Instanzenzug: Az: 21 KLs 14/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.
21. Nach den Feststellungen wollte sich der Angeklagte durch den Handel mit Betäubungsmitteln eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen. Spätestens ab 2020 bezog er Marihuana und Amphetamin im Kilogrammbereich mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils zehn Prozent von dem gesondert Verurteilten B. auf Kommission. Am bestellte der Angeklagte bei B. 900 Gramm Marihuana (Fall II.3 (1) der Urteilsgründe) und am zwei Kilogramm Amphetamin (Fall II.3 (2) der Urteilsgründe). Am bestellte er fünf Kilogramm Marihuana der Sorte Amnezia Haze, von denen er 410 Gramm behielt und die überwiegende Menge am wegen schlechter Qualität an seinen Lieferanten zurückgab (Fall II.3 (3) der Urteilsgründe). Am bestellte der Angeklagte ein Kilogramm Amphetamin; 700 Gramm des gelieferten Amphetamins gab er am wegen minderer Qualität zurück und behielt 300 Gramm, die er in der Folge gewinnbringend weiterverkaufte (Fall II.3 (4) der Urteilsgründe). Am bestellte er acht Kilogramm Marihuana, wobei B. nur fünf Kilogramm liefern konnte (Fall II.3 (5) der Urteilsgründe). Am erhielt der Angeklagte von B. ein Kilogramm Amphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf (Fall II.3 (6) der Urteilsgründe). Der Angeklagte verkaufte die ihm gelieferten Drogen gewinnbringend an seine Abnehmer. Dabei lieferte der Fahrer B. s (R. ) die Drogen regelmäßig an den Fahrer des Angeklagten („l. “), der sie an die Abnehmer des Angeklagten weitergab; im Fall II.3 (5) der Urteilsgründe wurde das Amphetamin dem Angeklagten übergeben. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Taten im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen. Es hat in allen Fällen einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG verneint.
32. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
4a) Dies gilt schon deshalb, weil bei der Revisionsentscheidung nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO das am in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom (KCanG; BGBl. I Nr. 109) zu berücksichtigen ist. Denn wegen des im Vergleich zu § 29a Abs. 1 BtMG milderen Strafrahmens lässt es im konkreten Einzelfall das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zu (vgl. , Rn. 3 mwN).
5Daher sind die drei Taten, in denen der Angeklagte Cannabis veräußerte (Fälle II.3 (1), (3) und (5)), jeweils als Handeltreiben mit Cannabis zu bewerten (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). Das Handeltreiben mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ (vgl. zum Grenzwert BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24; vom – 5 StR 153/24; vom – 6 StR 73/24; vom – 3 StR 154/24; vom – 4 StR 111/24) ist im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen, weil es sich insoweit – anders als im Fall des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – nicht um ein Qualifikationsmerkmal, sondern um ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG handelt (vgl. ).
6b) Die konkurrenzrechtliche Wertung, an der sich durch das Inkrafttreten des KCanG nichts geändert hat (vgl. , Rn. 5), ist in den Fällen II.3 (3) (4) und (6) nicht frei von Rechtsfehlern. Insoweit liegt nicht Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB), sondern Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) vor.
7aa) Überschneidungen der Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln führen zur Annahme von Tateinheit (vgl. , BGHSt 63, 1, 8). Dafür genügen zwar kein allein subjektiv-motivatorischer Zusammenhang oder die bloße Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die tatbestandlichen Ausführungshandlungen in objektiver Hinsicht derart überschneiden, dass zumindest ein Teil der einheitlichen Handlung zur Erfüllung des einen wie des anderen Tatbestands beziehungsweise zur mehrfachen Verwirklichung desselben Tatbestands gleichermaßen beiträgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 20/22; vom – 4 StR 344/21; vom – 3 StR 148/09).
8bb) So liegt es in den Fällen II.3 (3), (4) und (6) der Urteilsgründe.
9Nach den Feststellungen übergab der Fahrer des Angeklagten („l. “) am an den gesondert verurteilten R. aus der Lieferung im Fall (3) stammende 308 Gramm Marihuana sowie 700 Gramm des aus der Lieferung im Fall (4) stammenden Amphetamins. Der Angeklagte hatte zuvor mit B. die Rückgabe der Drogen wegen deren schlechter Qualität vereinbart. Ebenfalls am übernahm der Fahrer „l. “ auch die Lieferung im Fall (6). Als die Drogen minderer Qualität zurückgegeben wurden, war das auf die zuvor gelieferte und zum Weiterverkauf bestimmte Gesamtmenge bezogene Handeltreiben noch nicht beendet. Eingedenk des weiten, auch die dem eigentlichen Drogenumsatz nachfolgenden Zahlungsvorgänge umfassenden Begriffs des Handeltreibens (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 641/19; vom – 3 StR 340/14) war nach den Vorstellungen der Beteiligten in den Fällen (3) und (4) der Drogenumsatz aus den vorausgegangenen Lieferungen bis zur Rückgabe der Teilmengen – auch ohne Umtausch oder Nachlieferung (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 427/22; vom – 2 StR 563/09; jeweils mwN) – noch nicht abgeschlossen.
