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BAG Urteil v. - 6 AZR 155/23

Wiedereinsetzung - anwaltliche Pflichten bei Fristprüfung

Leitsatz

Ein Rechtsanwalt verletzt die ihm obliegende Sorgfaltspflicht in Fristsachen nicht, wenn er sich in Bezug auf den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränkt, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen. Ist das nicht der Fall, bedarf es keiner zusätzlichen Prüfung, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist.

Instanzenzug: ArbG Regensburg Az: 9 Ca 856/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 7 Sa 493/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.

2Der 1962 geborene Kläger ist seit dem bei der Beklagten, die in Form einer Stiftung des öffentlichen Rechts ua. ein privates, staatlich anerkanntes Gymnasium betreibt, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Gymnasiallehrer tätig. Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses war er 46 Jahre alt. Seit dem besitzt der Kläger die uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung für die Fächer Mathematik, Physik, Natur und Technik sowie Informatik. Er arbeitet mit einem Umfang von 22 Stunden pro Woche. Hierfür zahlte die Beklagte an den Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt iHv. 5.254,06 Euro. Hiervon bringt sie den Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung in Abzug und führt diesen ab. Im Monat Oktober 2021 betrug dieser Anteil 540,45 Euro.

3Auf das Arbeitsverhältnis finden die Grundordnung des kirchlichen Dienstes sowie das Arbeitsvertragsrecht der bayerischen Diözesen (ABD) einschließlich der in dessen Teil B enthaltenen Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte an Schulen in kirchlicher Trägerschaft (im Folgenden SR-L) in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.

4Die SR-L (Stand ) bestimmen ua.:

5Diese Regelungen in Teil B, 4.1.1 Kapitel 1, zum 3. Abschnitt, Nr. 6 Abs. 6 und 7 SR-L (im Folgenden Nr. 6 Abs. 6 bzw. Nr. 6 Abs. 7 SR-L) gelten seit dem Jahr 2018 unverändert.

6Art. 40 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG) in der bis zum geltenden Fassung (aF) regelte ua.:

7Seit der Änderung des Art. 40 BaySchFG zum erhalten die Schulträger für den für ihre Lehrkräfte angefallenen Versorgungsaufwand einen Versorgungszuschuss in pauschalierter Form.

8Der Kläger begehrt die Erstattung der von seiner Vergütung einbehaltenen und abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend seit 2018. Er hat die Ansicht vertreten, die Altersgrenze der Vollendung des 45. Lebensjahres in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L sei wegen Altersdiskriminierung unwirksam. Die Regelung verstoße gegen Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG und das AGG. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung gebe es nicht, weil sie nicht zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich gewesen sei. Mit der Regelung werde nur ein Schutz finanzieller Interessen der Beklagten verfolgt. Ziel der Änderung des Art. 40 BaySchFG zum sei es gewesen, eine dem AGG entsprechende Neuregelung zu schaffen und die Zahlungen nunmehr allen Lehrkräften zugutekommen zu lassen.

9Der Kläger hat beantragt

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

11Sie hat die Ansicht vertreten, die Regelung in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L sei eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters und verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Zweck sei es, einen Versorgungsgleichlauf mit verbeamteten Lehrkräften herzustellen. Die Regelung diene daher in geeigneter Weise der Vermeidung einer Konkurrenzsituation zwischen staatlichen Schulen und privaten Schulträgern. Eine solche bestünde bei älteren Lehrkräften wegen der in Bayern geltenden gesetzlichen Altersgrenze für den Eintritt in das Beamtenverhältnis von 45 Jahren nicht mehr. Die Änderung des Art. 40 BaySchFG habe den Sinn und Zweck der Regelung im ABD nicht berührt. Das Recht aus Art. 7 Abs. 4 GG auf Errichtung privater Schulen werde beeinträchtigt, wenn sie verpflichtet wäre, sämtlichen Lehrkräften die Arbeitnehmeranteile an der gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten. Die Beklagte hat die geltend gemachten Zahlungsansprüche auch der Höhe nach bestritten.

12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das Berufungsurteil wurde dem Kläger am zugestellt. Mit der fristgerecht eingelegten Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Mit gerichtlichem Schreiben vom , dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am , wurde dieser auf die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist hingewiesen. Die auf den datierte Revisionsbegründung des Klägers - mit der er zugleich die Wiedereinsetzung in den Lauf der Revisionsbegründungsfrist beantragt hat - ging am selben Tag beim Bundesarbeitsgericht ein.

13Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags legt der Kläger eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleimitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten vor und beruft sich darauf, das Datum des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist sei durch die Mitarbeiterin am Tag der Zustellung des Berufungsurteils - zutreffend - auf den errechnet und so auf dem von ihr erstellten Ausdruck des Urteils notiert worden. Aus nicht mehr erklärlichen Gründen habe die Mitarbeiterin im Fristenkalender den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist jedoch für den eingetragen. Die Vorfrist zur Wiedervorlage habe sie, indem sie im Fristenkalender rückgeblättert habe, auf den berechnet und eingetragen. Die Eintragung der Fristen im Kalender habe die Mitarbeiterin anschließend gemäß der ausdrücklichen Anweisung des Prozessbevollmächtigten durch Abhaken der zuvor auf dem Urteilsausdruck notierten Fristen bestätigt. Noch am habe sie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers den Urteilsausdruck zur Kontrolle der korrekten Berechnung und der Eintragung in den Fristenkalender vorgelegt. Zum Datum der fehlerhaft notierten Vorfrist am habe sie die Akte dem Prozessbevollmächtigten wiedervorgelegt und sodann erkannt, dass die Frist versäumt wurde.

Gründe

14Die Revision ist zulässig. Dem Kläger war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die versäumte Revisionsbegründungsfrist zu gewähren. Die Revision ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat jedoch nicht entscheiden, in welchem Umfang die Zahlungsklage begründet ist. Dies führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

15A. Die Revision ist zulässig. Zwar hat der Kläger seine fristgerecht eingelegte Revision nicht binnen der gesetzlich bestimmten Frist begründet; ihm war jedoch diesbezüglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

16I. Der Kläger hat die Frist für die Begründung der Revision (§ 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) versäumt. Aufgrund der Zustellung des Berufungsurteils an den Kläger am lief die Frist für die Begründung der Revision am Montag, den , ab (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB). Die Begründung der Revision ist jedoch erst am - und damit verspätet - beim Bundesarbeitsgericht eingegangen.

17II. Dem Kläger war auf seinen Antrag wegen Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO).

181. Nach § 233 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verhindert war, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist muss innerhalb eines Monats beantragt werden (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Antragsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

19Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Ist das Fristversäumnis allerdings infolge eines Fehlverhaltens von Büropersonal des Prozessbevollmächtigten eingetreten, liegt kein der Partei zuzurechnendes Verschulden vor, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, insbesondere zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht hat (vgl.  - Rn. 9, BAGE 167, 221; - 2 AZR 38/10 - Rn. 14 mwN).

202. Der Kläger hat die Wiedereinsetzung ordnungsgemäß und fristgerecht innerhalb eines Monats nach Kenntnis der fehlerhaften Berechnung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Durch die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten ist glaubhaft gemacht, dass die unzutreffende Fristberechnung bei Wiedervorlage der Akte an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am bemerkt worden ist. Der Hinweis des Senats auf die Fristsäumnis ist erst am Folgetag beim Prozessbevollmächtigten eingegangen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist am und damit innerhalb der Antragsfrist beim Bundesarbeitsgericht gestellt worden. Dieser Antrag gibt - unter Glaubhaftmachung - die Tatsachen an, die die Wiedereinsetzung begründen. Der Kläger hat die versäumte Prozesshandlung durch Einreichung der Revisionsbegründung mit demselben Schriftsatz fristgerecht nachgeholt.

213. Der Kläger hat die Revisionsbegründungsfrist unverschuldet iSv. § 233 Satz 1 ZPO versäumt. Das Versäumnis beruht auch nicht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

22a) Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt die Sorgfaltspflicht in Fristsachen von einem Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. In diesem Fall hat der Rechtsanwalt durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind (vgl.  - Rn. 9; - XII ZB 113/21 - Rn. 11; - XII ZB 458/19 - Rn. 12).

23Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. Der Rechtsanwalt muss in diesem Fall auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in der Handakte prüfen. Dabei darf der Anwalt sich allerdings grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen (vgl.  - Rn. 10; - XII ZB 113/21 - Rn. 12). Drängen sich keine solchen Zweifel auf, braucht der Rechtsanwalt nicht noch zusätzlich zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist. Andernfalls wäre die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, die jedoch aus organisatorischen Gründen erforderlich und deshalb zulässig ist ( - Rn. 9 mwN). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Handakte des Rechtsanwalts in herkömmlicher Form als Papierakte oder als elektronische Akte geführt wird ( - Rn. 11).

24b) Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an (so auch das BSG in seiner Entscheidung vom - B 1 KR 59/17 B - Rn. 10), denn weitergehende Pflichten des Rechtsanwalts würden zu einer Überspannung der Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten und damit zu einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs führen.

25Art. 103 Abs. 1 GG steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes sowie der Justizgewährungspflicht des Staates. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet auch, dass derjenige, der bei Gericht formell ankommt, von diesem auch wirklich gehört wird. In die Prüfung des Art. 103 Abs. 1 GG sind darum auch die Grundsätze rechtstaatlicher Verfahrensgestaltung einzubeziehen. Die Verletzung einer Verfahrensbestimmung stellt deshalb zugleich einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar, wenn das Gericht bei der Auslegung oder Anwendung einer solchen Bestimmung die Bedeutung oder Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör missachtet (vgl.  - Rn. 10; - 1 BvR 448/06 - Rn. 14 f.; - 1 BvR 782/07 - Rn. 13, BVerfGE 119, 292). Darum dürfen die Gerichte ein von der Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für Beschwerdeführer „leerlaufen“ lassen. Gerichte dürfen bei der Auslegung und Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht von Voraussetzungen abhängig machen, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen ist. Wird eine Frist versäumt, hängt die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, davon ab, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verlangt insoweit, bei Anwendung und Auslegung der die Wiedereinsetzung regelnden Vorschriften die Anforderungen zur Erlangung der Wiedereinsetzung nicht zu überspannen (vgl.  - Rn. 10 f. mwN).

26c) Dies zugrunde gelegt, trägt die dargestellte Rechtsprechung den Erfordernissen der anwaltlichen Praxis Rechnung, Büropersonal bei Bearbeitung der Akten effektiv einsetzen zu dürfen, und gewährleistet zugleich aufgrund der dem Rechtsanwalt weiterhin auferlegten Organisations- und Kontrollverpflichtungen die grundsätzliche Verantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten, insbesondere für Fristsachen. Diesen Anforderungen genügt die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers dargelegte Kanzleiorganisation der Fristberechnung, Eintragung der Frist in den Kalender, Notierung von Vorfristen im Fristenkalender (dazu  - Rn. 10 ff.), die im vorliegenden Fall allerdings die Fristsäumnis nicht mehr verhindern konnte, und des „Systems des Abhakens“ zur Kennzeichnung der Erledigung von Fristnotierungen. Die Einhaltung dieser Anweisung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers anhand der ihm jeweils bei Bearbeitung vorgelegten Handakte auf Grundlage der korrekten Fristberechnung auf der Abschrift des Berufungsurteils geprüft. Eine weitergehende Pflicht zur eigenständigen Kontrolle des von der Rechtsanwaltsfachangestellten geführten Fristenkalenders durch den Prozessbevollmächtigten bestand - neben den ebenfalls vorgetragenen und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten regelmäßigen Stichprobenkontrollen - nicht.

27d) Dieser Rechtsauffassung steht die bislang abweichende Auffassung des Ersten, Dritten, Achten und Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen, wonach der Rechtsanwalt bei Vorlage der Handakten zur Anfertigung der Rechtsmittelschrift neben der Prüfung der Rechtsmittelfrist auch die ordnungsgemäße Notierung der zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Rechtsmittelbegründungsfrist zu kontrollieren hatte (vgl.  - zu II 3 c der Gründe; - 3 AZR 633/12 - Rn. 15; - 8 AZR 27/07 - Rn. 21, BAGE 125, 333; - 8 AZR 556/14 - Rn. 13; - 9 AZR 454/04 - zu II 2 b der Gründe).

28Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG angefragt, ob die genannten Senate des Bundesarbeitsgerichts an der Rechtsauffassung zur Pflicht der Prüfung der Notierung der Rechtsmittelfrist im Fristenkalender bei Vorlage der Handakten festhalten (Beschluss vom - 6 AZR 155/23 (A) -). Die angefragten Senate haben entschieden, sich der Auffassung des Sechsten Senats anzuschließen ( -; - 8 AS 4/24 -; - 9 AS 5/24 -) bzw. an einer etwaig abweichenden Rechtsauffassung nicht festzuhalten ( -).

