Arbeitszeit - Vergütung - Wechselschicht - Ausschlussfrist
Instanzenzug: Az: 7 Ca 3283/20 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 4 Sa 217/22 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten für die Jahre 2019 bis 2021 über die Vergütung im Zusammenhang mit einer Verlängerung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit sowie über Überstundenzuschläge, Wechselschichtzulagen und Zuschläge für über 39 Wochenstunden hinaus geleistete Arbeitsstunden im Jahr 2021.
2Der Beklagte unterhält einen Rettungsdienst. Zum übernahm er die Rettungswache T mit den Außenwachen B, Be und Tr im Wege eines Betriebsübergangs.
3Der Kläger ist seit dem Jahr 1995 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Rettungssanitäter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die „Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die der Diakonie Deutschland angeschlossen sind“ mit den Sonderregelungen AVR - Fassung Ost - (im Folgenden AVR DD) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
4Die AVR DD in der Fassung vom lauten auszugsweise:
5§ 9 AVR DD in der Fassung vom lautet auszugsweise:
6Die zwischen dem Regionalverband Leipzig/Nordsachsen und der Mitarbeitervertretung des Regionalverbandes Leipzig/Nordsachsen geschlossene „Dienstvereinbarung zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit gemäß § 11 Abs. 4 AVR DWBO Anlage Johanniter und § 9 Abs. 3 AVR DD“ vom (im Folgenden „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“) bestimmt mit Wirkung zum ua.:
7Aufgrund der „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ ordnete der Beklagte für die Mitarbeiter im Rettungsdienst eine auf 48 Wochenstunden verlängerte Arbeitszeit an, die dienstplanmäßig in vier Zwölf-Stunden-Schichten zu erbringen war. Eine Vergütung für die hierdurch über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 bzw. 39,5 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden (im Folgenden Mehrstunden) erhielten die Mitarbeiter nicht.
8Der Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto. Dies war zum Ende der Jahre 2019 und 2020 nicht ausgeglichen.
9Mit Schreiben vom hat der Kläger Vergütung für die über die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinaus geleisteten Mehrstunden sowie Überstundenzuschläge für das Jahr 2019 und mit anwaltlichem Schreiben vom entsprechende künftige Ansprüche sowie Wechselschichtzulagen verlangt.
10Mit seiner mehrfach erweiterten Klage vom hat er geltend gemacht, die Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit durch den Beklagten sei unwirksam. Deshalb seien die von ihm erbrachten Mehrstunden zu vergüten, hilfsweise auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Das Arbeitszeitkonto sei abweichend von den Vorgaben der AVR DD aufgrund einer bestehenden betrieblichen Übung bzw. der bei dem vormaligen Betriebsinhaber geltenden „Betriebsvereinbarung über den Schichtbetrieb im Rettungsdienst sowie über die Erfassung von Arbeitszeiten und die Führung von Arbeitszeitkonten“ (im Folgenden „Betriebsvereinbarung über den Schichtbetrieb“) zum 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres auszugleichen. Die Voraussetzungen für die begehrten Zeitzuschläge und die Wechselschichtzulage seien erfüllt. Die Ansprüche seien nicht nach § 45 AVR DD verfallen. Einer monatlichen Geltendmachung habe es nicht bedurft.
11Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - sinngemäß beantragt,
12Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Verlängerung der Arbeitszeit auf regelmäßig 48 Stunden wöchentlich sei vor dem Hintergrund der „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ wirksam erfolgt. Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, folge hieraus noch kein Vergütungsanspruch des Klägers. Etwaige - angeordnete - Überstunden habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt. Folglich stünden ihm auch keine Überstundenzuschläge zu. Ansprüche auf Wechselschichtzulagen bestünden wegen der angefallenen Arbeitsbereitschaft nicht. Jedenfalls seien sie wegen Nichtwahrung der Ausschlussfrist teilweise verfallen.
13Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil hinsichtlich der Vergütung von Mehrstunden teilweise abgeändert und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel in der in den Anträgen bezeichneten Höhe weiter. Der Beklagte erstrebt mit seiner Anschlussrevision die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Gründe
14Die Revision des Klägers ist teilweise unzulässig. Im Übrigen sind die Revision und die zulässige Anschlussrevision des Beklagten begründet. Der Senat kann jedoch auf Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst beurteilen, in welchem Umfang dem Kläger Vergütung für geleistete Mehrstunden, Überstundenzuschläge sowie gegebenenfalls Wechselschichtzulagen zustehen. Das angefochtene Urteil ist deshalb insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
15A. Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung des Anspruchs auf einen Zuschlag gemäß § 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 AVR DD in der Fassung vom in Höhe von 5,70 Euro für jede über 39 Stunden hinausgehende Stunde nach Satz 1 des Unterabsatzes 1 für das Jahr 2021 richtet.
16I. Der Kläger hat keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Sachrüge erhoben.
171. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (st. Rspr., vgl. etwa - Rn. 11 mwN).
182. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung in Bezug auf den Zuschlag nach § 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 AVR DD nicht gerecht. Sie enthält zu diesem Streitgegenstand keinerlei Ausführungen. Zwar kann von einem Rechtsmittelführer nicht mehr an Begründung verlangt werden, als vom Gericht seinerseits aufgewendet worden ist. Der Kläger hätte jedoch den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen, dh. zumindest geltend machen müssen, dass die Klage hinsichtlich dieses prozessualen Anspruchs abgewiesen worden ist, ohne dass sich aus den Gründen ergibt, warum dies geschehen ist (vgl. - Rn. 19; - 6 AZR 742/14 - Rn. 20 mwN). Daran fehlt es.
19II. Die Zulässigkeit der Revision in diesem Punkt ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben hätte.
201. Eine Verfahrensrüge kann darauf gestützt werden, der verfassungsrechtliche Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt. Besteht die Rüge darin, Sachvortrag sei übergangen worden, ist in der Revisionsbegründung anzugeben, welchen konkreten Sachvortrag das Berufungsgericht übergangen haben soll, und dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Sofern sich das nicht aus der Art des gerügten Verfahrensfehlers von selbst ergibt, ist dafür darzulegen, dass das Landesarbeitsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. zB - Rn. 18 mwN).
212. Diesen Anforderungen entsprechen die Ausführungen auf S. 22 f. der Revisionsbegründung nicht. Der Kläger hat zwar den vorinstanzlichen Schriftsatz vom mit der konkreten Seitenzahl bezeichnet. Das Vorbringen in der Revisionsbegründung bezieht sich jedoch auf die geltend gemachten Überstundenzuschläge. Der Zuschlag in Höhe von 5,70 Euro ist lediglich im Zusammenhang mit den verschiedenen Gehaltsbestandteilen als ein durch die Neufassung der AVR DD vom neu eingeführtes Vergütungselement zitiert, ohne dass der Kläger hierzu vorgetragen hat, dass es sich insoweit um bereits in den Tatsacheninstanzen vorgebrachtes und vom Landesarbeitsgericht übergangenes Vorbringen von hinreichender Substanz handelt. Ebenso wenig hat er dargelegt, dass bei zutreffender Behandlung möglicherweise eine andere Entscheidung ergangen wäre.
22B. Im Hinblick auf die weiteren Streitgegenstände sind die Revision des Klägers sowie die Anschlussrevision des Beklagten zulässig und begründet.
23I. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Vergütung der im Streitzeitraum dienstplanmäßig über 40 bzw. 39,5 Stunden pro Woche hinausgehenden geleisteten Mehrstunden nach § 611a Abs. 2 BGB iVm. den AVR DD. Dem steht die „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ nicht entgegen. Über die Höhe der zustehenden Mehrstundenvergütung kann der Senat allerdings mangels Feststellungen nicht selbst entscheiden. Die Sache ist insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
241. Es kann offenbleiben, ob die „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ wirksam zustande gekommen ist bzw. bereits deshalb keine Grundlage für die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden sein kann, weil die Außenwache B, in welcher der Kläger eingesetzt ist, nicht in ihren Geltungsbereich fällt. Auch wenn sie auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet, ist die auf ihrer Grundlage vom Beklagten angeordnete Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden und die Einführung von vier Zwölf-Stunden-Schichten pro Woche nicht durch die AVR DD gedeckt. Dies ergibt die Auslegung von § 9 AVR DD (zur Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen vgl. zB - Rn. 20 mwN).
