Krankenversicherung der Rentner - Mitgliedschaft - Ausübung des Optionsrechts zugunsten der freiwilligen Versicherung - Ausschluss der Pflichtversicherung auch nach zwischenzeitlicher Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung
Gesetze: § 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5, § 5 Abs 8 S 2 SGB 5, § 9 Abs 1 Nr 6 SGB 5, § 188 Abs 4 SGB 5, § 190 Abs 11a SGB 5
Instanzenzug: Az: S 60 KR 1658/19 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 4 KR 496/21 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) der Rentner (KVdR) ab .
2Der Kläger trat im September 1972 in das Erwerbsleben ein und war bei der beklagten Krankenkasse zunächst pflicht- und später freiwillig versichert. Er bezog ab eine Rente wegen Erwerbsminderung und unterzeichnete am eine "Beitrittserklärung nach § 9 I Nr. 6 SGB V" zur freiwilligen Versicherung. Vom bis zum war der Kläger abhängig beschäftigt und bei der Beklagten in der GKV pflichtversichert. Seit war er als Bezieher einer Altersrente für langjährig Versicherte wieder freiwillig krankenversichert. Den Antrag des Klägers, seine Versicherungspflicht in der KVdR festzustellen, lehnte die Beklagte ab. Er sei an seine am ausgeübte Wahl der freiwilligen Versicherung gebunden (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ).
3Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger ab in der KVdR zu versichern (Urteil vom ). Das LSG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei an seine "Beitrittserklärung nach § 9 I Nr. 6 SGB V" gebunden. Die Pflichtversicherung in der KVdR sei nach § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V ausgeschlossen. Eine Rückkehr in die KVdR komme mangels Beratungsfehler auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in Betracht. Im Übrigen fehle es an einem Rentenantrag und der Erfüllung der 9/10tel Belegung mit Pflichtversicherungszeiten bis (Urteil vom ).
4Mit seiner Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 5 Abs 1 Nr 11, 190 Abs 11a SGB V. Diese Vorschriften seien mit ihrem heutigen Wortlaut zum Zeitpunkt seiner Beitrittserklärung noch nicht erlassen gewesen und könnten daher keine Bindungswirkung entfalten. Er bestreite, von der Beklagten ein Merkblatt erhalten zu haben. Unabhängig davon sei nicht erläutert worden, wann und unter welchen Voraussetzungen die freiwillige Versicherung oder die Pflichtmitgliedschaft Vorteile bringe. Das Optionsrecht wäre im Übrigen erst am und damit nach dem ausgeübt worden.
5Der Kläger beantragt sinngemäß,das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom zurückzuweisen.
6Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.
7Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
8Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Gründe
9Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, die Versicherungspflicht in der KVdR für die Zeit ab festzustellen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er ist aufgrund der obligatorischen Anschlussversicherung freiwilliges Mitglied der Beklagten.
101. Nach § 188 Abs 4 SGB V (idF des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der GKV vom , BGBl I 2423) setzt sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt (Satz 1). Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist (Satz 2). Satz 1 gilt nicht für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt sind oder ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs 2 besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird (Satz 3). Diese Voraussetzungen für die obligatorische Anschlussversicherung sind erfüllt.
11Die Versicherungspflicht des Klägers aufgrund Beschäftigung nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V endete mit Ablauf des , mit dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses (§ 190 Abs 2 SGB V idF des Rentenreformgesetzes 1999 vom , BGBl I 2998). Ein wirksamer Austritt aus der GKV ist nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Eine Familienversicherung in der Krankenversicherung seiner Ehefrau trat nicht ein, weil die Altersrente des Klägers regelmäßig ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschritt (§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V, § 18 SGB IV).
122. Die freiwillige Krankenversicherung in Form der obligatorischen Anschlussversicherung wurde zum nicht durch die Versicherungspflicht als Rentner verdrängt. Der Kläger erfüllte zwar die seit geltenden Vorversicherungszeiten für eine Pflichtversicherung als Rentner (dazu a), diese ist jedoch wegen des am ausgeübten Beitrittsrechts kraft Gesetzes ausgeschlossen (dazu b). Dem steht weder die danach eingetretene Pflichtversicherung als Beschäftigter (dazu c) noch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch (dazu d) oder Verfassungsrecht (dazu e) entgegen.
