Instanzenzug: Az: 1 StR 473/23 Beschlussvorgehend Az: 1 StR 473/23 Beschlussvorgehend LG Frankfurt Az: 5/24 KLs 17/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten sowie daneben für die Tat in Fall 3 zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 400 € verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.929.502,66 € angeordnet. Den Angeklagten He. hat es wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt sowie gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.747.745,49 € angeordnet. Den Angeklagten H. hat es wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten und daneben für die Tat in Fall 3 zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 250 € verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.086.556 € angeordnet. Den Angeklagten L. hat das Landgericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 805.197,28 € angeordnet. Die auf die Einziehungsanordnung beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben zuungunsten der Angeklagten Erfolg, führen aber bezüglich der Angeklagten S. und H. – insoweit sind die Rechtsmittelbeschränkungen im Hinblick auf die für die Tat in Fall 3 verhängten Einzelstrafen unwirksam – zugleich zur Aufdeckung von weiteren Rechtsfehlern zugunsten (§ 301 StPO) wie zulasten dieser beiden Angeklagten im Strafausspruch.
I.
2Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – Folgendes festgestellt und gewertet:
31. Die M. GmbH tätigte unter der Leitung des Angeklagten S. (CEO) und unter Mitwirkung der Angeklagten H. (Geschäftsführer für den Eigenhandelsbereich), He. (Leiter der Handelsabteilung) und L. (Angestellter der Handelsabteilung) in den Jahren 2006 und 2007 mit ihrer Tochtergesellschaft, der M. S. , sowie in den Jahren 2008 und 2009 mit den Kreditinstituten Me. Bank Ltd., F. N.V., I. B.V., C. B.V. und B. plc jeweils unter Einschaltung ausländischer Depotbanken Aktien- und Optionsgeschäfte rund um den Dividendenstichtag. Die M. GmbH ließ sich vom Finanzamt Fr. aufgrund von unrichtigen Steuerbescheinigungen mit Wissen und Wollen der Angeklagten unberechtigt Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt rund 374 Mio. € anrechnen, welche zuvor nicht einbehalten und nicht abgeführt wurden (sog. Cum/Ex-Geschäfte).
4Die Angeklagten S. , He. , H. und L. erhielten im Tatzeitraum Bonuszahlungen u.a. für ihre Mitwirkung an den Cum/Ex-Geschäften. Der Angeklagte S. vereinnahmte einen Bonus in Höhe von 5.577.349,17 €, der Angeklagte He. in Höhe von 10.942.875,76 €, der Angeklagte H. in Höhe von 2.068.646 € und der Angeklagte L. in Höhe von 1.532.979,12 €.
52. Das Landgericht hat von diesen Bonuszahlungen pauschal einen Lohnsteuersatz samt Solidaritätszuschlag von 47,475 Prozent abgezogen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der M. GmbH als Arbeitgeberin einbehaltene Lohnsteuer dem Vermögen der Angeklagten zu keinem Zeitpunkt tatsächlich zugeflossen sei. Anders als bei einer dem Zufluss der Taterträge zeitlich nachfolgenden Besteuerung, bei welcher die auf den Taterträgen lastenden Steuern dem Abzugsverbot gemäß § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB unterlägen, würden Steuern, deren Einbehalt mit dem Zufluss beim Tatbeteiligten in einem Akt zusammenfielen, sich bereits unmittelbar mindernd auf die Höhe der dem Täter zugeflossenen Taterträge auswirken.
II.
61. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Generalstaatsanwaltschaft, die sie auf die Einziehungsanordnungen beschränkt hat, haben insoweit Erfolg. Das Landgericht hat von den Bonuszahlungen, die die Angeklagten als Anerkennung für ihre Mitwirkung an den Cum/Ex-Geschäften vereinnahmten, rechtsfehlerhaft die von der M. GmbH als Arbeitgeberin hierauf einbehaltene Lohnsteuer in Abzug gebracht.
