Eingruppierung eines Freilandartenschützers - Bestimmung von Arbeitsvorgängen - wissenschaftliche Hochschulbildung und entsprechende Tätigkeit
Gesetze: Anl 1 Teil A Abschn I Nr 3 Entgeltgr 13 TVöD, § 12 TVöD, § 13 TVöD
Instanzenzug: Az: 2 Ca 7178/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 4 Sa 362/23 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
2Der Kläger ist studierter Diplom-Biologe und seit 1998 bei der Beklagten beschäftigt. Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen bestimmte sich das Arbeitsverhältnis zunächst „nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen“ und später „nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für die Verwaltung und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA)“.
3Der Kläger ist seit dem unverändert im Umwelt- und Verbraucherschutzamt als Freilandartenschützer tätig, zuletzt mit einer Arbeitszeit von 76,92 vH eines Vollzeitbeschäftigten. Der Freilandartenschutz dient der Umsetzung artenschutzrechtlicher Regelungen zum Schutz von wildlebenden Tieren und Pflanzen, speziell in bau- und abfallrechtlichen Verfahren. Der Kläger ist in drei Stadtbezirken für die generelle Gewährleistung und Sicherstellung des Artenschutzes und in allen Bezirken speziell für Flusskrebse und Neobiota zuständig. Nach einer Arbeitsplatzbeschreibung vom fallen bei seiner Tätigkeit zu 40 vH der Arbeitszeit Prüfungen auf Einhaltung artenschutzrechtlicher Verbote in der Bauleitplanung, baurechtlichen Zulassung und Planungs- und Zulassungsverfahren einschließlich Artenschutzprüfungen sowie Überprüfung der Verträglichkeit von Projekten mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets nach § 34 BNatSchG (FFH-Verträglichkeitsprüfungen), zu 30 vH die Bearbeitung von Vorgängen außerhalb von Bebauungsplänen und zu weiteren 30 vH sonstige Aufgaben wie die Durchführung von Artenschutzprogrammen und Öffentlichkeitsarbeit an. Alle bei der Beklagten im Freilandartenschutz Beschäftigten verfügen über ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium. In Stellenausschreibungen für den Bereich Freilandartenschutz wird als „Muss-Kriterium“ ein „Hochschulabschluss der Biologie (Bachelor, Diplom)“ vorausgesetzt.
4Die Beklagte vergütet den Kläger nach Entgeltgruppe 11 Stufe 6 TVöD/VKA. Mit Schreiben vom machte dieser geltend, die von ihm auszuübende Tätigkeit sei der „Entgeltgruppe 13 zugeordnet“, und beantragte eine „Höhergruppierung in diese Entgeltgruppe rückwirkend ab “.
5Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei Beschäftigter mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit. Er habe daher Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA. Er benötige zur Ausübung seiner Tätigkeit Kenntnisse und Fähigkeiten, die in Breite und Tiefe über die in einem Bachelor-Studium vermittelten hinausgehen. Nur aufgrund seines abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulstudiums sei er in der Lage, die relevanten Zusammenhänge zu erkennen.
6Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu die Auffassung vertreten, die Tätigkeit des Klägers erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 11 des Teils A Abschnitt II Nr. 3 - Ingenieurinnen und Ingenieure - der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Zur Ausübung der Tätigkeit genüge ein Bachelor-Studium „Landschaftsplanung und Naturschutz“. Dieses sei spezieller auf die Tätigkeit zugeschnitten als ein Biologie-Studium. Etwaige Ansprüche seien jedenfalls teilweise verfallen. Der Kläger habe diese erstmals mit der Klageschrift hinreichend konkretisiert geltend gemacht.
8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
9Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte mit der gegebenen Begründung den Hauptantrag nicht abweisen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
10I. Der Hauptantrag, zu dessen Begründung sich der Kläger ausschließlich auf einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme stützt, ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt für die Monate Januar bis Dezember 2018 jeweils die Differenz zwischen dem ihm gezahlten Tabellenentgelt und dem ihm nach seiner Auffassung auf Grundlage der Entgeltgruppe 13 Stufe 6 TVöD/VKA zustehenden Entgelt nebst Zinsen. Ob die Berechnung zutreffend ist, ist keine Frage der Zulässigkeit.
