Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 KLs 23/23 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Einziehung von Betäubungsmitteln und Cannabisprodukten sowie des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten in Höhe von 8.460 €, davon in Höhe von 8.000 € als Gesamtschuldner mit dem ebenfalls wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilten Mitangeklagten M. , angeordnet. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten, wirksam auf den Fall II. 93 der Urteilsgründe, die Gesamtstrafe sowie den Ausspruch über die Einziehung der diese Tat betreffenden Betäubungsmittel und Cannabisprodukte beschränkten Revision unter anderem die Beweiswürdigung der Strafkammer. Ihr vom Generalbundesanwalt vertretenes Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge im vollen Umfang Erfolg; auf die Verfahrensrüge kommt es daher nicht an. Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet.
I.
21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3Der Angeklagte fasste mit dem Mitangeklagten M. den Entschluss, im bewussten und gewollten Zusammenwirken, teilweise aufgrund eines gemeinsamen Tatplans, Marihuana, Haschisch, Kokain und MDMA gewinnbringend zu veräußern, um sich hierdurch eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Um das Cannabis und die Betäubungsmittel, die durchweg von durchschnittlicher Qualität waren, möglichst konspirativ an die Konsumenten zu verkaufen, nutzte der Angeklagte zwei von ihm betriebene Lokale. Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:
4a) Der Angeklagte, der Mitangeklagte M. sowie ein gesondert Verfolgter erwarben im Mai oder Juni 2022 ein Kilogramm Marihuana. Dieses veräußerten der Angeklagte und der Mitangeklagte anschließend gewinnbringend zum Verkaufspreis von acht Euro pro Gramm an verschiedene Abnehmer. Hierdurch nahmen die beiden insgesamt 8.000 € ein (Tat II. 70 der Urteilsgründe).
5b) Im Zeitraum von Juli bis November 2022 verkaufte der Angeklagte an einen gesondert Verfolgten in sechs Fällen an sechs verschiedenen Tagen jeweils 3,5 Gramm Marihuana zum Preis von jeweils 40 €. Insgesamt erzielte er einen Erlös von 240 € (Taten II. 72 bis 77 der Urteilsgründe). Soweit ihm fünf weitere Fälle der Veräußerung von Marihuana zur Last gelegt worden sind, hat die Strafkammer ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
6c) Am verkaufte der Angeklagte über einen Mittelsmann an zwei Personen jeweils 0,5 Gramm Kokain, wodurch er insgesamt 80 € vereinnahmte (Taten II. 89 und 90 der Urteilsgründe).
7d) Am veräußerte der Angeklagte an einen Abnehmer 2,5 Gramm Kokain zum Preis von 140 € (Tat II. 92der Urteilsgründe).
8e) Zu einem unbekannten Zeitpunkt verschaffte sich der Angeklagte zum gewinnbringenden Verkauf 85 MDMA-Tabletten und 510 Gramm Haschisch sowie zum Eigenkonsum bestimmte 11,3 Gramm Marihuana (1 Joint, 4,55 Gramm Marihuana in weißer Umverpackung und 2,95 Gramm Marihuana in Tempotaschentuchverpackung). Die Betäubungsmittel und Cannabisprodukte wurden im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung der Wohnung der Lebensgefährtin des Angeklagten am sichergestellt. Hingegen hat die Strafkammer nicht festgestellt, dass er zu diesem Zeitpunkt über einen weiteren Handelsbestand von 500 Gramm Kokain verfügte (Tat II. 93der Urteilsgründe).
9f) Ebenfalls am fand die Polizei im Keller eines vom Angeklagten betriebenen Lokals 502,7 Gramm Marihuana, welches zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war, und 60 vorrätig gehaltene Tabletten Tilidin zum Eigenkonsum des Angeklagten (Tat II. 94 der Urteilsgründe).
102. Das Landgericht hat die Taten II. 70, 93 und 94 der Urteilsgründe als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in drei Fällen, davon in einem Fall (Tat 93) in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG und die Taten II. 72 bis 77, 89, 90 sowie 92 der Urteilsgründe als gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG in neun Fällen gewertet.
II.
11Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Sie hat die Aufhebung der Schuld- und Strafaussprüche im Fall II. 93 der Urteilsgründe, der Gesamtstrafe sowie des Ausspruchs über die Einziehung der diese Tat betreffenden Betäubungsmittel und Cannabisprodukte mit den jeweils zugehörigen Feststellungen zur Folge.
121. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 93 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln unterliegt zu Lasten des Angeklagten der Aufhebung, weil die zugehörige Beweiswürdigung sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Denn zum einen fehlt es an einer geschlossenen Darstellung der Einlassung des Angeklagten, und zum anderen hat sich das Landgericht nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, ob er über die sichergestellten Betäubungsmittel hinaus mit weiteren Betäubungsmitteln Handel trieb. Im Einzelnen:
13a) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Einlassung des Angeklagten zum Fall II. 93 der Urteilsgründe und deren Würdigung unter Berücksichtigung aller Umstände fehlt.
14aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt nur, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder gesicherten Erfahrungssatz verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa , NJW 2023, 89 Rn. 17 f. mwN).
15Im Rahmen der erforderlichen Beweiswürdigung muss das Tatgericht regelmäßig von der Einlassung des Angeklagten ausgehen und diese so vollständig und genau wiedergeben, wie es erforderlich ist, damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise zu Recht die Einlassung seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7). Es bedarf somit grundsätzlich einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, um diese einer umfassenden Würdigung unterziehen zu können (, NJW 2023, 89 Rn. 24; vom - 4 StR 150/10, juris Rn. 23; zu Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren vgl. , NStZ 2012, 227, 228).
16bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
17Zwar kann den Urteilsgründen noch hinreichend entnommen werden, dass dem Angeklagten mit der Anklageschrift zur Last gelegt worden ist, er habe über die von der Polizei sichergestellten MDMA-Tabletten, Haschisch und Marihuana hinaus mit 500 Gramm Kokain Handel getrieben. Jedoch verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, ob und gegebenenfalls wie sich der Angeklagte zum Vorwurf des Handeltreibens auch mit Kokain eingelassen hat. Das Landgericht hat lediglich anfangs der Beweiswürdigung mitgeteilt, er habe sich überwiegend geständig eingelassen. Im Rahmen der Fall II. 93 der Urteilsgründe betreffenden Beweiswürdigung hat es ergänzend lediglich ausgeführt, er habe den regelmäßigen Konsum von kristallinem MDMA bestätigt. Auf dieser Grundlage kann nicht überprüft werden, ob das Tatgericht den weitergehenden Vorwurf des Kokainhandels zu Recht für nicht nachweisbar erachtet hat.
18b) Zudem ist die Beweiswürdigung lückenhaft, weil sich das Landgericht nicht im erforderlichen Umfang damit auseinandergesetzt hat, ob der Angeklagte über die sichergestellten MDMA-Tabletten und Cannabisprodukte hinaus mit weiteren Betäubungsmitteln Handel trieb.
19aa) Bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz müssen zwar grundsätzlich die Betäubungsmittel in den Urteilsgründen sowohl der Art als auch der Menge nach eindeutig bestimmt sein. Steht aber fest, dass sich die Tat auf einen Stoff bezieht, der dem Betäubungsmittelgesetz unterfällt, und bleibt lediglich offen, um welchen Stoff es sich konkret handelt, steht dies einem Schuldspruch wegen des in Betracht kommenden Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht entgegen, ohne dass es einer Wahlfeststellung bedarf. In der Strafzumessung muss allerdings im Zweifelsfall auf das Betäubungsmittel mit der geringeren Gefährlichkeit abgestellt werden; zur Menge und zum Wirkstoffgehalt sind - wenn wie hier Betäubungsmittel nicht sichergestellt werden konnten - gegebenenfalls im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu treffen (, NStZ 2021, 554 Rn. 10 mwN; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 6; MüKoStPO/Wenske, 2. Aufl., § 267 Rn. 167a; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 548, unter Aufgabe der Gegenauffassung in der Vorauflage; MüKoStPO/Bartel, 2. Aufl., § 261 Rn. 395).
20bb) Auch diesen Vorgaben genügt die Beweiswürdigung der Strafkammer nicht. Sie hat dargelegt, dass es sich bei weiteren von der Lebensgefährtin für den Angeklagten vorrätig gehaltenen Produkten „vermutlich um verbotene Sachen i.S.d. BtMG gehandelt haben dürfte“. Der von dieser nach der Wohnungsdurchsuchung in einem Telefonat mit einem Dritten verwendete Begriff „Steine“ werde in der Szene eher für „Crack“ und nicht für Kokain verwendet. Möglicherweise habe es sich auch um „kristallines MDMA“ gehandelt, dessen regelmäßigen Konsum der Angeklagte eingeräumt habe. Eine hinreichend sicher bestimmte Menge einer hinreichend sicher konkreten Art von Droge gesicherter Qualität sei nicht feststellbar. Damit hat sich das Landgericht den Blick darauf verstellt, dass auch bei Unklarheiten über die Art des Betäubungsmittels ein Schuldspruch wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz möglich ist, sofern feststeht, dass es dem vorgenannten Gesetz unterfällt.