10Denn mit der vereinbarten Rückgabe des wegen der schlechten Qualität nicht absetzbaren Marihuanas beziehungsweise Amphetamins verringerte sich der vom Angeklagten an B. noch zu entrichtende Kaufpreis, wodurch die Zahlungspflicht unmittelbar beeinflusst wurde. Ohne die Rückgabe der für den Angeklagten nicht absetzbaren Teilmengen wäre das auf Rauschgiftumsatz gerichtete Handeln schon mangels beiderseitiger Erfüllung des Geschäfts (vgl. ) nicht endgültig vollzogen. Nach den Feststellungen ist ferner naheliegend von nur einem Kontakt am zwischen dem Fahrer des Angeklagten „l. “ und dem gesondert verurteilten R. auszugehen, anlässlich dessen die beanstandeten Mengen aus den beiden Lieferungen der Fälle (3) und (4) zurückgegeben und das Amphetamin im Fall (6) übergeben wurden.
11cc) Die Strafkammer ist in den Fällen II.3 (1), (2) und (5) auf Grundlage der getroffenen Feststellungen indessen rechtsfehlerfrei von einzelnen, für sich genommen mit dem Weiterverkauf jeweils eine Tat bildenden Erwerbshandlungen ausgegangen. Denn dafür, dass der Angeklagte die auf Kommission erhaltenen Drogen jeweils erst bei Erhalt einer neuen Lieferung bezahlte und deshalb Tateinheit anzunehmen wäre (vgl. , BGHSt 63, 1, 8; Urteil vom – 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14), gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Von solchen ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz auszugehen, noch sind sonst zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. , Rn. 14 mwN).
12Zwar hat der gesondert verurteilte Fahrer B. s in dem gegen ihn geführten Strafverfahren angegeben, „regelhaft“ für B. Drogen transportiert und in „einzelnen Fällen Erlöse entgegengenommen und nachfolgend bei B. abgeliefert zu haben“. Dass die Strafkammer daraus nicht den Schluss gezogen hat, der Fahrer B. s habe gerade in den verfahrensgegenständlichen Fällen die Erlöse vom Angeklagten oder dessen unbekannt gebliebenem Fahrer erhalten, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
13Der Angeklagte war nur einer von mehreren Abnehmern B. s und hat selbst nicht bestätigt, die vorangegangene Lieferung erst bei Erhalt der neuen Lieferung bezahlt zu haben. In die Übergabe der Drogen war er in den Fällen (1) bis (4) und (6) zudem selbst nicht eingebunden, während er nach den Feststellungen die Zahlungen persönlich an B. leistete. Darüber hinaus verfügte er wegen seiner seit 2019 bestehenden Verstrickung in den Drogenhandel über ausreichende finanzielle Mittel, so dass er zur Erfüllung seiner gegenüber B. bestehenden Zahlungsverpflichtungen nicht auf die Betäubungsmittelerlöse angewiesen war. Überdies kommunizierten der Angeklagte und B. nahezu täglich miteinander und trafen sich häufig, so dass der Angeklagte auch hinreichend Gelegenheit hatte, die bestellten Drogen getrennt von der neuen Lieferung zu bezahlen.
14c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
153. Angesichts der hier geringeren Strafandrohung des KCanG können die in den Fällen II.3 (1) und (5) verhängten Strafen keinen Bestand haben. Die Änderung der konkurrenzrechtlichen Bewertung in den Fällen II.3 (3), (4) und (6) führt zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Strafen, die in den Fällen (3) und (4) der Urteilsgründe entfallen. Die Aufhebung und der Wegfall der Einzelstrafen führen zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Feststellungen bleiben aufrechterhalten, weil sie von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
16Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird bei der Strafzumessung im Fall II.3 (6) der Urteilsgründe den geänderten Schuldgehalt der Tat in den Blick zu nehmen haben. Werden vom ersten Tatgericht als rechtlich selbstständig erachtete Taten durch das Revisionsgericht zur Tateinheit verbunden, ist der Unrechtsgehalt dieser einen Tat gegenüber den bisher getrennt bewerteten Einzeltaten erhöht. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) gebietet in einem solchen Fall nur, dass die Summe der bisherigen Freiheitsstrafen bei der Bemessung der für diese Tat neu festzusetzenden Strafe nicht überschritten wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 107/23, Rn. 4; vom – 2 StR 319/21). Schließlich darf die neu zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe nicht höher ausfallen als die bisher verhängte Gesamtstrafe von drei Jahren.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:161024U6STR288.24.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-85377