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BFH Urteil v. - II R 46/22

Keine Steuerbefreiung der Einbringung von Kommanditanteilen in erst kurz zuvor erworbene Vorrats-GmbHs

Leitsatz

1. Der nach § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerbare Wechsel im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kommanditgesellschaft aufgrund einer Einbringung der Anteile der Kommanditisten an dieser Gesellschaft in eine Vorrats-GmbH kann nach § 6a Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein.

2. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist nach § 6a Satz 3 und 4 GrEStG, dass der Einbringende im Zeitpunkt der Einbringung mehr als fünf Jahre zu mehr als 95 % an der Vorrats-GmbH beteiligt war. Auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist kann in diesem Fall nicht verzichtet werden.

Gesetze: GmbHG § 2 Abs. 1 Satz 1; GmbHG § 5 Abs. 4; GmbHG § 10; GmbHG § 11 Abs. 1; GmbHG § 13 Abs. 1; GrEStG § 1 Abs. 2a; GrEStG § 6a Satz 1 bis 4; UmwStG §§ 20 ff.

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH und Co. KG mit Grundbesitz im Inland. An ihr waren neben einer nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligten Komplementärin insgesamt sieben natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt. Am .2013 erwarben diese Kommanditisten jeweils eine eigene Vorrats-GmbH. Jeder Kommanditist war Alleingesellschafter seiner GmbH. Jeweils mit notariell beurkundetem Vertrag vom .2014 brachten die sieben Kommanditisten ihre Beteiligung an der Klägerin in die ihnen gehörenden Vorrats-GmbHs nach §§ 20 ff. des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) im Wege der Sachkapitalerhöhung mit Wirkung zum .2014 zu Buchwerten ein. Mit Einbringungs- und Abtretungsvertrag vom selben Tag wurden die Anteile mit wirtschaftlicher Wirkung zum .2014 abgetreten.

2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) ging davon aus, dass der am .2014 verwirklichte Erwerbsvorgang den Tatbestand des § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr anwendbaren Fassung (GrEStG) erfüllte. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) erlassenem Bescheid vom setzte er unter Schätzung der Bemessungsgrundlage Grunderwerbsteuer in Höhe von . € fest.

3 Nach Feststellung der Grundbesitzwerte wurde die Grunderwerbsteuer mit Änderungsbescheid nach § 164 Abs. 2 AO vom auf . € herabgesetzt. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG.

4 Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen.

5 Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Das FG führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen von § 6a GrEStG seien im Streitfall nicht erfüllt. Bei den GmbHs handle es sich nicht um abhängige Gesellschaften im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG. Die von Gesetzes wegen vorgesehene fünfjährige Vorbehaltensfrist sei nicht eingehalten worden, weil alle GmbHs —unter den Beteiligten unstreitig— erst am .2013 erworben worden seien. Auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist könne nicht im Wege teleologischer Reduktion verzichtet werden. Die Forderung nach Einhaltung der Vorbehaltensfrist verletze auch nicht Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 138 veröffentlicht.

6 Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 6a Satz 1, 3 und 4 GrEStG geltend. Die Einbringungs- und Abtretungsverträge vom .2014 seien zwar als Einbringungen anzusehen, die einen vollständigen Übergang aller Anteile der Klägerin auf die GmbHs als neue Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG zur Folge gehabt hätten. Die Rechtsvorgänge seien aber nach § 6a GrEStG von der Steuer befreit.

7 Die Kommanditisten der Klägerin seien herrschende Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG. Bei den Vorrats-GmbHs handle es sich um abhängige Gesellschaften gemäß § 6a Satz 4 GrEStG. Die durch das Gesetz geforderte fünfjährige Vorbehaltensfrist sei zwar nicht eingehalten worden. Dies stünde der Anwendung der Steuerbefreiung nach § 6a Satz 1 GrEStG jedoch nicht entgegen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe für Umwandlungsfälle entschieden, dass bei der Aufspaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 1 Nr. 2 des UmwandlungsgesetzesUmwG—), der Abspaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG) und der Ausgliederung zur Neugründung (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) die Einhaltung der Vorbehaltensfrist in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft rechtlich nicht möglich und daher entbehrlich sei (, BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337 und vom  - II R 21/19 (II R 56/15), BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344).

