Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten
Leitsatz
1. Die Vorschrift des § 25 Abs. 2 BetrVG über die Reihenfolge der in den Betriebsrat nachrückenden Ersatzmitglieder gehört zu den wesentlichen und unverzichtbaren Verfahrensvorschriften, von deren Beachtung die Wirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen abhängt.
2. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber eine Freistellung von Anwaltskosten - vorbehaltlich deren Erforderlichkeit - für die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung von Rechten auch dann verlangen, wenn er der zunächst auf einem unwirksamen Beschluss beruhenden Beauftragung des Anwalts durch einen später ordnungsgemäß gefassten Beschluss nachträglich zustimmt.
Gesetze: § 2 Abs 1 BetrVG, § 14 Abs 2 S 1 BetrVG, § 15 Abs 2 BetrVG, § 25 Abs 2 BetrVG, § 30 Abs 1 S 4 BetrVG, § 33 Abs 2 BetrVG, § 37 Abs 6 BetrVG, § 40 Abs 1 BetrVG, § 177 Abs 1 BGB, § 184 Abs 1 BGB, § 46 Abs 1 BPersVG 2021
Instanzenzug: Az: 8 BV 14/22 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 2 TaBV 8/23 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über die Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten.
2Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein in der Spielzeugherstellung tätiges Unternehmen. Für ihre Standorte Z, D, O, H und S ist der zu 1. beteiligte Betriebsrat errichtet, dessen 21 Sitze sich nach der Wahl im Jahr 2018 auf fünf Vorschlagslisten verteilten; dem Geschlecht in der Minderheit (Frauen) standen acht Mindestsitze zu.
3Am stellte die Arbeitgeberin eine Beschäftigte als HR-Leitung ein, ohne zuvor den Betriebsrat zu beteiligen. Mit Schreiben vom wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, dass diese Beschäftigte leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG sei. Eine schriftliche fristgebundene Bitte des Betriebsrats um weitere Informationen ließ die Arbeitgeberin unbeantwortet.
4Am beschloss der Betriebsrat, von der Arbeitgeberin die Aufhebung der personellen Maßnahme zu verlangen und - soweit notwendig - ein Verfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG einzuleiten sowie seine Verfahrensbevollmächtigten, die A Rechtsanwälte, mit der Durchführung des Verfahrens zu beauftragen. Die Wirksamkeit der entsprechenden Beschlüsse hat die Arbeitgeberin in Abrede gestellt.
5Nach erfolglos gebliebener anwaltlicher Aufforderung gegenüber der Arbeitgeberin, die personelle Maßnahme aufzuheben, leiteten die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats im Dezember 2020 beim Arbeitsgericht Nürnberg ein unter dem Aktenzeichen - 14 BV 117/20 - anhängiges Beschlussverfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG ein. Noch während der Probezeit kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit der als HR-Leitung beschäftigten Mitarbeiterin. Das Beschlussverfahren wurde mit Beschluss vom eingestellt, ohne dass zuvor ein Termin stattgefunden hatte. Der Gegenstandswert dieses Verfahrens wurde auf 15.000,00 Euro festgesetzt, auf dessen Grundlage die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats unter dem und dem Aktenzeichen 047020-20 der Arbeitgeberin Gebühren für ihre außergerichtliche Tätigkeit iHv. 1.003,40 Euro und für das Beschlussverfahren iHv. 526,58 Euro in Rechnung stellten. Die Arbeitgeberin beglich die Rechnungen auch nach mehreren Mahnungen und Androhung eines Kostenfreistellungsverfahrens nicht. Daraufhin beschloss der Betriebsrat in seiner Sitzung am die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und eine entsprechende Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten sowie die Bestätigung des Beauftragungsbeschlusses vom ; die Wirksamkeit dieser Beschlüsse steht im Streit. Das vorliegende Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen der A Rechtsanwälte 048810-22 mit Antragsschrift vom eingeleitet.
6Im Frühjahr 2022 fanden bei der Arbeitgeberin Neuwahlen des zu 1. beteiligten Betriebsrats statt. Die 21 Betriebsratssitze verteilten sich wiederum auf fünf Listen. Bei der Sitzvergabe war das Geschlecht in der Minderheit (Frauen) mit mindestens neun Sitzen zu berücksichtigen.
7Am fasste der Betriebsrat einen Beschluss zum „Thema: Beratung und Beschlussfassung Einstellung Frau … und Anwaltsbeauftragung“, mit dem unter Wiederholung der Beschlussvorlage aus November 2020 der Sachverhalt zur Einstellung der vormals als HR-Leitung beschäftigten Mitarbeiterin sinngemäß dargestellt und dahingehend ergänzt worden ist, dass die Tätigkeiten der A Rechtsanwälte unter den dieser Angelegenheit zugehörigen Aktenzeichen 48810-22 und 47022-20 ausdrücklich genehmigt werden. Auch die Wirksamkeit dieses Beschlusses hat die Arbeitgeberin gerügt.
8Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die durch die Tätigkeit der von ihm beauftragten A Rechtsanwälte im Zusammenhang mit dem Verfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG - betreffend die Aufhebung der personellen Maßnahme der Einstellung einer Beschäftigten als HR-Leitung im Oktober 2020 - entstandenen Kosten zu tragen. Er habe die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung und Vertretung im Zusammenhang mit der ohne seine Zustimmung erfolgten Einstellung einer Beschäftigten als HR-Leitung für erforderlich halten dürfen. Die Beschlussfassungen am und seien ordnungsgemäß erfolgt; insbesondere seien die Ersatzmitglieder zu den entsprechenden Sitzungen jeweils zutreffend unter Beachtung der von § 25 Abs. 2 BetrVG vorgegebenen Reihenfolge und Geschlechterquote hinzugezogen gewesen. Ohnehin bewirke nur ein - hier nicht vorliegender - schwerwiegender Verstoß gegen die einschlägigen betriebsverfassungsrechtlichen Ladungsvorschriften und zum Nachrücken von Ersatzmitgliedern im Fall des Ausscheidens bzw. der zeitweiligen Verhinderung von ordentlichen Mitgliedern die Unwirksamkeit des Beschlusses. Ungeachtet dessen seien jedenfalls in der Betriebsratssitzung am die Beschlussfassungen in zulässiger Weise rückwirkend genehmigt worden.
9Es sei im Übrigen rechtsmissbräuchlich, die fehlerhafte Beschlussfassung vom weder im vorangegangenen Verfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG noch nach Erstellung und Übersendung der nunmehr streitigen Kostennoten zu rügen, sondern erst im vorliegenden Kostenfreistellungsverfahren. Dies verstoße gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Das Verhalten der Arbeitgeberin lasse erkennen, dass diese systematisch die Zahlung bis zum Kostenfreistellungsverfahren verweigere. Inzwischen seien in 132 Angelegenheiten Rechnungen der A Rechtsanwälte erstellt worden, von denen lediglich drei beglichen worden seien.
10Der Betriebsrat hat sinngemäß beantragt,
11Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt und die Auffassung vertreten, weder die Einleitung des vorliegenden Verfahrens einschließlich der anwaltlichen Beauftragung noch die der streitbefangenen Freistellung zugrundeliegenden Kosten der anwaltlichen Tätigkeit beruhten auf einem ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrats. Bei der Beschlussfassung am habe ein Ersatzmitglied, das zu laden gewesen wäre, nicht mitgewirkt. Hierin liege ein schwerwiegender Verstoß. Auch zu der Sitzung am seien nicht die Ersatzmitglieder geladen gewesen, welche nach der Reihenfolge von § 25 Abs. 2 BetrVG hinzuzuziehen gewesen wären; im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass ein ordentliches Betriebsratsmitglied verhindert gewesen sei. Hinsichtlich des Beschlusses vom sei nicht vorgebracht, welche Mitglieder dem Betriebsrat in diesem Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung der Geschlechterquote und zwischenzeitlich ausgeschiedener Mitglieder angehört hätten und welche Ersatzmitglieder für verhinderte Mitglieder nachzuladen gewesen seien. Ungeachtet dessen sei eine nachträgliche Bestätigung des Beschlusses zur Beauftragung der A Rechtsanwälte mit dem Führen des Verfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens nicht möglich. Eine Rückwirkung der Genehmigung sei durch die nach § 40 BetrVG gebotene Prüfung der Erforderlichkeit der Kosten begrenzt. Der Erforderlichkeitsgrundsatz werde unterlaufen, wenn auch noch nachträglich eine - zeitlich oftmals sehr viel spätere - Heilung kostenauslösender Beschlüsse im „nachgelagerten“ Kostenfreistellungsverfahren möglich wäre.
12Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Anträgen entsprochen, wobei die Beteiligten im Termin zur Anhörung vor dem Beschwerdegericht am übereinstimmend erklärt haben, dass die Einleitung des Beschlussverfahrens und die Anwaltsbeauftragung im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -) erforderlich gewesen ist. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
13B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Anträge des Betriebsrats zulässig und begründet sind.
14I. Die Anträge sind zulässig. Sowohl der Einleitung des vorliegenden Verfahrens als auch der Bestellung der Verfahrensbevollmächtigten liegt ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zugrunde.
