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BSG Urteil v. - B 12 R 6/22 R

Instanzenzug: Az: S 2 R 720/19 WA Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 4 R 341/20 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die mit Bescheid vom erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ihre bei der Beigeladenen zu 1. ausgeübte Beschäftigung im Zeitraum vom bis umfasst.

3Unter dem umrandeten Feld wird im Fließtext ausgeführt: "Die Befreiung gilt für die obengenannte und weitere berufsspezifische Beschäftigungen / Tätigkeiten, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben bzw. Beiträge in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären." Es folgt die Rechtsbehelfsbelehrung und im Anschluss die Aufforderung: "Bitte auch die Hinweise auf der Rückseite beachten!". Diese sind entsprechend abgedruckt.

4Die Klägerin beendete das Arbeitsverhältnis beim Verband k eV und nahm ab dem eine Beschäftigung als Syndikusanwältin in der Abteilung "SR Recht" bei der Beigeladenen zu 1. auf. Hierfür ist sie seit dem von der Versicherungspflicht in der GRV befreit (Bescheid vom ). Für die Beschäftigung wurden zunächst Beiträge zur Altersvorsorge bis zum an den Beigeladenen zu 2. entrichtet. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Beigeladenen zu 1. meldete diese die Klägerin ab Januar 2015 als versicherungspflichtig in der GRV an und zahlte seitdem Pflichtbeiträge an die Beklagte. Beiträge für davor liegende Zeiträume erhob die Beklagte nicht.

5Die Klägerin beantragte bei der Beklagten die Feststellung, dass die im Bescheid vom ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch ihre ab dem ausgeübte Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. erfasse. Die Beklagte lehnte das von ihr als Antrag "auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI" ausgelegte Begehren ab. Die Klägerin sei nicht als Rechtsanwältin bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt. Aus der vorangegangenen Befreiung vom könne keine Befreiung für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. hergeleitet werden. Diese habe sich ausschließlich auf die damalige Tätigkeit bezogen (Bescheid vom ). Das Angebot der Beklagten, ein Schreiben der Klägerin im Widerspruchsverfahren vom als fristgerechten Antrag auf rückwirkende Befreiung nach dem neu geschaffenen § 231 Abs 4b SGB VI zu werten und den Widerspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss eines (neuen) Befreiungsverfahrens nach der ab gültigen Rechtslage ruhend zu stellen, lehnte die Klägerin ab. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom ).

6Das SG hat die Klage abgewiesen. Streitgegenstand sei allein, ob die frühere Befreiung die Tätigkeit nach dem Arbeitgeberwechsel ab dem umfasse, nicht jedoch eine eigenständige Entscheidung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI (Urteil vom ). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin die nach Auffassung des LSG von der Klägerin nicht beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI abgelehnt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der frühere Bescheid vom erfasse die bei der Beigeladenen zu 1. ab ausgeübte Beschäftigung der Klägerin nicht. Der darin genannte Befreiungsantrag und der Befreiungsbeginn würden einen konkreten Bezug zu der zum aufgenommenen Beschäftigung herstellen. Mit dem Beschäftigungswechsel zum habe sich der frühere Befreiungsbescheid erledigt. Dass die Beklagte in ihrer Prüfmitteilung vom gegenüber dem Arbeitgeber die (erst) zum aufgenommene Beitragszahlung für die Klägerin nicht beanstandet habe, rechtfertige keinen Vertrauensschutz. Da die Klägerin ihren Beschäftigungswechsel zum nicht mitgeteilt habe, sei sie auch nicht schutzwürdig (Urteil vom ).

7Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 133, 157 BGB iVm §§ 31, 32, 39 Abs 2 SGB X sowie Art 2 und Art 20 GG. Der Verfügungssatz des früheren Bescheids beschränke sich nicht auf die im Antrag angegebene Beschäftigung. Die aktuelle Beschäftigung sei hiervon ebenfalls umfasst. Es habe der Verwaltungspraxis entsprochen, dass Befreiungsbescheide auch für Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern fortgälten, sofern diese Tätigkeiten berufsspezifisch und von den Pflichtmitgliedschaften in der Kammer einerseits und im Versorgungswerk andererseits begleitet seien. Die Nichtangabe des Beschäftigungswechsels im Jahr 2007 sei daher nicht pflichtwidrig gewesen.

10Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Gründe

11Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

121. Die Klägerin macht ihr Begehren in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage geltend (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 iVm § 56 SGG). Verbliebener Streitgegenstand ist die Frage, ob die zugunsten der Klägerin mit Bescheid vom ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV ihre Beschäftigung ab dem bis zum für die Beigeladene zu 1. umfasst. Darauf hat die Klägerin ihr Feststellungsbegehren zulässigerweise von Beginn an und hinsichtlich des Zeitraums im Berufungsverfahren prozessual zulässig begrenzt.

132. In der Sache hat das LSG zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist im noch angegriffenen Umfang rechtmäßig. Die mit Bescheid vom erteilte Befreiung betrifft nicht die von der Klägerin ab ausgeübte Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.

14Der Senat ist zur Auslegung des streitgegenständlichen Formularbescheids befugt. Hierbei hält er am bisherigen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Maßstab fest (dazu a). Nach Auslegung des Senats bezieht sich die mit Bescheid vom erteilte Befreiung auf die konkrete Beschäftigung als "Referentin/Rechtsabteilung beim Verband k eV, K" und nicht auf eine Tätigkeit als Rechtsanwältin allgemein (dazu b). Die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom bis zum ist von dieser Befreiung nicht umfasst, der Bescheid hat sich vielmehr iS von § 39 Abs 2 SGB X durch den Wechsel des Arbeitsverhältnisses erledigt (dazu c). Abweichendes ergibt sich auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs oder aus Vertrauensschutzgründen (dazu d). Dem steht Verfassungsrecht nicht entgegen (dazu e).

15a) Der Senat ist bei Formularbescheiden eines - wie hier - für das gesamte Bundesgebiet zuständigen Versicherungsträgers uneingeschränkt zu einer eigenen Auslegung befugt und hieran nicht durch § 163 SGG gehindert (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 20 mwN). Er ist dabei weder an das vom LSG vertretene Auslegungsergebnis noch an dessen Feststellungen zum Wortlaut des Bescheids gebunden, sondern kann eine eigene Bewertung vornehmen (vgl - BSGE 127, 147 = SozR 4-2600 § 6 Nr 18, RdNr 40). Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und unter Heranziehung des in § 133 BGB zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedankens so zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte ("objektiver Empfängerhorizont"). Dies ergibt sich auch aus der Regelung in § 157 BGB, die bei der Auslegung einseitiger Willenserklärungen ergänzend zu berücksichtigen ist (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 20 mwN).

16b) Der Formularbescheid über die "Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuches (SGB VI)" enthält aus Sicht eines verständigen Empfängers einen Verfügungssatz mit Regelungscharakter und damit einen Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X allein im Eingangssatz des Bescheids in Verbindung mit den ihm unmittelbar folgenden und ihn konkretisierenden (umrandeten) Ausführungen zum betroffenen Beschäftigungsverhältnis sowie zum Beginn der Befreiung (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 21). Verdeutlicht wird dies durch die Einleitung mit den Worten "auf Ihren Antrag". Nicht vom Verfügungssatz erfasst und als Hinweise zu qualifizieren sind auch Formulierungen, die zwar räumlich separat vor der Rechtsbehelfsbelehrung und vor dem mit "Hinweise" überschriebenem Teil aufgeführt sind, jedoch inhaltlich lediglich allgemeine Ausführungen zur Dauer und zur Geltung der Befreiung machen (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 19 RdNr 31). Dies entspricht den bisherigen für die Auslegung von formularmäßigen Befreiungsbescheiden entwickelten höchstrichterlichen Grundsätzen (vgl zuletzt - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 21 mwN). Hieran hält der Senat fest.

