Partnervertrag
Leitsatz
Partnervertrag
1. Ein Fall des unzulässigen Rezeptmakelns im Sinne des § 11 Abs. 1a ApoG liegt vor, wenn der Dritte den Vorteil "dafür" fordert, sich versprechen lässt, annimmt oder gewährt, Verschreibungen zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten. Erforderlich ist ein schutzzweckrelevanter Zusammenhang zwischen Tathandlung und Vorteil, der gegeben ist, wenn die Art und Weise der Vorteilsgewährung geeignet ist, die Freiheit der Apothekenwahl der Versicherten oder die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch wohnortnahe Apotheken zu gefährden.
2. Verlangt der Betreiber eines Internetmarktplatzes, über den Kunden elektronische Verordnungen ("E-Rezepte") bei Apotheken einlösen können, von teilnehmenden Apotheken eine monatliche, von der Zahl der Transaktionen oder dem mit ihnen erzielten Umsatz unabhängige Nutzungsgebühr, spricht dies grundsätzlich dagegen, dass das Entgelt im Sinne eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs unter Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG gerade für das Sammeln, Vermitteln oder Weiterleiten des E-Rezepts gezahlt wird, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um eine verdeckte Erfolgsprovision handelt, etwa weil die geforderte Vergütung mit Blick auf den gebotenen Leistungsumfang überhöht ist.
3. Stellt ein Betreiber seinen Internet-Marktplatz Apotheken zur Abwicklung von Verkaufsvorgängen über nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung, handelt es sich bei dieser Dienstleistung um einen im Sinne des § 8 Satz 2 Fall 2 ApoG überlassenen Vermögenswert.
4. Bemisst sich die von einer Apotheke für die Bereitstellung eines Internet-Marktplatzes zur Abwicklung von Verkaufsvorgängen über nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gezahlte Vergütung nach einem Anteil an dem pro Transaktion erwirtschafteten Umsatz oder Gewinn, ist diese Vergütung nur dann als im Sinne von § 8 Satz 2 ApoG am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet anzusehen, wenn der gesamte Umsatz oder Gewinn der Apotheke zu einem wesentlichen Teil auf den über den Internet-Marktplatz getätigten Geschäften beruht.
Gesetze: § 8 S 2 Alt 2 ApoG, § 11 Abs 1 ApoG, § 11 Abs 1a ApoG, § 360 Abs 1 SGB 5, § 360 Abs 2 SGB 5, § 360 Abs 3 SGB 5, § 360 Abs 10 SGB 5, § 360 Abs 16 SGB 5, § 361a Abs 1 SGB 5, § 361a Abs 6 SGB 5
Instanzenzug: Az: 6 U 418/22 Urteilvorgehend Az: 13 O 17/22 KfH Urteil
Tatbestand
1Die in den Niederlanden ansässige Klägerin gehört dem D. -Konzern an. Die Beklagte ist die berufsständische Organisation der Apothekerinnen und Apotheker im Kammerbezirk Nordrhein. Zu ihren Aufgaben gehört die Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten der Apotheker.
2Die Klägerin betreibt eine Online-Plattform, über die niedergelassene Apotheken und Versandapotheken durch Abschluss eines "Partnervertrags" apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und andere Produkte, etwa Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel, anbieten und verkaufen können. Die Klägerin selbst bietet keine Apothekenprodukte an. Teilnehmende Apotheken sollen über die Online-Plattform der Klägerin auch das Einlösen von elektronischen Rezepten (nachfolgend: E-Rezepten) anbieten können, was Kunden ermöglicht, rezeptpflichtige Arzneimittel von ihnen zu erhalten. Nach einer Startphase mit Sonderkonditionen sollen die teilnehmenden Apotheken eine "monatliche Grundgebühr" von 399 € für die Nutzung der Online-Plattform zahlen. Auf Bestellungen von Produkten, die apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind, soll die Klägerin zusätzlich eine "Transaktionsgebühr" in Höhe von 10 % des Nettoverkaufspreises erhalten. Einen entsprechenden Partnervertrag schloss die Klägerin im Januar 2022 mit einem in N. -W. niedergelassenen Apotheker ab.
3Die Beklagte ließ die Klägerin im September 2021 mit der Begründung abmahnen, ihr Plattformmodell sei wegen Verstoßes gegen das in § 11 Abs. 1a ApoG geregelte Verbot des Rezeptmakelns unzulässig und die Erhebung von Gebühren im Zusammenhang mit dem Vertrieb nicht preisgebundener Arzneimittel verstoße gegen § 8 Satz 2 ApoG.
4Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beklagte keine Ansprüche gegen die Klägerin hat, es ab sofort zu unterlassen, niedergelassenen Apotheken in Deutschland einen Vertrag über eine Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin betriebene Plattform zur Bestellung von Arzneimitteln anzubieten, diesen Vertrag abzuschließen oder diesen Vertrag zu vollziehen,
wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Verschreibungen, insbesondere elektronische Verschreibungen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden und die teilnehmende Apotheke hierfür eine monatliche Grundgebühr von mindestens 399 € pro Apotheke an die Klägerin bezahlt.
5Im Wege der Widerklage hat die Beklagte zuletzt - soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung - beantragt, die Klägerin unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
1. niedergelassenen Apotheken in Deutschland einen Vertrag über eine Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin oder einem mit der Klägerin verbundenen Unternehmen betriebene Plattform zur Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln anzubieten, diesen Vertrag abzuschließen oder diesen Vertrag zu vollziehen,
1.1 wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages eine Marktplatz-Infrastruktur, über die Verschreibungen, insbesondere elektronische Verschreibungen, an die teilnehmende Apotheke übermittelt werden, zur Verfügung gestellt wird und die teilnehmenden Apotheken hierfür eine monatliche Grundgebühr von EUR 399,00 pro Apotheke an die Klägerin bezahlen;
1.2 wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Bestellungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden und die teilnehmenden Apotheken hierfür an die Klägerin eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10% des Nettoverkaufspreises bezahlen.
[…]
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage - soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung - stattgegeben (LG Karlsruhe, PharmR 2023, 125). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den mit der Widerklage verfolgten Antrag 1.1 abgewiesen, die Berufung im Übrigen zurückgewiesen und die Revision zugelassen (OLG Karlsruhe, PharmR 2024, 317).
7Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, ihren Feststellungsantrag sowie ihren auf vollständige Abweisung der Widerklage gerichteten Antrag weiter. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Widerklageantrag 1.1 weiter.