151. Zur Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ist ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats erforderlich. Ist die Beschlussfassung unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht wirksam vertreten und ein Prozessrechtsverhältnis kommt nicht zustande. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist als unzulässig abzuweisen ( - Rn. 19; - 7 ABR 12/05 - Rn. 13, BAGE 116, 192). Wird die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats über die Bevollmächtigung bestritten, muss der Nachweis eines wirksamen Gremiumsbeschlusses geführt werden ( - Rn. 21; zu all dem vgl. auch Linsenmaier FS Wißmann S. 378, 384 ff.). Die Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung eines Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts kann durch einen späteren ordnungsgemäßen Beschluss geheilt werden. Die Genehmigung durch eine nachträgliche Beschlussfassung ist bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung, durch die der Antrag als unzulässig abgewiesen wird, möglich ( - Rn. 50).
162. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, dass der Betriebsrat die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und die Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten - geht man mit dem Landesarbeitsgericht von einer Unwirksamkeit der entsprechenden Beschlussfassung am wegen fehlerhafter Mitwirkung von nicht entsprechend § 25 Abs. 2 BetrVG hinzugezogenen Ersatzmitgliedern aus - jedenfalls am (und damit noch vor dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens bzw. vor einer Prozessentscheidung) im Sinn einer Genehmigung beschlossen hat.
17a) Die Beschlussfassung am war ordnungsgemäß. Sie erfolgte nach den in der Rechtsbeschwerde mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen und zutreffender Würdigung des Landesarbeitsgerichts vom Betriebsrat als ordnungsgemäß geladenen, beschlussfähigem und - unter Hinzuziehung von Ersatzmitgliedern - zutreffend besetztem Gremium. Hierbei hat das Landesarbeitsgericht auch rechtsfehlerfrei § 25 Abs. 2 BetrVG angewandt. Diese Vorschrift regelt das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat im Fall des Ausscheidens oder der zeitweiligen Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG werden die in den Betriebsrat nachrückenden Ersatzmitglieder der Reihe nach aus den nicht gewählten Bewerbern derjenigen Vorschlagslisten entnommen, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören. Ist eine Vorschlagsliste erschöpft, bestimmt § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, dass das Ersatzmitglied derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen ist, auf die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl der nächste Betriebsratssitz entfallen würde. Dabei ist die Vertretung des Geschlechts in der Minderheit nach § 15 Abs. 2 BetrVG zu berücksichtigen (§ 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Die Feststellungen und Würdigungen des Landesarbeitsgerichts zur Zusammensetzung des nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählten Betriebsrats und zu dem Umstand, dass zur Sitzung am die Ersatzmitglieder reihenfolgegemäß sowie unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 2 BetrVG für verhinderte Mitglieder per E-Mail und unter Beifügung der Tagesordnung geladen worden sind, hat die Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht problematisiert. Entsprechend hat sie in der Anhörung vor dem Senat bestätigt, dass es nunmehr vornehmlich um die Klärung der Frage ginge, ob der der Freistellung des Betriebsrats von den streitbefangenen Kosten zugrundeliegende Beschluss vom rückwirkend genehmigt werden konnte.
18b) Die Beschlussfassung vom bezog sich (auch) auf die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und die Beauftragung der A Rechtsanwälte. Die Tagesordnung sah unter TOP 11 das Thema „Beratung und Beschlussfassung Einstellung Frau … und Anwaltsbeauftragung“ und die ausdrückliche Genehmigung der Tätigkeiten der A Rechtsanwälte unter den diesen Angelegenheiten zugehörigen Aktenzeichen 48810-22 und 47022-20 vor. Das Aktenzeichen 048810-22 bezeichnet das vorliegende Kostenfreistellungsverfahren.
19II. Die Anträge sind begründet. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, den Betriebsrat gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG von den mit Rechnungen der A Rechtsanwälte vom erhobenen Forderungen freizustellen.
201. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Das umfasst Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der Betriebsrat zur Durchsetzung oder Ausübung eines von ihm in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts für erforderlich halten durfte (vgl. - Rn. 16; - 7 ABR 8/15 - Rn. 11). Der Arbeitgeber hat aber grundsätzlich nur diejenigen Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die auf eine Beauftragung aufgrund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses zurückgehen. Der Betriebsrat muss sich als Gremium mit dem entsprechenden Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben, wobei ihm bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ein Beurteilungsspielraum zusteht ( - Rn. 15).
212. Die Beauftragung der A Rechtsanwälte für die anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -) war erforderlich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Gegen diese Annahme wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Im Übrigen gehen beide Beteiligten ausweislich ihrer in der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht am zu Protokoll gegebenen Erklärung davon aus, dass die Anwaltsbeauftragung im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -) erforderlich war.