7a) Zu Recht geht die Strafkammer zunächst davon aus, dass es sich bei den nicht mehr unterscheidbar im Vermögen der Angeklagten vorhandenen Bonuszahlungen, soweit diese auf die Cum/Ex-Geschäfte entfallen, um von diesen erlangte Taterträge „für die Tat“ handelt, die gemäß § 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB der Einziehung unterliegen. Denn „für die Tat“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 23 und vom – 1 StR 57/23 Rn. 27; je mwN). Maßgeblich für die Annahme einer Gegenleistung in diesem Sinne ist ein synallagmatischer Charakter. Wesentlich ist, dass das Entgelt bewusst für eine rechtswidrige Tat gegeben bzw. verlangt wird ( Rn. 13). Dies setzt eine Unrechtsvereinbarung zwischen Zuwendendem und dem Täter oder Teilnehmer der Straftat voraus ( Rn. 30). Hieran fehlt es, wenn Leistender und Zuwendender davon ausgehen, dass das Entgelt die Gegenleistung für eine legale Tätigkeit sein soll. Gleichgültig ist, ob das Entgelt vor oder erst nach der Tat geleistet wird. Erforderlich ist nur, dass es nicht bloß gelegentlich einer Straftat, sondern als Gegenleistung für die Tatbegehung erlangt wird ( Rn. 12 f.). Hierunter fallen auch Boni, welche der Täter für seine inkriminierten Handlungen erhält (vgl. , BGHSt 66, 182 Rn. 90). Die M. GmbH als Leistende des Tatlohns hat sich insoweit das Wissen und die Kenntnisse des Angeklagten S. um die Steuerrechtswidrigkeit der Anrechnung von Kapitalertragsteuer aus den Cum/Ex-Geschäften entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen.
8b) Die Generalstaatsanwaltschaft beanstandet hingegen zu Recht, dass die Strafkammer Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag von den Bonuszahlungen in Abzug gebracht hat.
9aa) Der Einbehalt von Lohnsteuer durch den Arbeitgeber mindert den Wert des Erlangten nicht. Das folgt daraus, dass die Lohnsteuer erst entsteht, wenn der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer – hier den Angeklagten – zugeflossen ist (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber setzt einen Zufluss also gerade voraus; sie erfolgt gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers. Ausschlaggebend für einen Zufluss ist entsprechend dem in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG verankerten Zuflussprinzip die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Arbeitslohn. Die Spezialvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG regelt nur eine zeitliche Zuordnung und setzt eine Entstehung der Lohnsteuer und damit den tatsächlichen Zufluss voraus (vgl. Wackerbeck in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 173. EL September 2024, § 38 EStG Rn. 110; Krüger in Schmidt, EStG, 43. Aufl., § 38a Rn. 2; BeckOK-EStG/Meyer, 20. Ed. Stand: , § 38 Rn. 55.2). Dass der Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG mit dem Steuerabzug zusammenfällt, ändert an dem tatsächlichen Zufluss nichts (vgl. Rn. 53 [zum Abzug von Kapitalertragsteuer]).
10Die Lohnsteuer kann auch nicht gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB abgezogen werden, weil sie gemäß § 73d Abs. 1 Satz 2 einem Abzugsverbot unterliegt; bei Steuern handelt es sich nicht um Aufwendungen für das Erlangen des Tatertrages, weil sie dem tatsächlichen Vermögenszufluss zeitlich nachfolgen oder – wie hier – mit diesem zusammenfallen (vgl. Rn. 57 f.; Beschluss vom – 5 StR 486/19 Rn. 18; BT-Drucks. 18/11640 S. 78 f.). Es entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers, dass Steuern, die auf das strafrechtswidrig erlangte Vermögen als steuerrechtliche Einkünfte zu entrichten sind, nicht abzugsfähig sind. Etwaige Doppelbelastungen sollen stattdessen auf steuerrechtlicher Ebene vermieden werden (sogenannte steuerrechtliche Lösung; vgl. Rn. 53; Beschlüsse vom – 4 StR 129/23 unter 2.; vom – 1 StR 281/23 unter 2. c) und vom – 1 StR 99/19, BGHR StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 3 Rn. 9; BT-Drucks. 18/11640 S. 78 f.).
11Dem steht auch nicht die Senatsentscheidung vom – 1 StR 466/21 entgegen. Da lediglich der Angeklagte Revision eingelegt hatte, war wegen des Verschlechterungsverbots gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO ein etwaiger, allein zugunsten des Angeklagten wirkender Steuerabzug nicht zu erörtern.