Gründe
8A. Das Berufungsgericht hat die negative Feststellungsklage als unzulässig erachtet. Den mit dem Widerklageantrag 1.1 verfolgten Unterlassungsanspruch hat das Berufungsgericht als unbegründet, den Widerklageantrag 1.2 hingegen als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
9Das für die negative Feststellungklage erforderliche Feststellungsinteresse sei mit der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht über die im Wege der Widerklage erhobene Leistungsklage vollständig entfallen.
10Die Widerklage sei zulässig, insbesondere seien deutsche Gerichte international zuständig und die Widerklageanträge hinreichend bestimmt. Der mit dem Widerklageantrag 1.1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3a UWG sei unbegründet, weil die Klägerin durch die angegriffene Vertragsgestaltung nicht gegen das in § 11 Abs. 1a ApoG vorgesehene Verbot des Rezeptmakelns für verschreibungspflichtige Arzneimittel verstoße.
11Der mit dem Widerklageantrag 1.2 geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei hingegen begründet. Die vertragliche Verpflichtung der teilnehmenden Apotheken zur Zahlung einer Gebühr von 10 % des Nettoverkaufspreises für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel verstoße gegen das in § 8 Satz 2 ApoG geregelte Verbot der Überlassung von Vermögenswerten gegen umsatzabhängige Vergütung.
12B. Die Revision der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung nach dem Widerklageantrag 1.2 richtet. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig angesehen (dazu nachfolgend B I). Die Widerklage ist zwar zulässig (dazu nachfolgend B II). Den Widerklageantrag 1.1 hat das Berufungsgericht jedoch zu Recht als unbegründet erachtet (dazu nachfolgend B III). Die Verurteilung nach dem Widerklageantrag 1.2 durch das Berufungsgericht hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (dazu nachfolgend B IV).
13I. Die negative Feststellungsklage der Klägerin ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, dass das in § 256 ZPO geforderte - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (, BGHZ 231, 116 [juris Rn. 11 f.] - Deutsche Digitale Bibliothek II, mwN) - rechtliche Interesse der Klägerin auf Feststellung des Nichtbestehens eines Unterlassungsanspruchs mit der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht über die im Wege der Widerklage von der Beklagten erhobene Leistungsklage vollständig entfallen ist.
141. Das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs entfällt, wenn eine auf die Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und diese einseitig nicht mehr zurückgenommen werden kann (st. Rspr.; vgl. nur , BGHZ 99, 340 [juris Rn. 10] - Parallelverfahren I; Urteil vom - IX ZR 234/88, NJW-RR 1990, 1532 [juris Rn. 7]; Urteil vom - I ZR 30/92, GRUR 1994, 846 [juris Rn. 22] = WRP 1994, 810 - Parallelverfahren II, jeweils mwN). Auch wenn die Streitgegenstände von Feststellungs- und Leistungsbegehren teilweise übereinstimmen, besteht - bezogen auf den deckungsgleichen Teil - ein Vorrang der Leistungsklage (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1532 [juris Rn. 9]; Urteil vom - VII ZR 52/12, NJW-RR 2013, 1105 [juris Rn. 11]; Urteil vom - XI ZR 759/17, NJW 2020, 148 [juris Rn. 16]).
152. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Feststellungsklage der Klägerin unzulässig.
16a) Die Beklagte verfolgt mit ihrer Widerklage, die sie ohne Einwilligung der Klägerin nicht mehr zurücknehmen kann (§ 269 Abs. 1 ZPO), mit dem Widerklageantrag 1.1 einen Anspruch auf Unterlassung des behaupteten Verstoßes gegen § 11 Abs. 1a ApoG durch Angebot, Abschluss und Vollziehung von Verträgen über die Aufschaltung niedergelassener Apotheken in Deutschland auf eine entgeltpflichtige Internetplattform zur Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrags eine Marktplatz-Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, über die Verschreibungen, insbesondere elektronische Verschreibungen, an die teilnehmende Apotheke übermittelt werden.
17b) Soweit die Klägerin diesen Anspruch mit ihrem Feststellungsantrag leugnet, deckt der Widerklageantrag 1.1 diesen Feststellungsantrag vollständig ab.
18aa) Der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage verbleibt kein selbständiger Gehalt dadurch, dass sich der Widerklageantrag 1.1 in seinem abstrakten Teil auf den Betrieb der Plattform "zur Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln" bezieht, während der Feststellungsantrag den Betrieb der Plattform "zur Bestellung von Arzneimitteln" adressiert. Der Feststellungsantrag ist mit Blick auf die von der Beklagten zuvor ausgesprochene Abmahnung auszulegen, aus deren Begründung sich ergibt, dass Gegenstand des gerügten Verstoßes gegen § 11 Abs. 1a ApoG verschreibungspflichtige Arzneimittel waren, die über auf der Plattform der Klägerin vertretene Apotheken abgegeben werden. Wie auch die jeweilige Antragskonkretisierung erkennen lässt, beziehen sich die Anträge beider Parteien auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch Apotheken.
19bb) Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin resultiert ein abweichender Streitgegenstand beider Klagen auch nicht daraus, dass der konkrete Teil des Widerklageantrags 1.1 sich dagegen richtet, dass Verschreibungen über eine von der Klägerin zur Verfügung gestellte Marktplatz-Infrastruktur übermittelt werden. Eine Trennung zwischen der Vergütung für die Übermittlung von Verschreibungen einerseits und dem Zurverfügungstellen einer Marktplatz-Infrastruktur andererseits ist von der Beklagten erkennbar nicht beabsichtigt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die "Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin […] betriebene Plattform" bereits Gegenstand des abstrakten Teils des Widerklageantrags 1.1 ist. Ein vom Feststellungsbegehren der Klägerin abweichender Lebenssachverhalt ergibt sich nicht daraus, dass die Marktplatz-Infrastruktur im konkreten Teil des Widerklageantrags erneut klarstellend benannt wird.
20II. Die Widerklage der Beklagten ist zulässig. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass deutsche Gerichte international zuständig sind, die Widerklageanträge 1.1 und 1.2 hinreichend bestimmt sind und die Beklagte klagebefugt ist.
211. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2023, 887 [juris Rn. 11] = WRP 2023, 825 - Tellerschleifgerät; Urteil vom - I ZR 147/22, GRUR 2024, 319 - Eindrehpapier). Im Streitfall ergibt sie sich aus Art. 7 Nr. 2, Art. 8 Nr. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden Brüssel-Ia-VO).
22Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinne von Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO liegt nach den für Wettbewerbshandlungen geltenden Grundsätzen im Inland. Die mit der Widerklage angegriffenen Vertragsangebote richten sich an inländische Apotheken als Adressaten. Für die Widerklage ergibt sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte zudem aus Art. 8 Nr. 3 Brüssel-Ia-VO, da sie sich auf denselben Sachverhalt wie die Klage stützt.