11II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger könne kein Entgelt nach Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA beanspruchen, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
121. Für das Arbeitsverhältnis war zunächst aufgrund der jeweiligen arbeitsvertraglichen Regelungen der BAT maßgebend. Nunmehr bestimmt es sich nach den Regelungen des TVöD/VKA und des TVÜ-VKA.
132. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nach § 12 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA, sondern nach §§ 22, 23 BAT iVm. den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1a zum BAT.
14a) Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA gelten für die in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten sowie für die zwischen dem Inkrafttreten des TVöD/VKA und dem neu eingestellten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis über den hinaus fortbesteht, ab dem für (Neu-)Eingruppierungen §§ 12, 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung anhand dieser Vorschriften fand jedoch anlässlich der Überleitung in die Entgeltordnung nicht statt (§ 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA). Vielmehr erfolgte die Überleitung zum gemäß § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe. Dies ist nach der Protokollerklärung zu § 29a Abs. 1 TVÜ-VKA diejenige, die nach Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA in der bis zum geltenden Fassung der Vergütungsgruppe des BAT, deren tarifliche Anforderungen die Tätigkeit erfüllte, zugeordnet war ( - Rn. 15; - 4 AZR 289/22 - Rn. 15).
15Eine Ausnahme besteht für die in § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA geregelte Fallgestaltung. Danach kommt bei unveränderter Tätigkeit eine Eingruppierung nach § 12 TVöD/VKA nur in Betracht, wenn sich nach der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA eine höhere Entgeltgruppe als in der Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA vorgesehen ergibt und der Beschäftigte bis zum eine dementsprechende Eingruppierung beantragt hat ( - Rn. 25; - 4 AZR 301/22 - Rn. 19).
16b) Für den Kläger sind danach weiterhin die Eingruppierungsregelungen der §§ 22, 23 BAT iVm. der Vergütungsordnung einschlägig. Seine Tätigkeit hat sich weder nach dem geändert noch ergibt sich unter Anwendung der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA für ihn eine höhere Eingruppierung. Das streitgegenständliche Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1a Alt. 1 des Teils I der Anlage 1a zum BAT für den Bereich Gemeinden „mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit“ ist unverändert in Entgeltgruppe 13 des Teils A Abschnitt I Nr. 4 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA übernommen worden. Dabei haben die Tarifvertragsparteien zwar die Definition der wissenschaftlichen Hochschulbildung geändert. Hieraus ergeben sich für die Eingruppierung des Klägers aber keine Unterschiede.
17aa) Nr. 3 der Grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zur Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA lautet:
18bb) In der Protokollerklärung Nr. 2 zur Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1a BAT heißt es ua.:
19cc) Der Kläger verfügt als Diplom-Biologe nach beiden Definitionen über eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung. Er wäre daher, sein Vorbringen als zutreffend unterstellt, er übe eine „entsprechende Tätigkeit“ aus, vor Inkrafttreten des TVöD/VKA bereits nach Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1a BAT zu vergüten und nach Anlage 1 TVÜ-VKA in der bis zum geltenden Fassung in Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA überzuleiten gewesen (Vergütungsgruppe II ohne Aufstieg nach Ib).
203. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BAT ist der Kläger in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 BAT). Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist danach der Arbeitsvorgang ( - Rn. 22; - 4 AZR 275/20 - Rn. 20).
21a) Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte zu übertragen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT auch Zusammenhangarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Angestellten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten ( - Rn. 23; ausf. - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 172, 130).
22b) Im Eingruppierungsrechtsstreit umfasst die Darlegungslast eines Beschäftigten nicht, seine Tätigkeit nach Arbeitsvorgängen gegliedert darzulegen. Er hat lediglich neben der Darstellung der Arbeitsinhalte Angaben insbesondere zu den Arbeitsergebnissen, zu den Zusammenhangstätigkeiten und zu der Abgrenzbarkeit der verschiedenen Einzelaufgaben zu machen, die dem Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ermöglichen. Die Bestimmung der Arbeitsvorgänge selbst ist eine Rechtsfrage und damit Aufgabe des Gerichts ( - Rn. 19; - 4 AZR 173/19 - Rn. 17, BAGE 170, 214).