25a) § 9 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1, Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 AVR DD enthält in Verbindung mit der auf den Kläger anwendbaren Sonderregelung AVR - Fassung Ost - die Grundregel für den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bis zum und 39,5 Stunden ab dem . Darüber hinaus sieht die Bestimmung eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von acht Stunden vor, die grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Abweichend davon regelt § 9 Abs. 3 AVR DD in den einzelnen Unterabsätzen in sich abgeschlossene Modifikationen hinsichtlich Dauer und Verteilung der täglichen und der wöchentlichen Arbeitszeit. Keine dieser Ausnahmebestimmungen lässt das vom Beklagten eingeführte Arbeitszeitmodell mit einer gleichzeitigen Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf und einer wöchentlichen auf 48 Stunden zu.
26aa) Jeder Unterabsatz in § 9 Abs. 3 AVR DD enthält nach seinem klaren Wortlaut konkrete Vorgaben, bei deren Vorliegen die tägliche bzw. die wöchentliche Arbeitszeit verlängert werden kann. Danach lässt § 9 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 3 AVR DD im Wege einer Dienstvereinbarung zwar die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf über zehn Stunden zu, sofern in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Eine damit verbundene Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeit sieht die Regelung dagegen nicht vor. Eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf durchschnittlich 48 Stunden erlaubt hingegen § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 AVR DD, wenn durchschnittlich mindestens zwei Stunden Arbeitsbereitschaft täglich anfallen. Allerdings lässt diese Bestimmung nur eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden und nicht, wie vom Beklagten praktiziert, auf zwölf Stunden zu. Während § 9 Abs. 3 Unterabs. 1 und 3 AVR DD die Arbeitszeitmodifikationen grundsätzlich für sämtliche Einrichtungen vorsieht, enthält Abs. 3 Unterabs. 2 eine eigene - für den Streitfall nicht einschlägige - Regelung für heilpädagogische und therapeutische Einrichtungen, die nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut in Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 8 den Gesundheitsschutz der hier tätigen Beschäftigten in besonderer Weise gewährleisten soll.
27bb) Dafür, dass es sich in § 9 Abs. 3 Unterabs. 1 bis 3 AVR DD um jeweils eigenständige, in sich abgeschlossene Arbeitszeitgestaltungen handelt, spricht auch der Regelungsaufbau. Jede einzelne Modifikation ist in einem eigenen Unterabsatz geregelt und damit sichtbar von den übrigen Varianten abgesetzt. Die Rückbeziehung in § 9 Abs. 3 Unterabs. 3 Satz 10 auf Unterabs. 3 Satz 1 AVR DD erfolgt offenkundig ausschließlich für den konkret bezeichneten Fall und ist damit ebenfalls abschließend formuliert.
28cc) Dieses bereits in Wortlaut und Systematik angelegte Verständnis wird durch den Sinn und Zweck von § 9 Abs. 3 AVR DD bestätigt. Die Bestimmung entspricht - wie die einzelnen tatbestandlichen Anforderungen an eine Verlängerung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit zeigen - dem Regelungszweck des § 7 ArbZG. Danach sollen den Tarifvertragsparteien bzw. den kirchlichen Regelungsgebern (sh. § 7 Abs. 4 ArbZG) - und unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen auch den Betriebspartnern - im Interesse eines praxisnahen, sachgerechten und effektiven Arbeitszeitschutzes mehr Befugnisse hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung eingeräumt und gleichzeitig der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer wirksamer gewährleistet werden (BT-Drs. 12/5888 S. 20; vgl. auch 8 C 13.17 - Rn. 16, BVerwGE 162, 83). Den Gesundheitsschutz stellt § 9 Abs. 3 AVR DD durch die spezifischen Maßgaben für die einzelnen Arbeitszeitmodelle in jedem einzelnen Unterabsatz sicher, nämlich durch das Erfordernis, Dienstvereinbarungen abzuschließen, und den Anfall von weniger belastender Arbeitsbereitschaft.
29dd) Eine Möglichkeit, die einzelnen Regelungen miteinander zu kombinieren, sieht § 9 Abs. 3 AVR DD nicht vor. Ebenso wenig lässt die Bestimmung über sie hinausgehende abweichende Arbeitszeitgestaltungen durch den Abschluss entsprechender Dienstvereinbarungen wie der streitgegenständlichen zu.