17Der frühere Bescheid vom umfasst damit nur die konkret beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht für die Beschäftigung der Klägerin als "Referentin/Rechtsabteilung beim Verband k eV, K". Dies war für die Klägerin als Adressatin objektiv auch erkennbar. Der Regelungsumfang kommt sowohl in der äußeren Gestaltung des Bescheids als auch in den darin enthaltenen Ausführungen zum Ausdruck.

18So wird im Bescheid nach dem Eingangssatz, der die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten ausspricht, - umrandet - der Inhalt der Verfügung konkretisiert. Hier finden sich auf den Einzelfall bezogene Angaben zu dem Beginn der Befreiung, der Art der (allgemeinen) berufsständischen Beschäftigung und dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, für das die Befreiung von der Versicherungspflicht ausgesprochen wird. Durch die Umrandung der Verlautbarungen werden diese von den nachfolgenden Erklärungen abgehoben und ihnen dadurch eine besondere Bedeutung beigemessen.

19Dass es sich beim zu befreienden Beschäftigungsverhältnis nicht allgemein und unspezifiziert um eine Tätigkeit als Rechtsanwältin handelt, ergibt sich vorliegend aus der separaten Feststellung zum "Beginn der Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und der Berufskammer" am . Zuvor vermerkt der Befreiungsbescheid ausdrücklich den "Beginn des Beschäftigungsverhältnisses" am und bestimmt danach auch den Beginn der Befreiung. Dies entspricht dem im Bescheid ausdrücklich in Bezug genommenen Antrag der Klägerin (vgl - BSGE 127, 147 = SozR 4-2600 § 6 Nr 18, RdNr 52 ff) mit ihren individuellen "Angaben zur ausgeübten Beschäftigung", zu deren Beginn am sowie zum konkreten Arbeitgeber. Die Befreiung erfolgte antragsgemäß und damit erkennbar bezogen auf die damalige Beschäftigung der Klägerin (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 22). Das entspricht dem gesetzlichen Auftrag der Beklagten, die Befreiungsvoraussetzungen für eine konkrete Beschäftigung und deren Ausgestaltung festzustellen (vgl § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI; vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 16 RdNr 32).

20c) Die spätere Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1. ist von der früheren Befreiung nicht umfasst. Der Befreiungsbescheid vom hat sich mit Beendigung der Beschäftigung beim Verband k eV auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X). Bei der Beschäftigung für die Beigeladene zu 1. ab handelt es sich weder um ein nur unwesentlich geändertes Beschäftigungsverhältnis (dazu aa), noch kann dieses im Wege der Auslegung in den Regelungsumfang des Bescheids vom einbezogen werden (dazu bb). Auch eine Zusicherung der Befreiung liegt nicht vor (dazu cc).

21aa) Die ab ausgeübte Beschäftigung als Syndikusanwältin bei der Beigeladenen zu 1. ist eine andere als für die im Bescheid vom eine Befreiung erteilt worden ist. Der Begriff der Beschäftigung knüpft an die Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines (konkreten) Weisungsgebers an (§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV). Mit dem Wechsel des Arbeitgebers wird ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet. Die Aufnahme der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. unter Beendigung der früheren Tätigkeit beendet damit auch die Regelungswirkung des früheren Befreiungsbescheids (§ 39 Abs 2 SGB X, vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 18 mwN). Den Feststellungen des LSG ist insoweit auch kein Ausnahmefall zu entnehmen (zB Betriebsübergang, vgl § 613a BGB, hierzu - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 26).