8 Der Streitfall sei mit einer Umwandlung zur Neugründung vergleichbar. Der Erwerb einer Vorrats-Gesellschaft werde rechtlich wie eine Neugründung behandelt. Bei Gründung sei die Vorrats-Gesellschaft nur eine leere Hülle, die erst nach und nach durch den Gesellschafter gefüllt werde. Daher gelte der Erwerb einer Vorrats-GmbH als wirtschaftliche Neugründung der GmbH (, BGHZ 153, 158). An einem nicht existenten Rechtsträger könnten Beteiligungsverhältnisse nicht bestehen und daher auch nicht verändert werden. Sie entstünden erst mit der wirksamen Gründung der Gesellschaft.

9 Es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, Neugründungsfälle im Bereich der Umwandlungen von der Einhaltung der Vorbehaltensfrist auszunehmen, während im Bereich der Einbringungen in damit vergleichbaren Fällen diese Frist weiterhin einzuhalten sei. Bereits die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/15, S. 21 und 17/147, S. 10) würden darauf hinweisen, dass die Begünstigungswirkung den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugutekommen müsse. Sie dürfe nicht von Zufälligkeiten abhängen und daher willkürlich eintreten. § 6a GrEStG habe einen dezidierten Lenkungscharakter. Sein Ziel sei, konzerninterne Umstrukturierungen unter bestimmten Bedingungen zu erleichtern.

10 Die Einhaltung der Vorbehaltensfrist sei auch unter dem Gesichtspunkt der Teilrechtsnachfolge (vgl. das Beispiel von Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl., § 6a Rz 119) entbehrlich. Die Teilrechtsnachfolge würde zum Verzicht auf die Vorbehaltensfrist führen, denn die Vorrats-GmbHs seien in Bezug auf die Beteiligung an der Klägerin Teilrechtsnachfolgerinnen der früheren Kommanditisten. Die Teilrechtsnachfolge sei unabhängig von umwandlungsrechtlichen Überlegungen.

11 Schließlich diene § 6a GrEStG ausweislich der Gesetzesmaterialien der Missbrauchsverhinderung. Die ungewollten Mitnahmeeffekte sehe der Gesetzgeber offensichtlich in den Fällen, in denen Beherrschungsverhältnisse nur zur Erlangung der Steuerbegünstigung kurzfristig hergestellt oder zeitnah nach der Umwandlung wieder gelöst würden. Die Steuervergünstigung solle nur bei längerfristigen Beteiligungsgegebenheiten gewährt werden. Wie bei §§ 5 ff. GrEStG sei über eine teleologische Reduktion auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist zu verzichten, falls kein Missbrauch ersichtlich sei. Ein Gestaltungsmissbrauch sei ausgeschlossen, wenn ein an einem Umwandlungsvorgang oder an einer Einbringung beteiligter Rechtsträger neu entstehe.

12 Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und den Änderungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG gewährt und die Grunderwerbsteuer auf 0 € festgesetzt wird.

13 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

14 Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

15 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Recht erkannt, dass für den am .2014 verwirklichten und nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG nicht greift. Die nach § 6a Satz 4 GrEStG einzuhaltende fünfjährige Vorbehaltensfrist wurde nicht gewahrt. Bei der Einbringung von Anteilen in eine Vorrats-GmbH kann nicht auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet werden.

16 1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass durch die Einbringung aller Anteile der Klägerin in die sieben Vorrats-GmbHs der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt wurde.

17 a) Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen (vgl. , BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318, Rz 16).