232. Die Klagebefugnis der Beklagten nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG hat das Berufungsgericht zu Recht bejaht.
24a) Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG stehen die Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG unter anderem den berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben zu.
25b) Zu den berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts zählen die Kammern der freien Berufe (Köhler/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 8 Rn. 3.65). Darunter fallen auch Apothekerkammern (Teplitzky/Büch, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 13. Aufl., Kap. 13 Rn. 55).
26c) Die Beklagte ist durch die von ihr angegriffenen Handlungen der Klägerin im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG bei der Erfüllung ihrer Aufgaben betroffen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes in den Aufgabenbereich der berufsständischen Körperschaft fällt (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, BT-Drucks. 19/12084, S. 27 Abs. 4).
27aa) Nach § 1 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom (GV. NRW. S. 403 - HeilBerG-NRW) ist die Beklagte die berufsständische Organisation der Apothekerinnen und Apotheker im Kammerbezirk Nordrhein des Landes Nordrhein-Westfalen. Aufgabe der Kammern für Heilberufe ist es, für die Erhaltung eines hoch stehenden Berufsstandes zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG-NRW) und die beruflichen Belange der Kammermitglieder wahrzunehmen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 HeilBerG-NRW).
28Zu den beruflichen Belangen der Kammermitglieder zählen deren gewerbliche Interessen, welche auch die Unterbindung von Wettbewerbsverstößen umfassen, durch die den Kammermitgliedern Nachteile im Wettbewerb entstehen können (zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aF vgl. , GRUR 1997, 313 [juris Rn. 15] = WRP 1997, 325 - Architektenwettbewerb; zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF vgl. GRUR 2021, 1425 [juris Rn. 10] = WRP 2021, 1437 - Vertragsdokumentengenerator, jeweils mwN).
29bb) Die Verfolgung der von der Beklagten geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Ansprüche gehört sachlich und örtlich zu den von der Beklagten zu erfüllenden Aufgaben.
30Das von der Beklagten beanstandete Verhalten - der Abschluss von Partnerverträgen mit Apotheken in Deutschland zwecks Angebots eines Internetmarktplatzes für Arzneimittel - ist geeignet, den Wettbewerb daran nicht teilnehmender Mitglieder der Beklagten zu beeinträchtigen. Das Angebot eines Internetmarktplatzes für verschreibungspflichtige Arzneimittel wirkt sich jedenfalls auch im räumlichen Tätigkeitsbereich der Beklagten aus, weil Kunden statt des (stationären oder im Internet erfolgenden) Angebots eines Mitglieds der Beklagten das Internetangebot der Klägerin in Anspruch nehmen können. Für diese Interessenbeeinträchtigung ist ohne Bedeutung, ob der Vertragspartner der Klägerin im räumlichen Tätigkeitsbereich der Beklagten ansässig ist. Deshalb ist entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin die Klagebefugnis der Beklagten nicht etwa auf das Verbot des Abschlusses von Partnerverträgen im räumlichen Tätigkeitsbereich der Beklagten beschränkt.
31cc) Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin handelt es sich bei der Wahrnehmung der beruflichen Belange der Kammermitglieder durch die Beklagte auch nicht um einen gesonderten, vom anhängigen Streitstoff nicht erfassten Streitgegenstand.
32Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klagepartei in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klagepartei die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. nur , BGHZ 194, 314 [juris Rn. 18] - Biomineralwasser; Urteil vom - I ZR 203/22, GRUR 2024, 386 [juris Rn. 16] = WRP 2024, 340 - E2).
33Nach den von der Beklagten gestellten Anträgen und dem von ihr zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt verfolgt die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben, zu denen neben der von der Revision der Klägerin betonten Überwachung der Einhaltung von Berufspflichten auch die Wahrnehmung beruflicher Belange der Kammerangehörigen zählt. Die Ausformung dieser unterschiedlichen gesetzlichen Aufgaben der Beklagten bewirkt keine Aufspaltung des Streitgegenstands. Aus dem Umstand, dass die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe mit einem Mitglied der Beklagten einen Partnervertrag geschlossen, folgt zudem keine Beschränkung ihres Begehrs auf die Einhaltung von Berufspflichten ihrer Mitglieder, also auf eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs innerhalb der Mitgliedschaft der Beklagten.
34III. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Widerklageantrag 1.1 als unbegründet erachtet. Der Beklagten steht kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3a UWG zu, weil die Klägerin durch die angegriffene Vertragsgestaltung nicht gegen § 11 Abs. 1a ApoG verstößt.
351. Nach § 11 Abs. 1a ApoG ist es für die in § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG genannten Dritten - Personen, die nicht Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken, Ärzte oder andere Personen sind, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen - unzulässig, Verschreibungen, auch Verschreibungen in elektronischer Form oder elektronische Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form, zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren.
362. Das Berufungsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob die Klägerin E-Rezepte oder E-Rezept-Token deswegen im Sinne von § 11 Abs. 1a ApoG "vermittele" oder "weiterleite", weil sie eine technische Infrastruktur bereitstelle, die dies - gegebenenfalls unter Nutzung der von der Nationalen Agentur für digitale Medizin (Gematik) bereitgestellten Schnittstelle - technisch (mit)ermögliche. Die Forderung, die Annahme des entsprechenden Versprechens und die Annahme der Zahlung der vorgesehenen monatlichen Grundgebühr für das Bereitstellen einer digitalen Marktplatz-Infrastruktur, über die E-Rezepte oder ERezept-Token durch den Kunden unter Inanspruchnahme dieser digitalen Infrastruktur an die Apotheke des Vertragspartners übertragen werden könnten, falls der Kunde diese auswähle, stellten jedenfalls keinen Vorteil dar, der gerade "für" die in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Handlungen gefordert, vereinbart oder gewährt werde. Es müsse ein Konnex zwischen dem Vorteil und den in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Handlungen derart bestehen, dass ein Entgelt gerade für einen steuernden Einfluss des Dritten auf den Weg von Rezepten zur Apotheke bezahlt werde. Dies sei bei der im Streitfall angegriffenen Marktplatz-Infrastruktur nicht der Fall, da die monatliche Grundgebühr nicht an einzelne Übertragungsvorgänge im Zusammenhang mit der Weiterleitung oder Vermittlung von Verschreibungen - etwa in Form einer Umsatzbeteiligung - anknüpfe, sondern unabhängig davon anfalle, ob eine teilnehmende Apotheke solche überhaupt anbiete beziehungsweise wie viele solcher Arzneimittel sie verkaufe. Eine abweichende Beurteilung ergebe sich auch nicht mit Blick auf § 360 Abs. 16 SGB V. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
373. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin bei dem Betrieb ihres Internetmarktplatzes mit Blick auf die darin vorgesehene Funktion des Einlösens von E-Rezepten nicht gegen § 11 Abs. 1a ApoG verstößt. Selbst bei (unterstelltem) Vorliegen einer der tatbestandlichen Handlungsformen des Sammelns, Vermittelns oder Weiterleitens im Sinne des § 11 Abs. 1a ApoG ist der Tatbestand nicht erfüllt, weil die monatliche "Grundgebühr" in Höhe von 399 € nicht als Vorteil gerade für die Handlungen versprochen oder gewährt wird, in denen die Beklagte ein "Weiterleiten" oder "Vermitteln" von elektronischen Verschreibungen sieht. Es besteht nicht der erforderliche schutzzweckrelevante Zusammenhang zwischen den in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Tathandlungen und dem versprochenen oder gewährten Vorteil.