22bb) Der frühere Bescheid vom kann auch nicht so verstanden werden, dass er das neue Beschäftigungsverhältnis in die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV einbezieht. Die Passage "die Befreiung gilt für die obengenannte und weitere berufsspezifische Beschäftigungen / Tätigkeiten, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben bzw. Beiträge in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären" ist - nach den obigen Ausführungen - lediglich ein (allgemeiner) Hinweis ohne Regelungscharakter. Er ist weder Teil des Verfügungssatzes noch Ergänzung der Entscheidungsformel. Das war für die Klägerin auch erkennbar. Denn der verwendete Begriff der "weitere[n] berufsspezifischen Beschäftigungen / Tätigkeiten" ist im Gegensatz zum Verfügungssatz offensichtlich unbestimmt. Es handelt sich weder um eine konkret-individuelle Regelung iS von § 31 Satz 1 SGB X noch um eine Nebenbestimmung iS von § 32 SGB X (Befristung, Bedingung oder Auflage). Hierdurch wird lediglich darauf hingewiesen, dass weitere Beschäftigungen / Tätigkeiten vom Bescheid erfasst sein können, etwa bei unwesentlich geänderten (berufsspezifischen) Beschäftigungsverhältnissen (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 29). Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses über die Einbeziehung künftiger Beschäftigungen ohne weitere (vorherige) Prüfung der genannten Voraussetzungen ("berufsspezifisch", "solange hierfür") entschieden hat, zumal die (allgemeine) Rechtsanwaltstätigkeit nicht von der Befreiung erfasst ist.

23Dem Bescheid ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte ihre eigene Entscheidungskompetenz beschränken wollte. Eine neuerliche Prüfkompetenz der Beklagten beim Wechsel der Beschäftigung musste nicht in dem Befreiungsbescheid geregelt werden. Sie folgt vielmehr bereits aus dem gesetzlichen Auftrag (vgl § 6 Abs 3 SGB VI). Dass von diesem nicht abgewichen werden sollte, bestätigt auch der weitere Hinweis im Bescheid, dass die Befreiung tätigkeitsbezogen erfolgt.

24Die seit bei der Prüfung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Abs 3 SGB VI bestehende Bindung der Beklagten an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer nach § 46a Abs 2 Satz 1 BRAO (eingeführt durch Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom , BGBl I 2517) rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis. Die Regelung war bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids noch nicht in Kraft. Dass dem Hinweis auf weitere berufsspezifische Beschäftigungen kein Regelungsgehalt im Einzelfall zukommt, entspricht auch dem bereits damals bereits gültigen § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI (zur umfassenden Neugestaltung der Befreiung von der Versicherungspflicht durch das RRG 1992 <BGBl 1989 I 2261> mit konkretem Beschäftigungs- bzw Tätigkeitsbezug mit begrenzter Reichweite der Befreiung vgl - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 23 mwN).

25cc) Aus den Hinweisen im streitgegenständlichen Bescheid kann auch keine Zusicherung abgeleitet werden (§ 34 SGB X). Eine Zusicherung gemäß § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X hat die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts und die Aufgabe, dem Adressaten als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Verwaltungsakts Gewissheit zu verschaffen (vgl - BSGE 110, 1 = SozR 4-2600 § 43 Nr 17, RdNr 31). Den allgemeinen Hinweisen ist jedoch gerade keine Regelung im Sinne einer Verpflichtung zur Behandlung eines in der Zukunft liegenden, konkreten Sachverhalts zu entnehmen.

26d) Eine Einbeziehung der späteren Beschäftigung in den Befreiungsbescheid vom kann auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet werden (dazu aa) noch lässt sich ein Vertrauensschutz herleiten aus dem Bescheid selbst - iVm der Verwaltungspraxis - (dazu bb), dem Schreiben der Beklagten vom oder dem Verzicht auf Beitrags(nach-)forderungen bis zum (dazu cc).

27aa) Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten geworden ist. Außerdem ist erforderlich, dass durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (stRspr; vgl - SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 29 mwN). Daran scheitert es hier. Die ab aufgenommene Beschäftigung der Klägerin als Syndikusanwältin bei der beigeladenen (nichtanwaltlichen) Arbeitgeberin war keine rechtsanwaltliche Tätigkeit im Sinne der BRAO (vgl zur Doppelberufstheorie - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 48). Für sie konnte daher keine Befreiung gewährt werden. Erst mit der Zulassung als Syndikusrechtsanwältin ergab sich eine gesetzeskonforme Befreiungsmöglichkeit. Dem hat die Beklagte durch die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem durch Bescheid vom Rechnung getragen.