18 b) Mit der Einbringung aller Kommanditanteile und der zeitgleichen Abtretung wurden die Vorrats-GmbHs neue Gesellschafter der Klägerin. Alle sieben Einbringungen und Abtretungen als Teilakte erfolgten am .2014. Der Gesellschafterbestand der Klägerin hat sich folglich dahingehend geändert, dass 100 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Nicht entscheidungserheblich für den Gesellschafterwechsel bei der Klägerin ist, dass Alleingesellschafter der Vorrats-GmbHs jeweils die Kommanditisten der Klägerin waren. Für die Beurteilung, ob mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf neue Gesellschafter übergegangen sind, kommt es nur auf die Ebene der nach der Übertragung als neue Gesellschafter beteiligten Vorrats-GmbHs an.

19 2. Das FG hat des Weiteren richtigerweise ausgeführt, dass der Rechtsvorgang nicht nach § 6a GrEStG von der Steuer befreit ist. Die Voraussetzungen des § 6a Satz 1 Alternative 2 GrEStG sind zwar erfüllt. Jedoch wurde die fünfjährige Vorbehaltensfrist im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG —unter den Beteiligten unstreitig— nicht eingehalten. § 6a Satz 4 GrEStG ist nicht dahingehend auszulegen, dass die Vorbehaltensfrist im Fall der Einbringung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Kommanditgesellschaft auf Vorrats-GmbHs nicht eingehalten werden muss.

20 a) Nach § 6a Satz 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, bei Einbringungen sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben.

21 aa) Einbringungen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage können nach § 6a Satz 1 Alternative 2 GrEStG von der Steuer befreit sein. Dieses Tatbestandsmerkmal wurde durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) erstmalig in das Gesetz eingefügt. Es stellt eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 6a GrEStG insoweit dar, als nicht nur unter das Umwandlungsgesetz fallende Vorgänge, sondern auch außerhalb des Umwandlungsgesetzes stattfindende Einbringungen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage begünstigt sein können. Anders als in Alternative 1 vorausgesetzt, muss der Steuerpflichtige sich bei der Verwirklichung des Rechtsvorgangs nicht der Rechtstechnik des Umwandlungsgesetzes bedienen (Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 38). Wie für die begünstigungsfähigen Tatbestände nach dem Umwandlungsgesetz ist jedoch auch für solche Einbringungen Voraussetzung, dass sie nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbar sind (Lieber in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 6a Rz 18; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl., § 6a Rz 5; Pahlke in Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 6a Rz 44; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 36 f.; Heine in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 6a GrEStG Rz 21.1, Stand 07/2024; gl.A. auch die Finanzverwaltung in den Gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG vom , BStBl I 2023, 995, Tz. 2.3). Unter dem Begriff der „Einbringungen“ sind beispielsweise Rechtsvorgänge zu verstehen, durch die ein Gesellschafter seine Sacheinlageverpflichtung (§ 5 Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—) erfüllt (vgl. Lieber in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 6a Rz 17; Pahlke in Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 6a Rz 45; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 39; gl.A. die Finanzverwaltung in den Gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG vom , BStBl I 2023, 995, Tz. 2.3).

22 bb) Im Streitfall lag eine Einbringung auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage vor. Nach den Feststellungen des FG brachten am .2014 die sieben Kommanditisten ihre Beteiligung an der Klägerin in die ihnen gehörenden Vorrats-GmbHs nach §§ 20 ff. UmwStG im Wege der Sachkapitalerhöhung ein. Der Rechtsvorgang unterliegt nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer (vgl. unter II.1.). Damit ist der Anwendungsbereich des § 6a Satz 1 GrEStG grundsätzlich eröffnet.

23 b) Das FG hat zutreffend entschieden, dass es sich bei den Vorrats-GmbHs nicht um von den Alleingesellschaftern abhängige Gesellschaften im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG handelt. Denn die fünfjährige Vorbehaltensfrist im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG wurde nicht eingehalten, da die Kommanditisten am .2014 an den erst am .2013 erworbenen Vorrats-GmbHs noch nicht fünf Jahre beteiligt waren. Auf die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist kann nicht verzichtet werden.