30b) Die vom Kläger im Streitzeitraum dienstplanmäßig geleisteten Mehrstunden sind wie Vollarbeit zu vergüten. Dies gilt auch, soweit Arbeitsbereitschaft angefallen ist. Die AVR DD unterscheiden vergütungsrechtlich nicht zwischen Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft. Zwar ist eine unterschiedliche Vergütung grundsätzlich zulässig. Hätte der Regelungsgeber jedoch gewollt, dass Arbeitsbereitschaft gegenüber Vollarbeit geringer vergütet wird, hätte er dies klar und eindeutig zum Ausdruck bringen müssen (vgl. - Rn. 38). Daran fehlt es vorliegend. Aus diesem Grund muss der Kläger - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht darlegen, in welchem Umfang er im Zusammenhang mit den erbrachten Mehrstunden Vollarbeit oder Arbeitsbereitschaft geleistet hat. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von der Entscheidung des Senats vom (- 6 AZR 200/23 -) zu Bereitschaftszeiten bei (Schul-)Hausmeistern, auf deren Arbeitsverhältnis die Sonderregelungen für (Schul-)Hausmeister im Abschnitt A des Anhangs zu § 9 TVöD-V Anwendung finden. Diese Tarifnorm sieht im Gegensatz zu den AVR DD eine Faktorisierung von Bereitschaftszeiten vor. Aus diesem Grund ist ein (Schul-)Hausmeister - anders als vorliegend der Kläger - gehalten, zur Schlüssigkeit einer Klage auf (Mehrarbeits-)Vergütung vorzutragen, in welchem Umfang bzw. zu welchen Zeiten er Vollarbeit bzw. Bereitschaftszeit erbracht hat ( - Rn. 35).
312. Der Senat kann auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden, in welchem Umfang dem Kläger Mehrstundenvergütung für die Jahre 2019 bis 2021 zusteht. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird deshalb Folgendes zu beachten sein:
32a) Das Landesarbeitsgericht wird - nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen und zur Stellungnahme gegeben hat - den Stand des Arbeitszeitkontos zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres im Streitzeitraum unter Berücksichtigung der Stundendifferenz zwischen den dienstplanmäßig geleisteten 48 Wochenstunden und der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 bzw. 39,5 Stunden zu ermitteln haben. Dabei ist zu beachten, dass der Kläger bei seinen Berechnungen für das Jahr 2021 unter Außerachtlassung der für ihn geltenden Sonderregelung AVR - Fassung Ost - des § 9 AVR DD in der Fassung vom fälschlich eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 39 anstelle von 39,5 Stunden zugrunde gelegt hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass § 9b Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 5 AVR DD einer Einbeziehung der vom Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Arbeitszeitmodells geleisteten Mehrstunden nicht entgegensteht. Zwar verfallen nach dieser Regelung die Stunden, die die monatliche Soll-Arbeitszeit um mehr als 30 Stunden überschreiten. Dies gilt jedoch nicht, wenn sie wie Überstunden iSv. § 9c Abs. 4 AVR DD angeordnet sind. Dies ist durch die dienstplanmäßige Einteilung der Mitarbeiter in festgelegte Schichten der Fall. Damit hat der Beklagte die Erbringung von Arbeitsleistung, die über die tatsächliche Soll-Arbeitszeit hinausgeht, im Sinne dieser Bestimmung angeordnet.
33b) Sollte danach der Arbeitszeitsaldo zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres ein Guthaben von mehr als 150 Stunden aufweisen, hat der Kläger - soweit in den folgenden vier Monaten kein Freizeitausgleich nach § 9b Abs. 8 Satz 1 AVR DD stattgefunden hat - nach Ablauf dieser Frist gemäß § 9b Abs. 8 Satz 2 AVR DD Anspruch auf Auszahlung des die Höchstgrenze von 150 Stunden überschreitenden Zeitguthabens. Die Höchstgrenze von 150 Stunden ist zwar für jedes Jahr zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch verkannt, dass ein auf das Folgejahr übergegangenes Zeitguthaben von 150 Stunden bei der Ermittlung des Arbeitszeitsaldos des Folgejahres einzubeziehen ist und die Berechnung für das Folgejahr auf diesem „Start“-Guthaben aufbaut. Ein Abzug dieses Sockelbetrags - wie vom Landesarbeitsgericht vorgenommen - erfolgt nicht.