223. Die Beauftragung der A Rechtsanwälte für die die Aufhebung der Einstellung einer Beschäftigten als HR-Leitung betreffende anwaltliche Tätigkeit beruht auf einem wirksamen Betriebsratsbeschluss.
23a) Ein solcher liegt allerdings nicht in dem Beschluss vom .
24aa) Nach den nicht mit Verfahrens(gegen)rügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde zu der Betriebsratssitzung am wegen der zeitweiligen Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds nicht dasjenige Ersatzmitglied geladen, welches gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (zeitweilig) in den Betriebsrat nachgerückt war, sondern ein anderes Ersatzmitglied.
25bb) Entgegen der Ansicht des Betriebsrats hat dies die Unwirksamkeit des Beschlusses vom zur Folge.
26(1) Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses als wesentlich anzusehen sind, führen zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Danach bewirkt nicht jeder Verstoß gegen die formellen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Betriebsratssitzung die Unwirksamkeit eines darin gefassten Beschlusses, sondern nur ein solcher, der so schwerwiegend ist, dass der Fortbestand des Beschlusses von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann. Nur dann kann die Beachtung von Verfahrensvorschriften Vorrang vor dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit beanspruchen ( (B) - Rn. 23, BAGE 148, 26). Anhand des Regelungszwecks der Verfahrensvorschrift ist zu bestimmen, ob die Verletzung der hierdurch geschützten Interessen stärker zu gewichten ist als das Interesse an der Aufrechterhaltung des Beschlusses. Dies kommt typischerweise bei groben Verstößen gegen wesentliche Verfahrensvorschriften in Betracht. In anderen Fällen überwiegen die durch die Verfahrensregelung geschützten Interessen nicht zwingend das Interesse an der Aufrechterhaltung des Beschlusses ( - Rn. 40, BAGE 171, 355).
27(2) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Beschluss des Betriebsrats an einem erheblichen Mangel leidet und deshalb unwirksam ist, wenn er auf einer Betriebsratssitzung gefasst worden ist, zu der Ersatzmitglieder unter Verstoß gegen die in § 25 Abs. 2 BetrVG vorgegebene Reihenfolge herangezogen worden sind (vgl. - Rn. 10). Hieran hält der Senat fest.
28(a) Die Ladung aller Betriebsratsmitglieder ist nach § 29 BetrVG grundsätzlich wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses. Wird für ein zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied nicht geladen, ist der Betriebsrat an einer wirksamen Beschlussfassung gehindert (vgl. - Rn. 10), denn das Ersatzmitglied hat keine Gelegenheit, sich in die Beratung einzubringen ( - zu B II 2 b der Gründe mwN, BAGE 92, 162; vgl. weitergehend auch GK-BetrVG/Raab 12. Aufl. § 33 Rn. 53; Richardi BetrVG/Thüsing 17. Aufl. § 33 Rn. 42; ErfK/Koch 24. Aufl. BetrVG § 33 Rn. 2; Fitting BetrVG 32. Aufl. § 33 Rn. 23; Dominik Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung des Betriebsrats S. 108).
29(b) Auch bei einer nicht der Reihenfolge des § 25 Abs. 2 BetrVG entsprechenden Hinzuziehung des Ersatzmitglieds hat das „an sich“ gesetzlich vorgesehene Ersatzmitglied keine Gelegenheit, sich in die Sitzung und Beschlussfassung einzubringen. Zudem ist durch die Teilnahme des nicht hinzuzuziehenden Ersatzmitglieds an der Sitzung und Beschlussfassung der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen (§ 30 Abs. 1 Satz 4 BetrVG) tangiert.
