Instanzenzug: LG Duisburg Az: 36 KLs 6/23
Gründe
1 Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und den Angeklagten H. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen das Urteil wenden sich die Beschwerdeführer mit der jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision; der Angeklagte K. beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2 Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3 1. Der Angeklagte K. kam Anfang 2021 mit einer unbekannt gebliebenen weiteren Person überein, gemeinsam eine professionelle Cannabis-Indoorplantage zu errichten und zu betreiben, wobei sie geerntetes Marihuana gewinnbringend verkaufen wollten. In Umsetzung dieser Abrede wurde im Frühjahr 2021 ein Einfamilienhaus in Ko. angemietet. Im Folgenden errichtete der Angeklagte K. dort gemeinsam mit seinem Mittäter eine technisch aufwändig ausgestattete Indoorplantage, die beide bis zum polizeilichen Zugriff am betrieben. Dabei bediente sich der Angeklagte K. der Mithilfe weiterer von ihm engagierter Personen. Bei dem polizeilichen Zugriff wurden zwei verschiedene Anpflanzungen festgestellt: Eine bestand aus nahezu erntereifen Pflanzen, die spätestens Anfang Oktober 2021 gesetzt worden waren, eine andere aus Jungpflanzen, die spätestens Mitte November 2021 angepflanzt worden waren. Insgesamt wurden 352 Cannabis-Pflanzen sichergestellt, die 20,6 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge 1,73 Kilogramm Tetrahydrocannabinol (THC) enthielten. Bei Erntereife aller Pflanzen aus beiden Anbauzyklen hätten mindestens 59,84 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von wenigstens 15 Prozent und damit einer Wirkstoffmenge von jedenfalls 8,97 Kilogramm THC gewonnen werden können.
4 2. Der Angeklagte H. kam über eine Tätigkeit im Garten- und Landschaftsbau in Kontakt mit einer unbekannt gebliebenen, als „Bauleiter“ bezeichneten Person, die sich mit der Errichtung professioneller Cannabis-Indoorplantagen auskannte. Er vermittelte diese Person gegen ein Entgelt von 1.500 € an einen Dritten, der eine solche Plantage aufbauen und betreiben wollte, jedoch nicht über die erforderliche Expertise verfügte. Nachdem der „Betreiber“ ein Einfamilienhaus in M. angemietet hatte, errichteten dieser und der „Bauleiter“ spätestens ab dem Frühjahr 2021 in den Räumlichkeiten eine ebenfalls technisch aufwändig ausgestattete Indoorplantage, die sie gemeinschaftlich bis zum polizeilichen Zugriff am betrieben. Der Angeklagte H. schloss sich den beiden im Frühjahr 2021 einvernehmlich als Helfer an; die Abrede ging dahin, fortan jedenfalls zu dritt Marihuana anzubauen und später zu verkaufen, wobei der Angeklagte H. jedoch nur gegen ein festes Entgelt und nach Anweisung der beiden anderen unterstützende Tätigkeiten leisten sollte. So wurde er im Wesentlichen damit betraut, benötigte Materialien einzukaufen und in die Räumlichkeiten zu verbringen. Bei dem polizeilichen Zugriff wurden auch in diesem Objekt zwei verschiedene Anpflanzungen festgestellt: Eine bestand aus 119 nahezu erntereifen Pflanzen, die spätestens Anfang Oktober 2021 gesetzt worden waren, eine andere aus 141 Setzlingen, die spätestens Ende November 2021 angepflanzt worden waren. Insgesamt wurden in dieser Plantage 260 Cannabis-Pflanzen sichergestellt, wobei die 119 in einer späten Wachstumsphase befindlichen Pflanzen 4,9 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge 220 Gramm THC enthielten. Bei Erntereife aller Pflanzen aus beiden Anbauzyklen hätten mindestens 45,5 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von wenigstens 10 Prozent und damit einer Wirkstoffmenge von jedenfalls 4,55 Kilogramm THC gewonnen werden können.
II.
5 1. Die vom Angeklagten K. erhobene Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
6 2. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt hinsichtlich des Angeklagten K. zur Änderung des Schuld- und Aufhebung des Strafausspruchs, in Bezug auf den Angeklagten H. zur Urteilsaufhebung.
7 a) Die Schuldsprüche haben keinen Bestand, weil das Landgericht die Angeklagten für ihren Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage und gemessen an dieser rechtsfehlerfrei - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Taten nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 201/24, juris Rn. 5; vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).