34c) Soweit sich der Kläger für den Auszahlungsmodus auf eine abweichende betriebliche Übung beruft, hat er die Voraussetzungen für deren Vorliegen nicht substantiiert dargelegt. Hinsichtlich der von ihm in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführten „Betriebsvereinbarung über den Schichtbetrieb“ kann offenbleiben, ob diese überhaupt Anwendung findet. Sie bestimmt zwar in § 7 Satz 4 einen zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum für Mehr-, Minder- und Überstunden vom 1. Januar bis zum 31. Dezember des Jahres. Darüber hinaus trifft sie diesbezüglich jedoch keine eigenen Regelungen, sondern verweist in § 7 Satz 5 auf die jeweiligen tariflichen Regelungen und die AVR.
35d) Schließlich wird das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Ansprüche auf Gutschrift und eine mögliche spätere Auszahlung von Mehrstunden nach § 45 AVR DD verfallen sind, folgende Grundsätze zu beachten haben:
36aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Ausschlussfristenregelung in § 45 AVR DD auch auf den Anspruch auf Zeitgutschrift Anwendung findet (vgl. zB - Rn. 30; sh. auch - Rn. 34). Das Arbeitszeitkonto drückt nur in anderer Form den Vergütungsanspruch aus (vgl. etwa - Rn. 21; - 7 AZR 224/15 - Rn. 31 mwN, BAGE 158, 31). Die Notwendigkeit zur Geltendmachung eines auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Anspruchs lebt - sofern nichts Abweichendes geregelt ist - auch nicht erneut auf, wenn sich zB wegen Ablaufs des Ausgleichszeitraums ein Freizeitausgleich in einen Zahlungsanspruch wandelt. Der Zahlungsanspruch ist im Verhältnis zum Zeitguthaben kein neuer Anspruch im Sinne der Ausschlussfrist. Er ersetzt ihn lediglich. Die Geltendmachung der Zeitgutschrift oder der gleichwertigen Zahlung entsprechen einander (vgl. zB - Rn. 20 mwN, BAGE 135, 197). Daraus folgt, dass die Ausschlussfrist hinsichtlich eines Anspruchs auf Auszahlung des Zeitguthabens gewahrt ist, wenn zuvor die Zeitgutschrift ordnungsgemäß im Sinne der Ausschlussfristenregelung verlangt worden ist.
37bb) Die Ausschlussfrist des § 45 AVR DD beginnt mit Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Fällig im Sinne einer Ausschlussfrist ist ein Anspruch regelmäßig erst dann, wenn die Forderung in ihrem Bestand feststellbar ist und vom Gläubiger geltend gemacht werden kann. Dies ist vorliegend der Zeitpunkt der monatlichen Mitteilung über den aktuellen Kontostand nach § 9b Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 1 AVR DD (vgl. hierzu - Rn. 31 mwN). Nachdem der Kläger diese jeweils erhalten hatte, konnte er fehlende Zeitgutschriften im Streitzeitraum hinreichend deutlich bezeichnen.
38cc) Die Dauer der Ausschlussfrist bestimmt sich nach § 45 Abs. 2 AVR DD und beträgt sechs Monate. Bei den monatlich erbrachten Mehrstunden handelt es sich nicht um „allmonatlich entstehende“ und damit verstetigte Ansprüche iSv. § 45 Abs. 1 AVR DD. Sie entsprechen nicht dem Kanon der im Klammerzusatz abschließend genannten Entgeltbestandteile. Gegen dieses Verständnis spricht nicht, dass die Mehrstunden nach dem streitgegenständlichen Arbeitszeitmodell regelmäßig monatlich anfallen. Die Auslegung der Regelung darf nicht von Erwägungen bestimmt werden, die aus dem streitgegenständlichen Arbeitszeitmodell hergeleitet werden.
39dd) Der Kläger hat mit Schreiben vom seine Ansprüche auf Mehrstundenvergütung geltend gemacht. Das Schreiben entspricht - wovon jedenfalls insoweit auch das Landesarbeitsgericht ersichtlich ausgegangen ist - den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung (zu diesen Anforderungen vgl. zB - Rn. 43 f. mwN). Der Kläger hat den Gegenstand seines Begehrens, nämlich die über die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Mehrstunden, bezeichnet und eine entsprechende Vergütung für das Jahr 2019 gefordert.