24 aa) Nach § 6a Satz 3 GrEStG gilt die Steuerbegünstigung nach § 6a Satz 1 GrEStG nur, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Im Sinne von § 6a Satz 3 GrEStG abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang (Nachbehaltensfrist) unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG).

25 bb) Im Streitfall könnten die sieben Kommanditisten als Alleingesellschafter ihrer jeweiligen Vorrats-GmbH zwar grundsätzlich herrschende Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG darstellen. Denn auch eine natürliche Person, die —wie die Kommanditisten über ihre Kommanditbeteiligung— wirtschaftlich tätig ist, kann herrschendes Unternehmen sein (vgl. , BFHE 266, 326, BStBl II 2020, 329, Rz 19). An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Deshalb ist es nicht erforderlich, dass der an der Umwandlung als herrschendes Unternehmen beteiligte Rechtsträger ein Unternehmer im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes ist. Unerheblich ist auch, ob das herrschende Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen hält (vgl. , BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916, Rz 29; Lieber in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 6a Rz 30; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 85; gl.A. die Finanzverwaltung in den Gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG vom , BStBl I 2023, 995, Tz. 3.1).

26 cc) Jedoch scheitert die Anwendung des § 6a GrEStG auf den Streitfall daran, dass die Kommanditisten am Gesellschaftskapital der Vorrats-GmbHs unstreitig nicht innerhalb von fünf Jahren vor der am .2014 durchgeführten Einbringung beteiligt waren, da sie jeweils die Vorrats-GmbH erst am .2013 erworben hatten.

27 dd) Auf die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist kann im Streitfall nicht nach den in den BFH-Urteilen vom  - II R 16/19 (II R 36/14) (BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333) und vom  - II R 2/22 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) aufgestellten Rechtsgrundsätzen verzichtet werden.

28 (1) § 6a Satz 3 und 4 GrEStG verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang (Nachbehaltensfrist).

29 Zwar hat der BFH mit Urteilen vom  - II R 16/19 (II R 36/14) (BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333) und vom  - II R 2/22 entschieden, dass bei einer Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei einer Ausgliederung zur Neugründung kann die Vorbehaltensfrist umwandlungs-bedingt nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Ausgliederung entsteht (; , BFH/NV 2024, 920; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 111; gl.A. die Finanzverwaltung in den Gleich lautenden Erlassen der obersten Finanz-behörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG vom , BStBl I 2023, 995, Tz. 3.2.2.1).

30 (2) Diese Rechtsgrundsätze sind —wie das FG zu Recht erkannt hat— nicht auf den Streitfall übertragbar. Im Unterschied zur Ausgliederung zur Neugründung, bei der die neu gegründete Gesellschaft rechtlich erst durch die Neugründung entsteht, haben die Vorrats-GmbHs bereits vor der Einbringung der Kommanditanteile am .2014 zivilrechtlich bestanden. Sie wurden bereits am .2013 von den Kommanditisten erworben. Es wäre deshalb möglich gewesen, solche Vorrats-GmbHs schon früher zu erwerben, um die fünfjährige Vorbehaltensfrist vor der Einbringung einzuhalten.

31 (3) Etwas anderes ergibt sich —entgegen der Auffassung der Klägerin— auch nicht aus dem (BGHZ 153, 158, unter III.1.a), nach dem die Verwendung des Mantels einer Vorrats-GmbH durch Ausstattung der Vorrats-Gesellschaft mit einem Unternehmen und erstmalige Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs im Hinblick auf den Gläubigerschutz wirtschaftlich eine Neugründung darstellt. Auch dieser Beschluss geht unter I. davon aus, dass die Vorrats-Gesellschaft bereits vor ihrer Ausstattung nach Eintragung in das Handelsregister formal wirksam entstanden und zivilrechtlich selbständig Träger von Rechten und Pflichten ist (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG). Für die grunderwerbsteuerrechtliche Anwendung des § 6a Satz 4 GrEStG kommt es nicht auf die wirtschaftliche Neugründung an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Vorrats-GmbHs bereits vor der wirtschaftlichen Neugründung zivilrechtlich existent waren, am Rechtsverkehr teilnehmen und ihre Anteile erworben werden konnten.

