Suchen
BGH Beschluss v. - 5 StR 498/23

Instanzenzug: Az: 5 StR 498/23 Urteilvorgehend Az: 548 KLs 6/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten C.     wegen Betruges in 67 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten und die Angeklagte W.       wegen Beihilfe zum Betrug in 17 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten C.     hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.670.102,01 Euro und gegen die Angeklagte W.       in Höhe von 2.435.279,49 Euro angeordnet, wobei beide Angeklagte in Höhe des zuletzt genannten Betrages gesamtschuldnerisch haften. Hiergegen wenden sich beide Angeklagte mit ihren auf die Sachrüge, im Fall des Angeklagten C.     auch auf eine Verfahrensbeanstandung gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten C.      hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel der Angeklagten W.      führt zur vollständigen Aufhebung des Urteils, soweit es sie betrifft.

A. Revision des Angeklagten C.     

2Die Revision des Angeklagten C.     führt lediglich zur einer teilweisen Aufhebung des Strafausspruchs.

I.

3Das Landgericht hat, soweit hier von Interesse, im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

41. Im Jahr 2021 entstand im Zusammenhang mit den Lockerungen während der Coronapandemie erheblicher Bedarf an Kapazitäten zur Durchführung von Antigen-Schnelltests zur Prüfung einer Infektion mit dem Coronavirus. Das Bundesministerium für Gesundheit eröffnete deshalb durch Änderungen der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom (Coronavirus-Testverordnung – TestV) die Möglichkeit, auch ohne besondere medizinische Qualifikationen Testleistungen zu erbringen und gegenüber staatlichen Stellen abzurechnen.

5Im Rahmen der landesrechtlichen Umsetzung wurde in B.       vorgesehen, dass potentielle Betreiber einer Teststelle einer Zertifizierung durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung bedurften, die ausschließlich online vorgenommen wurde. Dabei mussten unter anderem Belege für die Schulung der Testpersonen und ein Hygienekonzept vorgelegt werden. Die persönliche Zuverlässigkeit des Teststellenbetreibers war durch Abgabe einer Zuverlässigkeitserklärung des Antragstellers nachzuweisen, in der auch Angaben in Bezug auf Vorstrafen wegen Betruges zum Nachteil der öffentlichen Hand sowie Eintragungen im Korruptionsregister und im Gewerbezentralregister zu machen waren.

6Nach erfolgreicher Zertifizierung einer Teststelle musste diese bei der K.                       V.                 B.       (im Folgenden: „KV B.      “) registriert werden, um dort künftig Testleistungen abrechnen zu können. Dabei wurde jeweils ein Abgleich mit den Daten aus der Zertifizierung vorgenommen. Hierdurch sollte sichergestellt werden, dass die Person, die von der Senatsverwaltung zertifiziert worden war, auch personenidentisch mit der die Abrechnung vornehmenden Person ist und das Testgeschehen verantwortet. Bei Kenntnis von der Verwendung einer Falschpersonalie wäre durch die KV B.       keine Auszahlung vorgenommen worden.

7Nach positiver Prüfung wurde dem Antragsteller eine persönliche Abrechnungsnummer, ab Juli 2021 eine teststellenbezogene Betriebsnummer zugeteilt und Login-Daten für das Abrechnungsportal der KV B.      übersandt. Mithilfe beider Daten konnte sich der Teststellenbetreiber dann im Portal der KV B.      anmelden und dort monatliche Abrechnungen für die Teststelle vornehmen. Hierfür waren nach dem Login alleine die Angabe des Abrechnungsmonats, der Anzahl der durchgeführten Tests sowie der Anzahl der verwendeten Testkits (sogenannte „Sachkosten“) erforderlich. Für jeden durchgeführten Test bestand in den Monaten Mai und Juni 2021 ein Anspruch auf Zahlung von 12 Euro und ab Juli 2021 in Höhe von 8 Euro.

82. Der unter anderem wegen Beitragsvorenthaltung und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt vorbestrafte Angeklagte C.     betrieb in B.       mehrere Spätkaufgeschäfte und Gaststätten. Er meldete unter Durchlaufen des geschilderten Prozesses für 18 Adressen Corona-Teststellen an. Während er zwei Teststellen, nämlich diejenigen in der B.   straße 31 und in der Bu.    straße 12 e, unter seinem Namen zertifizieren ließ, wurden die übrigen Standorte von ihm unter Fremd- und Falschpersonalien angemeldet.

9Zwischen Mai und Oktober 2021 rechnete der Angeklagte über das Abrechnungsportal der KV B.       unter Nutzung der erhaltenen Abrechnungsnummern für alle 18 Teststellen in einer Vielzahl von Fällen Testleistungen ab, die er beziehungsweise seine Mitarbeiter tatsächlich nicht erbracht hatten. An elf Standorten fanden in Wahrheit überhaupt keine Corona-Tests statt, an den übrigen sieben Teststellen stets deutlich weniger als in den Abrechnungen angegeben.

10Aufgrund der Abrechnungen überwies die KV B.       insgesamt 9.733.981,04 Euro auf verschiedene Konten, auf welche der Angeklagte C.      in vollem Umfang Zugriff hatte und von denen er sodann Überweisungen und Bargeldauszahlungen vornahm.

II.

11Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.

III.

12Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Betruges in 67 Fällen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen des § 263 Abs. 1 StGB in allen abgeurteilten Fällen schon durch falsche Angaben des Angeklagten über die Anzahl der von ihm durchgeführten Tests erfüllt wurden. Soweit der Angeklagte Teststellen unter falschen Personalien betrieb, hat es einen Betrug zusätzlich auch deshalb als gegeben angesehen, weil es in seinen Abrechnungen für diese Betriebe eine Täuschung über seine Identität erblickt hat. Diese Bewertung wird durch die Feststellungen getragen.

131. Hinsichtlich eines Betruges über die Anzahl der durchgeführten Tests hat das Landgericht für jede Abrechnung festgestellt, wie viele Abstriche der Angeklagte an die KV B.       gemeldet hat. Für jede dieser Abrechnungen hat es zudem rechtsfehlerfrei ermittelt, ob überhaupt, und wenn ja, wie viele Tests in Wahrheit erbracht wurden. Die insoweit durch die Revision formulierten Einwände gegen die Beweiswürdigung greifen aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch. Aus der in jedem Fall gegebenen Differenz folgt eine entsprechende Täuschung durch den Angeklagten; allein im Fall 54 der Urteilsgründe gilt etwas anderes (siehe noch unten unter Ziffer 3). Da dem Angeklagten für nicht durchgeführte Testleistungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Erstattungsanspruch gemäß der TestV zustand, trat für die insoweit getätigten Zahlungen der KV B.       keine Kompensation durch Erfüllung einer Verbindlichkeit ein (vgl. nur , BGHSt 57, 95), so dass ihr in dieser Höhe ein Schaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB entstand.

142. Hinsichtlich eines Betruges über die Identität der abrechnenden Person ist das Landgericht in den betroffenen Fällen im Ergebnis ebenfalls ohne Rechtsfehler jeweils von einer konkludenten Täuschung des Angeklagten (nachfolgend a), einem Irrtum der Mitarbeiter der KV B.       (nachfolgend b) und einem Vermögensschaden (nachfolgend c) ausgegangen.

15a) Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass das Landgericht eine Täuschung des Angeklagten C.     über seine Identität nicht allein in der Nutzung falscher Personalien bei der Zertifizierung und Registrierung der Teststellen gesehen hat, sondern auch in den monatlichen Abrechnungen, bei denen er durch Verwendung der erhaltenen Abrechnungsnummern und Login-Daten auf die unrichtigen Angaben Bezug nahm. Ausgesprochen hat die Strafkammer dies für die Teststelle in der B.      er Straße 11, für die im Urteil festgehalten ist, dass der Angeklagte „bei der Abrechnung bereits über die Identität des die Abrechnung vornehmenden Teststellenbetreibers täuschte“. Für die weiteren Teststellen, an denen tatsächlich ein Testbetrieb stattfand, hat sie jeweils hierauf Bezug genommen. Da Abrechnungen stets und unterschiedslos über die Eingabemaske desselben Internetportals vorgenommen wurden, ist dem eine entsprechende Wertung für alle Teststellen zu entnehmen, die der Angeklagte unter falschen Personalien betrieb.

16Diese Annahme wird durch die Feststellungen getragen. Insbesondere hat das Landgericht ohne Rechtsfehler einen entsprechenden konkludenten Erklärungswert der Abrechnungen zugrunde gelegt und ist zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Bewertung auch die öffentlich-rechtlichen Wirkungen der Zertifizierungen durch die Senatsverwaltung nicht entgegenstanden. Im Einzelnen:

17aa) Eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB kann auch konkludent durch eine schlüssige Handlung vorgenommen werden. Welcher Inhalt einer (ausdrücklichen oder konkludenten) Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten. Diese werden regelmäßig durch den normativen Gesamtzusammenhang geprägt, in dem die Erklärung steht. Dabei erwartet der Verkehr im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit eine Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann. Liegen keine Besonderheiten vor, kann das Tatgericht regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen (vgl. Rn. 22, BGHSt 65, 110; Beschluss vom – 5 StR 46/17 Rn. 44, NStZ-RR 2017, 313; Urteil vom – 5 StR 405/13, NStZ 2015, 591, 593).

18bb) Gemessen hieran ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit jeder Abrechnung über das Portal der KV B.       auch konkludent erklärte, mit der für die jeweilige Teststelle zertifizierten und registrierten sowie den dortigen Betrieb verantwortenden Person identisch oder von ihr beauftragt zu sein. Zwar ist nicht festgestellt, dass im Abrechnungsportal der KV B.       die Personalien des Anspruchstellers anzugeben gewesen wären. Einen dahingehenden konkludenten Erklärungsgehalt der Abrechnungen hat die Strafkammer auch nicht ausdrücklich erörtert. Dass sie einen solchen angenommen hat, ergibt sich jedoch ohne weiteres daraus, dass bei den Abrechnungen die bei der Registrierung erhaltenen Abrechnungsnummern und Login-Daten zu verwenden waren und hierdurch auf die Personalien Bezug genommen wurde, unter denen der Teststellenbetreiber von der Senatsverwaltung zertifiziert worden war. Dass diese Gestaltung nicht nur einer reibungslosen technischen Abwicklung der Vergütungen diente, hat die Strafkammer zwar nur durch die Zeugenaussage eines Mitarbeiters der KV B.       belegt. Jedoch folgt auch aus den für den Tatzeitraum maßgeblichen Vorschriften der TestV, nämlich aus deren ab geltenden und auch bereits aus deren ab bestehenden Fassung (nachfolgend (1), wie wesentlich die Identität von zertifizierter und abrechnender Person als Voraussetzung für die Beauftragung mit und die Erstattung von Testleistungen war (nachfolgend (2), wobei die Bedeutung verlässlicher Erklärungen hierzu noch unterstrichen wird durch die eingeschränkten Möglichkeiten ihrer Überprüfung (nachfolgend (3).

