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BGH Beschluss v. - 1 StR 429/24

Instanzenzug: LG München II Az: 1 Ks 31 Js 4923/23

Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Rüge der Verletzung des Fair-trial-Grundsatzes gemäß Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 Buchstabe e) EMRK in Verbindung mit § 187 Abs. 2 GVG, mit der sich die Angeklagte gegen die unterbliebene Übersetzung der schriftlichen Gründe des angefochtenen Urteils in die russische Sprache wendet, erweist sich bereits als unzulässig. Denn aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin kann sich ein Verfahrensfehler nicht ergeben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
a) Der Verfahrensrüge liegt zu Grunde, dass die der deutschen Sprache nicht mächtige Angeklagte, für die während der gesamten Hauptverhandlung eine Dolmetscherin für die russische Sprache anwesend war, nach abgeschlossener Verlesung der Urteilsformel (§ 268 Abs. 2 Satz 1 StPO) durch den Vorsitzenden der Strafkammer gemäß § 231b Abs. 1 Satz 1 StPO zur Wahrung der Ordnung aus dem Hauptverhandlungssaal entfernt wurde. Nachdem die Angeklagte die mündliche Urteilsbegründung mehrfach durch lautes Dazwischenreden ohne Worterteilung gestört hatte und sich hiervon durch mehrfache vorausgegangene Androhungen und Belehrungen für den Wiederholungsfall nicht hatte abhalten lassen, erging der Beschluss des Landgerichts, die Angeklagte zur Wahrung der Ordnung für die weitere Urteilsbegründung aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Der Beschluss wurde vollzogen und die Hauptverhandlung gemäß § 231b Abs. 1 Satz 1 StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt; ihr Verteidiger wohnte der Hauptverhandlung bis zu deren Abschluss bei. Eine schriftliche Rechtsmittelbelehrung wurde der Angeklagten danach in ihrer Zelle ausgehändigt und von der Dolmetscherin übersetzt. Dem Antrag der Angeklagten auf Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe wurde nicht entsprochen.
b) Ein Verfahrensfehler liegt danach nicht vor.
Die Verfahrensrüge genügt den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO – wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat – schon deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin es versäumt hat, den Beschluss des Vorsitzenden der Strafkammer, mit dem der Antrag auf Übersetzung des schriftlichen Urteils zurückgewiesen wurde, jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach mitzuteilen. Darüber hinaus fehlt es auch an der Darstellung der hiergegen gerichteten Beschwerde.
Ein Verfahrensfehler scheidet nach dem Beschwerdevortrag aber auch sonst aus. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:
„Ausgehend vom abgestuften System in § 187 Abs. 2 GVG ist eine schriftliche Übersetzung regelmäßig dann nicht notwendig, wenn die Angeklagte verteidigt ist (§ 187 Abs. 2 Satz 5 GVG) und ihr die mündlichen Urteilsgründe übersetzt werden. In diesem Fall wird die effektive Verteidigung der sprachunkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt und die Angeklagte die Möglichkeit hat, das Urteil mit ihm – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – zu besprechen (vgl. , BGHSt 64, 283-301; Beschluss vom – 4 StR 506/17, Rn. 5).
Nichts anderes kann gelten, wenn eine Angeklagte - wie hier - aufgrund eigenen Verschuldens nach Maßgabe des § 231b Abs. 1 StPO nach der Verkündung der Urteilsformel aus der Hauptverhandlung entfernt werden muss. Die Angeklagte hätte es andernfalls in der Hand, durch eigenes Fehlverhalten eine schriftliche Urteilsübersetzung zu erzwingen und sich damit - im Vergleich zu einer sich ordnungsgemäß führenden Angeklagten - prozessual besserzustellen.
Der Beschwerdeführerin ist es des Weiteren unbenommen, sich eine Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe anfertigen zu lassen. Daneben ist ihr aber auch die Möglichkeit eröffnet, bei einem Gespräch mit ihrem Verteidiger - das die sprachunkundige Angeklagte ohnehin nur unter Hinzuziehung eines Dolmetschers führen kann - die schriftlichen Urteilsgründe eingehend zu erörtern.
Schließlich ergibt sich ein berechtigtes Interesse an der Übersetzungsleistung auch nicht wegen der besonderen Sachkunde der Angeklagten oder einem anderen durch die Verteidigung vorgetragenen Gesichtspunkt. Dergleichen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. –, BGHSt 64, 283-301, Rn. 15-16).“
Dem schließt sich der Senat an.
Jäger                         Fischer                         Bär
            Allgayer                         Munk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:171224B1STR429.24.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-86182