32 (4) In der unterschiedlichen Behandlung der Ausgliederung zur Neugründung und der Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf Vorrats-GmbHs hinsichtlich der Einhaltung der Vorbehaltensfrist im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG liegt —anders, als die Klägerin meint— auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.

33 Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG ist zwar der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (, BStBl II 2015, 50, BVerfGE 138, 136, Rz 123; , BFHE 274, 246, Rz 24; Verfassungs-beschwerde eingelegt, Aktenzeichen des BVerfG: 1 BvR 2253/23). Dies setzt jedoch voraus, dass die der Anwendung des Steuergesetzes zugrundeliegenden Sachverhalte vergleichbar sind (vgl. , BFH/NV 2020, 500, Rz 29). Eine solche Vergleichbarkeit ist im Streitfall aber nicht gegeben. Im Fall der Ausgliederung zur Neugründung besteht die Gesellschaft vor der Ausgliederung nicht. Im Fall der Einbringung von Gesellschaftsanteilen in eine Vorrats-GmbH ist die GmbH bereits vor der Übertragung zivilrechtlich existent, kann am Rechtsverkehr teilnehmen und können ihre Anteile erworben werden (vgl. oben unter II.2.b dd (3)).

34 ee) Ein Verzicht auf die fünfjährige Vorbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG ergibt sich auch nicht aus den anderen durch die Klägerin vorgebrachten Gründen.

35 (1) Die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer Teilrechtsnachfolge entbehrlich. Die Klägerin weist auf ein in der Literatur angeführtes Beispiel hin, wonach die Nichteinhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist auch dann unschädlich sein soll, wenn die Gesellschaft im Jahr 01 einen Teil ihres Vermögens einschließlich Grundbesitz auf ihre dadurch neu entstehende 100%ige Tochtergesellschaft 1 ausgliedert und im Jahr 03 die Tochtergesellschaft 1 auf eine weitere Tochtergesellschaft 2 verschmolzen wird (vgl. Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 119). Dieser Sachverhalt ist mit dem Streitfall der Einbringung von Kommanditanteilen in eine Vorrats-GmbH nicht vergleichbar.

36 (2) Auch die Gesetzesmaterialien zu § 6a GrEStG führen zu keiner anderen Beurteilung des Streitfalles. Dass vom Gesetzgeber bei der Einführung der Vorschrift ungewollte Mitnahmeeffekte durch die Vorbehaltens- und Nachbehaltensfristen verhindert werden sollten (vgl. BTDrucks 17/147, S. 10; vgl. auch Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 103), führt nicht zu dem von der Klägerin begehrten Ergebnis, dass eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG vorliegt. Auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist kann nicht schon deshalb verzichtet werden, weil kein Missbrauch ersichtlich ist. Vielmehr muss die Nichteinhaltung der in § 6a Satz 4 GrEStG normierten Fristen ihren Anknüpfungspunkt in der Systematik der Vorschrift finden (, BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333, Rz 28). Ein solcher ist gegeben, wenn die Einhaltung der Vorbehaltensfrist wie bei der Ausgliederung zur Neugründung umwandlungsbedingt nicht möglich ist, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Ausgliederung entsteht (s. hierzu auch ). Im Streitfall hingegen waren die Vorrats-GmbHs schon vor der Einbringung zivilrechtlich existent und ihre Anteile wurden von den Kommanditisten erworben. Dass dies erst circa sieben Monate vor der Einbringung und nicht schon mindestens fünf Jahre davor geschah, lag nicht an den rechtlichen Vorgaben der Anteilseinbringung nach § 6a GrEStG.

37 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

38 4. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.250924.IIR46.22.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-85735