19(1) So konnten nach der ab geltenden TestV in der Fassung vom die in §§ 9 bis 11 TestV vorgesehenen Vergütungen für Testleistungen nur durch nach § 6 Abs. 1 TestV berechtigte Leistungserbringer, die vorliegend im Zentrum stehenden Vergütungen nach § 12 TestV sogar „ausschließlich“ durch die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 berechtigten Leistungserbringer mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden (§ 7 Abs. 1, 3 TestV). Berechtigte Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV waren nur die durch zuständige Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes beauftragten Dritten. In dieser Weise beauftragt werden konnten nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 TestV nur solche Anbieter, die unter Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen, medizinprodukterechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen gewährleisteten und die erforderliche Zuverlässigkeit aufwiesen.

20Ausweislich der Begründung der Verordnung knüpfte die „Zuverlässigkeit“ an in der Person des zu beauftragenden Anbieters liegende Umstände an. Denn an ihr sollte es insbesondere fehlen, wenn „der Betreiber der Teststelle in der Vergangenheit vorsätzlich, wiederholt oder in erheblichem Maße unrichtige Zeugnisse oder Testzertifikate ausgestellt hat, Abrechnungspflichten nach dieser Verordnung nicht eingehalten hat oder andere Gründe erkennbar werden, die nach § 35 Absatz 1 der Gewerbeordnung eine Gewerbeuntersagung rechtfertigen würden“ (TestV in der Fassung vom , Begründung zu § 6 Abs. 2 TestV).

21In der ab geltenden Fassung der TestV, ergangen am selben Tag, hatte der Begriff der „Zuverlässigkeit“ zwar noch nicht Eingang in den Verordnungstext gefunden. Die Berechtigung zur Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung knüpfte aber auch nach dieser Fassung an eine Beauftragung durch zuständige Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes an, für die nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TestV (Fassung vom ) nur Anbieter in Betracht kamen, die „eine ordnungsgemäße Durchführung (…) garantieren“. Dass dies bereits auf die persönliche Zuverlässigkeit des Anbieters abzielte, wird deutlich anhand der Begründung der Verordnung, in der hervorgehoben wurde, dass „künftig vom öffentlichen Gesundheitsdienst auch weitere Anbieter mit der Erbringung von Testleistungen beauftragt werden, die entsprechend qualifiziert und zuverlässig sind“ (TestV in der Fassung vom , Begründung S. 2, 18).

22(2) Angesichts dieser Regelungen durfte das Landgericht zugrunde legen, dass die Identität der abrechnenden Person mit derjenigen des zertifizierten Teststellenbetreibers für die Kassenärztlichen Vereinigungen eine für die Beurteilung der Erstattungsansprüche so wesentliche Tatsache darstellte, dass jeder Abrechnungserklärung hierzu zwangsläufig ein dahingehender Erklärungswert zukam. Es war Ziel des Verordnungsgebers, vor dem Hintergrund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite jedem Bürger einen Anspruch auf einen kostenlosen PoC-Test mindestens einmal pro Woche einzuräumen (Anspruch auf Bürgertestung nach § 4a TestV; vgl. TestV in der Fassung vom , Begründung S. 1, 17). Hierzu mussten notgedrungen auch Anbieter von außerhalb des Gesundheitswesens eingebunden werden. Umso mehr war es ein Anliegen des Verordnungsgebers, dass jedenfalls nur zuverlässige Personen beauftragt werden konnten, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Leistungen gewährleisteten, und dass auch nur diese zuverlässigen Personen für von ihnen verantwortete Testungen Erstattungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds erhalten konnten. Da aber die Beauftragung als Leistungserbringer gemäß § 6 Abs. 1 TestV und die Abrechnung nach § 7 TestV nicht in der gleichen Hand lagen, erstere vielmehr durch die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes (in B.       als sogenannte „Zertifizierung“ durch die Senatsverwaltung für Gesundheit) und letztere durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (hier die KV B.      ) vorzunehmen waren, war das für die Bürgertestungen geschaffene System darauf angewiesen, dass gleichwohl die Identität zwischen beauftragten und abrechnenden Person gewährleistet werden konnte.

23Die praktische Umsetzung des Testsystems war zudem erkennbar auf die Verwirklichung dieses Ziels ausgerichtet. Das zeigt sich anhand der Feststellung des Landgerichts, wonach bei der Zertifizierung nicht nur diverse Erklärungen zu Selbstverpflichtungen abzugeben waren, sondern auch die persönliche Zuverlässigkeit des Teststellenbetreibers in Form der Abgabe einer Zuverlässigkeitserklärung des Antragstellers nachgewiesen werden musste. Mit der Ausgabe individueller Abrechnungsnummern, die nur mit der Zertifizierung zu erhalten waren, wurde die Zahlung von Erstattungsleistungen mit dieser Erklärung verknüpft.