29B. Die Revision ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrags in Höhe der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung.

30I. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

311. Der Feststellungsantrag des Klägers ist dahingehend auszulegen, dass er die Zahlung eines Betrags in Höhe des jeweiligen Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Rentenversicherung an sich selbst verlangt (vgl. Auslegungsgrundsätze in Bezug auf Klageanträge  - Rn. 21). Dass die Beklagte verpflichtet ist, den Arbeitnehmeranteil an die Deutsche Rentenversicherung abzuführen, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Streitbefangen ist vielmehr, ob der Kläger Anspruch auf die Erstattung des ihm vom Bruttoentgelt in Abzug zu bringenden Beitrags hat.

322. Mit dieser Auslegung besteht das für den Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Mit Rechtskraft der Entscheidung werden weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien vermieden. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Höhe der im Wege der bezifferten Leistungsklage geltend gemachten Ansprüche für die Vergangenheit bestreitet. Die korrekte Berechnung der jeweiligen Beitragshöhe durch die Beklagte und die Pflicht zur Erstattung eines dementsprechenden Betrags im Fall des Obsiegens des Klägers ist zwischen den Parteien unstreitig.

333. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten. Ein solcher Anspruch folgt daraus, dass die Höchstaltersgrenze in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L den Kläger unzulässig wegen seines Alters diskriminiert.

34a) Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung folgt nicht unmittelbar aus Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L, weil er das von der Regelung gesetzte Höchstalter von 45 Jahren bei Beginn seines Arbeitsverhältnisses bereits überschritten hatte.

35b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich jedenfalls im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO), soweit es angenommen hat, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies folgt jedoch bereits daraus, dass die Beklagte mit der Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung an Arbeitnehmer, die die persönlichen Voraussetzungen der Regelung erfüllen, keine freiwillige, dh. ohne rechtliche Verpflichtung über die Vertragserfüllung hinausgehende Leistung gewährt, sondern lediglich Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L vollzieht. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, das verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers greift dieser Grundsatz nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 33 mwN). Ein solch gestaltendes Verhalten liegt nicht vor.

36c) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, die Höchstaltersgrenze in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L verstoße nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Die Regelung beinhaltet eine unzulässige Altersdiskriminierung. Dies hat zur Folge, dass sie gemäß § 7 Abs. 2 AGG insoweit unwirksam ist und der Kläger nach dem verbleibenden Inhalt der Bestimmung einen Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung durch die Beklagte hat. Insoweit ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

37aa) Das Arbeitsvertragsrecht der bayerischen Diözesen einschließlich der Sonderregelungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar.

38(1) Bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welchen mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nur über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen Wirkung verschafft werden kann. Sie unterliegen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (vgl.  - Rn. 27; - 6 AZR 377/20 - Rn. 24 mwN). Unerheblich ist dabei, dass die kirchlichen Dienstgeber das Arbeitsvertragsrecht und dessen Sonderregelungen nicht selbst formuliert haben, sondern diese in Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt worden sind. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB schon dann als vom Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern als Verbrauchern gestellt, wenn sie nicht vom Arbeitnehmer selbst in den Vertrag eingeführt worden sind (vgl.  - Rn. 18; vgl. auch Reichold/Ludwig Anm. AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 unter II 3).

39(2) Allerdings unterscheiden sich kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nach ihrem Zustandekommen auf dem im kirchlichen Selbstverständnis wurzelnden und daher von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Dritten Weg sowie ihrem Regelungsgegenstand grundlegend von solchen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die die AGB-Kontrolle in §§ 305 ff. BGB zugeschnitten ist. Diese betreffen anders als kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine Hauptleistungspflichten und werden nicht unter paritätischer Beteiligung der Arbeitnehmer in Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt. Im Unterschied zu einem weltlichen Arbeitgeber, der Allgemeine Geschäftsbedingungen stellt, können nach der Konzeption des Dritten Wegs weder der einzelne Dienstgeber noch die Dienstgeberseite ihre Vorstellungen vom Inhalt des Arbeitsverhältnisses einseitig verfolgen und durchsetzen. Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen sind darum verfassungsrechtlich verdichtet und insoweit Allgemeine Geschäftsbedingungen besonderer Art, die der Verwirklichung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts dienen. Das ist bei ihrer Kontrolle als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB; vgl. BT-Drs. 14/7052 S. 189) angemessen zu berücksichtigen. Sie sind deshalb von den staatlichen Gerichten nur auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem zwingenden Recht und den guten Sitten zu überprüfen (vgl.  - Rn. 19 mwN).

