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BGH Urteil v. - 5 StR 498/23

Instanzenzug: Az: 5 StR 498/23 Beschlussvorgehend Az: 548 KLs 6/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten C.      wegen Betruges in 67 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten und die Angeklagte W.      wegen Beihilfe zum Betrug in 17 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten C.     hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.670.102,01 Euro und gegen die Angeklagte W.      in Höhe von 2.435.279,49 Euro angeordnet, wobei beide Angeklagte in Höhe des zuletzt genannten Betrages gesamtschuldnerisch haften. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegenüber beiden Angeklagten bei den Taten 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe jeweils eine Einziehung von Taterträgen in Höhe von insgesamt weiteren 63.879,03 Euro erstrebt, hat Erfolg.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Im Jahr 2021 entstand im Zusammenhang mit den Lockerungen während der Coronapandemie erheblicher Bedarf an Kapazitäten zur Durchführung von Antigen-Schnelltests zur Prüfung einer Infektion mit dem Coronavirus. Das Bundesministerium für Gesundheit eröffnete deshalb durch Änderungen der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom (Coronavirus-Testverordnung – TestV) die Möglichkeit, auch ohne besondere medizinische Qualifikationen Testleistungen zu erbringen und gegenüber staatlichen Stellen abzurechnen.

4Im Rahmen der landesrechtlichen Umsetzung wurde in B.       vorgesehen, dass potentielle Betreiber einer Teststelle einer Zertifizierung durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung bedurften, die ausschließlich online vorgenommen wurde. Dabei waren neben Angaben zur vorgesehenen Kapazität und Mitarbeiterzahl eine Skizze der Teststelle einschließlich eines Hygienekonzepts einzureichen. Die Qualifikation der als Tester beschäftigten Personen war durch Vorlage von Schulungszertifikaten zu belegen. Schließlich musste die persönliche Zuverlässigkeit des Teststellenbetreibers in Form der Abgabe einer Zuverlässigkeitserklärung des Antragstellers nachgewiesen werden, in der auch Angaben zu Vorstrafen wegen Betruges zum Nachteil der öffentlichen Hand sowie Eintragungen im Korruptionsregister und im Gewerbezentralregister zu machen waren.

5Nach erfolgreicher Zertifizierung einer Teststelle musste diese bei der K.                         V.                B.       (im Folgenden: „KV B.      “) registriert werden, um dort künftig Testleistungen abrechnen zu können. Dazu musste der KV B.       neben den Personalien eine unterschriebene Selbsterklärung übermittelt werden, die eine Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit aller angegebenen Daten und die Zusicherung enthielt, nur solche Leistungen abzurechnen, die die Vorgaben im Dokument „Selbstverpflichtung für Betreiber von Test-to-Go-Stellen“ erfüllen. Dort war die Verpflichtung des Betreibers der Teststelle dazu vorgesehen, die „Minimalanforderungen zur Qualitätssicherung bei SARS CoV 2 – Antigen-Schnelltests in Testzentren nach § 9 Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) iVm der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinische Untersuchung (Rili-BÄK)“ in der aktuell geltenden Fassung in all seinen Teststellen einzuhalten. Des Weiteren musste eine Verpflichtungserklärung dahingehend abgeben werden, die Abrechnungsdokumentation bis zum aufzubewahren.

6Nach positiver Prüfung wurde dem Antragsteller eine persönliche Abrechnungsnummer, ab Juli 2021 eine teststellenbezogene Betriebsnummer zugeteilt und zeitgleich Login-Daten für das Abrechnungsportal der KV B.       übersandt. Mithilfe beider Daten konnte sich der Teststellenbetreiber sodann im Portal der KV B.       anmelden und dort monatliche Abrechnungen für die Teststellen vornehmen. Hierfür waren nach dem Login alleine die Angabe des Abrechnungsmonats, der Anzahl der durchgeführten Tests sowie der Anzahl der verwendeten Testkits (sogenannte „Sachkosten“) erforderlich. Für jeden durchgeführten Test bestand in den Monaten Mai und Juni 2021 ein Anspruch auf Zahlung von 12 Euro und ab Juli 2021 in Höhe von 8 Euro.

72. Der unter anderem wegen Beitragsvorenthaltung und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt vorbestrafte Angeklagte C.      betrieb in B.       mehrere Spätkaufgeschäfte und Gaststätten. Er meldete unter Durchlaufen des geschilderten Prozesses für 18 Adressen Corona-Teststellen an. Während er zwei Teststellen, darunter diejenige in der B.   straße 31, unter seinem Namen zertifizieren ließ, wurden die übrigen Standorte von ihm unter Fremd- und Falschpersonalien angemeldet.