38a) Der Wortlaut von § 11 Abs. 1a ApoG impliziert mit dem finalen Adverb "dafür", dass der Vorteil gerade auf die tatbestandsmäßigen Handlungen des Sammelns, Vermittelns oder Weiterleitens bezogen sein muss.
39b) Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient die schlagwortartig als Verbot des Rezeptmakelns bezeichnete Regelung des § 11 Abs. 1a ApoG zum einen dem Schutz der Freiheit der Versicherten bei der Auswahl der Apotheke, zum anderen der Sicherung einer flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln durch wohnortnahe Apotheken. Apotheken könnten zunehmend unter wirtschaftlichen Druck geraten, da sie sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen beteiligen müssten oder Verschreibungen verlören. Es stehe zu befürchten, dass derartige Geschäftsmodelle mit der Einführung der elektronischen Verordnung an Bedeutung gewönnen. Es solle ausgeschlossen werden, dass unter Berufung auf die Möglichkeiten der Digitalisierung die Anwendbarkeit der Vorschriften zur Gewährleistung der freien Apothekenwahl in Frage gestellt werde (s. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur [Patientendaten-Schutz-Gesetz - PDSG], BT-Drucks. 19/18793, S. 137 [nachfolgend abgekürzt als RegE PDSG]).
40c) Systematische Gründe sprechen ebenfalls dafür, einen schutzzweckrelevanten Zusammenhang zwischen den in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Tathandlungen und dem versprochenen oder gewährten Vorteil zu verlangen.
41aa) Die durch das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) vom (BGBl. I S. 2115) eingeführte Vorschrift des § 11 Abs. 1a ApoG steht im systematischen Zusammenhang mit dem in § 11 Abs. 1 ApoG geregelten Verbot von Absprachen zwischen Apothekern und ihrem Personal mit Angehörigen der Heilberufe oder mit Dritten, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Das im Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG liegende Verbot der Einflussnahme auf die Einlösung von Verschreibungen wird durch § 11 Abs. 1a ApoG vor dem Hintergrund der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Gestalt der Einführung des E-Rezepts auf das Sammeln, Vermitteln und Weiterleiten von Verschreibungen durch Dritte erweitert, sofern diese dafür für sich oder andere einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen, annehmen oder gewähren.
42bb) Nach Normstruktur und Schutzzweck weist § 11 Abs. 1a ApoG Übereinstimmungen mit den Vorschriften des ärztlichen Berufsrechts auf, nach denen es Ärzten untersagt ist, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Diese Vorschriften schützen neben der Wahlfreiheit des Patienten in Bezug auf Apotheken, Geschäfte und Anbieter gesundheitlicher Leistungen (vgl. , GRUR 2017, 194 [juris Rn. 42] = WRP 2017, 64 - Orthopädietechniker) die ärztliche Unabhängigkeit und das Vertrauen des Patienten in die Sachlichkeit ärztlicher Entscheidungen (vgl. , NJW-RR 2022, 336 [juris Rn. 35] mwN). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass zwischen der Zuweisung von Patienten und dem gewährten Vorteil ein schutzzweckrelevanter Zusammenhang bestehen muss, an dem es fehlt, wenn der Vorteil nicht als Provision für die Vermittlung von Patienten, sondern für eine ärztliche Tätigkeit (zu § 31 HessBOÄ vgl. , GRUR 2002, 271 [juris Rn. 43 aE] = WRP 2002, 211 - Hörgeräteversorgung I) oder für die Nutzung eines virtuellen Marktplatzes gewährt wird (zu § 8 Abs. 5 BayBOZÄ vgl. , GRUR 2011, 343 [juris Rn. 22] = WRP 2011, 449 - Zweite Zahnarztmeinung II). Hängt der Vorteil hingegen unmittelbar von der Zahl der vom Arzt ausgesprochenen Verweisungen oder dem damit erzielten Umsatz ab, so ist der erforderliche Zusammenhang gegeben (zu § 31 NdsBOÄ vgl. , GRUR 2011, 345 [juris Rn. 69] = WRP 2011, 451 - Hörgeräteversorgung II).
43Es ist sachgerecht, den im ärztlichen Berufsrecht anerkannten Zusammenhang zwischen Tathandlung und Vorteil auch für die Anwendung des in § 11 Abs. 1a ApoG vorgesehenen Verbots des Rezeptmakelns zu verlangen (vgl. Kieser/Buckstegge, A&R 2022, 179, 183). Die (teilweisen) Unterschiede in den Schutzzwecken der Vorschriften des ärztlichen Berufsrechts einerseits und § 11 Abs. 1a ApoG andererseits stehen einer Übertragung des vorstehend beschriebenen Erfordernisses eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Vorteil auf die letztgenannte Vorschrift nicht entgegen (aA Mand, A&R 2023, 3, 9). Dieses Erfordernis bildet im Rahmen des § 11 Abs. 1a ApoG den apothekenrechtlichen Schutzzweck adäquat ab, weil die von digitalen Geschäftsmodellen des Sammelns, Vermittelns oder Weiterleitens von E-Rezepten ausgehenden Gefahren für die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln, denen der Gesetzgeber - wie dargelegt (s. Rn. 39) - mit der Einführung des § 11 Abs. 1a ApoG begegnen wollte, mit Blick auf die potentielle Marktmacht etwa von Plattformen und daraus für Vor-Ort-Apotheken folgenden Umsatzeinbußen gerade aus der Verknüpfung des Makelns von Rezepten und dem hierfür etwaig zu gewährenden Vorteil folgen.
