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BGH Beschluss v. - 2 StR 347/24

Instanzenzug: Az: 4725 Js 43696/17 1 KLs

Gründe

1    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer „Jugendstrafe“ von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

2    1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

    

3    2. Der Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

    

4    a) Die den zugehörigen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung leidet an einem durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt hierzu ausgeführt:

5„Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf das Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung von DNA-Material gestützt, das aus zwei Analabstrichen des Tatopfers gewonnen wurde (UA S. 23 oben). Es hat dazu ausgeführt, dass in diesen Abstrichen ein dominierender weiblicher DNA-Teil und eine kleinere Menge männlicher DNA festgestellt wurde, wobei der männliche Anteil („Spermaanteil“) in elf Merkmalsystemen mit dem DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten übereingestimmt habe und sich in „den weiteren DNA-Merkmalsystemen […] keine Ausschlusskriterien hinsichtlich der Spurverursachung durch den Angeklagten“ ergeben hätten (UA S. 30). Diese Erkenntnisse würden nach der in der Hauptverhandlung verlesenen Bewertung des Sachverständigen, die sich die Kammer zu eigen mache, dazu führen, „dass der Angeklagte als Verursacher der männlichen Spurenanteile in den Abstrichen, mithin als Verursacher der Spermaspuren im Analbereich der Geschädigten nach der Tat anzunehmen sei“ (UA aaO).

6Diese Darstellung der Ergebnisse der DNA-Analyse genügt nicht den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung insoweit gestellten Anforderungen. Im Fall einer Mischspur, d.h. einer Spur, die wie hier mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweist und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammt, ist zusätzlich zur im Urteil dargestellten Information, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben, die Zahl der untersuchten Merkmalsysteme sowie die Angabe, mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist, mitzuteilen ( –, juris Rn. 15, Rn. 17 f.; Beschluss vom – 4 StR 262/21 –, juris Rn. 3 mwN) und, sofern der Angeklagte – wie hier – einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (Senat, Beschluss vom – 2 StR 325/20 –, juris Rn. 5 mwN; –, juris Rn. 4 mwN). Während sich auf die Gesamtzahl der untersuchten Systeme noch mit Blick auf die heute routinemäßig mit 16 DNA-Markersystemen durchgeführte Untersuchung schließen lässt (vgl. –, aaO Rn. 21), fehlt es jedenfalls an für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Informationen zur Wahrscheinlichkeit, mit der die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist. Der – auch unter Heranziehung der gesamten Urteilsgründe – insofern einzig mitgeteilten Einschätzung, der Angeklagte sei „als Verursacher der Spermaspuren […] anzunehmen“[,] lässt sich keine überprüfbare Wahrscheinlichkeitsaussage entnehmen. Überdies lässt diese verkürzte Darstellung besorgen, dass dem Landgericht der – in den wiedergegebenen gutachterlichen Ausführungen nicht thematisierte – Umstand aus dem Blick geraten ist, dass der Angeklagte in der afghanischen Stadt Kabul geboren wurde (vgl. UA S. 3).“

7    b) Der Senat kann angesichts der Bedeutung, die das Landgericht dem Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung von DNA-Material beigemessen hat, nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Das Landgericht hat weiteren, auf die Täterschaft des Angeklagten hinweisenden Umständen lediglich unterstützende Wirkung zuerkannt („Ergänzend …“).

8    3. Demgegenüber beruhen die den Schuldspruch tragenden Feststellungen im Fall II.2 der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Geschädigten W.) auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Der Senat kann insbesondere ausschließen, dass sich die Strafkammer ohne die Feststellungen zu Fall II.1 der Urteilsgründe nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.

9    4. Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II.1 der Urteilsgründe entzieht auch dem Ausspruch zur „Jugendstrafe“ (richtig: Einheitsjugendstrafe) den Boden. Um dem neuen Tatgericht insgesamt eine widerspruchsfreie Tatsachenfeststellung zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen auch insoweit mit auf.

Menges                         Zeng                         Meyberg

                 Schmidt                     Herold

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051224B2STR347.24.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-85251