8 Unter dessen Geltung hat sich der Angeklagte K. wegen Handeltreibens mit Cannabis in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 52 StGB) strafbar gemacht. Das Tathandeln des Angeklagten H. ist nach dem Konsumcannabisgesetz als Beihilfe zum Bandenhandel mit Cannabis in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 52 StGB) zu werten. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen - diese ist auch unter dem Konsumcannabisgesetz bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) erreicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 8; vom - 2 StR 480/23, juris Rn. 27 ff.; vom - 4 StR 5/24, NStZ-RR 2024, 249, 250) -, bleibt im Schuldspruch unberücksichtigt. Denn hinsichtlich des Angeklagten K. stellt dieser Umstand lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 481/23, juris Rn. 7; vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 5). Beim Angeklagten H. bedarf es keiner entsprechenden Kennzeichnung der Strafbarkeit nach dem Konsumcannabisgesetz, weil die Qualifikation des Bandenhandels mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) stets voraussetzt, dass sich der Umgang mit der Droge auf eine nicht geringe Menge bezieht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 358/24, juris Rn. 5; vom - 1 StR 145/24, juris Rn. 13; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 328). Auch bei Straftaten nach dem Konsumcannabisgesetz unterbleibt eine Tatkennzeichnung als „unerlaubt“ (oder „verboten“), weil die Strafvorschriften des § 34 KCanG allein den untersagten Umgang mit Cannabis betreffen (vgl. , NStZ-RR 2024, 216; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 328).
9 b) Für den Angeklagten K. ist die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , juris Rn. 7; Urteile vom - 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 2 Rn. 9 f.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327) günstiger als die nach dem Tatzeitrecht (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.
10 Der Senat ändert deshalb den ihn betreffenden Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
11 Die gegen den Angeklagten K. verhängte Strafe bedarf der Aufhebung, weil § 34 Abs. 3 KCanG einen erheblich milderen Strafrahmen vorgibt als § 29a Abs. 1 BtMG. Es ist ungeachtet des - angesichts der großen potentiell mit der Plantage erlangten Cannabismenge - beachtlichen Schuldumfangs und der - unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaften (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 10; vom - 6 StR 116/24, NStZ-RR 2024, 215, 216; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 5) - strafmildernden Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Cannabis („weiche Droge“) durch das Landgericht nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des einschlägigen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes eine niedrigere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Strafe für den Angeklagten K. ist daher in einem zweiten Rechtsgang neu zu bemessen.
12 c) Ob für den Angeklagten H. das Tatzeitrecht (§ 30a Abs. 1 BtMG) oder das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz günstiger und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist, hängt davon ab, ob seine Tat nach neuem Recht als minder schwerer Fall der Qualifikation des § 34 Abs. 4 KCanG zu werten oder der nach § 49 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 27 Abs. 2 StGB zu mildernde normale Qualifikationstrafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG zur Anwendung zu bringen ist. Im erstgenannten Fall wäre die neue Rechtslage für den Angeklagten günstiger, weil das Landgericht zwar einen minder schweren Fall des § 30a Abs. 3 BtMG bejaht hat, indes nur unter Verbrauch (§ 50 StGB) des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 27 Abs. 2 StGB. Im zweitgenannten Fall wäre das Tatzeitrecht für den Angeklagten milder, weil der nach § 49 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 27 Abs. 2 StGB gemilderte normale Qualifikationstrafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG (Freiheitsstrafe sechs Monate bis elf Jahre und drei Monate) höher ist als der im ersten Rechtsgang herangezogene Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG (Freiheitsstrafe sechs Monate bis zehn Jahre) (vgl. , juris Rn. 8). Bei der zu treffenden Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der dem Tatgericht obliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 211/24, juris Rn. 7; vom - 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 5; vom - 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; Urteil vom - 3 StR 314/13, wistra 2014, 446 Rn. 31; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354a Rn. 11). Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer einen minder schweren Fall im Sinne des § 34 Abs. 4 KCanG verneint hätte. Denn bei der Wertung, die Tat sei als minder schwerer Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG zu werten, hat es unter anderem darauf abgestellt, dass es sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“ handele. Diese schuldmindernde Erwägung ist indes - wie erwähnt - unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaft, weil die Strafbarkeiten nach § 34 KCanG ausschließlich den Umgang mit Cannabis betreffen. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO scheidet daher hinsichtlich des Angeklagten H. aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 98/24, juris Rn. 14; vom - 3 StR 201/24, juris Rn. 8). Dies bedingt die Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft, sowohl im Schuld- als auch im Strafausspruch.
13 d) Einer Aufhebung der jeweils zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht, und zwar weder hinsichtlich des Angeklagten K. noch des Angeklagten H. (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handele, liegt darin eine bloße Wertung und keine Tatsachenfeststellung (vgl. , juris Rn. 10). Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
14 3. Eine Erstreckung der Entscheidung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die (teilweise) Aufhebung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten allein auf dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes nach Erlass des angefochtenen Urteils beruht, nicht aber auf einer Gesetzesverletzung durch das Tatgericht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 257/24, juris Rn. 9; vom - 4 StR 111/24, juris Rn. 8; vom - 1 StR 111/24, juris Rn. 13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 357 Rn. 9).
Schäfer Paul Berg
Erbguth Kreicker
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:070125B3STR485.24.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-85843