44cc) Das tatbestandslimitierende Erfordernis eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Vorteil ist auch deshalb sachgerecht, weil andernfalls die Gefahr besteht, dass das in § 11 Abs. 1a ApoG vorgesehene Verbot in widersprüchlicher Weise zu Lasten weiterer gesetzlicher Regelungen ausgedehnt würde, deren Ziel die Förderung der Digitalisierung der Patientenversorgung ist (hier: die Vorschriften der §§ 360 bis 360b SGB V zur Übermittlung ärztlicher Verordnungen).
45(1) Nach § 360 Abs. 1 SGB V in der seit dem geltenden Fassung ist für die elektronische Übermittlung und Verarbeitung vertragsärztlicher elektronischer Verordnungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, einschließlich Betäubungsmitteln, sowie von sonstigen in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Leistungen die Telematikinfrastruktur zu nutzen, sobald die hierfür erforderlichen Dienste und Komponenten flächendeckend zur Verfügung stehen. § 360 Abs. 2 Satz 1 SGB V sieht die Verpflichtung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Zahnärzte vor, ab dem Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln elektronisch auszustellen und für deren Übermittlung die Telematikinfrastruktur zu nutzen. Nach § 360 Abs. 3 Satz 1 sind Apotheken verpflichtet, verschreibungspflichtige Arzneimittel auf der Grundlage elektronischer ärztlicher Verordnungen unter Nutzung der Telematikinfrastruktur abzugeben.
46Nach seit dem geltender Gesetzeslage ist die Gesellschaft für Telematik verpflichtet, die Komponenten der Telematikinfrastruktur, die den Zugriff der Versicherten auf die elektronische ärztliche Verordnung nach § 334 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ermöglichen, als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen (§ 360 Abs. 5 Satz 1 SGB V in der vom bis zum geltenden Fassung; § 360 Abs. 10 Satz 1 SGB V in der seit dem geltenden Fassung).
47Anstelle der in § 360 Abs. 5 Satz 2 beziehungsweise Abs. 10 Satz 2 SGB V in der bis zum geltenden Fassung vorgesehenen Verordnungsermächtigung zur Regelung von Schnittstellen und ihrer Nutzung durch Drittanbieter ist der Kreis der zum Empfang von Daten über die Telematikinfrastruktur Berechtigten in § 361a Abs. 1 SGB V mit Wirkung vom auf Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a SGB V, Krankenkassen, Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, Unternehmen der privaten Krankenversicherung, Apotheken, Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, Krankenhäuser und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen eingegrenzt worden. § 361a Abs. 6 SGB V sieht nunmehr die Ermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit vor, die Datenübermittlung an die in § 361a Abs. 1 SGB V genannten Berechtigten durch Rechtsverordnung zu regeln (vgl. dazu Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung [Krankenhauspflegeentlastungsgesetz], BT-Drucks. 20/3876, S. 60 [unter Nr. 27 zu Buchst. d] und S. 61 f.).
48In der Gesetzesbegründung der Erstregelung heißt es in Bezug auf die Tätigkeit der Gesellschaft für Telematik, ärztliche Verordnungen und damit auch entsprechende Zugriffsmöglichkeiten seien ein außerhalb des Wirtschaftslebens stehendes Medium zur wechselseitigen Durchsetzung sozialversicherungsrechtlicher Erstattungs- oder Zahlungsansprüche; die sichere Übermittlung und der Zugriff auf ärztliche Verordnungen stünden keiner eigenständigen wirtschaftlichen Tätigkeit offen. In Bezug auf die (inzwischen außer Kraft getretene) ursprüngliche Verordnungsermächtigung heißt es in der Gesetzesbegründung weiter, es werde unter Beachtung des grundlegenden Anspruchs an die Sicherheit der Telematikinfrastruktur, des öffentlichen Gesundheitsschutzes und der Datensicherheit ein angemessener Rahmen für die Teilnahme von Drittanbietern von Mehrwertanwendungen zugelassen. Auch unter Geltung des Makelverbots nach § 11 ApoG bleibe die Möglichkeit Dritter gewahrt, unter Nutzung der Schnittstelle Mehrwertangebote anzubieten, die nicht die unzulässige Beeinflussung der freien Apothekenwahl durch Gewährung oder Versprechen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne der apothekenrechtlichen Bestimmungen zum Gegenstand hätten (RegE PDSG, BT-Drucks. 19/18793, S. 129, 137).
49(2) Nach § 360 Abs. 16 Satz 1 SGB V in der seit dem geltenden Fassung ist die Bereitstellung und der Betrieb von informationstechnischen Systemen, die den Anwendungsfall der Übermittlung von elektronischen Verordnungen oder elektronischen Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen außerhalb der Telematikinfrastruktur enthalten, untersagt. Von dem Verbot nicht umfasst ist gemäß § 360 Abs. 16 Satz 2 Nr. 4 SGB V die Bereitstellung informationstechnischer Systeme durch Anbieter, mit denen Versicherte elektronische Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen direkt an Apotheken übermitteln können, wenn dabei der Stand der Technik gemäß den Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Schutzbedarf der Daten eingehalten wird, keine Apotheken oder Gruppen von Apotheken bevorzugt werden und der Verzeichnisdienst der Gesellschaft für Telematik sowie normierte Schnittstellen der Gesellschaft für Telematik für die diskriminierungsfreie Anbindung genutzt werden. Nach § 360 Abs. 16 Satz 3 SGB V sind unter anderem § 11 Abs. 1 und 1a ApoG zu beachten.
50Nach der Gesetzesbegründung soll durch § 360 Abs. 16 SGB V sichergestellt werden, dass das Makelverbot beachtet und eine freie Apothekenwahl gewährleistet wird. Durch die Ausnahmen würden sowohl Anwendungen einzelner Apotheken zur Einlösung von E-Rezepten durch einen Versicherten bei der jeweiligen Apotheke ermöglicht, als auch Anwendungen, welche eine Einlösung durch einen Versicherten diskriminierungsfrei bei allen Apotheken ermöglichen (Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens [Digital-Gesetz - DigiG], BT-Drucks. 20/9048, S. 128).