40ee) Einer erneuten Geltendmachung entsprechender künftiger Ansprüche bedurfte es nicht. Zwar setzt eine Geltendmachung grundsätzlich voraus, dass der Anspruch bereits entstanden ist. Eine Besonderheit gilt aber, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn - wie vorliegend - ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, wird durch diese einmalige Geltendmachung erreicht. Für den Beklagten kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Kläger darf davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat (vgl. zB - Rn. 56 mwN).
41II. Des Weiteren kann der Senat nicht selbst entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Kläger Ansprüche auf Überstundenzuschläge nach § 9c Abs. 4 Unterabs. 2 iVm. § 20a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a AVR DD zustehen. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Anspruch nicht abgewiesen werden. Für die Beurteilung bedarf es jedoch weiterer tatsachengerichtlicher Feststellungen. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird deshalb - nachdem die Parteien auch diesbezüglich Gelegenheit zu weiterem Vorbringen und zur Stellungnahme hatten - Folgendes zu beachten sein:
421. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe keinen Nachweis über geleistete Überstunden iSv. § 9c Abs. 4 Unterabs. 1 AVR DD erbracht; ein solcher folge auch nicht aus den vorgelegten Monatsabrechnungen.
43a) Verlangt der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 15 mwN, BAGE 178, 25; - 6 AZR 204/17 - Rn. 32 f.).
44b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers jedenfalls im ersten Schritt. Er hat - worauf in der Revisionsbegründung hingewiesen wird - monatliche Übersichten dargetan, die erkennen lassen, in welchen Monaten und in welchem Umfang er Überstunden geleistet haben will. Einer weitergehenden Aufschlüsselung nach Zeiten der Vollarbeit bzw. Arbeitsbereitschaft bedurfte es vorliegend nicht (vgl. vorstehend Rn. 30). Zudem hat er vorgetragen, dass die von ihm geleisteten Überstunden dienstplanmäßig festgelegt waren. Damit hat der Kläger dargelegt, dass sie vom Beklagten veranlasst waren (zu diesem Erfordernis vgl. - Rn. 17 ff. mwN, BAGE 178, 25). Allerdings wird das Landesarbeitsgericht bei seinen Feststellungen zu berücksichtigen haben, dass der Kläger seinen Berechnungen für das Jahr 2021 eine unzutreffende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden anstelle von 39,5 Stunden zugrunde gelegt hat. Die Sonderregelung AVR - Fassung Ost - des § 9 Abs. 1 AVR DD wurde erst mit Ablauf des gestrichen.
452. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage auf Überstundenzuschläge iSv. § 9c Abs. 4 Unterabs. 2 Satz 2 iVm. § 20a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a AVR DD auch nicht mit der Begründung abweisen, der Kläger habe die begehrten Zuschläge nicht rechtzeitig monatlich mithilfe einer detaillierten Aufschlüsselung der geleisteten Überstunden geltend gemacht, weshalb sie nach § 45 AVR DD verfallen seien.
46a) Im Ausgangspunkt noch zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Ausschlussfrist für die Überstundenzuschläge monatlich zu laufen beginnt und sich die Zuschläge als Teil der nicht in Monatsbeträgen festgelegten Bezüge gemäß § 21a Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 5 AVR DD nach der Arbeitsleistung des Vorvormonats bemessen und deshalb zum 15. des Folgemonats fällig werden (vgl. etwa - Rn. 44).
47b) Allerdings bedarf die ordnungsgemäße Geltendmachung im Streitfall weder einer detaillierten Zusammenstellung der in den jeweiligen Monaten erbrachten Überstunden noch muss sie monatlich erfolgen.
48aa) Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die nach Auffassung des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und gegebenenfalls Rücklagen bilden können. Er soll vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und nicht rechnen muss, geschützt werden (vgl. zB - Rn. 39; - 4 AZR 235/22 - Rn. 42 mwN). Die Geltendmachung erfordert keine Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs, die der Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlaubt. Der Anspruchsgegner muss ausgehend von seinem Empfängerhorizont erkennen können, um welche Forderung es sich handelt. Die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist jedoch nicht erforderlich. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Bezifferung nicht zwingend geboten (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 43; - 6 AZR 104/18 - Rn. 33 mwN, BAGE 166, 285).