40bb) Danach stellt die Regelung in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L, soweit sie die Gewährung des Zuschusses daran knüpft, dass der Arbeitnehmer bei Einstellung das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar und verstößt damit gegen das höherrangige Recht des AGG.

41(1) Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L knüpft die Zahlung des Zuschusses in Höhe der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ua. an das Lebensalter des Arbeitnehmers bei Beginn des Arbeitsverhältnisses. Die Regelung verweist hinsichtlich der persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen auf Art. 40 Abs. 1 bis 4 BaySchFG aF. Nach Abs. 1 dieser Normfassung erhielten Schulträger vom Freistaat Bayern einen Versorgungszuschuss für diejenigen hauptberuflichen Lehrkräfte, denen sie einen Rechtsanspruch auf lebenslängliche Altersversorgung und auf Hinterbliebenenversorgung nach den für die Beamten des Freistaates Bayern geltenden Vorschriften einräumten. Gemäß Art. 40 Abs. 3 BaySchFG aF wurde der Versorgungszuschuss für Lehrkräfte gewährt, die spätestens vor Vollendung des 45. Lebensjahres vom Schulträger eine Versorgungszusage erhalten haben und anschließend ununterbrochen hauptberuflich im Schuldienst tätig waren.

42(2) Diese Höchstaltersgrenze gilt aufgrund der Verweisung im Klammerzusatz in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L auch für den Anspruch der Lehrkraft auf Übernahme des Rentenversicherungsbeitrags. In dieser Anknüpfung der Zuschussgewährung an das Lebensalter des Arbeitnehmers liegt eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

43(3) Diese Benachteiligung ist nicht nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig (zur unionsrechtskonformen Auslegung vgl.  - Rn. 19). Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Die Altersgrenze in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L stellt jedoch offensichtlich keine Anforderung dar, die von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist (vgl. zu den Voraussetzungen ausführlich  - Rn. 35 ff., BAGE 169, 217). Sie ist lediglich Voraussetzung für die Gewährung eines Entgeltbestandteils.

44(4) Die Benachteiligung ist auch nicht nach § 10 AGG zulässig.

45(a) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet des § 8 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung des Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können (vgl.  - Rn. 19 mwN).

46(b) Die in § 10 Satz 3 AGG genannten Tatbestände sind im Streitfall nicht einschlägig. Insbesondere dient die Altersgrenze in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L nicht der Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung iSd. § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG, sondern nur eines Höchstalters für die Gewährung eines finanziellen Vorteils.

47(c) Die Höchstaltersgrenze in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L dient auch keinem legitimen Ziel im Sinne der somit einzig zu ihrer Rechtfertigung in Betracht kommenden Generalklausel des § 10 Satz 1 AGG.

48(aa) § 10 Satz 1 und 2 AGG dienen der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht und sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen. Legitime Ziele sind deshalb nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik. Nur solche Ziele stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse (vgl.  - Rn. 16 mwN). Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt ( ua. - [Fuchs] Rn. 52; - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen ( - Rn. 22; - 6 AZR 700/14 - Rn. 17, BAGE 154, 118). Anders als das Landesarbeitsgericht meint, ist damit nicht jedes - rein unternehmerische - Ziel als legitimes Ziel im Sinne der Richtlinie und iSd. § 10 Satz 1 AGG anzuerkennen.

49(bb) Danach liegt der Regelung in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L kein legitimes Ziel zugrunde. Die Höchstaltersgrenze als Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung des Zuschusses muss dabei im Zusammenhang mit der Gesamtregelung in den Blick genommen werden.

