Instanzenzug: Az: VI-3 Kart 778/18 (V)
Gründe
1 I. Mit Beschluss vom hat die Bundesnetzagentur den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor (nachfolgend: Produktivitätsfaktor) für Betreiber von Gasversorgungsnetzen gemäß § 9 Abs. 3 ARegV für die dritte Regulierungsperiode auf 0,49 % festgelegt (nachfolgend: Festlegung Gas). Die Betroffene, die ein Gasversorgungsnetz betreibt, hat - wie auch zahlreiche weitere Netzbetreiber - die Festlegung mit der Beschwerde angegriffen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
2 II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, weil ihre Begründung den Anforderungen von § 87 Abs. 4 Satz 1, § 78 Abs. 4 Nr. 1 EnWG (nunmehr § 78 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EnWG) nicht genügt.
3 1. Für die Nichtzulassungsbeschwerde im energiewirtschaftlichen Verwaltungsverfahren gelten dieselben Maßstäbe wie im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren und im Zivilprozess. Die gerichtliche Prüfung ist daher auf die geltend gemachten Zulassungsgründe beschränkt, und diese müssen in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde konkret dargelegt werden (, RdE 2023, 282 Rn. 6 mwN).
4 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde stützt sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG und macht geltend, dass verschiedene von ihr aufgeworfene Fragen im Zusammenhang mit der Robustheit des Stützintervalls und des zur Einstandspreisermittlung verwendeten jährlich aktualisierten Fremdkapitalzinssatzes bei der Ermittlung des Produktivitätsfaktors nach der Törnqvist-Methode von grundsätzlicher Bedeutung seien. Damit legt sie eine Grundsatzbedeutung indes nicht dar.
5 a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen (BGH, Beschlüsse vom - EnVZ 43/21, RdE 2022, 291 Rn. 7; BGH, RdE 2023, 282, juris Rn. 8 mwN). Um dies ordnungsgemäß darzutun, ist es grundsätzlich erforderlich, die durch die angefochtene Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret zu benennen sowie ihre Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen im Einzelnen aufzuzeigen beziehungsweise die Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit und das sich daraus ergebende Bedürfnis für ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs darzustellen. In Bezug auf die aufgeworfene Rechtsfrage sind insbesondere auch Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite diese umstritten ist (, BGHZ 159, 135, 137 f. [juris Rn. 7]; Johanns/Roesen in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 87 Rn. 8 f. mwN).
6 b) Gemessen hieran ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.
7 aa) Die Nichtzulassungsbeschwerde meint, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, "ob es sich bei der Frage, ob bei der streitgegenständlichen Schwankungsbreite des GSP-Wertes [Produktivitätsfaktors] innerhalb des herangezogenen Stützintervalls dieses als Ermittlungsgrundlage zur Bestimmung des [Produktivitätsfaktors] nach dem Stand der Wissenschaft ausscheidet, um eine durch das OLG Düsseldorf […] zu ermittelnde Tatsache bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit des [Produktivitätsfaktors] gemäß § 9 ARegV handelt"; "ob bei der streitgegenständlichen Schwankungsbreite des GSP-Wertes [Produktivitätsfaktors] innerhalb des herangezogenen Stützintervalls nach dem Stand der Wissenschaft davon auszugehen war, dass dieses zur Ermittlung des [Produktivitätsfaktors] gemäß § 9 ARegV ungeeignet war"; sowie "ob das OLG Düsseldorf insoweit bei seiner Beurteilung der Methodenentscheidung der [Bundesnetzagentur] einen mit verfassungsrechtlichen Vorgaben […] unvereinbaren Prüfungsmaßstab zu Grunde gelegt hat". Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht aufgezeigt. Die ersten beiden Fragen betreffen keine abstrakt klärungsbedürftigen Rechtsfragen, sondern lediglich die Anwendung des Rechts auf den Einzelfall. Mit der dritten Frage wird ebenfalls keine solche Rechtsfrage aufgezeigt, weil der Prüfungsmaßstab des Oberlandesgerichts nicht benannt ist. Zudem fehlen konkrete Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit, die lediglich pauschal behauptet werden. Eine Klärungsbedürftigkeit wird jedenfalls nicht dadurch begründet, dass das Oberlandesgericht in den Parallelverfahren der Ansicht des Bundesgerichtshofs gefolgt ist. In der Sache setzt sich die Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof über den auch hier erhobenen Einwand gegen die Festlegung Gas bereits entschieden hat (, BGHZ 228, 286 Rn. 27 f., 77 bis 91 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor I), nicht auseinander.