8Zwischen Mai und Oktober 2021 rechnete der Angeklagte C.      über das Abrechnungsportal der KV B.       unter Nutzung der erhaltenen Abrechnungsnummern für alle 18 Teststellen in einer Vielzahl von Fällen Testleistungen ab, die er oder seine Mitarbeiter tatsächlich nicht erbracht hatten. So fanden an elf Standorten in Wahrheit überhaupt keine Corona-Tests statt, an den übrigen sieben Teststellen stets deutlich weniger als in den Abrechnungen angegeben. Aufgrund der Abrechnungen überwies die KV B.      insgesamt 9.733.981,04 Euro auf verschiedene Konten, auf welche der Angeklagte C.     in vollem Umfang Zugriff hatte und von denen er sodann unter anderem Überweisungen und Bargeldauszahlungen vornahm.

93. Das Landgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen des § 263 Abs. 1 StGB in allen abgeurteilten Fällen schon durch falsche Angaben des Angeklagten C.      über die Anzahl der von ihm durchgeführten Tests erfüllt wurden. In den Fällen, in denen der Angeklagte die Teststelle unter falschen Personalien betrieb, hat es einen Betrug zusätzlich deshalb als gegeben angesehen, weil er unter diesen Personalien auch abrechnete. Jede Abrechnung über das Portal der KV B.       hat es als eigenständige Betrugstat gewertet, da dort für jedes einzelne Testcenter und jeden Monat eine neue Eingabemaske aufgerufen werden musste.

10Bezüglich der Teststellen, die der Angeklagte C.      unter fremden Namen betrieb, hat das Landgericht den gesamten Auszahlungsbetrag als Schaden angesetzt, auch wenn an diesen Stationen vereinzelt Tests durchgeführt wurden, da die Testleistungen in diesen Fällen nicht durch die zertifizierte Person oder in deren Auftrag erbracht worden seien. Für die Taten 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe hat die Strafkammer hingegen – teils unter Anwendung des Zweifelssatzes zugunsten des Angeklagten C.      – Feststellungen zur Anzahl der Testleistungen getroffen, die er in der unter eigenem Namen betriebenen Station in der B.   straße 31 tatsächlich erbracht hatte. Sie hat angenommen, dass ihm hierdurch Erstattungsansprüche entstanden sind, die sie mit insgesamt 63.879,03 Euro beziffert hat. Im Fall 3 existieren dagegen keine tatsächlichen Testleistungen, weil der Angeklagte hier unter Ausnutzung eines Wechsels der Abrechnungsnummer einen Monat ein zweites Mal abrechnete.

114. Die Angeklagte W.     , die Schwester des Angeklagten C.     , hatte bereits vor dem Tatzeitraum mehrere Bankkonten eröffnet und ihrem Bruder die ausschließliche Nutzung gestattet, indem sie ihm die Girokarten und PIN überließ und ihm den Zugang zum Online-Banking gewährte. Auf einzelne dieser Konten wurden durch die KV B.       in 17 Fällen die Vergütungen überwiesen, darunter zwischen dem und dem auch bei den Taten 1, 2, 4 bis 7 für die vom Angeklagten C.     unter eigenem Namen betriebene Teststelle in der B.   straße 31. Von der Einrichtung der Teststellen und der teilweisen Aufnahme der Testtätigkeit in den Spätkaufgeschäften erlangte die Angeklagte W.      im Frühjahr 2021 Kenntnis.

12Zwischen dem und dem hob die Angeklagte in elf Fällen jeweils auf Bitte des Angeklagten C.     unter persönlicher Vorsprache in der Bank Bargeld von den Konten ab, insgesamt 550.000 Euro, und händigte dieses jeweils unmittelbar nach der Auszahlung an ihren Bruder aus.

13Der Angeklagte C.      teilte seiner Schwester mit, dass die Abhebungen in Zusammenhang mit dem Betrieb der Corona-Testzentren stünden. Wenngleich die Angeklagte W.      die Höhe der Auszahlungen verdächtig fand und es für möglich hielt, dass das abgehobene Geld zuvor auf illegalem Weg durch den Teststellenbetrieb auf die Konten gelangt war, was sie auch billigend in Kauf nahm, veranlasste sie die verlangten Auszahlungen zugunsten ihres Bruders und gestattete diesem weiterhin die Nutzung der Bankkonten für seine Geschäfte.

14Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich die Angeklagte W.      „durch die Veranlassung der Bargeldauszahlungen und die Bereitstellung ihrer Konten“ sowie durch die „Gestattung der Verwendung ihrer Personalien zum Betrieb der Teststellen“ einer Beihilfe zum Betrug in den 17 Fällen schuldig gemacht hat, in denen die Gelder auf ihren Konten eingingen. Da ihr Tatbeitrag nicht spezifisch einer konkreten Tat des Angeklagten C.      zugeordnet werden könne, sondern sich auf mehrere seiner Taten bezogen habe, sei bei ihr trotz mehrerer Unterstützungshandlungen nur von einer Tat der Beihilfe auszugehen.

155. Bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen hat die Strafkammer den für das Testzentrum in der B.   straße 31 angenommenen Erstattungsanspruch von 63.879,03 Euro in Anrechnung gebracht und daher beim Angeklagten C.      statt der insgesamt erhaltenen 9.733.981,04 Euro lediglich einen Betrag von 9.670.102,01 Euro eingezogen. Für die Angeklagte W.      hat es einen Einziehungsbetrag in Höhe von 2.435.279,49 Euro angenommen entsprechend der Summe der auf ihre Konten überwiesenen Erstattungen in 17 Fällen. Für den letztgenannten Betrag hat das Landgericht eine gesamtschuldnerische Haftung beider Angeklagten angeordnet.

II.

16Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen den Einziehungsausspruch betreffend die Taten 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe richtet, hat Erfolg. Dabei ist das Rechtsmittel im Fall des Angeklagten C.      in vertikaler Hinsicht wirksam auf diese Taten beschränkt. Dagegen erweist sich bei ihm genauso wie bei der Angeklagten W.      die horizontale Beschränkung auf den Einziehungsausspruch als unwirksam. Das Rechtsmittel führt hinsichtlich des Angeklagten C.      zur Aufhebung des Urteils in den von der Revision betroffenen Fällen sowie im Gesamtstrafenausspruch, hinsichtlich der Angeklagten W.      zur vollständigen Aufhebung des Urteils, soweit es sie betrifft.

171. Die horizontale Beschränkung des Rechtsmittels auf die Einziehungsaussprüche ist unwirksam. Denn die Frage der Einziehung kann nicht losgelöst von den Feststellungen zum Schuld- und Strafausspruch beurteilt werden.

18Zwar ist die isolierte Anfechtung der Einziehungsanordnung grundsätzlich möglich, ohne dass dies den Strafausspruch berührt. Denn die Nebenfolge der Einziehung ist weder eine Strafe noch eine strafähnliche Maßnahme. Der Beschränkung steht nicht entgegen, dass die Höhe des abzuschöpfenden Erlangten auf Seiten des Verletzten dem Schadensumfang entspricht, den die Tatbeteiligten durch ihr Verhalten bewirkten. Der Schadensumfang ist zwar zugleich regelmäßig ein bestimmender Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), die Feststellung des Schadensausmaßes in diesem Sinne also doppelrelevant. Einziehungsanordnung und Strafzumessung lassen sich dennoch jeweils losgelöst voneinander prüfen, auch wenn die zugehörigen Feststellungen beiden Entscheidungsteilen gleichermaßen zugrunde liegen und eine Fehleridentität möglich ist (; vgl. auch mwN; Urteil vom – 2 StR 471/22).

19Vorliegend fehlt es jedoch nicht erst gegenüber dem Strafausspruch, sondern bereits gegenüber dem Schuldspruch an einer solchen Trennbarkeit. So ist anerkannt, dass eine Revisionsbeschränkung auch dann unwirksam ist, wenn die Tatsachenfeststellungen unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und keine taugliche Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgenentscheidung bieten ( mwN Rn. 15). Das kann auch eine Einziehungsentscheidung nach §§ 73, 73c StGB betreffen, da sie an das „durch die Tat“ Erlangte und damit an Feststellungen anknüpft, die in der Regel auch dem Schuldspruch zugrunde liegen.

20Ein vergleichbarer Fall mangelnder Trennbarkeit ist hier gegeben. Zwar vermögen die vorhandenen Feststellungen den Schuldspruch für den Angeklagten C.      wegen der Taten 1, 2, 4 bis 7 zu tragen. Durch die dort festgestellten Täuschungshandlungen hat er aber nur die Zahlungen im Sinne des § 73 StGB erlangt, für die er keine Gegenleistung erbracht, also keine Tests durchgeführt hat, nicht aber die 63.879,03 Euro, deren Einziehung die Staatsanwaltschaft erstrebt. Jedoch ist die Feststellungsgrundlage für den Einziehungsausspruch in einer den Angeklagten ausschließlich begünstigenden Weise lückenhaft und mit Widersprüchen behaftet. So bleibt unerörtert, ob den Abrechnungserklärungen des Angeklagten C.      ein zusätzlicher Aussagegehalt beizumessen sein könnte, was eine dem angenommenen Erstattungsanspruch entgegenstehende weitergehende Betrugsstrafbarkeit begründen und zu der Annahme führen könnte, dass dem Angeklagten auch die 63.879,03 Euro unmittelbar aus der Verwirklichung eines Betruges zugeflossen sind (siehe nachfolgend 2.b), so dass die Staatsanwaltschaft ihr Revisionsziel auf diesem Weg erreichen könnte. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die im Falle einer Wirksamkeit der Beschränkung bindend wären, kann der Senat daher nicht abschließend prüfen, ob zu Recht von einer weitergehenden Einziehung abgesehen worden ist oder diese hätte angeordnet werden müssen.