12bb) Die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach im Falle eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Besteuerungsverfahrens die sogenannte steuerrechtliche Lösung nicht anzuwenden und die auf den Einziehungsbetrag entfallende Steuer gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF zur Vermeidung unbilliger Härten von diesem abzuziehen ist (, BGHSt 47, 260, 264 ff.), ist aufgrund des neuen Vermögensabschöpfungsrechts überholt. Denn die Härtefallklausel des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF ist entfallen; der Entreicherungseinwand im Erkenntnisverfahren steht gemäß § 73e Abs. 2 StGB nur noch dem gutgläubigen Drittbeteiligten offen. In den übrigen Fällen können unbillige Härten nach neuem Recht gemäß § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO erst im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden (vgl. Maciejewski/Schumacher, DStR 2017, 2021, 2024 f.; Korte, wistra 2018, 1, 4; ders., NZWiSt 2018, 231, 235; Rettke, wistra 2018, 234, 239; Pananis, StraFo 2020, 439, 443; Klaas, NZWiSt 2022, 361, 365; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 459g Rn. 18; zweifelnd Madauß, NZWiSt 2018, 28, 34 f.; aA wohl Bach, wistra 2019, 485, 489; Klein/Jäger, AO, 17. Aufl., § 370 Rn. 355; Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 73d Rn. 4; Tschakert, wistra 2020, 24, 27 [für den Fall bereits bezahlter Steuern]).
13cc) Dies verstößt nicht gegen das Verbot der Mehrfacheinziehung. Dieses verbietet es lediglich, nebeneinander in voller Höhe sowohl die aus der Tat erlangten Erträge (Substrat) und die hierauf ersparten Steuern einzuziehen, weil beim Täter dann mehr eingezogen würde, als er tatsächlich erlangt hat (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 129/23 unter 2.; vom – 1 StR 515/21 Rn. 14; vom – 1 StR 399/20 Rn. 41 und vom – 1 StR 99/19, BGHR StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 3 Rn. 8). Hier wurden aber lediglich die Bruttobonuszahlungen eingezogen und nicht daneben auch ersparte Steueraufwendungen. Dass Härtefälle nach der Neuregelung gemäß § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nicht mehr im Erkenntnisverfahren, sondern erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen sind, führt auch nicht dazu, dass es sich bei der Tatertragseinziehung gemäß §§ 73 ff. StGB um eine Strafe im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG handelt; hierin liegt vielmehr eine angemessene Kompensation (vgl. Rn. 121).
14dd) Somit hätte die Strafkammer richtigerweise bei den Angeklagten den gesamten Bruttobetrag der Bonuszahlungen als Wert von Taterträgen einziehen müssen. Die in den einzelnen Veranlagungszeiträumen 2006 bis 2009 hierauf vom Arbeitgeber einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer unterlag gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 a) EStG der Anrechnung auf die Einkommensteuer. Den eingezogenen Bruttobetrag der Bonuszahlungen können die Angeklagten im Veranlagungszeitraum der Zahlung bzw. Vollstreckung als Werbungskosten gemäß § 9 EStG steuerlich geltend machen. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG greift nicht ein, weil es sich bei der Vermögensabschöpfung gemäß §§ 73 ff. StGB nicht um eine Strafe handelt (vgl. , BGHSt 47, 260, 265; Rn. 65, BFHE 245, 536 [jeweils zum Verfall]). Das Abzugsverbot gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG gilt nur für Geldbußen, die der Ahndung von bloßem Verwaltungsunrecht dienen, und findet auf die Einziehung wegen Straftaten gemäß §§ 73 ff. StGB keine (entsprechende) Anwendung. Die steuerlichen Konsequenzen von Straftaten sind abschließend in § 12 Nr. 4 EStG normiert (vgl. Rn. 67, BFHE 245, 536 und vom – IV R 31/99 Rn. 52 ff., BFHE 192, 64). Jedenfalls würde aber unter Geltung der sogenannten steuerrechtlichen Lösung, bei der eine Berücksichtigung von auf den rechtswidrigen Erträgen lastenden Steuern bei der Bemessung des Einziehungsbetrags gerade unterbleibt, insoweit eine Ausnahme vom Abzugsverbot eingreifen (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG).