49bb) Diesen Anforderungen genügt das Geltendmachungsschreiben des Klägers vom auch in Bezug auf die Überstundenzuschläge. Das Schreiben enthält in seinem letzten Satz mit der Formulierung: „Bitte um Auszahlung der im Jahr 2019 geleisteten Mehrstunden … mit Überstundenzuschlag.“, ein deutliches Erfüllungsverlangen (zu diesem Erfordernis vgl. zB - Rn. 26, BAGE 161, 122; - 6 AZR 700/14 - Rn. 45 mwN, BAGE 154, 118) auch hinsichtlich der Überstundenzuschläge. Der Kläger hat seinen Anspruch zudem hinreichend spezifiziert. Er hat den Zeitraum, für den die Zuschläge gefordert werden, bezeichnet und die Arbeitszeitnachweise sowie das Jahresarbeitszeitkonto für das Jahr 2019 als Grundlage für die erhobenen Daten und die vorgenommenen Berechnungen angeführt. Der Beklagte konnte aufgrund der Angaben des Klägers hinreichend genau erkennen, um welchen Anspruch es sich handeln soll und auf welche Tatsachen dieser gestützt wird. Unschädlich ist, dass der Kläger den Anspruch auf die gesamten von ihm für 2019 errechneten 156,33 Mehrstunden bezogen hat. Daraus folgt allenfalls, dass er eine zu hohe Forderung geltend gemacht hat. Eine Zuvielforderung lässt eine Geltendmachung aber in der Regel nicht unwirksam werden (vgl. zB - Rn. 35 mwN).
50cc) Der Kläger musste die Überstundenzuschläge nicht jeden Monat erneut gegenüber dem Beklagten verlangen. Auch diese Ansprüche beruhen auf demselben Grundtatbestand (sh. hierzu Rn. 40), den der Kläger in seinem Geltendmachungsschreiben vom genannt hat, mithin auf dem Streit über die Vergütung der über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus dienstplanmäßig erbrachten Mehrstunden. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte nach der erstmaligen Geltendmachung damit rechnen, dass sich der Konflikt auch auf in den Folgemonaten geleistete Mehrstunden und Überstundenzuschläge erstrecken würde, und konnte sein Verhalten darauf einstellen.
51III. Der Senat kann mangels erforderlicher Feststellungen auch nicht end- entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger Wechselschichtzulagen nach § 20 Abs. 1 iVm. § 9e Abs. 2 iVm. Abs. 1 und 2 der Anmerkung zu Abs. 2 und 3 AVR DD zustehen.
521. Ein solcher Anspruch scheitert - entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts - nicht bereits daran, dass der Kläger nicht in allen drei im Klammerzusatz des Abs. 2 der Anmerkung zu Abs. 2 und 3 in § 9e AVR DD aufgeführten Schichtarten zur Arbeit eingesetzt war.
53a) Die Begriffe „Wechselschichtarbeit“ und „Wechselschicht“ sind in § 9e Abs. 2 Satz 1 und 2 AVR DD definiert. Wechselschichtarbeit setzt danach denklogisch zwar sich ablösende Schichten und damit - wie auch Abs. 3 der Anmerkung zu Abs. 2 und 3 in § 9e AVR DD zeigt - mindestens ein Zweischichtsystem voraus. Das Erfordernis, dass Wechselschichtarbeit im Sinne der AVR DD nur in einem Schichtsystem mit mindestens drei Schichtarten anfallen kann, sieht § 9e Abs. 2 AVR DD jedoch nicht vor. Maßgeblich ist allein, dass in dem betreffenden Arbeitsbereich feiertagsunabhängig an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird.
