Instanzenzug: Az: 11 U 2046/21vorgehend Az: 1 O 133/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Der Kläger erwarb im April 2013 von der Beklagten ein von dieser hergestelltes gebrauchtes Kraftfahrzeug Mercedes-Benz C 220 CDI, das mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 DE 22 LA (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.
3Der Kläger hat zuletzt die nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie gegen Zahlung einer "von der Beklagten noch darzulegenden" Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1), die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens (Berufungsantrag zu 2) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 3) verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Berufungsanträge zu 1 und 3 weiter, soweit er sein Klagebegehren auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.
Gründe
4Die Revision des Klägers hat Erfolg.
5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
6Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch die Beklagte könnte nicht festgestellt werden. Ein Anspruch des Klägers auf die von ihm allein begehrte Rückgängigmachung des Vertrags aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder mit Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 scheide aus, weil das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Vorschriften liege.
II.
7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.
81. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20) und dass dem "großen" Schadensersatz einerseits und einem Differenzschaden andererseits lediglich unterschiedliche Methoden der Schadensberechnung zugrunde liegen, die im Kern an die Vertrauensinvestition des Käufers bei Abschluss des Kaufvertrags anknüpfen ( aaO, Rn. 45). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
11Die angefochtene Entscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180225UVIAZR132.23.0
Fundstelle(n):
UAAAJ-86112