28bb) Für ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin fehlt es an einem von der Beklagten gesetzten Vertrauenstatbestand. Nach gefestigter Rechtsprechung verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn ein Rentenversicherungsträger für eine Beschäftigung die Versicherungspflicht feststellt, nachdem er zuvor in einer Antwort auf die Frage des Betroffenen nach der Reichweite einer früheren Beschäftigung den Eindruck erzeugt hatte, auch für eine neu eingegangene Beschäftigung trete wegen der schon erteilten früheren Befreiung keine Versicherungspflicht ein (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 34 mwN). Ein solche Konstellation bestand hier jedoch nicht.

29Ein Vertrauensschutz kann nicht aus dem Inhalt des Bescheids abgeleitet werden. Die darin enthaltenen allgemeinen Hinweise der Beklagten können nicht so verstanden werden, dass sämtliche weiteren Beschäftigungen von der Befreiung umfasst wären (vgl oben zu c bb).

30Darüber hinaus ist die Klägerin nicht in Kontakt zur Beklagten getreten. Sie ist insoweit auf die Antragsobliegenheit (vgl § 6 Abs 2 SGB VI) zu verweisen. Es gab für sie keinen hinreichenden Grund für die Annahme, neuerliche Anträge bei Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses seien nicht nötig. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin infolge des Tätigkeitswechsels zum weder einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt noch den Wechsel der Beklagten angezeigt. Die Beklagte hatte daher weder eine konkrete Veranlassung noch überhaupt die Möglichkeit, der Klägerin aus Anlass des Beschäftigungswechsels über die Ausführungen im Befreiungsbescheid hinaus konkrete ggf vertrauensschützende rechtliche Hinweise über die Ausgestaltung der Versicherungspflicht zu geben. Das bloße Nichtstun der Klägerin erfüllt die Anforderungen an den Vertrauensschutz vorliegend nicht.

31Auch eine anschließende Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung begründet kein entsprechendes Vertrauen dahingehend, dass eine nachfolgende, andere Beschäftigung von einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV umfasst ist (vgl - SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 37).

32Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund einer von der Klägerin behaupteten Verwaltungspraxis der Beklagten im Sinne einer generellen Fortwirkung der Befreiung. Für das Vorliegen einer derartigen Verwaltungspraxis bestehen keine Anhaltspunkte. Der von der Klägerin zitierte Ausschnitt aus den von der DRV Bund veröffentlichten Informationen zur Verwaltungspraxis (NZA 2014, 136, 137) spricht von einer verwaltungsvereinfachenden generellen Fortgeltung von Befreiungsbescheiden nur in Bezug auf klassische berufsspezifische Tätigkeiten, also bei anwaltlichen Arbeitgebern. Auch dem Bescheid ist kein Hinweis auf eine Verwaltungspraxis der Beklagten im Sinne einer generellen Befreiung zu entnehmen.

33cc) Ein schutzwürdiges Vertrauen ergibt sich ebenso wenig aus der Prüfmitteilung der Beklagten vom an die Beigeladene zu 1. Darin wird darauf hingewiesen, dass Syndikusanwälte ohne aktuellen Befreiungsbescheid spätestens zum anzumelden und ggf für diese (erst) ab Januar 2015 Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen seien. Mangels Regelungscharakters liegt kein Verwaltungsakt vor, der Anknüpfungspunkt für einen Bestands- und Vertrauensschutz hinsichtlich der Statusfrage der Klägerin sein könnte (vgl - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 32, 36).

34e) Verfassungsrecht steht dem Ergebnis nicht entgegen. Die oben dargestellte Gesetzeslage steht im Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG). Darin ist formuliert, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt ist (§ 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI). Die Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses erfordert daher - von unwesentlichen Änderungen abgesehen - regelmäßig einen neuen Befreiungsantrag (vgl § 6 Abs 2 SGB VI). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung zum durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom (BGBl I 2517) dem Vertrauensschutz der Betroffenen Rechnung getragen (vgl hierzu BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 2584/14 - juris RdNr 12).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:190924UB12R622R0

Fundstelle(n):
YAAAJ-85600