24(3) Die Bedeutung der Personenidentität erhält noch dadurch zusätzliches Gewicht, als für die KV B.       nur begrenzte Möglichkeiten bestanden, die Richtigkeit der Angaben der Anspruchsteller zu überprüfen. Zwar hatte sie diese zumindest stichprobenweise zu kontrollieren, was mit der Änderung der TestV zum in § 7a TestV ausdrücklich geregelt wurde. Jedoch waren dem zum einen unter den Bedingungen der Pandemie enge faktische Grenzen gesetzt, was im Urteil durch die Feststellung illustriert wird, dass in B.       in der Hochphase des Testgeschehens die monatlichen Abrechnungen von circa 2.000 Teststellen durch nur drei Mitarbeiter der KV B.       bearbeitet werden mussten. Zum anderen war das gesamte System – naheliegend auch aus Gründen einer die personellen Kapazitäten schonenden, möglichst hohen Effizienz – ersichtlich darauf angelegt, die Prüfung der Zuverlässigkeit für jeden Anbieter einmalig vorwegnehmen zu können, um sie später nicht bei jeder Abrechnung wiederholen zu müssen. Entsprechend bedeutsam war es für die KV B.      , bei über das Portal vorgenommenen Abrechnungen grundsätzlich von einer zertifizierten Person als Antragsteller ausgehen zu können.

25Unterstrichen wird die Schwierigkeit zeitnaher Überprüfungen noch durch die schon in der ab geltenden Fassung der TestV in § 7 Abs. 4 und 5 TestV enthaltenen und mit der Einfügung des § 7 Abs. 5 Satz 2 TestV zum noch konkretisierten Vorgaben zur Dokumentation der erbrachten Leistungen sowie zu deren Aufbewahrung bis zum . Hierdurch sollte sichergestellt werden, dass die tatsächliche Leistungserbringung – wenigstens nachträglich – dahingehend überprüft werden konnte, ob die Abrechnung durch die Leistungserbringer den rechtlichen Vorgaben entsprach (vgl. TestV in der Fassung vom , Begründung S. 30 zu § 7 Abs. 5 TestV). Nutzbringend sein konnte eine Dokumentation dazu aber nur, soweit sie auf den Verantwortlichen zurückgeführt werden konnte, was Verlässlichkeit und Kontinuität der personenbezogenen Angaben und mithin die Personenidentität des Anspruchstellers mit der für die jeweilige Teststelle zertifizierten Person voraussetzte.

26cc) Der Annahme eines dahingehenden Erklärungsgehalts steht auch nicht entgegen, dass die KV B.       durch die Zertifizierung bereits derart gebunden gewesen wäre, dass die Identität nicht mehr wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs war.

27Zwar ist die Zertifizierung – rechtlich mithin die Beauftragung mit der Erbringung von Testleistungen durch die zuständige Stelle des öffentlichen Gesundheitsdienstes gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV – als Verwaltungsakt anzusehen. Liegen einzelne Voraussetzungen, etwa wahrheitsgemäße Angaben zur Person des Teststellenbetreibers, nicht vor, so führt allein dies regelmäßig noch nicht zur Unwirksamkeit der Entscheidung. Die Wirkung einer Beauftragung besteht vielmehr fort, solange sie nicht durch die zuständige Behörde aufgehoben und im Fall einer Anfechtung zudem ihr Sofortvollzug angeordnet wurde. Die Geltung dieses öffentlich-rechtlichen Regelungsregimes auch für Beauftragungen nach der TestV wird dabei verdeutlicht durch die Einfügung des § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV zum , wo eigens die Aufhebung einer Beauftragung geregelt wurde für den Fall, dass die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 TestV bei der Beauftragung nicht vorgelegen haben oder nachträglich entfallen sind. In der zugehörigen Begründung hat der Verordnungsgeber deshalb auf die Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung hingewiesen, um etwa aus Gründen des Gesundheitsschutzes den sofortigen Marktaustritt eines unzuverlässigen oder gegen die grundlegenden Anforderungen zur Durchführung von Testleistungen verstoßenden Leistungserbringers bewirken zu können (vgl. TestV in der Fassung vom , Begründung zu § 6 Abs. 2 TestV).

28Auch wenn die zugunsten des Angeklagten unter falschen Personalien ergangenen Zertifizierungen jedenfalls bis zur Auszahlung der Erstattungsleistungen der KV B.       nicht zurückgenommen worden waren, war die KV B.       hierdurch jedoch nicht gehindert, die materiellen Voraussetzungen der Beauftragung zu überprüfen, so dass der Aussagegehalt der Abrechnung zur Identität mit der beauftragten Person auch unter diesem Blickwinkel in seiner Bedeutung nicht geschmälert war. Denn in der fachgerichtlichen Rechtsprechung wird angenommen, dass einer Zulassungsentscheidung jedenfalls nicht zwangsläufig eine „Tatbestandswirkung“ oder „Drittbindungswirkung“ dergestalt zukommt, dass andere Behörden oder Gerichte an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden wären. Ob dies der Fall ist, muss vielmehr bereichsspezifisch durch Auslegung der einschlägigen Normen entsprechend ihres Regelungszwecks ermittelt werden. Eine solche Wirkung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Behörde für den Erlass eines gestaltenden oder konstitutiv-feststellenden Verwaltungsaktes mit einem Regelungsmonopol ausgestattet ist. Dies erfordert das Vorhandensein entsprechender gesetzlicher Regelungen, in denen der Umfang der Bindung wiederum bereichsspezifisch und abhängig von ihrem erkennbaren Regelungszweck unterschiedlich ausgestaltet sein kann (vgl. mwN, BSGE 106, 222).