51(3) Aus der fortgeltenden Herausnahme diskriminierungsfreier Übermittlungsanwendungen aus dem Verbot gemäß § 360 Abs. 16 Satz 1 SGB V folgt unbeschadet der Aufhebung der früher in § 360 Abs. 5 beziehungsweise Abs. 10 Satz 2 SGB V aF vorgesehenen Verordnungsermächtigung, dass eine digitale Rezepteinlösung auch unter Zuhilfenahme von Dienstleistern - Dritten im Sinne des § 11 Abs. 1a ApoG - im Rahmen der apothekenrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Dem steht - anders als die Revision der Beklagten meint - nicht entgegen, dass der Gesetzgeber die sichere Übermittlung und den Zugriff auf ärztliche Verordnungen als keiner eigenständigen wirtschaftlichen Tätigkeit offenstehend bezeichnet (siehe vorstehend Rn. 48), weil sich dies allein auf die nach § 360 Abs. 5 SGB V aF/§ 360 Abs. 10 Satz 1 SGB V von der Gesellschaft für Telematik zu erbringende "Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse" bezieht. Der nach § 360 Abs. 16 Satz 2 Nr. 4 SGB V zulässigen Möglichkeit der Bereitstellung informationstechnischer Systeme durch Anbieter, mit denen Versicherte elektronische Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen direkt an Apotheken übermitteln, liefe es zuwider, jeden Abschluss eines entgeltlichen Nutzungsvertrags zwischen Apotheken und dem Anbieter eines Internetdienstes als nach § 11 Abs. 1a ApoG unzulässig anzusehen, selbst wenn das gewählte Vergütungsmodell weder die Freiheit der Apothekenwahl noch die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch wohnortnahe Apotheken gefährdet (vgl. Mand, A&R 2023, 3, 9).
52Entgegen der Ansicht der Revision folgt aus der in § 361a Abs. 1 SGB V vorgesehenen Beschränkung der Datenübermittlung an einen enumerativ aufgezählten Kreis von Berechtigten, der außerhalb des Systems der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung stehende Dienstleistungsanbieter nicht umfasst, nicht die gesetzgeberische Festlegung auf die Unzulässigkeit jeglicher Datenübermittlung an andere, in der Vorschrift nicht genannte Drittanbieter. § 361a SGB V regelt ausschließlich die Datenübermittlung innerhalb der nach § 360 Abs. 10 Satz 1 SGB V von der Gesellschaft für Telematik zur Verfügung gestellten Telematikinfrastruktur. Dies lässt die Zulässigkeit von Drittangeboten außerhalb dieser Telematikinfrastruktur nach der in § 360 Abs. 16 Satz 2 Nr. 4 SGB V geregelten Verbotsausnahme unberührt.
53d) Nach allem ist es sachgerecht, nur solche Angebote dem Verbot des § 11 Abs. 1a ApoG zu unterwerfen, bei denen der Vorteil im Sinne eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs gerade für das Sammeln, Vermitteln oder Weiterleiten des Rezepts im Einzelfall gewährt wird. Der dem § 11 Abs. 1a ApoG zugrundeliegende Schutzzweck ist berührt, wenn bei dem Angebot etwa einer Internetplattform die Gefahr besteht, dass niedergelassene Apotheken unter wirtschaftlichen Druck geraten, sich der Plattform anzuschließen, um dem Verlust von Verschreibungen vorzubeugen. Der in einem solchen wirtschaftlichen Druck zum Ausdruck kommende steuernde Einfluss der Plattform auf den Weg von Rezepten zur Apotheke stellt eine Beeinflussung des Apothekenwettbewerbs dar, die nicht dem Leitbild einer an heilberuflichen Kriterien orientierten wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch in pharmazeutischer, wirtschaftlicher und betrieblicher Hinsicht unabhängige Apotheker entspricht (vgl. Mand, A&R 2023, 3, 7 und 9; Wesser, GuP 2022, 81, 88).
54e) Mit der vom Senat vorgenommenen restriktiven, an den der Vorschrift des § 11 Abs. 1a ApoG zugrundeliegenden Gemeinwohlbelangen ausgerichteten Auslegung ist zugleich sichergestellt, dass die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie - im Falle von Unionsbürgern - die berufsbezogene allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der von einem Verbot betroffenen Anbieter von Leistungen im Zusammenhang mit der Rezepteinlösung nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird.
55Soweit die Revision der Beklagten die Auffassung vertritt, für die Anwendung des § 11 Abs. 1a ApoG müsse ausreichen, dass mit den Tathandlungen ein (jeglicher) kommerzieller Zweck verfolgt werde, würdigt sie die (teilweise widerstreitenden) Motive des Gesetzgebers nicht hinreichend und argumentiert letztlich im Sinne bloßen Konkurrentenschutzes, der allein allerdings - auch im Bereich der Gesundheitsvorsorge - einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG nicht rechtfertigen kann (BVerfGE 126, 112 [juris Rn. 99] mwN).
56f) Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, das einschränkende Erfordernis eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Vorteil führe zu einer ungleichen Bewertung der drei Tatmodalitäten des Sammelns, Vermittelns und Weiterleitens von Rezepten, weil im Falle des Sammelns eine für die Vorhaltung entsprechender Einrichtungen gezahlte Gebühr ohne weiteres im Sinne des § 11 Abs. 1a ApoG "für" das Sammeln gezahlt werde, wohingegen es im Falle des Vermittelns und Weiterleitens an einem Verstoß fehle, wenn die Höhe der Gebühr nicht an einzelne Übertragungsvorgänge anknüpfe. Abgesehen davon, dass die Beklagte im Streitfall nicht geltend macht, die Klägerin sammele Rezepte unter Verstoß gegen § 11 Abs.1a ApoG, ist es möglich, das Tatbestandsmerkmal des schutzzweckrelevanten Zusammenhangs mit Blick auf die jeweils einschlägige Tathandlung auszulegen.
57g) Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten lässt sich aus den Straftatbeständen der §§ 299 f. und §§ 331 ff. StGB kein Einwand gegen das vom Senat bei der Auslegung des § 11 Abs. 1a ApoG befürwortete Tatbestandsmerkmal des schutzzweckrelevanten Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Vorteil herleiten. Diese Lesart des Tatbestands ist vielmehr - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - zwanglos mit dem strafrechtlichen Erfordernis der Unrechtsvereinbarung kompatibel, das den in den genannten Straftatbeständen enthaltenen Worten "als Gegenleistung dafür" (§§ 299 f., 331 Abs. 2 StGB) oder "für die Dienstleistung einen Vorteil" (§ 331 Abs. 1 StGB) entnommen wird (zu § 299 StGB vgl. , NJW 2003, 2996 [juris Rn. 23]; zu § 331 StGB vgl. [juris Rn. 20]; vgl. auch Braun, PharmR 2020, 315, 319 f.).
58h) Im Streitfall fehlt es, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, am schutzzweckrelevanten Zusammenhang zwischen Tathandlung und Vorteil im Sinne des § 11 Abs. 1a ApoG.