50(aaa) Die in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L in Bezug auf die persönlichen Voraussetzungen in Bezug genommenen Vorschriften des Art. 40 Abs. 1 bis 4 BaySchFG aF gehen auf Art. 4 des bayerischen Privatschulleistungsgesetzes vom (PrivSchLG) zurück. Dieser diente dazu, Lehrkräften an Privatschulen eine Versorgung zu gewährleisten, die derjenigen im öffentlichen (Schul-)Dienst entspricht, um besonders qualifizierten Lehrkräften einen Anreiz zu bieten, an einer bayerischen Privatschule tätig zu werden. Damit war bezweckt, die in Bayern ausgebildeten Lehrer davon abzuhalten, in den Dienst anderer Bundesländer zu treten (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des PrivSchLG, LT-Drs. 4/701 S. 10). Art. 4 Abs. 4 PrivSchLG sah bereits eine Altersgrenze vor, nach der ein Zuschuss an den Schulträger nicht für Lehrkräfte gewährt wurde, die nach Vollendung des 45. Lebensjahres in den Schuldienst getreten sind. Das entspricht noch immer der Altersgrenze für die Berufung in das Beamtenverhältnis im Freistaat Bayern (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG)).

51Diesem Ziel diente auch die Nachfolgeregelung in Art. 40 BaySchFG aF (vgl. Wachsmuth PdK Bay G-1a Art. 40 BaySchFG Ziff. 1 der Erläuterungen). Mit Wirkung zum wurde Art. 40 BaySchFG sodann dahingehend geändert, dass statt der bis dahin geltenden Einzelfallabrechnung eine staatliche Bezuschussung in Form einer Pauschale erfolgt. Damit sollte ua. eine gleichmäßigere Verteilung der Zuschussmittel, ein geringerer Verwaltungsaufwand und eine Vereinfachung beim Vollzug der versorgungsrechtlichen Bestimmungen erreicht werden (LT-Drs. 15/5641 S. 1 f., 10). Mit der Neuregelung sind die persönlichen Voraussetzungen - darunter die Höchstaltersgrenze - an die die Gewährung des Zuschusses geknüpft waren, entfallen. Entgegen der Auffassung des Klägers bezweckte die Änderung des Art. 40 BaySchFG somit nicht, die Regelung „AGG-konform“ zu machen.

52(bbb) Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L knüpft in Bezug auf die Voraussetzungen für die Übernahme des Arbeitnehmeranteils an der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin an die Voraussetzungen und damit auch an das Gesetzesziel des Art. 40 BaySchFG aF an. Sie dient somit dazu, dass die das ABD anwendenden Privatschulträger als Arbeitgeber für Lehrkräfte auf dem Bewerbermarkt in Konkurrenz zum öffentliche Dienst mit seiner Möglichkeit der Verbeamtung attraktiver werden. Die Unterschiede in der Höhe der Vergütung bzw. Besoldung zwischen Arbeitnehmern und Beamten sollen - in Bezug auf das Nettoentgelt - zumindest verringert werden, um so einen Wettbewerbsnachteil der Privatschulträger auszugleichen und damit die Zahl der potentiellen Stellenbewerber zu erhöhen.

53(ccc) Nicht maßgeblich ist hingegen der Zweck, der der in § 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG geregelten Altersgrenze für die Berufung in das Beamtenverhältnis im Freistaat Bayern zugrunde liegt. Die beamtenrechtliche Einstellungshöchstaltersgrenze beruht regelmäßig auf dem Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten und verstößt deshalb weder gegen Unions- noch gegen Verfassungsrecht (vgl.  ua. - Rn. 75 ff., BVerfGE 139, 19;  2 C 11.15 - Rn. 17 ff., BVerwGE 156, 180; zum BayBG vgl. Bayerischer  3 ZB 19.1090 - Rn. 6; krit. Kühling/Bertelsmann NVwZ 2010, 87). Sie dient damit anderen Zwecken als die Regelung in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L. Mit der Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verpflichten sich die privaten Schulträger, die das ABD anwenden, gerade nicht zu Leistungen, die über die Zeit des Bestands des Arbeitsverhältnisses hinausgehen.