29Nachdem eine Beauftragung Dritter gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TestV schlicht durch „die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes“ ergehen konnte, spricht nichts für die Annahme eines derartigen „Regelungsmonopols“. Folglich stand für die KV B.       bei Entscheidung über die Erstattungsansprüche – ähnlich wie bei ihrer Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. hierzu Rn. 27, BGHSt 65, 110) – die Möglichkeit offen, eine Zahlung von der Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Beauftragung abhängig zu machen. Unterstrichen wird dies durch die Verordnungsbegründung zu § 7a Abs. 2 TestV (Fassung vom ), wonach ein Anlass zur Prüfung im Rahmen der Abrechnung auch dann bestehen kann, wenn Erkenntnisse „im Rahmen der Beauftragung“ eine solche nahelegen. Dies ergäbe keinen Sinn, wenn eine wirksame Beauftragung durch die Gesundheitsbehörde eine Überprüfung ihrer tatsächlichen Voraussetzungen durch die abrechnende Kassenärztliche Vereinigung ausschlösse.

30dd) Da mithin eine Identitätstäuschung des Angeklagten im Rahmen seiner Abrechnungserklärungen durch die Urteilsgründe ausreichend belegt ist, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Urteil zu der zusätzlich bestehenden Möglichkeit einer Täuschung des Angeklagten auch über die ordnungsgemäße Durchführung und Dokumentation der Testleistungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat. Hierzu Anlass gegeben hätten die Hinweise auf den Einsatz ungeschulter Testpersonen, die Behauptungen des Angeklagten zur Missachtung der Wartezeit bei Abnahme der Tests und zur Verbrennung von Testbescheinigungen, sowie seine Kreation einer „Mutterliste“, mit deren Hilfe die Zahlen vermeintlich Getesteter plausibilisiert werden konnten. All dies lässt es als möglich erscheinen, dass der Angeklagte mit seinen Identitätstäuschungen insbesondere verschleiern wollte, dass er von Anfang an nicht gewillt war, den elementaren Qualitätsanforderungen an einen Testbetrieb gerecht zu werden (siehe auch das auf die Revision der Staatsanwaltschaft ergangene Urteil des Senats vom ).

31b) Nach all dem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht vom Vorliegen von Irrtümern im Sinne des § 263 StGB überzeugt hat, ohne hierzu positive Vorstellungen der jeweiligen Sachbearbeiter der KV B.       über die Richtigkeit der Abrechnungserklärungen des Angeklagten festzustellen. Denn bei standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist der Prüfungsmaßstab herabgesetzt. Es genügt daher die stillschweigende Annahme, eine vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung“ (vgl. nur Rn. 16 mwN, NJW 2021, 90). Gemessen daran ist es legitim, dass das Landgericht der Sache nach von einem sachgedanklichen Mitbewusstsein der Sachbearbeiter ausgegangen ist, welches das Vorliegen der Abrechnungsvoraussetzungen einschloss.

32c) Das Landgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass in den Fällen der Identitätstäuschung die Zahlungen der KV B.       bei ihr in voller Höhe zu einem Schaden im Sinne des § 263 StGB geführt haben. Sie führten zu keiner Kompensation durch Erfüllung einer Verbindlichkeit, weil ihnen kein Erstattungsanspruch des Angeklagten gegenüberstand. Dies gilt nicht nur für die abgerechneten Tests, die in Wahrheit überhaupt nicht durchgeführt worden waren, sondern auch – vom Vorsatz des Angeklagten gedeckt – für tatsächlich erbrachte Leistungen, welche der Angeklagte in Teststellen durchführen ließ, die er unter falschen Personalien hatte zertifizieren lassen.

33aa) Objektiv folgt dies für letztere aus den Vorgaben der TestV, wonach die Vergütung zu Unrecht gewährt wurde und zurückzuerstatten ist, wenn die abgerechneten Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht, die entsprechenden Dokumentationspflichten nicht vollständig erfüllt worden sind oder die geltend gemachten Kosten nicht den tatsächlichen Kosten entsprochen haben (§ 7a Abs. 5 Satz 3 TestV, Fassung vom ). Entsprechend oblag es der KV B.      , im Rahmen der Prüfung der Plausibilität der Abrechnungen stichprobenartig die ordnungsgemäße Durchführung und Abrechnung der Testungen unter Einbeziehung der lokalen Dokumentation zu kontrollieren (§ 7a Abs. 2 TestV). Mit der „ordnungsgemäßen Durchführung“ knüpfte der Verordnungsgeber ersichtlich an § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 TestV an, wonach nur solche Dritte mit Testungen beauftragt werden können, die eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen gewährleisten und die erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen. Er hat eine Erstattungsfähigkeit von Testleistungen damit auch davon abhängig gemacht, dass der Anspruchsteller mit der entsprechend beauftragten Person identisch ist und die Testleistungen als solche verantwortet, denn nur eine solche Auslegung entspricht dem oben unter a) bb) dargelegten elementaren Stellenwert dieser Identität.

34Gleiches galt auch bereits nach der TestV in ihrer ab dem geltenden Fassung. Zwar existierte § 7a TestV dort noch nicht, jedoch wurde diese Norm vor allem geschaffen, um den Kassenärztlichen Vereinigungen angesichts der zwischenzeitlichen Erfahrungen zusätzliche Prüfmöglichkeiten zu verschaffen (vgl. TestV in der Fassung vom , Begründung S. 1, 2 zu den wesentlichen Neuerungen dieser Fassung). Außerdem war die Leistungsabrechnung nach § 7 TestV wie oben gezeigt auch nach dieser Fassung bereits mit den materiellen Voraussetzungen der Beauftragung Dritter als Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV verknüpft, so dass bei deren Fehlen kein Erstattungsanspruch bestand.