23c) Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar ( - Rn. 19).
24d) Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
25aa) Es ist zwar unschädlich, dass das Landesarbeitsgericht seiner Subsumtion nicht § 22 BAT, sondern den inhaltsgleichen § 12 TVöD/VKA zugrunde gelegt hat (vgl. - Rn. 19).
26bb) Das Landesarbeitsgericht hat aber bei seiner Prüfung der vom Kläger beanspruchten Entgeltgruppe nicht selbst die Arbeitsvorgänge bestimmt, sondern die - vermeintlich - vom Kläger angenommenen Arbeitsvorgänge zugrunde gelegt. Anschließend hat es ausschließlich einen „Arbeitsvorgang“ (Gewährleistung des Freilandartenschutzes innerhalb und außerhalb der Bauleitplanung und baurechtlichen Zulassung) mit einem zeitlichen Anteil von 70 vH der Arbeitszeit des Klägers bewertet. Unabhängig davon, ob der Kläger erst mit der Revisionsbegründung oder bereits im erst- oder zweitinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, seine Tätigkeit sei „insgesamt als ein Arbeitsvorgang zu betrachten“, hätte das Landesarbeitsgericht von dessen Vortrag, seine Tätigkeit bestünde aus zwei Arbeitsvorgängen, nicht ohne eigene Prüfung ausgehen dürfen.
27cc) Das Landesarbeitsgericht hätte die Bestimmung von Arbeitsvorgängen nur dann dahinstehen lassen können, wenn der Kläger unter keinem denkbaren Zuschnitt Anspruch auf die begehrte Vergütung hätte. Dann wäre aber die Bewertung sämtlicher vom Kläger auszuübender Tätigkeiten erforderlich gewesen (sh. nur - Rn. 26). Daran fehlt es.
28III. Dies führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
291. Der Senat kann nicht beurteilen, ob die Klage begründet ist. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen zu den vom Kläger auszuübenden Tätigkeiten, die die Bestimmung der Arbeitsvorgänge und anschließend deren Bewertung ermöglichen würden. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Arbeitsplatzbeschreibung vom in Bezug genommen und Feststellungen zu den Ausschreibungen für ähnliche Stellen getroffen. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, ob die darin beschriebenen Tätigkeiten tatsächlich den von dem Kläger auszuübenden Tätigkeiten entsprechen (vgl. zu dieser Anforderung - Rn. 15).
302. Der Zurückverweisung unterliegen auch die hilfsweise gestellten Anträge zu 1. bis 3. Über diese ist nur zu entscheiden, wenn die Klage hinsichtlich des Hauptantrags abzuweisen ist.
31IV. Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht - unter Berücksichtigung des bisherigen und ggf. weiteren Vorbringens der Parteien - Folgendes zu beachten haben:
321. Nach Feststellung des Inhalts der Tätigkeit des Klägers ist bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die „Trennbarkeit“ einzelner Tätigkeiten, sondern auf die tatsächliche Organisation der Arbeit durch die Beklagte abzustellen (vgl. - Rn. 30, BAGE 172, 130). Die getrennte Auflistung von Tätigkeiten in der Arbeitsplatzbeschreibung lässt keinen Schluss auf eine organisatorische Trennung von Tätigkeiten im Tatsächlichen zu.
332. Maßgebend für die Bewertung der Tätigkeit des Klägers sind die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale des Teils I der Anlage 1a zum BAT für den Bereich der Gemeinden. Grundsätzlich sind zwar spezielle Tätigkeitsmerkmale - in Betracht kämen vorliegend diejenigen, die mit dem Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT (Angestellte in technischen Berufen) vom idF des Tarifvertrags vom (TV TechnAng) in die Vergütungsordnung eingefügt wurden - vorrangig zu prüfen (vgl. Nr. 3 der Bemerkungen zu allen Vergütungsgruppen zur Anlage 1a zum BAT (VKA)). Wenn ein Arbeitsvorgang ein solches Tätigkeitsmerkmal erfüllt, ist die Anwendung des Allgemeinen Teils nach dem Spezialitätsprinzip ausgeschlossen ( - Rn. 30; - 4 AZR 269/20 - Rn. 23). Der Kläger beruft sich jedoch ausdrücklich darauf, eine Tätigkeit auszuüben, die einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss erfordert. Hierfür enthält der TV TechnAng keine Tätigkeitsmerkmale, so dass die allgemeinen Merkmale heranzuziehen sind (vgl. - zu 2 b der Gründe).
343. Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA erfordert, dass der Kläger „Angestellter mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit“ iSd. Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1a BAT ist.
35a) Als Diplom-Biologe verfügt der Kläger - wovon auch die Parteien und das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen sind - über eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung (Rn. 19).
36b) Das Tätigkeitsmerkmal setzt darüber hinaus voraus, dass die von dem Angestellten auszuübende Tätigkeit dessen abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung erfordert.
37aa) Die Tätigkeit muss einen sog. akademischen Zuschnitt haben. Sie muss eine umfassende wissenschaftliche Ausbildung und nicht nur wissenschaftliche Grundkenntnisse, wie sie zB im Rahmen eines Bachelor-Studiengangs erworben werden, erfordern. Nicht ausreichend ist, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Angestellten für seinen Aufgabenkreis lediglich nützlich oder erwünscht sind ( - Rn. 28 mwN; - 4 AZR 964/13 - Rn. 16).
38bb) Hierbei ist nicht auf die Erforderlichkeit „einer“ wissenschaftlichen (Hochschul-)Bildung, sondern auf die konkrete wissenschaftliche Hochschulbildung des jeweiligen Angestellten abzustellen ( - Rn. 28 mwN). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob ein „speziellerer“ Studiengang existiert, innerhalb dessen die für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse „passgenauer“ vermittelt werden. Ausreichend ist, wenn der Abgleich zwischen den für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Kenntnissen und den Inhalten des von dem Angestellten abgeschlossenen Hochschulstudiums deren Erforderlichkeit ergibt.
39c) Der darlegungs- und beweisbelastete Angestellte muss - um dem Gericht die Prüfung der Erforderlichkeit zu ermöglichen - darlegen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse er in einer abgeschlossenen (wissenschaftlichen) Hochschulbildung erworben hat und aus welchen Gründen er seine Aufgabe ohne diese in entsprechendem Umfang und Tiefe vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ordnungsgemäß erledigen könnte. Seinem Vorbringen muss auch zu entnehmen sein, dass ein - zB in einem Bachelor-Studiengang vermitteltes - Grundlagenwissen nicht ausreicht (vgl. - Rn. 28; - 4 AZR 964/13 - Rn. 28). Hierfür ist allerdings, da keine echten Aufbaufallgruppen bestehen, kein wertender Vergleich erforderlich (vgl. - Rn. 24).
40d) Nach diesen Grundsätzen bestehen nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Anhaltspunkte, dass der Kläger jedenfalls innerhalb des Arbeitsvorgangs, dem die von ihm durchzuführenden FFH-Verträglichkeitsprüfungen zuzuordnen sind, eine seinem Biologie-Studium entsprechende Tätigkeit auszuüben hat.
41aa) Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Habitatrichtlinie - FFH-RL) umgesetzt worden sind, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen (sog. FFH-Verträglichkeitsprüfung) (vgl. 9 A 17.11 - Rn. 20, BVerwGE 145, 40). Die Prüfung, ob ein Vorhaben gegen artenschutzrechtliche Verbote verstößt, setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine ausreichende Bestandsaufnahme der vorhandenen Arten, die in den Anwendungsbereich der Verbote fallen, und ihrer Lebensräume voraus. Dabei hängen Art, Umfang und Tiefe der Untersuchungen von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls sowie von Art und Ausgestaltung des Vorhabens ab. Erforderlich ist eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung. Da die Bestandserfassung und die daran anschließende Beurteilung, ob und inwieweit naturschutzrechtlich relevante Betroffenheiten vorliegen, auf ökologische Bewertungen angewiesen sind, für die normkonkretisierende Maßstäbe und verbreitet auch gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Standards fehlen, steht der Behörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu ( 9 A 17.11 - Rn. 100, aaO zum Planfeststellungsverfahren). Um zu einer verlässlichen Beurteilung zu gelangen, muss die Verträglichkeitsprüfung die „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ berücksichtigen und setzt somit die „Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen“ voraus ( 9 A 22.11 - Rn. 41 mwN, BVerwGE 146, 145; vgl. auch - [Kommission/Spanien] Rn. 99 f.; - C-127/02 - [Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging] Rn. 59).