21c) Infolge der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung ist der Tat- und damit Schuldumfang ungeklärt, weshalb der Schuldspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen der Aufhebung unterliegt (vgl. , juris Rn. 3; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354 Rn. 17 mwN).
222. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 93 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der betreffenden Einzelstrafe und entzieht sowohl der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als auch dem Ausspruch über die Einziehung der diese Tat betreffenden Betäubungsmittel und Cannabisprodukte die Grundlage.
III.
23Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils führt zur Schuldspruchänderung in den Fällen II. 70, 72 bis 77, 89, 90 und 94 der Urteilsgründe, zur Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen in den vorgenannten Fällen sowie in Fall II. 92 der Urteilsgründe, der Schuld- und Strafaussprüche sowie des Einziehungsausspruchs betreffend Fall II. 93 der Urteilsgründe, der verhängten Gesamtstrafe und des Ausspruchs über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Fall II. 70 der Urteilsgründe; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet. Im Einzelnen:
241. a) Die Schuldsprüche betreffend die Taten II. 70, 72 bis 77 und 94 der Urteilsgründe sind auf die Sachrüge dahin zu ändern, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis in acht Fällen gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG schuldig ist. Der nach Urteilsverkündung durch das Konsumcannabisgesetz vom geschaffene Straftatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG ist, selbst unter Berücksichtigung des Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 und 4 KCanG, sowohl gegenüber § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG als auch gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO in Bezug auf das Cannabis maßgeblich (vgl. etwa , NStZ-RR 2024, 282, 283).
25b) Danach sind die Strafaussprüche in den Fällen II. 70, 72 bis 77 und 94 der Urteilsgründe aufzuheben; denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht die Strafen niedriger bemessen hätte, wenn es die Taten nach dem Konsumcannabisgesetz abgeurteilt hätte. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind davon nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO).
262. a) Der Schuldspruch betreffend die Taten II. 89 und 90 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei tatmehrheitlichen Fällen hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil sich die Strafkammer nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die beiden Abverkäufe am Teil einer Bewertungseinheit waren.
27Die Annahme einer Bewertungseinheit setzt konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren. Die bloße Möglichkeit, dass dies der Fall war, genügt nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Zuordnung bestimmter Einzelverkäufe zu einer bestimmten erworbenen Gesamtmenge fehlen. Eine lediglich willkürliche Zusammenfassung ohne ausreichende Tatsachengrundlage kommt nicht in Betracht, auch der Zweifelssatz gebietet in solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 467/15, juris Rn. 5; vom - 5 StR 12/12, NStZ 2012, 517 mwN; vom - 3 StR 491/01, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 21). Bestehen jedoch konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass die in Einzelgeschäften veräußerten Betäubungsmittel aus einem einheitlich erworbenen Vorrat stammten, muss sich das Tatgericht um Feststellungen zu Zahl und Frequenz der Einkäufe sowie die Zuordnung der einzelnen Verkäufe zu ihnen bemühen. Gegebenenfalls ist eine an den Umständen des Falles orientierte Schätzung anhand des Zweifelssatzes vorzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 467/15, juris Rn. 5; vom - 3 StR 491/01, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 21).
28Derartige konkrete Anhaltspunkte im vorstehenden Sinne ergeben sich aus den vom Landgericht festgestellten Tatumständen: Der Angeklagte beabsichtigte, sich durch die gewinnbringende Veräußerung von Betäubungsmitteln eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Bereits dies legt nahe, dass er auf die Erzielung einer ausreichenden Handelsspanne durch Großeinkäufe angewiesen war. Dass der Angeklagte MDMA, Haschisch und Marihuana in größeren Mengen erwarb, wird durch die Feststellungen zu entsprechenden Vorräten in den Fällen II. 93 und 94 der Urteilsgründe gestützt. In den Fällen II. 89 und 90 der Urteilsgründe verkaufte er die jeweils kleinere Menge von 0,5 Gramm Kokain über einen Mittelsmann am selben Tag und am selben Ort, was ebenfalls darauf hindeutet, dass sie aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammten.
29Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen zu einem oder zwei Verkäufen am getroffen werden können. Danach ist in Anwendung des Zweifelsatzes in den Fällen II. 89 und 90 der Urteilsgründe anzunehmen, dass diese Verkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge Kokain bestritten wurden und sie damit Teil einer tatbestandlichen Bewertungseinheit waren. Der Angeklagte ist hierdurch nicht beschwert, insbesondere wird durch die Zusammenfassung der beiden Einzelgeschäfte zu einer Tat der Grenzwert zur nicht geringen Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) aufgrund einer Addition der Wirkstoffe der einzelnen Handelsmengen nicht überschritten. Dies bedingt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO eine Änderung des Schuldspruchs (vgl. , juris Rn. 7 mwN). Dem steht § 265 StPO nicht entgegen; der Angeklagte hätte sich gegen den zutreffenden Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
30b) Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten für die Fälle II. 89 und 90 der Urteilsgründe. Das neue Tatgericht wird insoweit unter Beachtung des Verschlechterungsverbots eine neue Einzelstrafe festzusetzen haben.