8 bb) Die Nichtzulassungsbeschwerde meint ferner, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, "ob es eine durch das OLG Düsseldorf […] zu ermittelnde Tatsachenfrage bei Überprüfung der Rechtmäßigkeit des [Produktivitätsfaktors] gemäß § 9 ARegV darstellt, ob ein rollierender Mittelwert gegenüber dem Ansatz eines jährlich durchschnittlichen Fremdkapitalzinssatzes bei der Ermittlung der Einstandspreisentwicklung für den [Produktivitätsfaktor] wissenschaftlich vorzugswürdig ist"; "ob die Annahme des OLG Düsseldorf, dass der jährlich aktualisierte Fremdkapitalzinssatz, wie ihn die [Bundesnetzagentur] angesetzt hat, zur Ermittlung der Entwicklung der Finanzierungskosten der betroffenen Netzbetreiber innerhalb des Stützintervalls besser geeignet ist, obwohl ein rollierender Mittelwert die Finanzierungssituation der betroffenen Unternehmen gleichwohl unstreitig realitätsgerechter abbildet, dem Stand der Wissenschaft im Sinne des § 9 ARegV entspricht bzw. gegen allgemeine Denkgesetze verstößt", sowie "ob das OLG Düsseldorf insoweit bei seiner Beurteilung der Methodenentscheidung der [Bundesnetzagentur] einen mit verfassungsrechtlichen Vorgaben […] unvereinbaren Prüfungsmaßstab zu Grunde gelegt hat". Auch damit ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht aufgezeigt. Die ersten beiden Fragen betreffen keine abstrakt klärungsbedürftigen Rechtsfragen, sondern lediglich die Anwendung des Rechts auf den Einzelfall. Mit der dritten Frage wird ebenfalls keine solche Rechtsfrage aufgezeigt, weil der Prüfungsmaßstab des Oberlandesgerichts nicht benannt ist. Zudem fehlen konkrete Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit, die lediglich pauschal behauptet werden. Eine Klärungsbedürftigkeit wird jedenfalls nicht dadurch begründet, dass das Oberlandesgericht in den Parallelverfahren der Ansicht des Bundesgerichtshofs gefolgt ist. In der Sache setzt sich die Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof über den auch hier erhobenen Einwand gegen die Festlegung Gas bereits entschieden hat (BGHZ 228, 286 Rn. 27 f., 104 bis 111 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor I), nicht auseinander.
9 c) Im Übrigen wäre die Nichtzulassungsbeschwerde auch unbegründet. Es liegt kein Grund vor, nach dem die Rechtsbeschwerde gemäß § 86 Abs. 2 EnWG zuzulassen wäre.
10 III. Für die von der Betroffenen beantragte Aussetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die von anderen Netzbetreibern eingelegten Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Senats in den Parallelverfahren besteht kein Anlass. Die Bundesnetzagentur ist der Aussetzung entgegengetreten. Die dafür gemäß § 94 VwGO, § 148 Abs. 1 ZPO erforderlichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Vorgreiflichkeit ist nicht gegeben. Die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder einer gerichtlichen Entscheidung bildet bereits kein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschriften, sondern ist eine Rechtsfrage (, juris Rn. 14 mwN; , juris Rn. 1 f.). Allein die Tatsache, dass in einem anderen Verfahren über einen gleichgelagerten Fall entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen auch keine Aussetzung analog § 148 Abs. 1 ZPO (BGH, aaO, Rn. 16 bis 18). Selbst wenn dies in Betracht käme, wäre die Aussetzung zudem angesichts der ungewissen Dauer der Verfahren über die Verfassungsbeschwerden im Hinblick auf die damit verbundene Verfahrensverzögerung schon deshalb nicht zweckmäßig, weil die Nichtzulassungsbeschwerde klar unzulässig ist. Im Übrigen hat auch die Betroffene eine Aussetzung (nur) bis zum für angemessen gehalten. Der Senat würde daher von einer - hier nur unterstellten - Aussetzungsmöglichkeit im Rahmen seines Ermessens keinen Gebrauch machen (vgl. auch , juris Rn. 8).
11 IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG; die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
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Holzinger Kochendörfer
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140125BENVZ12.23.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-85385