54(ddd) Somit liegt der Regelung maßgeblich ein wettbewerbliches Eigeninteresse der Privatschulträger als Arbeitgeber zugrunde. Sozialpolitische und damit legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG werden damit nicht verfolgt. Sie betreffen insbesondere nicht die Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung. Die Höchstaltersgrenze zur Ablehnung der Zuschussgewährung für diejenigen Arbeitnehmer, für die die Möglichkeit der Verbeamtung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht mehr bestehen würde, dient vielmehr ausschließlich den finanziellen Interessen der Schulträger. Haushaltserwägungen können für sich allein kein legitimes Ziel in diesem Sinne darstellen, sondern allenfalls den sozialpolitischen Entscheidungen zugrunde liegen und die Art oder das Ausmaß der sozialen Schutzmaßnahmen beeinflussen (st. Rspr., vgl. zuletzt  - [Landespolizeidirektion Niederösterreich und Finanzamt Österreich] Rn. 70).

55(eee) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung der Beklagten steht diesem Ergebnis auch nicht Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG entgegen, wonach das Recht zur Errichtung von privaten Schulen gewährleistet wird.

56Die Verfassungsnorm des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG beinhaltet ein Freiheits- und Abwehrrecht des Privatschulträgers gegen einschlägige staatliche Verbote (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Badura GG Art. 7 Stand Mai 2015 Rn. 61, 97, 109). Zugleich garantiert sie die Privatschule - jedenfalls in der hier vorliegenden besonderen Form der sog. Ersatzschule (zum Begriff vgl.  - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 90, 128) - als Rechtsinstitut in ihrer Funktion als Ergänzung zur öffentlichen Schule (vgl. Wißmann in Kahl/Waldhoff/Walter Bonner Kommentar zum Grundgesetz Art. 7 GG Teil III Stand Dezember 2016 Rn. 190). Die freiheitsrechtliche Dimension des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet insbesondere die freie Gründung von Privatschulen, aber auch deren fortlaufenden Betrieb, weil andernfalls die grundrechtliche Gewährleistung funktionslos wäre (Wißmann in Kahl/Waldhoff/Walter aaO Rn. 215). Die private Ersatzschule erfüllt unter dem Grundgesetz also trotz privater Initiative eine öffentliche Aufgabe. Daraus resultiert eine Schutz- und Förderpflicht des Staates (vgl. Wißmann in Kahl/Waldhoff/Walter aaO Rn. 219). Dagegen erwächst daraus kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, erst recht nicht in einer bestimmten Höhe, sondern nur ein Anspruch auf einen Beitrag zu den Kosten (vgl.  ua. - zu B I 2 c und d der Gründe, BVerfGE 90, 107).

57Das der Regelung einer Höchstaltersgrenze in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L zugrundeliegende Wettbewerbsinteresse im Verhältnis zu staatlichen Schulen mit ihrer Möglichkeit der Verbeamtung von Lehrkräften wird vom Schutzbereich des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG damit nicht umfasst. Der durch Art. 7 Abs. 4 GG garantierten Existenz von Privatschulen als Institution ( - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 112, 74), die im Übrigen durch die aktuelle Zuschussregelung im bayerischen Landesrecht gesichert ist, kann nicht durch das Reklamieren des Rechts auf Anwendung altersdiskriminierender Bestimmungen Geltung verschafft werden.

58cc) Die unzulässige Benachteiligung des Klägers führt nach § 7 Abs. 2 AGG nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Regelung in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L, sondern nur zur Unwirksamkeit der darin enthaltenen Altersgrenzenregelung (vgl. für eine Tarifregelung  - Rn. 29 ff., BAGE 154, 118). Aus § 306 Abs. 1 BGB ergibt sich nichts Anderes.

59(1) Die Rechtsfolgen von § 306 BGB kommen nicht nur zur Anwendung, wenn sich die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel aus den §§ 305 ff. BGB selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige Verbote verstößt (vgl.  - Rn. 33; - 9 AZR 341/21 - Rn. 18). Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam, bleibt danach der Vertrag im Übrigen wirksam. Sind in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung aber materiell mehrere selbständige Regelungen zusammengefasst und nur formal verbunden (materielle Klauselmehrheit), müssen diese Regelungen jeweils gesondert einer AGB-Kontrolle unterzogen werden. Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich trennbar sein. Verbleibt nach Wegstreichen der unwirksamen Teilregelung eine verständliche Regelung, behält diese ihre Gültigkeit (vgl.  - Rn. 37 mwN; - 6 AZR 671/15 - Rn. 33, BAGE 158, 81; sog. Blue-pencil-Test). Dann liegt keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion von einheitlichen Klauseln auf den zulässigen Inhalt vor.