35Die Regelungen der TestV formulieren insoweit eine normative Standardisierung der abrechnungsfähigen Leistungen mit der Konsequenz, dass ein Erstattungsanspruch unabhängig von einem etwaigen Marktwert von bestimmten rechtlichen Voraussetzungen abhängt und bei deren Fehlen entfällt (vgl. zu ähnlichen Gestaltungen etwa MüKo-StGB/Hefendehl, 4. Aufl., § 263 Rn. 844, 848; zu den Fällen einer „streng formalen Betrachtungsweise“ im – hier nach , NVwZ 2024, 933; , NVwZ 2024, 274 allerdings nicht einschlägigen – Regelungsgefüge der gesetzlichen Krankenversicherung Rn. 22, BGHSt 65, 110; Beschluss vom – 5 StR 46/17 Rn. 44, NStZ-RR 2017, 313). Eine solche Sichtweise steht im Einklang mit der bislang ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung zur Erstattung von Testleistungen nach der TestV, die insoweit darauf verwiesen hat, dass im Medizinsektor die Abrechnung erbrachter Leistungen das Kernelement zur Kontrolle für die Leistungsträger darstelle, zu diesem Zweck streng formal geregelt und vom Leistungserbringer einzuhalten sei. Dabei könne ein Verstoß des Leistungserbringers gegen die Abrechnungsbestimmungen auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge haben. Entsprechend seien Vergütungsregelungen, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungs- oder Leistungsfällen vorgesehen sind, streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen auszulegen (vgl. ; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom – L 4 KR 549/22 B ER; ; VG Frankfurt, Beschluss vom – 5 L 2707/23.F).

36bb) Der Annahme eines kausal auf der Täuschung beruhenden Schadens stehen die öffentlich-rechtlichen Wirkungen der Zertifizierung – wie aufgezeigt (siehe a) cc) – nicht entgegen, insbesondere folgt danach nicht aus einer Tatbestandswirkung der Zertifizierung, dass dem Angeklagten ungeachtet der Identitätstäuschung jedenfalls für die erbrachten Testleistungen ein Anspruch gegen die KV B.       zugestanden hätte.

37cc) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte auch subjektiv von einem Schaden in voller Höhe der Erstattungsleistung ausging, auch soweit dieser Schaden bei tatsächlich durchgeführten Tests allein auf eine Identitätstäuschung zurückgeht. Entsprechende Schlüsse durfte die Strafkammer daraus ziehen, dass der Angeklagte die Abrechnungsregeln gezielt umging, was – ebenso wie seine bei den Zertifizierungen abgegebenen Erklärungen – deutlich macht, dass er diese Regeln kannte. Im Übrigen belegen auch die zahlreich festgestellten Doppelabrechnungen, welche durch den Wechsel von personenbezogenen zu betriebsbezogenen Abrechnungsnummern ermöglicht wurden, dass der Angeklagte gezielt Schwächen des Systems ausnutzte.

383. Es kommt danach nicht darauf an, dass die Feststellungen des Landgerichts zur Abrechnung einer überhöhten Anzahl von Testungen im Fall 54 der Urteilsgründe widersprüchlich sind und die Annahme einer Täuschung nicht zu begründen vermögen. In diesem Fall hat der Angeklagte C.      für die Teststelle in der Be.      straße 16 und den Monat Mai 2021 1.241 Testabstriche abgerechnet. Zugleich ist das Landgericht aber davon ausgegangen, dass in dieser Teststelle tatsächlich durchschnittlich 95 Testungen pro Tag durchgeführt wurden, was offensichtlich auch für den genannten Monat gelten soll, nachdem für diesen sogar Einzelfälle – wenn auch mangelhaft – durchgeführter Tests nachgewiesen wurden. Legt man dies zugrunde, so wären in der Teststelle – selbst bei einem Betrieb nur an fünf Tagen pro Woche – im fraglichen Monat 1.900 Testungen durchgeführt worden. Die in der Abrechnung genannte Anzahl bleibt dahinter zurück. Auf den Schuldspruch hat diese Divergenz jedoch keine Auswirkung, weil er schon dadurch getragen wird, dass der Angeklagte bei den Abrechnungen zu dieser Teststelle auch über seine Identität täuschte.

394. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, jede Abrechnung über das Portal der KV B.       bilde eine eigenständige Tat, weil für jedes einzelne Testcenter und jeden Monat eine neue Eingabemaske aufgerufen werden musste, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

IV.

40Der Strafausspruch bedarf allerdings teilweise der Korrektur, da das Urteil für die Taten 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe widersprüchliche Angaben zur Höhe des Betrugsschadens enthält. Diese Taten betreffen Abrechnungen, welche der Angeklagte C.      für die unter eigenem Namen betriebene Teststation in der B.   straße 31 und folglich ohne Identitätstäuschung einreichte. Dort wurden in den fraglichen Monaten – anders als im Fall 3, bei dem ein Monat ein zweites Mal abgerechnet wurde – tatsächlich Coronatests durchgeführt. Zu deren Anzahl hat die Strafkammer, teils unter Anwendung des Zweifelssatzes, Feststellungen getroffen und angenommen, dass dem Angeklagten hierdurch jeweils Erstattungsansprüche gegen die KV B.      entstanden sind. Deren Summe hat sie mit 63.879,03 Euro beziffert.