54b) Der Anspruch auf eine Wechselschichtzulage setzt nach § 20 Abs. 1 iVm. Abs. 2 der Anmerkung zu Abs. 2 und 3 in § 9e AVR DD zudem voraus, dass der betreffende Mitarbeiter selbst tatsächlich Wechselschichtarbeit leistet. Indem sich der Begriff „Wechselschichtarbeit“ - wie die Überschrift der Anmerkung zeigt - auf § 9e Abs. 2 AVR DD und damit auf dessen tatbestandliche Voraussetzungen bezieht, wird deutlich, dass ein dienstplanmäßiger Einsatz in allen Schichtarten des im konkreten Betrieb bzw. Arbeitsbereich existierenden Schichtsystems erforderlich ist. Dadurch wird ausgeschlossen, dass Arbeitnehmer, die zwar in einem vollkontinuierlichen Schichtsystem arbeiten, selbst aber nicht uneingeschränkt in dessen Ablauf integriert sind, trotz einer geringeren Belastung denselben Ausgleich wie vollständig eingegliederte Arbeitnehmer erhalten. Angesichts dessen enthält der Klammerzusatz in Abs. 2 der Anmerkung zu Abs. 2 und 3 in § 9e AVR DD lediglich eine beispielhafte Aufzählung der in Wechselschichtbetrieben typischerweise vorkommenden Schichtarten. Andernfalls könnte in Bereichen, in denen zwar an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird, deren Schichtsystem aber - wie im Streitfall - nur zwei Zwölf-Stunden-Schichten vorsieht, keine Wechselschichtarbeit im Regelungssinn geleistet werden mit der Folge, dass die betreffenden Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf eine Wechselschichtzulage hätten. Dem Regelungsgeber der AVR DD hätte es zwar freigestanden, eine solche Regelung zu treffen, weil er zB eine Tätigkeit in einem Drei- oder Mehrschichtsystem als belastender ansieht. Allerdings kann ihm vor dem Hintergrund, dass § 9e Abs. 2 AVR DD eine entsprechende Einschränkung nicht vorsieht, kein derartiger Regelungswille unterstellt werden. Dazu bedürfte es besonderer Anhaltspunkte in der Regelung. Solche liegen nicht vor.
552. Weiter setzt der Anspruch auf die Wechselschichtzulage nach § 20 Abs. 1 iVm. § 9e Abs. 2 Satz 2 AVR DD voraus, dass in dem betreffenden Arbeitsbereich ununterbrochen an allen Kalendertagen Vollarbeit geleistet wird. Dieses Erfordernis ist danach nicht erfüllt, wenn in einzelnen Schichten ua. Arbeitsbereitschaft anfällt (Abs. 1 der Anmerkung zu Abs. 2 und 3 in § 9e AVR DD). Das bedeutet entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der vom Kläger vertretenen Auffassung jedoch nicht, dass sich die Bereitschaftszeiten über eine ganze Schicht erstrecken müssen, um das Vorliegen von Wechselschichten auszuschließen. Vielmehr genügt es, wenn innerhalb einer Schicht neben Vollarbeit auch Arbeitsbereitschaft anfällt. Etwas anderes folgt nicht aus dem Wortlaut von Abs. 1 Satz 2 der Anmerkung zu Abs. 2 und 3 in § 9e AVR DD. Zwar könnte die Wendung „nur“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch für ein solches Verständnis sprechen. Dies ist aber nicht zwingend. Vielmehr indiziert das Fehlen einer solchen Einschränkung in Abs. 2 Halbs. 2 dieser Anmerkung das Ausreichen von Arbeitsbereitschaftsanteilen innerhalb einer Schicht, um die Voraussetzungen für Wechselschichten entfallen zu lassen.
563. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Argumentationslinie konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen, ob es im Streitzeitraum in den vom Kläger dienstplanmäßig geleisteten Arbeitszeiten Schichtfolgen gab, in denen keine Arbeitsbereitschaft angefallen ist. Dies wird es nachzuholen haben.
574. Hinsichtlich einer Verfristung etwaiger Ansprüche wird zu beachten sein, dass der Kläger die Wechselschichtzulagen - soweit ersichtlich - erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom geltend gemacht hat.
58IV. Da der Senat hinsichtlich der Mehrstunden über die als Hauptanträge gestellten Zahlungsanträge nicht endentscheiden kann, steht nicht fest, ob der Hilfsantrag zur Entscheidung anfällt. Deshalb hat der Senat derzeit nicht zu beurteilen, ob der Antrag zulässig ist. Dies wird das Landesarbeitsgericht gegebenenfalls nachzuholen haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:211124.U.6AZR17.24.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-85766