59Die Klägerin erhält die monatliche, von der Zahl der Transaktionen unabhängige Grundgebühr nicht für das Sammeln, Vermitteln oder Weiterleiten von Rezepten, sondern - wie die Beklagte selbst im Widerklageantrag 1.1 formuliert hat - für das Zurverfügungstellen einer Marktplatz-Infrastruktur. Die apothekenrechtlichen Schutzzwecke, die Wahlfreiheit der Versicherten und eine flächendeckende Arzneimittelversorgung durch wohnortnahe Apotheken zu gewährleisten, stehen dem im Streitfall beanstandeten Plattformangebot der Klägerin nicht entgegen.
60aa) Die freie Apothekenwahl ist im Streitfall nicht beeinträchtigt.
61Die in § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V geregelte Apothekenwahlfreiheit basiert darauf, dass bei Rechtsverhältnissen, die der Erhaltung oder Wiedererlangung der Gesundheit dienen, der durch Art. 2 GG allen Patienten gewährleisteten Vertragsfreiheit, besonderes Gewicht zukommt (Wesser in Kieser/Wesser/Saalfrank, ApoG, Stand Mai 2017, § 11 Rn. 204). Die freie Entscheidung der Kunden, von welcher Apotheke sie ein ihnen verschriebenes Medikament beziehen möchten, wird durch das Marktplatzmodell der Klägerin nicht beeinträchtigt. Der Kunde kann vielmehr selbst darüber bestimmen, anhand welcher Parameter er eine Apotheke auswählt, wenn es etwa seinem Wunsch entspricht, die Apotheke seiner Wahl zunächst nicht persönlich aufsuchen zu müssen (vgl. Prütting, GesR 2023, 145, 151 f.). Die Online-Plattform bietet Patienten lediglich einen zusätzlichen Weg für die Einlösung von elektronischen Rezepten (Braun, A&R 2023, 119, 124).
62Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten wird die Apothekenwahlfreiheit nicht dadurch beschränkt, dass auf dem Marktplatz der Klägerin nur solche Apotheken angezeigt werden, die einen entsprechenden Partnervertrag mit ihr abgeschlossen haben. Der Kunde hat vielmehr durch den Aufruf der Plattform der Klägerin sein Wahlrecht bereits eigenverantwortlich auf Apotheken konkretisiert, die diesen Kommunikationskanal nutzen (vgl. Kieser/Buckstegge, A&R 2022, 179, 183; Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 330; Deckers, MedR 2023, 653, 654). Es ist daher - entgegen der Auffassung der Revision - ohne Bedeutung, ob teilnehmende Apotheken den Kunden der Plattform erst dann angezeigt werden, wenn diese sich für ein bestimmtes Arzneimittel interessieren.
63bb) Eine vom Marktplatzmodell der Klägerin ausgehende Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch wohnortnahe Apotheken ist nicht ersichtlich.
64Die Klägerin bietet die Nutzung ihres Marktplatzes für eine monatliche Festgebühr an. Eine monatliche, von der Zahl der Transaktionen oder dem mit ihnen erzielten Umsatz unabhängige Nutzungsgebühr spricht grundsätzlich dagegen, dass das Entgelt im Sinne eines schutzzweckrelevanten Zusammenhangs gerade für die Vermittlung des E-Rezepts gezahlt wird, sofern - wie vorliegend - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um eine verdeckte Provision für die Rezeptvermittlung handelt, etwa weil die geforderte Vergütung mit Blick auf den gebotenen Leistungsumfang überhöht ist (vgl. Mand, A&R 2023, 3, 10; Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 331; Wesser, GuP 2022, 81, 88).
65Die Revision der Beklagten wendet ohne Erfolg ein, eine hinreichende abstrakte Gefährdung der wohnortnahen Versorgung folge schon aus der von den Gerichten zu respektierenden Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, der die Einführung des § 11 Abs. 1a ApoG entsprechend begründet habe. Dieser Einwand berücksichtigt nicht, dass - wie dargelegt (siehe Rn. 52) - die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen und ihre Begründungen hinsichtlich der Zulässigkeit der Datenübermittlung an Dritte ambivalent sind und es folglich den Gerichten obliegt, die Anwendung dieser Regelungen zu harmonisieren.
66IV. Die Revision der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung nach dem Widerklageantrag 1.2 richtet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Verstoß der Klägerin gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 8 Satz 2 Fall 2 ApoG nicht angenommen werden.
671. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die vertragliche Verpflichtung der teilnehmenden Apotheken zur Zahlung einer Gebühr von 10 % des Nettoverkaufspreises für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel verstoße gegen § 8 Satz 2 ApoG. Die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur zum Vertrieb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel stelle - unabhängig vom Vertragstyp - jedenfalls einen Vermögenswert dar, welcher der teilnehmenden Apotheke im Sinne des § 8 Satz 2 Fall 3 ApoG während der Vertragsdauer umsatzabhängig überlassen werde. Die Nutzungsmöglichkeit der digitalen Infrastruktur als virtueller Verkaufsraum werde den Apotheken während der Vertragsdauer ähnlich wie bei einem gemieteten Geschäftsraum gegen eine prozentuale Umsatzbeteiligung überlassen. Die Höhe der umsatzorientierten Miete sei nicht entscheidend. Auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Apothekers im Einzelfall komme es nicht an, weshalb Feststellungen zum Verhältnis des Vor-Ort-Geschäfts der Apotheken zum Onlinehandel und zum Verhältnis zwischen verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Produkten entbehrlich seien. Die Überlassung der digitalen Infrastruktur sei nicht von gänzlich untergeordneter Bedeutung; ebenso sei auch nach den Angaben der Klägerin der Anteil von nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln am Gesamtumsatz von derzeit etwa 5 % nicht von vornherein als völlig unerheblich anzusehen. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
682. Nach § 8 Satz 2 ApoG sind Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer stillen Gesellschaft und Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge, unzulässig.
69Auf diese Weise sollen sogenannte partiarische Rechtsverhältnisse, in denen sich der Gläubiger die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten des Apothekeninhabers zu Nutze macht und an den Erlösen der Apotheke partizipiert, ausgeschlossen werden. Die Regelung des § 8 Satz 2 ApoG ist - ebenso wie das Verpachtungsverbot des § 9 ApothG - Ausdruck der gesetzgeberischen Zielvorstellung, dem Apotheker die eigenverantwortliche Führung und Leitung seines Betriebs sowohl in fachlicher, also wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu ermöglichen, ohne (auch nur indirekt) bei seinen Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt zu werden (, NJW-RR 1998, 803 [juris Rn. 15] = MDR 1998, 9; Urteil vom - 4 StR 152/01, BGHSt 47, 285 [juris Rn. 12]; Urteil vom - IX ZR 76/00, NJW 2004, 1523 [juris Rn. 12] = MDR 2004, 439).