41Im Rahmen der Feststellungen zu den Taten 1, 2, 4 bis 7 hat das Landgericht den jeweiligen „Auszahlungsanspruch“ vom „Schaden“ abgezogen und daher bei einem Auszahlungsbetrag von 727.122,59 Euro einen um die genannten 63.879,03 Euro niedrigeren „Schaden gesamt“ von 663.243,56 Euro angenommen. Hierzu steht jedoch in Widerspruch, dass es im Rahmen seiner Zumessungserwägungen strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte insgesamt einen Schaden von 9.733.981,04 Euro verursacht habe. Denn dies übersteigt die – auch dem Ausspruch über die Einziehung entsprechende – Summe der für die Einzeltaten festgestellten Schäden von 9.670.102,01 Euro um 63.879,03 Euro und schließt damit genau jenen Betrag ein, welchen die Strafkammer für den angenommenen Erstattungsanspruch angesetzt hat.

42Die Urteilsgründe lassen dabei nicht erkennen, ob der Strafkammer insoweit ein bloßes Fassungsversehen unterlaufen oder aber in rechtlicher Hinsicht unklar geblieben ist, in welcher Höhe ein Betrugsschaden besteht. Dies gilt auch, soweit bei der Zumessung der Einzelstrafen ausdrücklich die „Anzahl der im betreffenden Fall jeweils tatsächlich durchgeführten Testungen“ berücksichtigt wurde, denn damit kann wegen dieser Leistungen schon ein Betrugsschaden verneint oder aber lediglich strafmildernd eine Schadenskompensation berücksichtigt worden sein.

43Insgesamt bleibt damit für die genannten Taten offen, welcher Schuldumfang bei Zumessung der Einzelstrafen zugrunde gelegt worden ist. Sollte hier der auf die tatsächlich durchgeführten Testleistungen entfallende Erstattungsbetrag mit einbezogen worden sein, so wäre der Angeklagte hierdurch beschwert. Denn auch wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Angeklagte – auch bei den Taten 1, 2, 4 bis 7 – noch über andere Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs wie die ordnungsgemäße Durchführung und Dokumentation der Testleistungen täuschte (siehe oben), so hat das Landgericht hierzu keine Feststellungen getroffen. Ein Erstattungsanspruch scheidet zwar aus, sobald eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt ist, jedoch begründet dies nur dann einen Betrugsschaden, wenn insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 StGB erfüllt sind, was insbesondere eine Täuschung über die fragliche Anspruchsvoraussetzung erfordert.

V.

44Die Einzelstrafen für die Taten 1, 2, 4 bis 7 können daher nicht bestehen bleiben. Ihr Wegfall entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Hierüber muss neu entschieden werden, wozu es widerspruchsfreier Feststellungen zum Schadensumfang bedarf. Da für den Betrag des angenommenen Erstattungsanspruchs keine Einziehung des Wertes von Taterträgen ausgesprochen wurde, weist das Urteil insoweit dagegen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.

B. Revision der Angeklagten W.     

45Die Revision der Angeklagten W.       führt, soweit es sie betrifft, zur Aufhebung des Urteils samt der Feststellungen.

I.

46Zur Beteiligung der Angeklagten W.       hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

47Bereits vor dem Zeitraum der hier abgeurteilten Betrugstaten des Angeklagten C.       hatte seine Schwester, die Angeklagte W.     , mehrere Bankkonten eröffnet und ihrem Bruder die ausschließliche Nutzung gestattet, indem sie ihm die Girokarten und PIN überlies und ihm den Zugang zum Online-Banking gewährte. Auf einzelne dieser Konten wurden durch die KV B.       in 17 Fällen die Vergütungen überwiesen. Von der Einrichtung der Teststellen und der teilweisen Aufnahme der Testtätigkeit in den Spätkaufgeschäften erlangte die Angeklagte W.       im Frühjahr 2021 Kenntnis.

48Zwischen dem und dem hob die Angeklagte in elf Fällen jeweils auf Bitte des Angeklagten C.     unter persönlicher Vorsprache in der Bank Bargeld von den Konten ab, insgesamt 550.000 Euro, und händigte dieses jeweils unmittelbar nach der Auszahlung an ihren Bruder aus.

49Der Angeklagte C.      teilte seiner Schwester mit, dass die Abhebungen in Zusammenhang mit dem Betrieb der Corona-Testzentren stünden. Wenngleich die Angeklagte W.       die Höhe der Auszahlungen verdächtig fand und es für möglich hielt, dass das abgehobene Geld zuvor auf illegalem Weg durch den Teststellenbetrieb auf die Konten gelangt war, was sie auch billigend in Kauf nahm, veranlasste sie die verlangten Auszahlungen zugunsten ihres Bruders und gestattete diesem weiterhin die Nutzung der Bankkonten für seine Geschäfte.

50Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich die Angeklagte W.      „durch die Veranlassung der Bargeldauszahlungen und die Bereitstellung ihrer Konten“ sowie durch die „Gestattung der Verwendung ihrer Personalien zum Betrieb der Teststellen“ einer Beihilfe zum Betrug in den 17 Fällen schuldig gemacht hat, in denen die Gelder auf ihren Konten eingingen. Da ihr Tatbeitrag nicht spezifisch einer konkreten Tat des Angeklagten C.      zugeordnet werden könne, sondern sich auf mehrere seiner Taten bezogen habe, sei bei ihr trotz mehrerer Unterstützungshandlungen nur von einer Tat der Beihilfe auszugehen.

II.