30(c) Entgegen der Annahme des Betriebsrats folgt nichts Anderes aus dem Zweck von § 25 BetrVG. Die Vorschrift regelt abschließend die Fälle, in denen ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat eintritt, nämlich bei Ausscheiden oder zeitweiliger Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds. Durch das (vorübergehende) Nachrücken der Ersatzmitglieder werden selbst bei kurzzeitiger Unterbesetzung die Kontinuität der Arbeit des Betriebsrats und seine Beschlussfähigkeit iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG gewährleistet (BeckOGK/Michels/Tegel Stand BetrVG § 25 Rn. 2 mwN). Insgesamt dient § 25 BetrVG der Sicherung einer möglichst vollständigen und stetigen Besetzung des Betriebsrats. Diese Gewähr ist allerdings mit der ausdrücklichen normativen Vorgabe einer Reihenfolge des (und sei es zeitweiligen) Nachrückens von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat nach § 25 Abs. 2 BetrVG verknüpft. Danach ist zum einen zu unterscheiden, ob das zu ersetzende oder zu vertretende Betriebsratsmitglied in Verhältniswahl oder Mehrheitswahl gewählt worden ist. Zum anderen ist die Geschlechterquote des § 15 Abs. 2 BetrVG zu berücksichtigen. Erfolgte - wie vorliegend - die Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BetrVG), so bleibt jeder Liste gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Zahl der auf sie entfallenden Sitze grundsätzlich auch beim Nachrücken von Ersatzmitgliedern erhalten. Scheidet ein auf einer Liste gewähltes Mitglied aus oder ist es verhindert, so rückt von dieser Liste der nächste nicht gewählte Bewerber nach. Dieser Grundsatz der Listennachfolge - in der gelisteten Reihenfolge der Bewerber - und der Konstanz der Mitgliederzahl im Betriebsrat je Liste trägt dem Umstand Rechnung, dass bei der Listenwahl die Vorschlagslisten und nicht Personen gewählt werden (GK-BetrVG/Oetker 12. Aufl. § 25 Rn. 45). Hat das Nachrücken des nächsten nicht gewählten Bewerbers allerdings zur Folge, dass hierdurch das Geschlecht in der Minderheit nicht mehr mindestens entsprechend seinem Verhältnis unter den wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betriebsrat vertreten wäre, rückt derjenige nicht gewählte Bewerber auf der Vorschlagsliste nach, dessen Geschlecht dem des ordentlichen Mitglieds entspricht. Zu einem Listenwechsel oder Listensprung kommt es nur im Fall der Listenerschöpfung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Das ist der Fall, wenn die Liste, der das zu ersetzende Mitglied angehört, keine nicht gewählten Arbeitnehmer mehr aufweist, oder wenn auf der Vorschlagsliste eine Person des Minderheitengeschlechts fehlt. Diese normative Ausgestaltung zeigt, dass der Gesetzgeber - auch vor dem Hintergrund der Kontinuität und Stetigkeit der Betriebsratsarbeit - dem Grundsatz einer wahlergebnis- und minderheitengeschlechtskonformen Zusammensetzung des Betriebsrats einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Sie trägt außerdem der auf einer regelmäßigen demokratischen Wahl beruhenden Repräsentanz der Belegschaft durch den Betriebsrat sowie dem im Grundsatz der Verhältniswahl verankerten Minderheitenschutz bei der Wahl des Betriebsrats Rechnung. Diese gewichtigen Belange überwiegen gegenüber dem Interesse an der Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 25 Abs. 2 BetrVG zustande gekommenen Beschlusses des Betriebsrats.
31(d) Die Argumentation des Betriebsrats, bei einem Verstoß gegen § 25 Abs. 2 BetrVG scheide die Folge der Unwirksamkeit des Beschlusses des Betriebsrats jedenfalls dann aus, wenn die Rechtslage zum Nachrücken von Ersatzmitgliedern kompliziert sei und feststehe, dass die Ladung der „falschen“ Ersatzmitglieder zur Beschlussfassung in gutem Glauben und ohne Bevorzugungs- bzw. Benachteiligungsabsicht bestimmter Personen oder Listen erfolgt sei (so auch - zu II 3 der Gründe), geht fehl. Zum einen dürften sich bei der Reihenfolge nachrückender Ersatzmitglieder - auch bei einem Betriebsrat, in dem sich die Mandate wegen einer Stimmenspreizung auf eine Vielzahl von Listen verteilen und bei einer hohen Fluktuation seiner Mitglieder - besondere Herausforderungen weniger wegen der Rechtslage stellen, sondern wegen der sich ständig und ggf. kurzfristig ändernden Sachlage. Zum anderen - und das ist entscheidend - enthält § 25 BetrVG zwingendes Recht und kann nicht abbedungen werden (ErfK/Koch 24. Aufl. BetrVG § 25 Rn. 1). Eine Annahme im Sinn des Betriebsrats privilegierte entgegen der Intention des § 25 Abs. 2 BetrVG in Verhältniswahl errichtete Betriebsräte, deren Sitze sich als Folge des Wahlergebnisses auf eine Vielzahl von Listen verteilen, und missachtete die Mindestrepräsentanz des Minderheitengeschlechts. Sie böte im Übrigen auch keine höhere Rechtssicherheit hinsichtlich der Feststellung einer Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen. Ob eine Heranziehung von Ersatzmitgliedern entgegen der Vorgabe des § 25 Abs. 2 BetrVG „in gutem Glauben“ oder „absichtlich“ bzw. „fehlerhaft“ oder „grob fehlerhaft“ erfolgte, ließe sich letztlich nur unter Heranziehung graduell unbestimmter und ungewiss würdigungsoffener Kriterien beurteilen. Eine diesbezügliche Grenzziehung wäre für beide Betriebsparteien unklar; die vom Betriebsrat beklagten Unwägbarkeiten verlagerten sich nur auf ein anderes Prüfprogramm hinsichtlich der Wirksamkeit der von ihm gefassten Beschlüsse. Eine rechtssicherere Handhabung ginge damit nicht einher.