60(2) Vorliegend enthält die Regelung in Nr. 6 Abs. 7 Satz 1 SR-L im Klammerzusatz sprachlich und inhaltlich unabhängige persönliche Voraussetzungen für den Versorgungszuschuss. Bei Streichung des altersdiskriminierenden Merkmals der Höchstaltersgrenze verbleiben die übrigen wirksamen persönlichen Voraussetzungen und ergeben eine sinnvolle Regelung. Diese verbleibenden Voraussetzungen erfüllt der Kläger unstreitig. Er ist unbefristet beschäftigt und besitzt seit dem die uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung für die Fächer Mathematik, Physik, Natur und Technik sowie Informatik. Er ist auch hauptberuflich tätig. Hauptberuflichkeit liegt nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 BaySchFG aF vor, wenn die Lehrkraft mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Unterrichtspflichtzeit an den vergleichbaren staatlichen Schulen beschäftigt ist. Für Lehrkräfte an Gymnasien, die ausschließlich in wissenschaftlichen Fächern unterrichten, gilt nach Ziff. 3.1 der Anlage zu § 1 Abs. 2 Satz 1 Unterrichtspflichtzeitverordnung (BayUPZV) eine Unterrichtspflichtzeit von 23 Stunden. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts leistet der Kläger 22 Unterrichtspflichtstunden pro Woche.

61dd) Nachdem ein Verstoß gegen das AGG festzustellen ist, war der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Art. 21 GRC nicht zu prüfen. Dieses Grundrecht wurde durch die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert (vgl.  - Rn. 46, BAGE 179, 328) und durch das AGG in nationales Recht umgesetzt (vgl.  - Rn. 38, BAGE 147, 1).

62II. Der auf Zahlung gerichtete Antrag ist zulässig. In welchem Umfang er auch begründet ist, kann der Senat mangels Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

631. Der Zahlungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger will eine abschließende Gesamtklage erheben (vgl. dazu  - Rn. 12 mwN, BAGE 179, 372). Er macht die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Jahre 2018 bis 2021, mithin insgesamt für 48 Monate geltend. Das ergibt sich nicht nur aus der Antragsformulierung, sondern auch aus der Aufstellung in der Klageschrift. Er beziffert den monatlichen Betrag mit 540,45 Euro und errechnet daraus - zutreffend - einen jährlichen Betrag von 6.485,40 Euro. In der Addition der Gesamtforderung unterläuft dem Kläger allerdings offenkundig ein Rechenfehler. Der in Antrag und Klagebegründung angegebene Betrag von 19.456,20 Euro entspricht nur dem Zeitraum von 36 Monaten. Der offenkundig zutage tretende Additionsfehler der Summen der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung über den Streitzeitraum von insgesamt vier Jahren führt jedoch nicht zur Unbestimmtheit der Klageforderung. Ob die Berechnung rechnerisch richtig ist, stellt keine Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Klageforderung dar, sondern der Begründetheit der Klage (vgl.  - Rn. 22).

642. In welchem Umfang die Zahlungsklage begründet ist, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Rn. 33 ff.). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte jedoch die Höhe des in der Vergangenheit für den Kläger abgeführten Rentenversicherungsbeitrags bestritten. Es wird daher hinsichtlich jedes einzelnen Monats im Zeitraum von Januar 2018 bis einschließlich Dezember 2021 konkret festzustellen haben, in welcher Höhe die Beklagte jeweils Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger abgeführt hat.

65Da der Kläger im bisherigen Verfahren nicht auf seinen Additionsfehler hingewiesen worden ist und sich mit der erforderlichen Deutlichkeit ergibt, dass er für die im einzelnen benannten Streitzeiträume der Jahre 2018, 2019, 2020 und 2021 jeweils einen Zahlungsbetrag von 6.485,40 Euro fordert, gebietet es das Gebot fairen Verfahrens (Art. 103 Abs. 1 GG, vgl.  - Rn. 37 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), dem Kläger im fortgesetzten Berufungsverfahren die Möglichkeit zu eröffnen, seinen Zahlungsantrag in der Summe entsprechend dem vierjährigen Streitzeitraum anzupassen.

66C. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:200225.U.6AZR155.23.0

Fundstelle(n):
ZIP 2025 S. 5 Nr. 9
XAAAJ-89037