212. Die Entscheidung über die Anordnung der Einziehung des Wertes des durch die Tat Erlangten bei den Taten 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe, bei der das Landgericht einen Erstattungsanspruch des Angeklagten C.      gegenüber der KV B.       für tatsächlich erbrachte Testleistungen berücksichtigt hat, kann keinen Bestand haben. Es bleibt schon unklar, ob das Landgericht für die nicht eingezogene Summe die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 StGB verneint hat, oder ob es zwar ein Erlangen aus der Tat bejaht, aber einen Aufwendungsersatz nach § 73d Abs. 1 StGB angenommen hat (nachfolgend a). Zudem hat sich die Strafkammer auf lückenhafte und widersprüchliche Feststellungen gestützt (nachfolgend b). Sie ermöglichen dem Senat nicht die Prüfung, ob zu Recht ein Erstattungsanspruch angenommen wurde.

22a) Den Urteilsgründen ist nicht eindeutig zu entnehmen, wie der angenommene Erstattungsanspruch zu einer Reduzierung der Einziehungssumme geführt haben soll.

23Das Landgericht hat sich zur Begründung seiner Einziehungsentscheidung neben den §§ 73, 73c StGB auch auf § 73d StGB bezogen und von einer „Anrechnung“ des „Auszahlungsanspruch(s) des Angeklagten C.      gegen die KV B.      “ gesprochen. Dies deutet darauf hin, dass der hierfür angesetzte Betrag gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB wie eine Aufwendung von der Summe des Erlangten abgezogen worden ist. In diesem Fall müsste die Strafkammer davon ausgegangen sein, dass auch der auf tatsächlich durchgeführte Tests entfallene Erstattungsbetrag Teil des Schadens der abgeurteilten Betrugstaten war und folglich zunächst im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB durch eine rechtswidrige Tat erlangt wurde. Dazu passt, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung für den Angeklagten C.      von einem Gesamtschaden von 9.733.981,04 Euro ausgegangen ist. Diese Summe übersteigt die angeordnete Einziehung von 9.670.102,01 Euro um 63.879,03 Euro und schließt damit genau jenen Betrag ein, welchen die Strafkammer für den angenommenen Erstattungsanspruch angesetzt hat.

24Hierzu steht jedoch in Widerspruch, dass im Rahmen der Feststellungen zu den Taten 1, 2, 4 bis 7 der jeweilige „Auszahlungsanspruch“ vom „Schaden“ abgezogen und daher bei einem Auszahlungsbetrag von 727.122,59 Euro ein um 63.879,03 Euro niedrigerer „Schaden gesamt“ von 663.243,56 Euro angenommen wurde. Dies spricht dafür, dass der auf den Erstattungsanspruch entfallende Betrag schon gar nicht als Betrugsschaden angesehen wurde. In der Konsequenz wäre er dann aber auch nicht im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt worden.

25Entgegen einer seitens der Revision geäußerten Ansicht gilt Letzteres unabhängig davon, ob vorliegend die Grundsätze der für Fälle des Abrechnungsbetruges im Sozialversicherungsrecht geltenden streng formalen Betrachtungsweise (vgl. hierzu nur Rn. 49, BGHSt 65, 110) zur Anwendung gelangen. Denn auch wenn ein Erstattungsanspruch danach ausscheidet, sobald eine sozialrechtliche Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt ist, so ist eine rechtswidrig erhaltene Zahlung trotzdem nur dann gemäß § 73 Abs. 1 StGB einzuziehen, wenn insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betruges erfüllt sind, was insbesondere eine Täuschung über die fragliche Anspruchsvoraussetzung erfordert.

26b) Zudem hat das Landgericht den Erstattungsanspruch auf Basis unzureichender Feststellungen bejaht. Es hat dabei nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte C.      über falsche Angaben zur Anzahl der Testungen und zur Identität der abrechnenden Person hinaus über weitere Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs getäuscht haben könnte.

27Dabei hat die Strafkammer allerdings zunächst zutreffend angenommen, dass der Angeklagte C.      einen Erstattungsanspruch für in der Teststelle in der B.   straße 31 erbrachte Leistungen nicht schon allein dadurch verloren hat, dass er zugleich auch nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht hat. Denn eine Abrechnung fehlerbehafteter oder – wie hier – gar nicht erbrachter Leistungen hat nicht zur Folge, dass ein Anspruch auch für solche zugleich abgerechneten Leistungen entfällt, für die alle formellen und materiellen Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt sind. Hiervon ist der Bundesgerichtshof für betrügerische Abrechnungen selbst im streng reglementierten Bereich der kassenärztlichen Versorgung ausgegangen und hat dort etwa Erwägungen zu einer Schadenshochrechnung im Wege der Schätzung angestellt, derer es im Falle einer „Kontaminierung“ sämtlicher abgerechneter Leistungen durch einzelne inkorrekte Rechnungsposten nicht bedurft hätte (vgl. , BGHSt 36, 320; vgl. zudem zur Abrechnung von „Luftleistungen“ durch Vortäuschung der tatsächlichen Leistungserbringung hinsichtlich bestimmter, klar abgrenzbarer Honorarbestandteile , MedR 2024, 809). Auch die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung von Erstattungsbescheiden kassenärztlicher Vereinigungen hat ausgesprochen, dass einzelne falsche Angaben etwa auf einem Behandlungsausweis nicht bedeuten, dass einem Arzt überhaupt kein Anspruch auf Vergütung für die in dem Quartal erbrachten Leistungen zusteht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass für tatsächlich und ordnungsgemäß erbrachte Leistungen das dem Vertragsarzt hierfür zustehende Honorar neu festzusetzen ist (vgl. , MedR 1998, 338 zu vertragsärztlichen Abrechnungs-Sammelerklärungen; ebenso zum Fall einer „künstlichen Erhöhung der Fallzahlen“ , BSGE 96, 99). Das verbleibende Honorar kann im Wege der Schätzung ermittelt werden (, BSGE 106, 222).