15Selbst wenn der Abzug der Werbungskosten in dem betreffenden Veranlagungszeitraum aufgrund erheblich verminderter Einkünfte zu Verlusten führt, können diese gemäß § 10d EStG bis zu einer Höhe von 1.000.000 € bzw. bei zusammen veranlagten Ehegatten von 2.000.000 € zwei Jahre zurückgetragen und im Übrigen bis zu einer Höhe von 1.000.000 € bzw. bei zusammen veranlagten Ehegatten von 2.000.000 € unbeschränkt und darüber hinaus zu 60 % in die Folgejahre vorgetragen werden (vgl. , BGHSt 47, 260, 264 ff.). Soweit danach absehbar auf Dauer ein nicht mit positiven Einkünften verrechenbarer erheblicher Verlust verbleibt, können etwaige aufgrund vom Einziehungsbetrag nicht abziehbarer, aber bereits abgeführter Lohnsteuer eingetretener Härten im Vollstreckungsverfahren gemäß § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO berücksichtigt werden (vgl. auch Rn. 66 [zur Kapitalertragsteuer]). Dies ist der sogenannten steuerrechtlichen Lösung immanent und Folge der Periodizität der Einkommensteuer (vgl. , BGHR StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 3 Rn. 11; Maciejewski/Schumacher, DStR 2017, 2021, 2024). Nur auf diese Weise können die Tatgerichte von aufwendigen steuerrechtlichen Berechnungen entlastet werden.
162. Die Überprüfung des Strafausspruchs auf die Revisionen der Generalstaatsanwaltschaft deckt zudem weitere Rechtsfehler zugunsten (§ 301 StPO) wie zulasten der Angeklagten S. und H. auf.
17a) Die Beschränkung der Revisionen der Generalstaatsanwaltschaft auf die Einziehungsanordnung erweist sich bezüglich der Angeklagten S. und H. betreffend den Fall 3 als unwirksam, sodass insoweit auch der Strafausspruch angefochten ist. Die Beschränkungen im Übrigen und bezüglich der Angeklagten He. und L. erweisen sich hingegen als wirksam.
18aa) Zwar kann die Einziehungsanordnung nach §§ 73 ff. StGB grundsätzlich einer isolierten Prüfung durch das Revisionsgericht unterzogen werden. Denn bei dieser handelt es sich nicht um eine Strafe oder strafähnliche Maßnahme, so dass der Strafausspruch von ihr in der Regel nicht berührt wird. Nach allgemeinen Grundsätzen gilt dies aber nur, wenn der angefochtene Teil der Entscheidung losgelöst und vom übrigen Urteilsinhalt selbstständig geprüft werden kann und die bei Teilrechtskraft stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; vgl. Rn. 2 und vom – 2 StR 471/22 Rn. 41; Beschlüsse vom – 1 StR 281/23 unter 1. und vom – 3 StR 343/22 Rn. 4).
19bb) Eine Wechselwirkung zwischen Einziehungsentscheidung und Strafausspruch in Bezug auf die Angeklagten S. und H. betreffend Fall 3 besteht hier aber deshalb, weil die Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 41 StGB im Allgemeinen nicht losgelöst von der Einziehung gemäß §§ 73 ff. geprüft werden kann. Zwar verfolgen die Geldstrafe nach § 41 StGB und die Einziehung von Taterträgen gemäß §§ 73 ff. StGB unterschiedliche Zwecke. Während es sich bei § 41 StGB um eine Strafe handelt, ist die Vermögensabschöpfung keine (Neben-)Strafe, sondern eine präventive Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter. Die Einziehung von Taterträgen führt aber zu einer Vermögensminderung; bei der Beurteilung der „persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ im Sinne von § 41 letzter Halbsatz StGB haben daher solche Vermögenswerte außer Betracht zu bleiben, die der Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB unterliegen (, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 1 unter 2.; Beschluss vom – 1 StR 731/08 Rn. 28 [insoweit in BGHSt 53, 199 nicht abgedruckt]: jeweils zum Verfall). Dies führt dazu, dass die Höhe des Einziehungsbetrags sich auf die Voraussetzungen des § 41 letzter Halbsatz StGB auswirken kann. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach in den Fällen, in denen zur Abschöpfung des aus der Tat erlangten Vermögens eine Einziehung angeordnet wird, zu erörtern ist, ob die kumulative Verhängung von Freiheits- und Geldstrafen im Sinne des § 41 StGB angebracht ist (vgl. Rn. 41 [insoweit in BGHSt 67, 273 nicht abgedruckt] und vom – 5 StR 603/19 Rn. 8).