13a) Nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der zum eingeführten Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom (BGBl I 2477) waren Personen versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt und diese Rente beantragt hatten, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10tel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder familienversichert waren. Durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom (BGBl I 2266) sind die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR verschärft worden. Mit Wirkung ab waren nur Vorversicherungszeiten aufgrund einer Pflichtversicherung berücksichtigungsfähig. Das BVerfG erklärte § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V insoweit als mit Art 3 Abs 1 GG für unvereinbar und ordnete die Geltung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des GRG vom (BGBl I 2477) ab wieder an ( ua - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42). Der Gesetzgeber setzte die Entscheidung im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom (BGBl I 378) um. Bereits durch § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V idF des 10. SGB V-Änderungsgesetzes vom (BGBl I 1169) war mit Wirkung ab ein Optionsrecht zum Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung eingeräumt worden.
14Diese ab geltenden Voraussetzungen der 9/10tel Belegung mit Versicherungszeiten erfüllt der Kläger nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG. Unabhängig davon, welcher Rentenantrag hier maßgeblich ist, ist nicht ersichtlich, warum das LSG hier "Pflichtmitgliedschaftszeiten in der zweiten Hälfte der Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bis " fordert. Für die 9/10tel Belegung genügt bei verfassungsgemäßem Verständnis eine freiwillige Versicherung.
15b) Eine Versicherungspflicht des Klägers als Rentner ist allerdings kraft Gesetzes ausgeschlossen. Gemäß § 5 Abs 8 SGB V ist nach Abs 1 Nr 11 bis 12 nicht versicherungspflichtig, wer nach Abs 1 Nr 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist (Satz 1 idF des Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung anderer Gesetze vom , BGBl I 2408). Diese Ausschlussregelung gilt für die in § 190 Abs 11a SGB V genannten Personen entsprechend (Satz 2 idF des 10. SGB V-Änderungsgesetzes vom , BGBl I 1169). Das sind ua die in § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V (seit die in § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB V in der am geltenden Fassung) genannten Personen, die das Beitrittsrecht ausgeübt haben (§ 190 Abs 11a Alt 1 SGB V idF des 10. SGB V-Änderungsgesetzes vom aaO und des Terminservice- und Versorgungsgesetzes vom , BGBl I 646). Zu diesen Personen zählt der Kläger.
16Nach § 9 Abs 1 Nr 6 SGB V (idF des 10. SGB V-Änderungsgesetzes) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB V (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954) konnten Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon am bestand, die aber nicht die Vorversicherungszeit nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der seit Januar 1993 geltenden Fassung (des 3. SGB V-Änderungsgesetzes vom , BGBl I 678) erfüllt hatten und deshalb bis zum freiwillige Mitglieder waren, innerhalb von sechs Monaten nach dem Eintritt der Versicherungspflicht der freiwilligen Krankenversicherung beitreten. Der Kläger wurde kraft der Entscheidung des ua - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42) zum wegen der ab November 2001 bezogenen Erwerbsminderungsrente gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V versicherungspflichtig. Er war nach dem Gesamtzusammenhang der den Senat bindenden (§ 163 SGG), nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG 9/10tel der zweiten Hälfte seines Berufslebens bis zur Rentenantragstellung im Jahr 2001 Mitglied der GKV. Als freiwilliges Mitglied bis zum hatte er die Vorversicherungszeit nicht mit Pflichtversicherungszeiten erfüllt. Er übte sein Beitrittsrecht am und damit rechtzeitig innerhalb von sechs Monaten nach dem Eintritt der Versicherungspflicht am aus.
17c) Die Pflichtversicherung aufgrund Beschäftigung vom bis zum steht der Ausschlussnorm des § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V nicht entgegen. Zwar beendete die Pflichtmitgliedschaft das durch Beitritt entstandene freiwillige Versicherungsverhältnis (§ 191 Nr 2 SGB V idF des GKV-Versichertenentlastungsgesetzes vom , BGBl I 2387). Eine Beschränkung des Ausschlusses der KVdR auf eine ununterbrochene durch den Beitritt nach § 9 Abs 1 (Satz 1) Nr 6 SGB V begründete freiwillige Mitgliedschaft ist jedoch weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck oder der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V zu entnehmen und auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen geboten.