28Die Strafkammer hat jedoch unbeachtet gelassen, dass der Angeklagte C.      bei den tatsächlich erbrachten Leistungen über andere Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs getäuscht habe könnte. Sie hat vorschnell zugunsten des Angeklagten angenommen, dass diese Tests „gemäß den Richtlinien“ erbracht wurden. Dieser auf den Zweifelsgrundsatz gestützte Schluss erweist sich als rechtsfehlerhaft. Denn das Landgericht lässt die der Anwendung des Zweifelsgrundsatzes vorgelagerte Gesamtwürdigung der für und gegen sprechenden Umstände vermissen (vgl. Rn. 21). Dadurch hat es sich aus den Feststellungen ergebende gewichtige gegenläufige Gesichtspunkte, die darauf hindeuten, dass der Angeklagte – auch bei den Taten 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe – Testleistungen nicht ordnungsgemäß erbrachte und die gebotene Dokumentation der Testleistungen unterließ, teils außer Betracht gelassen, teils durch widersprüchliche Annahmen negiert (nachfolgend aa). Wäre das Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung aber zur Annahme solcher Mängel gelangt, so wäre zu prüfen gewesen, ob den Abrechnungen insoweit ein falscher Erklärungsgehalt zukam (nachfolgend bb) und die zuständigen Mitarbeiter der KV B.       einem Irrtum unterlagen (nachfolgend cc). Die Überweisungen an den Angeklagten hätten dann in voller Höhe zu einem Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB geführt (nachfolgend dd), so dass sie in diesem Umfang gegebenenfalls – da durch eine Straftat erlangt – auch der Einziehung unterlagen. Ob und inwieweit dies der Fall war, vermag der Senat auf Basis der vorhandenen Feststellungen nicht zu überprüfen.

29aa) Ausweislich der Urteilsgründe hat der Angeklagte C.     , soweit er in seinen Teststellen überhaupt Coronatests durchführen ließ, die hierfür bestehenden Anforderungen in mehrfacher Hinsicht missachtet. Dies betraf auch die Teststelle in der B.   straße 31.

30(1) So ist das Landgericht generell davon ausgegangen, dass der Angeklagte C.      bei der Zertifizierung der Teststellen Schulungszertifikate auch für Tester einreichte, die gar nicht an einer solchen Schulung teilgenommen hatten oder einer solchen mangels Sprachkenntnissen nicht folgen konnten. Speziell für die Teststelle in der B.   straße 31 hat die Strafkammer zwar angenommen, dass „die Mitarbeiter geschult“ waren. Dies steht jedoch in einem nicht aufgelösten Widerspruch dazu, dass in dieser Teststelle ausweislich seiner für glaubhaft erachteten Zeugenaussage auch der Zeuge F.      gelegentlich Corona-Testungen vornahm, obwohl er keine Schulung absolviert hatte.

31Zur Durchführung der Tests hatte sich der Angeklagte C.      dahin eingelassen, dass für ihn ein Test pro Minute möglich sei und das Zertifikat bereits ausgehändigt werde, wenn der Strich auf dem Testkit bei „C“ erscheine. Das Landgericht hat trotzdem angenommen, dass die vorgeschriebene Wartezeit von 15 Minuten eingehalten wurde, da sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der Angeklagte seinen Mitarbeitern Anweisungen über den Zeitpunkt der Aushändigung des Testzertifikats erteilt hat. Angesichts des von der Strafkammer geschätzten Umfangs der täglichen Testungen habe für eine Missachtung der Wartezeit auch kein Bedürfnis bestanden. Die gegenläufige Einlassung des Angeklagten hat die Strafkammer hierbei jedoch schon nicht eingestellt. Zudem konnte für eine der anderen Teststellen sogar positiv festgestellt werden, dass die Wartezeit nicht eingehalten wurde. Die denkbare indizielle Bedeutung dieses Umstands hätte das Landgericht in seine Würdigung einbeziehen müssen.

