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BGH Beschluss v. - EnVZ 27/23

Instanzenzug: Az: VI-3 Kart 716/18 (V)

Gründe

1 I.    Mit Beschluss vom hat die Bundesnetzagentur den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor (nachfolgend: Produktivitätsfaktor) für Betreiber von Gasversorgungsnetzen gemäß § 9 Abs. 3 ARegV für die dritte Regulierungsperiode auf 0,49 % festgelegt. Die Betroffene, die ein Gasversorgungsnetz betreibt, hat - wie auch zahlreiche weitere Netzbetreiber - die Festlegung mit der Beschwerde angegriffen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

2 II.    Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, weil ihre Begründung den Anforderungen von § 87 Abs. 4 Satz 1, § 78 Abs. 4 Nr. 1 EnWG (nunmehr § 78 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EnWG) nicht genügt.

3 1.    Für die Nichtzulassungsbeschwerde im energiewirtschaftlichen Verwaltungsverfahren gelten dieselben Maßstäbe wie im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren und im Zivilprozess. Die gerichtliche Prüfung ist daher auf die geltend gemachten Zulassungsgründe beschränkt, und diese müssen in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde konkret dargelegt werden (, RdE 2023, 282 Rn. 6 mwN).

4 2.    Die Nichtzulassungsbeschwerde stützt sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG. Sie macht geltend, bei der Frage nach der richtigen Auswahl des Stützintervalls unter Berücksichtigung des Basisjahreffekts handele es sich um eine Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung. Das Beschwerdegericht habe die gebotene Gesamtbewertung der Vor- und Nachteile der beiden Stützintervalle nicht vorgenommen. Der Bundesgerichtshof habe noch nicht zu den Anforderungen einer solchen Prüfung entschieden, so dass eine höchstrichterliche Klärung geboten erscheine. Damit legt sie eine Grundsatzbedeutung indes nicht dar.

5 a)    Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen (BGH, Beschlüsse vom - EnVZ 43/21, RdE 2022, 291 Rn. 7; BGH, RdE 2023, 282, juris Rn. 8 mwN). Um dies ordnungsgemäß darzutun, ist es grundsätzlich erforderlich, die durch die angefochtene Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret zu benennen sowie ihre Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen im Einzelnen aufzuzeigen beziehungsweise die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit und das sich daraus ergebende Bedürfnis für ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs darzustellen. In Bezug auf die aufgeworfene Rechtsfrage sind insbesondere auch Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite diese umstritten ist (, BGHZ 159, 135, 137 f. [juris Rn. 7]; Johanns/Roesen in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 87 Rn. 8 f. mwN).

6 b)    Gemessen hieran ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Die Nichtzulassungsbeschwerde formuliert keine abstrakte Rechtsfrage. Sie möchte vielmehr die Anwendung des Prüfungsmaßstabs ( BGHZ 228, 286 Rn. 28 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor I) auf den Einzelfall geklärt wissen. Demgemäß zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde auch die Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen nicht auf. Im Übrigen wäre die Nichtzulassungsbeschwerde auch unbegründet. Es liegt kein Grund vor, nach dem die Rechtsbeschwerde gemäß § 86 Abs. 2 EnWG zuzulassen wäre (vgl. BGHZ 228, 286 Rn. 75 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor I; BGH, Beschlüsse vom - EnVR 10/20, RdE 2022, 477 Rn. 27 mwN; vom - EnVR 16/20, RdE 2023, 324 Rn. 8).

7 III.    Für die von der Betroffenen beantragte Aussetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die von anderen Netzbetreibern eingelegten Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Senats in den Parallelverfahren besteht kein Anlass. Die Bundesnetzagentur ist der Aussetzung entgegengetreten. Die dafür gemäß § 94 VwGO, § 148 Abs. 1 ZPO erforderlichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Vorgreiflichkeit ist nicht gegeben. Die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder einer gerichtlichen Entscheidung bildet bereits kein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschriften, sondern ist eine Rechtsfrage (, juris Rn. 14 mwN; , juris Rn. 1 f.). Allein die Tatsache, dass in einem anderen Verfahren über einen gleichgelagerten Fall entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen auch keine Aussetzung analog § 148 Abs. 1 ZPO (BGH, aaO, Rn. 16 bis 18). Selbst wenn eine entsprechende Anwendung der Vorschriften in Betracht käme, wäre die Aussetzung zudem angesichts der ungewissen Dauer der Verfahren über die Verfassungsbeschwerden im Hinblick auf die damit verbundene Verfahrensverzögerung schon deshalb nicht zweckmäßig, weil die Nichtzulassungsbeschwerde klar unzulässig ist. Der Senat würde daher von einer - hier nur unterstellten - Aussetzungsmöglichkeit im Rahmen seines Ermessens keinen Gebrauch machen (vgl. auch , juris Rn. 8).

8 IV.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG; die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

Kirchhoff                         Roloff                             Picker

                   Holzinger                  Kochendörfer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140125BENVZ27.23.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-85396