51Die Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Für die Handlungen der Angeklagten, in denen die Strafkammer eine Unterstützung der Haupttaten ihres Bruders erblickt hat, ist eine Beihilfe überwiegend schon objektiv nicht belegt. Zudem fehlt es durchgehend an Feststellungen zum erforderlichen Gehilfenvorsatz.

521. Soweit das Landgericht in der Gestattung der Verwendung ihrer Personalien sowie in der Mitwirkung an den Bargeldauszahlungen Unterstützungshandlungen der Angeklagten erblickt hat, vermögen diese zumindest auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug nicht zu begründen.

53a) Hinsichtlich der „Gestattung der Verwendung ihrer Personalien zum Betrieb der Teststellen“ ist ein aktives Handeln der Angeklagten nicht festgestellt, insbesondere auch kein Bestärken des Angeklagten C.      im Sinne einer psychischen Beihilfe. Die Strafkammer hat hier vielmehr darauf abgestellt, dass die Angeklagte insoweit eine Abrechnung tatsächlich nicht durchgeführter Corona-Tests gebilligt habe, „ohne den Angeklagten C.      aufzufordern, die weitere Verwendung ihrer Personalien für den Teststellenbetrieb zu unterlassen“. Hierdurch habe sie ihm bewusst die Möglichkeit weiterer wahrheitswidriger Abrechnungen gewährt. Damit wird der Angeklagten aber ein Unterlassen zur Last gelegt, dessen Strafbarkeit nach § 13 Abs. 1 StGB eine Garantenstellung voraussetzt. Inwiefern eine solche hier bestanden haben könnte, ist nicht dargelegt. Eine gegenüber den kontoführenden Banken vertragswidrige Weitergabe von Kontounterlagen hat allein noch keine Pflicht zur Folge, Straftaten des Empfängers gegenüber Dritten zu verhindern.

54b) Hinsichtlich der Mitwirkung an den Bargeldauszahlungen ist zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Abhebungen von den Konten die Zahlungen der KV B.       dort zwangsläufig bereits gutgeschrieben worden waren. Die Betrugstaten waren folglich bereits beendet, da der jeweils angestrebte Vermögensvorteil beim Angeklagten C.     schon endgültig eingetreten war (vgl. nur Rn. 24; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 263 Rn. 201). Denn nach den Feststellungen hatte dieser ungehinderten Zugriff auf die Konten der Angeklagten. Dem steht das Erfordernis des persönlichen Erscheinens des Kontoinhabers bei hohen Bargeldabhebungen – vorliegend war dies nach den Angaben der Angeklagten bei Überschreitung einer Betragsgrenze von 1.000 Euro notwendig – nicht entgegen, da dem Angeklagten C.      auch Verfügungen via Online-Banking oder durch Nutzung der Girokarten möglich waren. Im Übrigen verlagert sich der Zeitpunkt der Beendigung einer Betrugstat nicht dadurch nach hinten, dass ein Vermögensvorteil nach seiner endgültigen Erlangung noch tatplangemäß innerhalb einer Tätergruppierung verschoben werden soll ( Rn. 24). Da eine Beihilfe nach Beendigung der Haupttat ausscheidet, wird für die Bargeldabhebungen der Angeklagten eine Strafbarkeit jedenfalls unter dem Blickwinkel einer Begünstigung gemäß § 257 StGB (vgl. hierzu Rn. 5) oder einer Geldwäsche (§ 261 StGB) zu prüfen sein.

552. Die Urteilsgründe ergeben zudem für keine der angenommenen Unterstützungshandlungen, dass die Angeklagte W.      zu den Haupttaten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB vorsätzlich Hilfe geleistet hätte. Solches setzt voraus, dass der Gehilfe in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern (vgl. nur mwN). Im Urteil wurde jedoch im Unklaren belassen, wann genau die Angeklagte Kenntnis von den (geplanten) Haupttaten erlangte. Bei den als Unterstützung der Haupttaten gewerteten Handlungen ist daher offen, ob zum jeweiligen Zeitpunkt bereits Vorsatz bestand.

56So ist das Landgericht hinsichtlich der „Bereitstellung ihrer Konten“ – der Einlassung der Angeklagten W.      folgend – sogar davon ausgegangen, dass sie die Konten bereits einige Jahre vor den Taten und der Corona-Pandemie eröffnete und ihrem Bruder schon zu diesem Zeitpunkt alle Girokarten, die zugehörigen PIN und die Zugangsdaten zum Online-Banking überlassen hatte. Inwiefern die allein durch die Pandemie ermöglichten Haupttaten zu diesem Zeitpunkt bereits geplant gewesen sein und die Angeklagte hiervon Kenntnis gehabt haben könnte, ist nicht ersichtlich.

57Für die Zeitpunkte der Bargeldabhebungen ist ein Gehilfenvorsatz der Angeklagten ebenso wenig belegt. Sie hat angegeben, dass ihr „im Sommer 2021“ deutlich erhöhte Bargeldauszahlungen von den auf ihren Namen geführten Konten aufgefallen seien und sie es für möglich gehalten habe, dass das abgehobene Geld zuvor auf illegalem Weg durch den Teststellenbetrieb auf die Konten gelangt sei. Ob damit ein bedingter Vorsatz bei allen, schon ab dem einsetzenden Abhebungen bestand, bleibt offen. Die gleiche Unklarheit besteht auch, unabhängig von der Problematik der Anknüpfung an ein Unterlassen, für die „Gestattung“ der Verwendung der Personalien der Angeklagten zum Betrieb der Teststellen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:041224B5STR498.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-84849