32(2) In den Urteilsgründen finden sich auch Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte C.      entgegen der bei Registrierung abgegebenen Verpflichtungserklärung, die Abrechnungsdokumentation bis zum aufzubewahren, eine derartige Dokumentation nicht vornahm. So hat der Angeklagte – wohl auf Vorhalt des Umstands, dass die Zahl der in seinen Betrieben aufgefundenen Testbescheinigungen nicht annähernd der Zahl der von ihm abgerechneten Testleistungen entsprach – in der Hauptverhandlung angegeben, die Testbescheinigungen verbrannt zu haben. Die Strafkammer hat das für unglaubhaft erachtet, aber offen gelassen, welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind. Ebenfalls auf das Unterlassen einer Dokumentation hindeuten könnte der Umstand, dass der Angeklagte eine „Mutterliste“ kreiert hatte, mit deren Hilfe ohne größeren Aufwand die Zahlen vermeintlich Getesteter plausibilisiert werden konnten. Auch hierzu hat die Strafkammer keine abschließenden Feststellungen getroffen.

33Angesichts der genannten Umstände erscheint denkbar, dass der Angeklagte mit seinen Identitätstäuschungen insbesondere verschleiern wollte, dass er von Anfang an nicht gewillt war, den elementaren Qualitätsanforderungen an einen Testbetrieb gerecht zu werden. Dem ist die Strafkammer nicht nachgegangen.

34bb) Soweit der Angeklagte in der Teststelle in der B.   straße 31 tatsächlich die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Durchführung und Dokumentation der Testleistungen missachtete, bedarf es der Auslegung durch das Tatgericht, inwieweit seine Abrechnungserklärungen auch hierzu falsche Angaben enthielten. Rechtlich wäre die Annahme möglich, dass seinen Abrechnungen insoweit ein unzutreffender Erklärungsgehalt zukam und er folglich im Sinne des § 263 StGB täuschte.

35Eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB kann auch konkludent durch eine schlüssige Handlung vorgenommen werden. Welcher Inhalt einer (ausdrücklichen oder konkludenten) Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten. Diese werden regelmäßig durch den normativen Gesamtzusammenhang geprägt, in dem die Erklärung steht. Dabei erwartet der Verkehr im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann. Liegen keine Besonderheiten vor, kann das Tatgericht regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen (vgl. Rn. 22, BGHSt 65, 110; Beschluss vom – 5 StR 46/17 Rn. 44, NStZ-RR 2017, 313; Urteil vom – 5 StR 405/13, NStZ 2015, 591, 593).

36Aus den im Tatzeitraum maßgeblichen Vorschriften der TestV wird deutlich, dass die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Tests ebenso wie einer verlässlichen Leistungsdokumentation durch die Teststellenbetreiber zentrale Bedeutung für die Erstattungsfähigkeit der Testleistungen zukam, so dass den Abrechnungserklärungen durchaus ein entsprechender Erklärungswert innewohnen konnte.

37Für die ordnungsgemäße Durchführung der Testungen folgt dies vor allem aus § 6 Abs. 1 und 2 iVm § 7 Abs. 1 und 3 TestV. So konnten nach der ab geltenden TestV in der Fassung vom die in §§ 9 bis 11 TestV vorgesehenen Vergütungen für Testleistungen nur durch nach § 6 Abs. 1 TestV berechtigte Leistungserbringer, die vorliegend im Zentrum stehenden Vergütungen nach § 12 TestV sogar „ausschließlich“ durch die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 berechtigten Leistungserbringer mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden (§ 7 Abs. 1, 3 TestV). Berechtigte Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV waren nur die durch zuständige Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes beauftragten Dritten. In dieser Weise beauftragt werden konnten nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 TestV nur solche Anbieter, die unter Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen, medizinprodukterechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen gewährleisteten und die erforderliche Zuverlässigkeit aufwiesen. In der ab geltenden Fassung der TestV, ergangen am selben Tag, knüpfte die Berechtigung zur Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung ebenso bereits an eine Beauftragung durch zuständige Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes an, für die nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TestV (Fassung vom ) nur Anbieter in Betracht kamen, die „eine ordnungsgemäße Durchführung (…) garantieren“.

38Der Stellenwert der Leistungsdokumentation folgt aus § 7 Abs. 4 und 5 TestV. So galt schon nach § 7 Abs. 4 Satz 1 TestV in der Fassung vom für die Leistungserbringer die Verpflichtung, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung festgelegten Angaben in den Abrechnungsunterlagen auftragsbezogen zu dokumentieren. Nach § 7 Abs. 5 TestV waren diese Angaben und die für den Nachweis der korrekten Abrechnung notwendige Auftrags- und Leistungsdokumentation bis zum unverändert zu speichern oder aufzubewahren. Zur Bedeutung dieser Vorgaben wurde in der Verordnungsbegründung ausgeführt, dass hierdurch sichergestellt werde, dass die tatsächliche Leistungserbringung dahingehend überprüft werden kann, ob die Abrechnung durch die Leistungserbringer den rechtlichen Vorgaben entspricht und die Mittel aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds rechtmäßige Verwendung finden (vgl. TestV in der Fassung vom , Begründung S. 30 zu § 7 Abs. 5 TestV). Mit Wirkung ab wurde in § 7 Abs. 5 Satz 2 TestV noch näher aufgelistet, welche Angaben für die Auftrags- und Leistungsdokumentation zu erfassen sind.