32b) Die der streitbefangenen Freistellung von den anwaltlichen Kosten zugrundeliegende Anwaltsbeauftragung aufgrund eines fehlerhaften Betriebsratsbeschlusses hat der Betriebsrat hingegen mit einer späteren Beschlussfassung in rechtswirksamer Weise gebilligt. Ob dies mit seinem Beschluss vom - dessen Wirksamkeit das Landesarbeitsgericht gleichfalls ua. wegen eines Verstoßes gegen § 25 Abs. 2 BetrVG bei der Heranziehung von Ersatzmitgliedern verneint hat - erfolgte, kann offenbleiben. Jedenfalls mit dem Beschluss vom ist eine - auf den Zeitpunkt der Vornahme der Beauftragung zurückwirkende - Genehmigung erfolgt.
33aa) Der Beschluss vom wurde - wie bereits ausgeführt - ordnungsgemäß gefasst. Er bezieht sich inhaltlich neben der Einleitung des vorliegenden Verfahrens auf die - am beschlossene - Beauftragung der A Rechtsanwälte mit der (gerichtlichen) Geltendmachung von beanspruchten Rechten des Betriebsrats bei der Einstellung einer Mitarbeiterin als HR-Leitung, wobei die „Tätigkeiten der Kanzlei A“ nach der in der Beschussfassung dokumentierten Befassung mit dem (damaligen) Sachverhalt ausdrücklich „genehmigt“ worden sind.
34bb) Der hierin liegenden rückwirkenden Billigung des verfahrensfehlerhaften und deshalb unwirksamen Beschlusses vom zu der anwaltlichen Beauftragung begegnen keine Bedenken. Die der anwaltlichen Beauftragung zugrundeliegende Vereinbarung zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten und dem Betriebsrat zur Geltendmachung und Durchsetzung seiner Rechte ist grundsätzlich genehmigungsfähig.
35(1) Beauftragt ein Betriebsrat einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen und der Durchführung eines Beschlussverfahrens, bedarf es eines entsprechenden Betriebsratsbeschlusses nicht nur wegen der Prozessvollmacht, sondern auch hinsichtlich der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Letztere setzt - neben der Erforderlichkeit der entstehenden Anwaltskosten - voraus, dass ein wirksamer Betriebsratsbeschluss über die Beauftragung des Anwalts gefasst worden ist. Ist der Beschluss - wie vorliegend - unwirksam, handelt es sich bei der die Rechtsanwaltskosten auslösenden Vereinbarung mit dem Anwalt auf Betriebsratsseite um einen Vertragsschluss durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht und die Vereinbarung ist nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Allerdings kann ihr der Betriebsrat durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung nachträglich zustimmen. Eine solche Genehmigung wirkt nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl. ausf. - Rn. 16, BAGE 124, 188).
36(2) Danach konnte der Betriebsrat mit seinem in der Betriebsratssitzung vom gefassten Beschluss die auf der Grundlage des verfahrensfehlerhaften Beschlusses vom schwebend unwirksame Beauftragung der A Rechtsanwälte genehmigen. Die Wirkungen dieser erneuten Beschlussfassung richten sich nach § 184 Abs. 1 BGB. Der dort geregelten zeitlichen Rückerstreckung der Genehmigung stehen vorliegend weder verfahrens- noch betriebsverfassungsrechtliche Gesichtspunkte entgegen.
37(a) Der Einwand der Arbeitgeberin, es handele sich um eine anwaltliche Beauftragung und Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit dem im Zeitpunkt des Genehmigungsbeschlusses bereits abgeschlossenen Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -), verfängt nicht. Zwar kann ein Betriebsrat die Einleitung eines Beschlussverfahrens ebenso wie die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten zur Vertretung in diesem Verfahren durch eine nachträgliche Beschlussfassung nur bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung, durch die der Antrag als unzulässig abgewiesen wird, genehmigen (vgl. - Rn. 50 mwN). Dies betrifft aber die Zulässigkeit der im Beschlussverfahren angebrachten Anträge (vgl. zuletzt auch - Rn. 21). Vorliegend geht es nicht um die Rechtswirkungen des Beschlusses vom hinsichtlich der Zulässigkeit der im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -) gestellten Anträge, sondern um die Kosten des Tätigwerdens der A Rechtsanwälte im Zusammenhang mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung einer vom Betriebsrat beanspruchten Mitbestimmung nach §§ 99 ff. BetrVG. Insoweit setzt die - auf keiner Abweisung der Anträge als unzulässig beruhende - Einstellung des Verfahrens - 14 BV 117/20 - keine Zäsur, die der Rückwirkung der Genehmigung einer zugrundeliegenden anwaltlichen Beauftragung prinzipiell entgegenstünde.
