ist aber nur dann zulässig, wenn sie mit einem strafrechtlichen Verwertungsverbot einhergeht. Bloße Mitwirkungspflichten sind zulässig, wenn durch sie Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren nicht berührt werden. Das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung schützt nicht davor, dass Erkenntnismöglichkeiten, die den Bereich der Aussagefreiheit nicht berühren, genutzt werden und insoweit die Freiheit des Betroffenen eingeschränkt wird (vgl. BVerfG, DAR 2022, 624 [juris Rn. 51] mwN).
40bb) Danach führt eine Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zu keinem unzulässigen Zwang zur Selbstbezichtigung für den Antragsgegner.
41(1) Dem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch liegt ein freiwilliges Anerkenntnis des Antragsgegners zugrunde, dessen Wirkungen er - wie ausgeführt (Rn. 23 bis 36) - nicht beseitigen kann.
42unzulässiger
43(a) Nach diesen Vorschriften dürfen die aufgrund des Auskunftsanspruchs nach § 37b SortSchG sowie des Vorlage- und Besichtigungsanspruchs nach § 37c SortSchG gewonnenen Erkenntnisse in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
44(b) Vertraglich könnte ein solches Verwertungsverbot zwar nicht mit Bindungswirkung für die Strafverfolgungs- oder Ordnungswidrigkeitenbehörden vereinbart werden. Gleichwohl besteht im Ausgangspunkt ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin, die dem Antragsgegner vertraglich eingeräumte Nutzung ihrer Sortenschutzrechte mit einem Recht auf Auskunftserteilung oder Buchprüfung abzusichern.
45(c) Ob die streitige Durchsetzung eines solchen Rechts im Einzelfall einen unzulässigen Zwang zur Selbstbezichtigung auslösen kann, steht vorliegend aufgrund des vom Antragsgegner abgegebenen Anerkenntnisses nicht zur Entscheidung. Unabhängig hiervon ist aber zu berücksichtigen, dass bloße Mitwirkungspflichten wie etwa zur Vorlage von Unterlagen - anders als Auskunftspflichten - nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht der Selbstbelastungsfreiheit unterfallen (vgl. BVerfGE 55, 144 [juris Rn. 17 f.]; BVerfGK 17, 253 [juris Rn. 54 f.]; BVerfGE 156, 63 [juris Rn. 310 f.]; uU einschränkend BVerfGE 81, 70 [juris Rn. 85]). Im Streitfall steht keine Auskunftspflicht, sondern eine solche Mitwirkungspflicht zur Ermöglichung einer Buchprüfung im Raum.
462. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde könnte die (vermeintliche) Anfechtbarkeit des vom Antragsgegner erklärten Anerkenntnisses der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs auch nicht als nach dem Schiedsverfahren entstandene materiell-rechtliche Einwendung entgegengehalten werden (zu den Einwendungen der Erfüllung und Aufrechnung vgl. , SchiedsVZ 2024, 254 [juris Rn. 30 bis 32] mwN; für die Zulassung einer Widerklage im Vollstreckbarerklärungsverfahren vgl. Frische aaO S. 344 bis 346).
47a) Dies scheidet bereits deswegen aus, weil die Anfechtung - wie ausgeführt (Rn. 24 bis 26) - allein die Ebene des Anerkenntnisses betrifft und für sich genommen ohne Auswirkung auf den Schiedsspruch bleibt.
48b) Zudem kommt es für die Frage, ob es sich um eine nach dem Schiedsverfahren entstandene materiell-rechtliche Einwendung handelt, nur darauf an, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt die objektiven Voraussetzungen für die Einwendung vorgelegen haben, nicht dagegen darauf, ob dies dem Schuldner bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (vgl. , juris Rn. 10 mwN; zur Berücksichtigung einer Anfechtung im Rahmen des § 767 Abs. 2 ZPO vgl. , NJW 1964, 1797 [juris Rn. 9 bis 21]). Die Rechtsbeschwerde legt nicht substantiiert dar, dass es dem Antragsgegner objektiv unmöglich gewesen wäre, eine etwaige Anfechtung bereits im Schiedsverfahren - also in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am oder zu einem späteren Zeitpunkt vor Erlass des Schiedsspruchs - geltend zu machen.
49II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Vollstreckbarerklärung der Verurteilung des Antragsgegners aus dem Schiedsspruch richtet, an die Antragstellerin 400 € zu zahlen. Hiergegen bringt sie keine Rügen vor.
50D. Daher ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO teils zurückzuweisen und teils als unzulässig zu verwerfen.
Koch Löffler Schwonke
Odörfer Wille
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230125BIZB42.24.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-89057