20cc) Die Unwirksamkeit der Beschränkung der Revision der Generalstaatsanwaltschaft gegen den Angeklagten H. folgt des Weiteren daraus, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung im Urteil die zusätzliche Verhängung einer Geldstrafe gegen den Angeklagten gemäß § 41 StGB in Fall 3 (Veranlagungszeitraum 2008) u.a. mit der Höhe der Einziehungsanordnung begründet hat, die „nicht seiner herausgehobenen strafrechtlichen und bankhierarchischen Verantwortlichkeit gerecht wurde[n]“, sodass „ein zusätzliches Bedürfnis nach einer finanziellen Sanktionierung bestand“ (UA S. 418). Hiermit hat die Strafkammer im Fall des Angeklagten H. sogar ausdrücklich eine Wechselwirkung zwischen der Einziehungsentscheidung und dem Strafausspruch hergestellt.
21b) Die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB gegen die Angeklagten S. und H. hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
22aa) Nach der Neuregelung der §§ 73 ff. StGB gilt:
23(a) Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist (§ 41 StGB). Die Vorschrift bezweckt nicht in erster Linie eine Besserstellung des Täters. Zwar soll durch § 41 StGB in geeigneten Fällen auch ermöglicht werden, die Freiheitsstrafe niedriger zu halten. Darin liegt aber nicht der im Vordergrund stehende Sinn und Zweck der Vorschrift (, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 106). Sie ist vielmehr vornehmlich auf Fälle zugeschnitten, in denen es nach der Art von Tat und Täter zur Erreichung der Strafzwecke sinnvoll erscheint, diesen nicht nur an der Freiheit, sondern darüber hinaus auch am Vermögen zu treffen ( Rn. 41 [insoweit in BGHSt 67, 273 nicht abgedruckt]), was insbesondere auf Täter zutrifft, bei denen Vermögensvorteile ein bestimmendes Tatmotiv waren (vgl. , BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 106).
24(b) Die Gesetzesmaterialien legen nahe, dass die durch Art. 18 II Nr. 9 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom (BGBl. I S. 469) in das StGB eingefügte Vorschrift des § 41 StGB ursprünglich geschaffen wurde, um insbesondere vermögende Täter aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität, deren leitendes Motiv eine persönliche Bereicherung war, empfindlich an ihrem Vermögen zu treffen, um ihnen so faktisch die Gewinne aus Straftaten zu entziehen; das Recht der Vermögensabschöpfung in seiner damaligen Form wurde zur Erreichung dieses Ziels als nicht ausreichend erachtet (vgl. zur Entstehungsgeschichte der Norm auch , BGHSt 32, 60, 62 f. und vom – 3 StR 375/20, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 106). In der Begründung zum Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962 vom , der beabsichtigte, eine dem § 41 StGB entsprechende Vorschrift als § 52 StGB-E in das Gesetz einzufügen, heißt es u.a. (BT-Drucks. IV/650, S. 172):
„Ihr besonderer Zweck ist es, bei Straftaten, die eine wirtschaftliche Bedeutung haben, den Täter auch wirtschaftlich zu treffen, insbesondere, wenn er ungerechtfertigte Gewinne erstrebt oder anderen oder der Allgemeinheit Verluste zugefügt hat.“
25Im Zweiten Schriftlichen Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform vom heißt es u.a. (BT-Drucks. V/4095, S. 22):
„Insbesondere im Rahmen der Wirtschaftskriminalität besteht ein Bedürfnis dafür, vermögende Täter nicht nur mit einer Freiheitsstrafe, sondern daneben auch noch mit einer Geldstrafe zu bedrohen, da nicht immer im Wege der Einziehung und des Verfalls auf das Vermögen solcher Täter Zugriff genommen werden kann, derartige Täter aber häufig gerade Geldstrafen gegenüber besonders empfindlich sind.“
26(c) Unter Geltung des alten Vermögensabschöpfungsrechts (Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB) entsprach es daher der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe gemäß § 41 StGB neben einem angeordneten Verfall möglich blieb. Bei der Prüfung, ob die Verhängung einer Geldstrafe im Sinne von § 41 letzter Halbsatz StGB „unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist“, sollten aber solche Vermögenswerte außer Betracht bleiben, die dem Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB bzw. der Rückgewinnungshilfe unterlagen (vgl. , BGHR StGB § 41 Geldstrafe 1 unter 2.; Beschluss vom – 1 StR 731/08 Rn. 28: zum Verfall [insoweit in BGHSt 53, 199 nicht abgedruckt]).