39cc) Diese Vorgaben sprechen zugleich dafür, dass die jeweiligen Sachbearbeiter der KV B.       angesichts der Abrechnungen des Angeklagten gegebenenfalls einem Irrtum über dort nicht offen gelegte Mängel der Durchführung und Dokumentation der Testungen unterlagen. Denn bei standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist der Prüfungsmaßstab herabgesetzt. Es genügt die stillschweigende Annahme, eine vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung“ (vgl. z. B. Rn. 16 mwN, NJW 2021, 90).

40dd) Soweit eine Täuschung und ein Irrtum über die ordnungsgemäße Durchführung oder die Dokumentation der Testleistungen vorlagen, ist davon auszugehen, dass für durchgeführte Tests geleistete Zahlungen der KV B.       in voller Höhe zu einem Schaden nach § 263 StGB geführt haben. Sie bewirkten in diesem Fall keine Kompensation durch Erfüllung einer Verbindlichkeit, weil ihnen kein Erstattungsanspruch des Angeklagten gegenüberstand (vgl. nur , BGHSt 57, 95). Der Angeklagte hätte sie mithin unmittelbar aus einer Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt.

41(1) Auch dies ist ableitbar aus den Normen der TestV, wonach die Vergütung zu Unrecht gewährt wurde und zurückzuerstatten ist, wenn die abgerechneten Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht, die entsprechenden Dokumentationspflichten nicht vollständig erfüllt worden sind oder die geltend gemachten Kosten nicht den tatsächlichen Kosten entsprochen haben (§ 7a Abs. 5 Satz 3 TestV, Fassung vom ). So oblag es den Kassenärztlichen Vereinigungen, im Rahmen der Prüfung der Plausibilität der Abrechnungen stichprobenartig die ordnungsgemäße Durchführung und Abrechnung der Testungen unter Einbeziehung der lokalen Dokumentation zu kontrollieren (§ 7a Abs. 2 TestV).

42Gleiches folgte auch bereits aus der TestV in ihrer ab dem geltenden Fassung. Zwar existierte § 7a TestV dort noch nicht, jedoch wurde diese Norm vor allem geschaffen, um den Kassenärztlichen Vereinigungen angesichts der zwischenzeitlichen Erfahrungen zusätzliche Prüfmöglichkeiten zu verschaffen (vgl. TestV in der Fassung vom , Begründung S. 1, 2, zu den wesentlichen Neuerungen dieser Fassung). Außerdem war die Leistungsabrechnung nach § 7 TestV wie oben gezeigt auch nach dieser Fassung bereits mit den materiellen Voraussetzungen der Beauftragung Dritter als Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV verknüpft, zu denen die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Tests gehörte. Wurden entsprechende Erwartungen bei Testleistungen nicht eingehalten, so bestand folglich auch nach dieser Fassung der TestV kein Erstattungsanspruch.

43Die Regelungen der TestV formulieren insoweit eine normative Standardisierung der abrechnungsfähigen Leistungen mit der Konsequenz, dass ein Erstattungsanspruch unabhängig von einem etwaigen Marktwert von bestimmten rechtlichen Voraussetzungen abhängt und bei deren Fehlen entfällt (vgl. zu ähnlichen Gestaltungen etwa MüKo-StGB/Hefendehl, 4. Aufl., § 263 Rn. 844, 848; zu den Fällen einer „streng formalen Betrachtungsweise“ im – hier nach , NVwZ 2024, 933; , NVwZ 2024, 274 allerdings nicht einschlägigen – Regelungsgefüge der gesetzlichen Krankenversicherung Rn. 22, BGHSt 65, 110; Beschluss vom – 5 StR 46/17 Rn. 44, NStZ-RR 2017, 313). Eine solche Sichtweise steht im Einklang mit der bislang ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung zur Erstattung von Testleistungen nach der TestV, die insoweit darauf verwiesen hat, dass im Medizinsektor die Abrechnung erbrachter Leistungen das Kernelement zur Kontrolle für die Leistungsträger darstelle, zu diesem Zweck streng formal geregelt und vom Leistungserbringer einzuhalten sei. Dabei könne ein Verstoß des Leistungserbringers gegen die Abrechnungsbestimmungen auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge haben. Entsprechend seien Vergütungsregelungen, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungs- oder Leistungsfällen vorgesehen sind, streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen auszulegen (vgl. ; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom – L 4 KR 549/22 B ER; ; VG Frankfurt, Beschluss vom – 5 L 2707/23.F).