313. a) Der Schuldspruch im Fall II. 92 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist ohne Beanstandungen.
32b) Der diesbezügliche Strafausspruch erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat nicht in den Blick genommen, dass die indizielle Wirkung des bejahten Regelbeispiels nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG durch andere Strafzumessungsfaktoren kompensiert werden kann mit der Folge, dass auf den normalen Strafrahmen zurückzugreifen ist. Eine nähere Erörterung, ob die jeweilige Regelwirkung entfällt, hätte sich hier insbesondere vor dem Hintergrund der geringen Betäubungsmittelmenge und des Geständnisses des Angeklagten aufgedrängt.
334. Die Schuld- und Strafaussprüche im Fall II. 93 der Urteilsgründe haben auch zu Gunsten des Angeklagten keinen Bestand. Zwar beschwert den Angeklagten die rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung hinsichtlich möglicher weiterer tatgegenständlicher Betäubungsmittel nicht. Jedoch ist der Schuldspruch aufgrund des nach Urteilsverkündung mit Wirkung vom in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes vom (BGBl. I Nr. 109), welches gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO im Revisionsverfahren zu berücksichtigen ist, aufzuheben. Davon bleiben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unberührt (§ 353 Abs. 2 StPO). Diese lassen jedoch eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht zu und sind ergänzungsbedürftig. Hierzu im Einzelnen:
34a) Soweit der Angeklagte im Fall II. 93 der Urteilsgründe hinsichtlich der zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten 510 Gramm Haschisch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, ist das Tatgeschehen nunmehr als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG zu werten.
35b) Hinsichtlich der dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden 85 MDMA-Tabletten ist indes eine abschließende Beurteilung allein aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht möglich. Denn den Urteilsgründen ist nur zu entnehmen, dass die Drogen eine durchschnittliche Wirkstoffqualität aufwiesen. Dies belegt indes nicht die für eine Verurteilung nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erforderliche Überschreitung der nicht geringen Menge von 30 Gramm MDMA-Base (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 255/05, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 15; vom - 3 StR 21/01, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 8; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29a Rn. 63).
365. Die Einziehungsanordnungen halten nur teilweise der rechtlichen Überprüfung stand.
37a) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist rechtsfehlerhaft, soweit sie einen Betrag von 460 € übersteigt.
38aa) Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer die Einziehung des Wertes von Taterträgen betreffend die Taten II. 72 bis 77, 89, 90 sowie 92 der Urteilsgründe in Höhe von 460 € gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB angeordnet.
39bb) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.000 € betreffend Tat II. 70 der Urteilsgründe wird hingegen von den Feststellungen nicht getragen. Ihnen ist nur zu entnehmen, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte M. durch den Vertrieb des Marihuanas 8.000 € einnahmen. Hingegen belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte den gesamten Kaufpreis zumindest zeitweilig erhielt und damit durch oder für die Tat gemäß § 73 Abs. 1 StGB erlangte (vgl. , juris Rn. 7; Urteil vom - 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22; s. auch , NJW 2024, 142 Rn. 28 ff.).
40cc) Die danach erforderliche Minderung des Einziehungsbetrages ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken, soweit gegen diesen in Höhe von 8.000 € wie gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen als Gesamtschuldner angeordnet worden ist; denn insofern liegt der Entscheidung derselbe materiellrechtliche Fehler zugrunde.
41b) Der Einziehung der Tat II. 93 der Urteilsgründe betreffenden 85 MDMA-Tabletten, 517,4 Gramm Haschisch und 11,3 Gramm Marihuana (1 Joint, 4,55 Gramm Marihuana in weißer Umverpackung und 2,95 Gramm Marihuana in Tempotaschentuchverpackung) ist infolge des Wegfalls des Schuldspruchs die Grundlage entzogen.
426. Im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Auch begegnet die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB keinen rechtlichen Bedenken.
437. Die Rechtsfehler betreffen die Feststellungen nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Im Übrigen sind diese nicht berührt und können bestehen bleiben (s. § 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich und zum Teil geboten.
Schäfer Anstötz Erbguth
Kreicker Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:090125U3STR239.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-85489