38(b) Die zeitliche Rückerstreckung der Genehmigung ist nicht aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.
39(aa) Allerdings verweist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf, dass die zeitliche Rückerstreckung der Genehmigung eines auf der Grundlage eines unwirksamen Betriebsratsbeschlusses geschlossenen, schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts nicht in jedem Fall zulässig ist. Ein uneingeschränkter Rückbezug der Genehmigung ist ausgeschlossen bei fristgebundenen Rechtsgeschäften, zB wenn für die Vornahme des Rechtsgeschäfts oder einer Willenserklärung eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Frist gesetzt ist oder die Beschlussfassung des Betriebsrats erst nach dem für die Beurteilung eines Sachverhalts maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt. Insoweit wird die Rückwirkung der Genehmigung durch die nach § 40 BetrVG gebotene Erforderlichkeitsprüfung begrenzt. Danach hat der Betriebsrat vor der Verursachung von Kosten nach pflichtgemäßer Würdigung aller Umstände über die Erforderlichkeit zu entscheiden. Die Frage der Erforderlichkeit ist von dem Zeitpunkt des Beschlusses aus zu beurteilen, der die Kosten ausgelöst hat. Diese Einschränkung betrifft insbesondere rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, durch die dem Arbeitgeber eine Kostentragungspflicht auferlegt wird. Aus diesem Grund kann das Fehlen eines wirksamen Beschlusses über die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds auf eine Schulung (§ 37 Abs. 6 BetrVG) nicht durch einen nach Beginn oder Abschluss der Schulungsmaßnahme gefassten Beschluss geheilt werden. Eine diesbezügliche Kostenerstattungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG wird durch eine solche nachträgliche Beschlussfassung nicht ausgelöst, denn die Berücksichtigung der konkret betroffenen Interessen des Arbeitgebers gerade hinsichtlich der zeitlichen Lage gebietet eine Beschlussfassung vor dem Besuch der Veranstaltung (vgl. - BAGE 94, 42). Daneben können wie bei der Änderung oder Aufhebung von Betriebsratsbeschlüssen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes einer zeitlichen Rückerstreckung der Genehmigung entgegenstehen (ausf. - Rn. 19 ff., BAGE 124, 188; vgl. auch Schaub ArbR-HdB/Koch 20. Aufl. § 220 Rn. 29).
40(bb) Auch unter Berücksichtigung dieser Maßgaben vermag allerdings die auf die gerichtliche Durchsetzung von beanspruchten Rechten gerichtete Anwaltsbeauftragung aufgrund eines unwirksamen Betriebsratsbeschlusses mittels wirksamer nachträglicher Beschlussfassung genehmigt zu werden. Zum einen ist die hierauf bezogene Beschlussfassung des Betriebsrats nicht fristgebunden. Zum anderen betrifft sie zwar eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung (die Anwaltsbeauftragung), durch die dem Arbeitgeber eine Kostentragungspflicht auferlegt wird. Hingegen sind die in die Prüfung der Erforderlichkeit des Führens eines Rechtsstreits sowie der Erforderlichkeit der Heranziehung eines Anwalts einzustellenden Umstände offen für eine nachträglich bestätigende Bewertung. Sie sind nicht zwingend - wie die zeitliche Lage einer Schulung iSv. § 37 Abs. 6 BetrVG - an den Zeitpunkt der Beurteilung der Sachlage gebunden. Auch führte - worauf bereits das Landesarbeitsgericht zutreffend abgehoben hat - ein strikter Ausschluss der zeitlichen Rückwirkung hinsichtlich einer Anwaltsbeauftragung im Hinblick auf die generelle Genehmigungsmöglichkeit der Einleitung von Beschlussverfahren und Anwaltsbevollmächtigungen (vgl. dazu GK-BetrVG/Weber 12. Aufl. § 40 Rn. 115 f.; Lembke NZA 2021, 1665, 1670 f.) zu einem inkohärenten Ergebnis. Jedenfalls wenn - wie vorliegend - die nachträgliche Beschlussfassung dazu dient, einen bereits vorher (wenngleich verfahrensfehlerhaft) gebildeten Willen des Betriebsrats über die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nunmehr in verfahrenskonformer Weise zum Ausdruck zu bringen, ist die mit einem Bestätigungs- oder Genehmigungsbeschluss bewirkte Rückwirkungsfolge des § 184 Abs. 1 BGB nicht durch den Zeitpunkt der Erforderlichkeitsprüfung relativiert. Sollte der Senatsentscheidung vom (- 7 ABR 51/06 - Rn. 19 ff., BAGE 124, 188) Gegenteiliges zu entnehmen sein (so Holler in Löwisch/Kaiser/Klumpp BetrVG 8. Aufl. § 33 Rn. 26; Raab ZfA 2022, 149, 155; MHdB ArbR/Krois 5. Aufl. § 294 Rn. 89; krit. Reitze NZA 2002, 492, 494), wird hieran nicht festgehalten.