70Die berufliche Verantwortung und Entscheidungsfreiheit des Apothekers sollen nicht durch unangemessene vertragliche Bedingungen, die ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit von Dritten bringen, beeinträchtigt werden (vgl. , NJW 1997, 3091 [juris Rn. 10]; Urteil vom - IX ZR 157/21, WM 2023, 1218 [juris Rn. 34]; BVerwG, PharmR 2015, 446, 449). Dadurch soll sichergestellt werden, dass er seiner öffentlichen Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mitzuwirken, in sachgerechter Weise nachkommt (vgl. , BGHZ 75, 214 [juris Rn. 13]). Zur Beurteilung eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist das Gesamtgefüge der Vereinbarungen zu betrachten (BGH, WM 2023, 1218 [juris Rn. 34]; Sieper in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl., § 8 ApoG Rn. 3).
713. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung einer Transaktionsgebühr in Höhe von 10 % des Nettoverkaufspreises bei Bestellung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verstoße gegen § 8 Satz 2 ApoG, liegt ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde.
72a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der von der Beklagten beanstandete Partnervertrag im Schwerpunkt als am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichteter Dienst- oder Mietvertrag im Sinne von § 8 Satz 2 Fall 2 ApoG zu qualifizieren ist. Diese Frage ist dahin zu entscheiden, dass dienstvertragliche Elemente überwiegen (vgl. Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 326; aA Mand, A&R 2022, 219, 222 f.; ders., A&R 2023, 127, 134). Die Klägerin verpflichtet sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts insbesondere dazu, dauerhaft eine mit dem Internet verbundene Marktplatz-Infrastruktur bereitzustellen und aufrechtzuerhalten, damit die teilnehmenden Apotheken Bestellungen von Kunden empfangen, bearbeiten und ausführen können. Der Vertragszweck liegt nicht in erster Linie in der Zurverfügungstellung eines digitalen Inhalts, also der Bereitstellung von Daten, sondern in der Bereitstellung einer digitalen Dienstleistung, die die Verarbeitung von Daten und Interaktionen mit von Nutzern hochgeladenen Daten ermöglicht (vgl. § 327 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB).
73b) Die Leistung von Diensten kann einen im Sinne des § 8 Satz 2 Fall 2 ApoG überlassenen Vermögenswert darstellen (VG Mainz, GewArch 2009, 125 [juris Rn. 46]; Wesser in Kieser/Wesser/Saalfrank, ApoG, Stand Mai 2017, § 8 Rn. 44; Krämer in Krämer/Rixen, ApoG, § 8 Rn. 23; Schiedermair/Pieck, ApoG, 3. Aufl., § 8 Rn. 162; aA , Umdruck S. 2). So verhält es sich auch im Streitfall, in dem die Klägerin als Betreiberin eines Internet-Marktplatzes diesen Markplatz Apotheken zur Abwicklung von Verkaufsvorgängen über nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung stellt.
74c) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Unrecht angenommen, dass die im Streitfall pro Verkaufsvorgang zu zahlende Vergütung entgegen § 8 Satz 2 ApoG am Umsatz oder am Gewinn "der Apotheke" ausgerichtet ist.
75aa) § 8 Satz 2 ApoG soll Außenstehenden, die keiner Betriebserlaubnis bedürfen und damit auch keiner Zuverlässigkeitsprüfung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG unterliegen, die Möglichkeit nehmen, durch die Ausnutzung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsformen beziehungsweise direkter oder indirekter Beteiligungen Einfluss auf die Betriebsführung zu nehmen, ohne dabei nach außen in Erscheinung zu treten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Apothekenwesen, BT-Drucks. 8/3554, S. 14, 16).
76bb) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht die Annahme, dass durch die dort vorgesehene transaktionsabhängige Vergütung von 10 % des Nettoverkaufspreises von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, eine wirtschaftliche Abhängigkeit der teilnehmenden Apotheken vom Betreiber der Online-Plattform zu besorgen ist.
77Eine Vergütung, die sich - wie hier - am Umsatz oder am Gewinn einzelner Geschäfte ausrichtet, kann nur dann als im Sinne von § 8 Satz 2 ApoG am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet angesehen werden, wenn Umsatz und Gewinn der Apotheke zu einem wesentlichen Teil auf den auf diese Weise getätigten Geschäften beruhen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, A&R 2009, 175 [juris Rn. 38]; VG Mainz, GewArch 2009, 125; OLG Naumburg, WRP 2020, 110 [juris Rn. 91]; , Umdruck S. 2 f.; , Umdruck S. 12; Wesser in Kieser/Wesser/Saalfrank, ApoG, Stand Mai 2017, § 8 Rn. 58, 59; Saalfrank in Halbe, Handbuch Kooperationen im Gesundheitswesen, Stand August 2022, D 1200 Rn. 10; Grau in Stellpflug/Middendorf, Gesundheitsrecht Kompendium für die Rechtspraxis, Stand Juli 2018, J 1000 Rn. 19; Deckers, MedR 2023, 653, 654; Kieser/Buckstegge, A&R 2022, 179, 181; Burke/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 328; aA wohl Mand, A&R 2022, 219, 224).
78Konkrete Feststellungen dazu, dass die mit dem Widerklageantrag 1.1 angegriffene Vertragsgestaltung geeignet wäre, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der teilnehmenden Apotheken zu gefährden, hat das Berufungsgericht nicht getroffen, insbesondere nicht dazu, welchen Anteil an Umsatz und Gewinn der Vertrieb von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln insgesamt ausmacht, so dass ermittelbar wäre, welcher Anteil auf die zehnprozentige Transaktionsgebühr entfällt.
79C. Danach ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufzuheben, soweit darin hinsichtlich des Widerklageantrags 1.2 zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die Sache insoweit nicht entscheidungsreif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
80In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das Berufungsgericht die Begründetheit des Widerklageantrags 1.2 erneut zu prüfen und den Parteien Gelegenheit zu geben haben, dazu vorzutragen, ob die angegriffene Vertragsgestaltung die wirtschaftliche Unabhängigkeit der teilnehmenden Apotheken oder ihre Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln bei der Auswahl, Beschaffung und dem Verkauf der Arzneimittel gefährdet. Ferner hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Begründetheit des Widerklageantrag 1.2 getroffen, soweit die Beklagte ihn hilfsweise auf einen kartellrechtlichen Verstoß gegen Art. 101 AEUV in Verbindung mit Art. 4a Vertikal-GVO (2022) gestützt hat.
Koch Löffler Schwonke
Feddersen Odörfer
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200225UIZR46.24.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-86183