27(d) Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom (BGBl. I S. 872) zum ist der Zweck der Vorschrift jedenfalls weitestgehend entfallen. Das Kernstück der Reform war die ersatzlose Streichung des als „Totengräber des Verfalls“ bezeichneten § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF. Das bisherige System der Opferentschädigung wurde aufgegeben. Danach war eine Verfallsanordnung gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF ausgeschlossen, wenn dem Verletzten einer individualschützenden Straftat aus der Tat ein Vermögensanspruch erwachsen war, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Straftat Erlangten entziehen würde. Es war dann grundsätzlich Sache des Geschädigten, sich einen zivilrechtlichen Titel gegen den Täter zu besorgen. In vielen Fällen unterließen die Geschädigten aber aus Kostengründen und wegen unklarer Erfolgsaussichten die Beitreibung ihrer Ansprüche. Um zu verhindern, dass dem Täter in diesen Fällen die Erträge aus den Straftaten verblieben, konnte der Staat nach seinem Ermessen in einem äußerst komplizierten und unübersichtlichen Verfahren sogenannte Rückgewinnungshilfe gemäß § 111b Abs. 5, § 111g Abs. 2 StPO aF leisten und Vermögenswerte des Täters vorläufig für die Verletzten sichern, welche der Zulassung durch das Gericht bedurften; bei Untätigkeit der Geschädigten verblieben die Werte dem Staat im Wege eines Auffangrechtserwerbs. Nach Streichung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF ist nunmehr grundsätzlich ausnahmslos gemäß §§ 73 ff. StGB nF einzuziehen, wenn der Täter oder Teilnehmer durch oder für die Tat Vermögenswerte erlangt hat (vgl. zum Ganzen BT-Drucks. 18/9525, S. 1, 46). Die Einziehung ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa § 73 Abs. 3, § 73b Abs. 3 StGB) – in allen Fällen zwingend anzuordnen.
28(e) In den Fällen, in denen zur Abschöpfung des aus der Tat erlangten Vermögens eine Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB nF angeordnet wird, ist die Möglichkeit einer kumulativen Verhängung von Freiheits- und Geldstrafen im Sinne des § 41 StGB daher grundlegend infrage gestellt (vgl. auch Rn. 41 [insoweit in BGHSt 67, 273 nicht abgedruckt] und vom – 5 StR 603/19 Rn. 8 [Erörterungspflicht des Tatgerichts, warum neben der Einziehung von Taterträgen noch ein zusätzliches Bedürfnis für eine Geldstrafe gemäß § 41 StGB besteht]). Neben einer Einziehungsentscheidung gemäß §§ 73 ff. StGB nF ist im Regelfall für die zusätzliche Verhängung einer Geldstrafe nach § 41 StGB kein Raum mehr (vgl. OLG Celle, Beschluss vom – 32 Ss 77/08, NStZ 2008, 711, 712 [zum Verfall]; MüKo-StGB/Radtke, 4. Aufl., § 41 Rn. 9; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 41 Rn. 1; LK-StGB/Grube, 13. Aufl., § 41 Rn. 1, 4; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 41 Rn. 2 f.; wohl auch Claus in Satzger/Schluckebier/Werner, StGB, 6. Aufl., § 41 Rn. 6 aE; HK-GS/Arthur Hartmann, 5. Aufl., § 41 Rn. 3; Wolf, NZWiSt 2023, 301, 309 ff.; aA Peglau, wistra 2009, 124 f. [zum Verfall]; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, 63. Ed., § 41 Rn. 16). Bereits vor Inkrafttreten der Vermögensabschöpfungsreform hatten – wie bereits ausgeführt – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der „wirtschaftlichen Verhältnisse“ im Sinne von § 41 letzter Halbsatz StGB zudem solche Vermögenswerte außer Betracht zu bleiben, die dem Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB unterlagen (, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 1 unter 2.; Beschluss vom – 1 StR 731/08 Rn. 28: zum Verfall [insoweit in BGHSt 53, 199 nicht abgedruckt]).