18Der Wortlaut des § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V knüpft den Ausschluss aus der Versicherungspflicht als Rentner allein an den in § 190 Abs 11a SGB V genannten Personenkreis an, nicht aber an eine unmittelbar vor dem (erneuten) Rentenantrag bestehende freiwillige Versicherung nach § 9 Abs 1 (Satz 1) Nr 6 SGB V. § 190 Abs 11a Alt 1 SGB V bezieht sich allein auf Personen, die ihr Beitrittsrecht nach § 9 Abs 1 (Satz 1) Nr 6 SGB V ausgeübt haben. Während diese Vorschrift die Wahrnehmung des Optionsrechts ausdrücklich nur zeitlich befristet erlaubte, sehen weder § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V noch § 190 Abs 11a SGB V eine Befristung oder Bedingung ihrer Regelungswirkung vor.
19Die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V bietet ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Ausschluss aus der Versicherungspflicht als Rentner von einem durchgehenden Bezug derselben Rente oder einer ununterbrochenen freiwilligen Krankenversicherung hätte abhängig machen wollen. Nach den Gesetzgebungsmaterialien sollte der Bezug einer anderen oder weiteren Rente oder eine Kündigung der freiwilligen Versicherung nicht zur Versicherungspflicht als Rentner führen (BT-Drucks 14/8384 S 8 zu Art 1 Nr 01). Zweck des § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V ist es gerade, Rentner an ihrer Entscheidung festzuhalten, wenn sie sich für die freiwillige Mitgliedschaft und gegen die Pflichtversicherung entschieden haben. Sie sollten die sich daraus 2002 für den Beitragssatz ergebenden Vorteile nutzen können (vgl BT-Drucks aaO S 6 zu II), sich aber im Gegenzug ihre Wahl bei Änderungen in ihren persönlichen Verhältnissen entgegenhalten lassen müssen.
20Auch gesetzessystematische Erwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis. In der Rechtsprechung sind bereits andere Vorschriften des SGB V und Art 56 GRG so ausgelegt worden, dass sie auch bei Bezug einer anderen als der ursprünglichen Rente gelten (vgl - SozR 4-2500 § 8 Nr 2 zum fehlenden erneuten Befreiungsrecht nach § 8 Abs 1 Nr 4 SGB V bei Wechsel der Rentenart). Für einen durch Reduzierung des Gesetzeswortlauts eingeschränkten Anwendungsbereich des § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V spricht allenfalls, dass eine freiwillige Versicherung durch den Eintritt von Versicherungspflicht endet (§ 191 Nr 2 SGB V) und das SGB V ein Wiederaufleben einer durch Beitritt begründeten freiwilligen Versicherung nach dem Ende einer Versicherungspflicht - wie hier nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V - nicht ausdrücklich vorsieht. Jedoch hat der Gesetzgeber zur Aufrechterhaltung des Schutzes der GKV für bestimmte Personenkreise gerade in § 9 Abs 1 (Satz 1) Nr 1 und 6 SGB V die Möglichkeit des Beitritts zur freiwilligen Versicherung nach Wegfall der Versicherungspflicht vorgesehen. Zudem werden seit Personen ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall von der Auffangpflichtversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB V idF des GKV-WSG vom , BGBl I 378) erfasst, die ebenso wie die obligatorische Anschlussversicherung (§ 188 Abs 4 SGB V) als freiwillige Versicherung ausgestaltet ist (vgl zu den Folgen der obligatorischen Anschlussversicherung - BSGE 135, 218 = SozR 4-2500 § 188 Nr 5, RdNr 16).
21d) Der Kläger kann schließlich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als ob er 2002 sein Beitrittsrecht nicht ausgeübt hätte. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Willenserklärung mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs überhaupt als nicht abgegeben behandelt werden könnte. Nach den den Senat bindenden - weil nicht mit Verfahrungsrügen angegriffenen - Feststellungen des LSG ist der Kläger über die Folgen des Beitritts zur freiwilligen Versicherung informiert worden. Weitere Beratungspflichten, deren Verletzung den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen könnten, trafen die beklagte Krankenkasse nicht.
22e) Verfassungsrecht steht dem Ausschluss der Versicherungspflicht nicht entgegen. Weder das Grundrecht des Klägers auf gleichberechtigten Schutz seiner Gesundheit nach Art 2 Abs 2 Satz 1 iVm Art 3 Abs 1 GG (dazu aa) noch sein Recht auf Gleichbehandlung (dazu bb) ist verletzt.
23aa) Der Kläger ist durch den Fortbestand des ausgeübten Beitritts nicht vollständig von der GKV ausgeschlossen, sondern wie andere Versicherte, deren Versicherungspflicht endet, freiwilliges Mitglied in der obligatorischen Anschlussversicherung. Ihm stehen dieselben Ansprüche auf Leistungen der GKV zu wie in der KVdR pflichtversicherten oder anderen freiwillig versicherten Mitgliedern.