41(cc) Soweit das Bundesverwaltungsgericht demgegenüber annimmt, der Personalrat könne von der Dienststelle eine Freistellung von Anwaltskosten für die Durchführung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens nur verlangen, wenn er die Beauftragung des Anwalts vor Durchführung des gerichtlichen Verfahrens beschlossen habe, wobei eine Genehmigung der vom Vorsitzenden des Personalrats allein vorgenommenen Beauftragung jedenfalls nach Abschluss der jeweiligen Instanz ausgeschlossen sei ( 6 P 10.94 - zu II 2 der Gründe), liegt eine Divergenz, die die Anrufung des Gemeinsamen Senats nach §§ 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) erforderlich machte, nicht vor. Die personalvertretungsrechtliche und die betriebsverfassungsrechtliche Rechtslage ist bei Kostenfreistellungsansprüchen schon deshalb nicht gleichzusetzen, weil eine Anwendung von § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 BGB nach dem (auch) vom Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel geprägten Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 BPersVG aF (nunmehr § 46 Abs. 1 BPersVG) nicht in Betracht kommt ( 6 P 10.94 - zu II 2 der Gründe). Außerdem lag dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren eine Konstellation zugrunde, in der die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Beschlussverfahren zunächst auf einer bloßen Beauftragung durch den Personalratsvorsitzenden beruhte und es an einem Personalratsbeschluss zunächst gänzlich fehlte.
42(3) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin steht der Genehmigung nicht entgegen, dass der Sachverhalt abgeschlossen ist. Mit Beauftragung des Rechtsanwalts ist ein Geschäftsbesorgungs- bzw. Anwaltsvertrag geschlossen worden, der nicht vollständig abgewickelt ist. Es bedarf noch der Erfüllung der anwaltlichen Vergütungsansprüche. Es geht gerade um die anwaltliche Vergütung aus dem Mandatsvertrag zum Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -).
43(4) Der Genehmigung des Beschlusses vom durch den Beschluss vom begegnen schließlich keine Bedenken aus Gründen des Vertrauensschutzes. Die Arbeitgeberin hat kein schützenswertes Interesse daran, dass sich für sie nicht erkennbare Mängel bei der Willensbildung des Betriebsrats nicht zu ihrem Nachteil auswirken. Die Einstellung des Verfahrens beim Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -) bewirkt weder, dass kein Kostenfreistellungsanspruch entstanden ist, noch, dass ein solcher nicht verfolgt werden könnte. Wenn für die Arbeitgeberin - wie sie argumentiert - Mängel bei der Willensbildung nicht erkennbar waren, musste sie von einem wirksamen Beschluss des Betriebsrats und damit (vorbehaltlich der Erforderlichkeit der Kosten) von ihrer Kostentragungspflicht ausgehen. Es konnte sich gerade kein Vertrauen bilden, der Beschluss des Betriebsrats werde keine Kostentragungspflicht auslösen.
444. Der Freistellungsanspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe. Die Arbeitgeberin hat weder die konkrete Berechnung noch die vorgelegten Kostenrechnungen beanstandet. Grundlage der anwaltlichen Rechnungsstellung ist die Festsetzung des Gegenstandswertes im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (- 14 BV 117/20 -) auf 15.000,00 Euro.
455. Nach all dem kommt es auf den vom Betriebsrat erhobenen Rechtsmissbrauchseinwand nicht mehr an. Soweit der Betriebsrat allerdings argumentiert, die Arbeitgeberin könne sich im Hinblick auf den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG nicht auf die Unwirksamkeit des Beauftragungsbeschlusses des Betriebsrats vom berufen, wäre darauf zu verweisen, dass § 2 Abs. 1 BetrVG jedenfalls nicht die fehlenden tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Freistellungsanspruch ersetzt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:250924.B.7ABR37.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-85911