29bb) Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Es hat beim Angeklagten S. in Höhe von 2.929.502,66 € und beim Angeklagten H. in Höhe von 1.086.556 € die als Anerkennung für die Mitwirkung an den Steuerhinterziehungen erlangten Boni aus den Jahren 2006 bis 2009 abzüglich Lohnsteuer gemäß § 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB eingezogen. Bereits dies hat eine die beiden Angeklagten empfindlich treffende Verringerung ihres Vermögens zur Folge. Weitere Taterträge neben den Boni erhielten die Angeklagten nicht. Das Landgericht hätte daher erörtern müssen, warum neben der angeordneten Einziehung, durch welche den Angeklagten im Wesentlichen ihre Gewinne aus den begangenen Steuerhinterziehungen entzogen und sie empfindlich an ihrem Vermögen getroffen wurden, gleichwohl ausnahmsweise ein Bedürfnis für eine zusätzliche Geldstrafe in Höhe von jeweils 240 Tagessätzen besteht.
30Soweit die Strafkammer beim Angeklagten H. zur Begründung für die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe ausführt, dass die gemäß §§ 73 ff. StGB eingezogenen Boni seiner verantwortlichen Stellung als Geschäftsführer der M. GmbH nicht gerecht würden, sodass ein zusätzliches Bedürfnis nach finanzieller Sanktionierung bestehe (UA S. 418), trägt auch dies eine ausnahmsweise neben der Einziehung verhängte Geldstrafe gemäß § 41 StGB nicht. Denn die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts stehen bereits im Widerspruch zu den übrigen Urteilsgründen. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne führt die Strafkammer nämlich aus, dass die vom Angeklagten mit dem Insolvenzverwalter der M. GmbH vereinbarte und bezahlte Vergleichssumme in Höhe von vier Mio. € im Verhältnis zu den von ihm bezogenen Boni besonders hoch sei und etwa das Doppelte der inkriminierten Boni (ohne Abzug von Lohnsteuer), also etwa das Vierfache des Einziehungsbetrags, betrage. Des Weiteren habe der Angeklagte durch teilweisen Verzicht auf einen bei ihm arretierten Betrag neben der Einziehung von 1.086.556 € eine weitere freiwillige Zahlung von knapp 1,4 Mio. € an die Staatskasse erbracht. Er habe daher in Relation zu seinen Einkünften aus der Tat von allen Angeklagten die größten freiwilligen Vermögensopfer erbracht (UA S. 403 f.). Angesichts dieser Feststellungen erschließt es sich nicht, warum der Angeklagte, selbst wenn man die Einziehung des vergleichsweise geringen Tatlohns in Form von Boni als zur Sanktionierung der eigennützigen Bereicherung nicht ausreichend ansieht, mit einer weiteren Geldstrafe zu ahnden sein soll, obwohl er etwa das Vierfache der ausgezahlten Boni (Vergleichssumme von vier Mio. € gegenüber eingezogenen Boni von 1.086.556 €) im Vergleichswege an den Insolvenzverwalter der M. GmbH zahlte und weitere freiwillige Zahlungen in Höhe von ca. 1,4 Mio. € zur Wiedergutmachung leistete.
31cc) Die fehlerhafte Anwendung von § 41 StGB ist ein Rechtsfehler zugunsten (vgl. § 301 StPO) wie zu Lasten der beiden Angeklagten. Die Anwendung von § 41 StGB ist einerseits ein zusätzliches Strafübel; andererseits hätte das Tatgericht ohne die Anwendung des § 41 StGB möglicherweise höhere Einzelfreiheitsstrafen und damit auch eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt (vgl. Rn. 22 und vom – 5 StR 603/19 Rn. 9).
32Der vorgenannte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelstrafen von drei Jahren nebst 240 Tagessätzen zu je 400 € Geldstrafe (Angeklagter S. ) und zwei Jahren und neun Monaten nebst 240 Tagessätzen zu je 250 € Geldstrafe (H. ) für Fall 3 (Veranlagungszeitraum 2008), was die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich zieht. Dies führt zur Aufhebung der diesbezüglichen Feststellungen, um dem Tatgericht eine widerspruchsfreie neue Strafzumessung zu ermöglichen.
Jäger Fischer Bär
Leplow Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:271124U1STR473.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-86612