24bb) Der Kläger ist auch nicht verfassungswidrig schlechter gestellt als pflichtversicherte Rentner.
25Art 3 Abs 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten ( - BSGE 119, 107 = SozR 4-2500 § 240 Nr 25, RdNr 35 mwN; - SozR 4-2500 § 224 Nr 2 RdNr 26). Die Grenzen, die der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber vorgibt, können sich von lediglich auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen erstrecken. Relevant für das Maß der Bindung ist die Möglichkeit der Betroffenen, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen (vgl - BVerfGE 161, 163 RdNr 280; - BVerfGE 129, 49, 68 f mwN). Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Werteordnung des GG unvereinbar sind (vgl - BVerfGE 113, 167, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 84 ff mwN; - SozR 4-2500 § 240 Nr 30; - SozR 4-2500 § 224 Nr 2 RdNr 26). Nach diesen Kriterien ist § 5 Abs 8 Satz 2 SGB V nicht zu beanstanden.
26Der Kläger wird in der GKV gegenüber anderen freiwillig oder pflichtversicherten Rentnern leistungsrechtlich nicht anders behandelt. Allerdings werden die von freiwilligen und pflichtversicherten Mitgliedern zu zahlenden Beiträge unterschiedlich bemessen. Das betrifft nicht die Beitrags-sätze, denn diese unterscheiden sich nicht (mehr) danach, ob der versicherte Rentner freiwillig oder pflichtversichert ist (§§ 241, 242, 247, 248 SGB V iVm § 9 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). Freiwillig versicherte Rentner haben aber unter Berücksichtigung ihrer gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 240 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V idF des GKV-Finanzstruktur- und Qualitätsweiterentwicklungsgesetzes vom , BGBl I 1133; vgl hierzu - SozR 4-2500 § 240 Nr 3; - BSGE 134, 225 = SozR 4-2500 § 240 Nr 38; - BSGE 125, 113 = SozR 4-2500 § 240 Nr 34 sowie -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) Beiträge zu entrichten. Beitragspflichtig sind auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (vgl § 240 Abs 4a Satz 5 SGB V idF des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes vom , BGBl I 778, nunmehr Satz 9 idF des Pflegestudiumstärkungsgesetzes vom , BGBl I Nr 359). Hingegen werden bei pflichtversicherten Rentnern nur Beiträge auf die Rente, die der Rente vergleichbaren Einnahmen und das Arbeitseinkommen erhoben (§ 237 Abs 1 Satz 1 SGB V).
27Dieser gegebenenfalls höheren Beitragslast stehen aber die durch die Ausübung des Optionsrechts bedingten Vorteile gegenüber, die ein Festhalten des Klägers an seiner Entscheidung, durch freiwilligen Beitritt den Eintritt der Versicherungspflicht als Rentner zu verhindern und sich damit der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung zu unterstellen, weiterhin rechtfertigen. Der Kläger hatte - anders als pflichtversicherte Rentner (vgl § 175 Abs 4 SGB V) - die Möglichkeit, die Beitragslast durch Austritt aus der obligatorischen Anschlussversicherung zu verhindern und der privaten Krankenversicherung beizutreten (§ 188 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB V). Seine freiwillige Versicherung gibt ihm die Möglichkeit, beitragsfrei familienversichert zu sein, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen (vgl § 10 Abs 1 Nr 2 SGB V), die pflichtversicherten Rentnern verwehrt ist. Soweit versicherungspflichtige Rentner dadurch entlastet werden, dass der Rentenversicherungsträger die Hälfte des Beitrags trägt (§ 249a Satz 1 SGB V), erhalten freiwillig versicherte Rentner grundsätzlich, wie hier der Kläger, einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung in vergleichbarer Höhe (§ 106 SGB VI). Im Übrigen wird der Kläger pflichtversicherten Rentnern insofern gleich gestellt und gegenüber anderen freiwillig versicherten Mitgliedern der GKV privilegiert, als für ihn die Regelung zu den Mindestbeiträgen (§ 240 Abs 4 Satz 1 SGB V) nicht gilt, sondern er nur einkommensbezogene Beiträge zu zahlen hat (§ 240 Abs 4 Satz 3 SGB V).
284. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:051124UB12KR522R0
Fundstelle(n):
PAAAJ-86867