42bb) Soweit der Kläger bei Durchführung der FFH-Verträglichkeitsprüfungen oder anderen Tätigkeiten auch „rechtliche und technisch-planerische Kenntnisse“ benötigen sollte, steht dies der Annahme einer „entsprechenden Tätigkeit“ nicht ohne weiteres entgegen. Maßgebend für die Beurteilung sind die den jeweiligen Arbeitsvorgang prägenden Tätigkeiten (vgl. - Rn. 48, BAGE 168, 306). Sollte der Kläger die weiteren Kenntnisse nur unter Verwendung des durch seine wissenschaftliche Hochschulbildung erworbenen Wissens anwenden können, wären letztere prägend und würden für eine „entsprechende“ Tätigkeit eines Diplom-Biologen sprechen.
434. Falls der Kläger eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA verlangen kann, wären die für das Jahr 2018 geltend gemachten Ansprüche nicht nach § 37 Abs. 1 TVöD/VKA verfallen (zu den Anforderungen vgl. - Rn. 57 ff. mwN, BAGE 177, 338). Er hat mit seinem Schreiben vom nicht lediglich um Überprüfung seiner Eingruppierung gebeten, sondern konkret eine „Höhergruppierung“ in „Entgeltgruppe 13“ gefordert. Dadurch ist für die Beklagte hinreichend deutlich geworden, dass der Kläger die Auffassung vertritt, einen Anspruch auf eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA ab dem zu haben. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD/VKA reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.
445. Sollte die Tätigkeit des Klägers nicht die tariflichen Anforderungen des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals erfüllen, ergäbe sich ein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Entgeltgruppe 13 TVöD/VKA nicht aus einer „Selbstbindung“ der Beklagten. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt; der Kläger hat sich zuletzt hiergegen auch nicht mehr gewendet. Die Beklagte hat insbesondere in den Stellenausschreibungen für Freilandartenschützer kein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium verlangt.
456. Die Hilfsanträge zu 1. bis 3. sind - soweit sie zur Entscheidung anfallen - derzeit unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob sie mit dem Landesarbeitsgericht als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungs- oder als Elementenfeststellungsanträge im Hinblick auf bestimmte Vergütungsbestandteile zu verstehen sind.
46a) Sollte es sich bei den Anträgen - entgegen ihrem Wortlaut - um Eingruppierungsfeststellungsanträge handeln, ist bislang nicht ersichtlich, worin das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bestehen könnte. Die Vergütungspflicht der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum ist bereits Gegenstand des Leistungsantrags. Ein über eine entsprechende Entgeltzahlung hinausgehendes Interesse an der begehrten Feststellung hat der Kläger nicht behauptet (vgl. hierzu - Rn. 46 mwN, BAGE 170, 214).
47b) Soweit der Kläger entsprechend dem Wortlaut der Anträge die Feststellung begehrt, die Beklagte sei über das mit den Leistungsanträgen begehrte Tabellenentgelt zu weiteren Zahlungen verpflichtet, ist der Hilfsantrag zu 1. nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. zu den Anforderungen - Rn. 55 mwN). Bei einer stattgebenden Entscheidung bliebe aufgrund der Verwendung der Worte „alle“, „wie“ und „sämtlich“ unklar, welche konkreten Verpflichtungen für die Beklagte bestehen sollen. Die Unbestimmtheit des Hilfsantrags zu 1. würde zugleich den Hilfsantrag zu 2. als dessen Annex betreffen. Hinsichtlich des Hilfsantrags zu 3. ist derzeit kein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO erkennbar. Der Kläger könnte seinen Anspruch unschwer durch Leistungsklage geltend machen. Die begehrte Feststellung bezieht sich lediglich auf eine Zahlungsposition aus dem Jahr 2017.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:161024.U.4AZR253.23.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-86090