44(2) Dass nicht ordnungsgemäß durchgeführte ebenso wie nicht dokumentierte Testleistungen keinen Erstattungsanspruch auslösen, entspricht zugleich der Zielsetzung des Testregimes der TestV. Denn dieses wurde angesichts einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufgebaut, um die Infektionsgefahr zu reduzieren. Werden bei Tests Sorgfaltsanforderungen nicht eingehalten, so entstehen dadurch aber sogar zusätzliche Risiken, weil weitere Infektionsgelegenheiten geschaffen werden und unzureichend getestete Personen sich und ihr Umfeld in falscher Sicherheit wähnen. Wie aus den Urteilsgründen hervorgeht, besaß auch die Dokumentation der Testungen Relevanz für den Gesundheitsschutz, da nur sie eine statistische Erfassung ermöglichte, die es wiederum den Gesundheitsbehörden erlaubte, die Entwicklung des Infektionsgeschehens möglichst aktuell einzuschätzen.

453. Unter den beschriebenen Prämissen hätte der Angeklagte C.      den vollen Erstattungsbetrag im Sinne des § 73 StGB aus einer Straftat erlangt. Dabei greift zudem das in § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB normierte Verbot eines Abzugs von Aufwendungen, so dass mit dem Betrieb der Teststellen entstandene Kosten nicht anzurechnen wären. Die in § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB vorgesehene Ausnahme ist schon deshalb nicht einschlägig, weil der Angeklagte C.      bei Erbringung von Testleistungen nicht zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber der KV B.       als der Geschädigten tätig wurde. Kraft der Beauftragung durch die Senatsverwaltung gemäß § 6 Abs. 1 TestV wurde er zwar zu einem zur Abrechnung gegenüber der KV Berlin „berechtigten Leistungserbringer“. Anders als bei einem vertragsärztlichen Leistungserbringer (vgl. hierzu Rn. 86 f. mwN, BGHSt 65, 110) entsprach dem jedoch keine Verpflichtung. Der Angeklagte war jederzeit frei in der Entscheidung, Interessenten Testleistungen anzubieten oder nicht. Die KV B.       wurde im Rahmen der TestV nur als Zahlstelle tätig; die danach geleisteten Zahlungen wurden ihr durch das Bundesamt für soziale Sicherung erstattet.

464. Soweit das Landgericht bei den Taten 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe von einer Einziehung abgesehen hat, bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird dabei Feststellungen dazu zu treffen haben, inwieweit der Angeklagte C.       bei seinen Abrechnungen für die Teststelle in der B.   straße 31 auch über die ordnungsgemäße Durchführung und Dokumentation der Testleistungen täuschte und auch insoweit – neben seiner Täuschung über die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Tests – die Voraussetzungen eines Betruges im Sinne des § 263 StGB erfüllte.

47Um dies zu ermöglichen bedarf es – vergleichbar der Situation, in der nur ein Teil einer tateinheitlich abgeurteilten Tat rechtsfehlerhaft beurteilt ist – hinsichtlich des Angeklagten C.      auch der Aufhebung des Schuldspruchs in den betroffenen Fällen. Der dadurch bedingte Wegfall der zugehörigen Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Basis. Gleiches gilt für die auf diese Taten entfallenden Einziehungsbeträge, so dass über die Einziehung neu zu entscheiden ist, soweit der Einziehungsbetrag die Summe der Zuflüsse aus den verbleibenden Taten (9.006.858,45 Euro) übersteigt.

485. Hinsichtlich der Angeklagten W.       unterliegt das gesamte Urteil schon deshalb der Aufhebung, weil die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs für den Angeklagten C.      als Haupttäter ihrer Verurteilung wegen einer einheitlichen Beihilfetat den Boden entzieht. Das neue Tatgericht wird überdies Feststellungen zu der Frage nachzuholen haben, ob bei der Angeklagten zum Zeitpunkt der angenommenen Beihilfehandlungen ein Gehilfenvorsatz vorhanden war. Zudem wird es zu berücksichtigen haben, dass für eine „positive“ Gestattung einer Nutzung ihrer Konten durch den Angeklagten C.      auch für Zwecke der Begehung der hiesigen Taten Feststellungen fehlen, dass die Annahme einer Strafbarkeit wegen Unterlassens insoweit eine zur Verhinderung dieser Taten verpflichtende Garantenstellung erfordert und dass bei den Barabhebungen von den Konten die Zahlungen der KV B.        dort zwangsläufig bereits gutgeschrieben worden waren, was bedeutet, dass die Haupttaten des Angeklagten C.      zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen sind (siehe auch den auf die Revisionen der Angeklagten ergangenen Beschluss des Senats vom ). Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird gegebenenfalls auch eine Strafbarkeit wegen Begünstigung (§ 257 StGB) oder Geldwäsche (§ 261 StGB) zu prüfen haben.

496. Über die Revisionen der beiden Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom entschieden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:041224U5STR498.23.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-84850