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BGH Beschluss v. - II ZA 5/24

Instanzenzug: Az: 23 U 97/21vorgehend Az: 104 O 19/15

Gründe

I.

1Das Kammergericht hat die Berufung der Nebenintervenientin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, gegen das Schlussurteil des Landgerichts Berlin II vom (Az. 104 O 19/15), mit dem die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlungen der Beklagten vom und vom über die Einziehung der Geschäftsanteile des zwischenzeitlich verstorbenen Klägers              S.                 für nichtig erklärt wurden, mit Beschluss vom zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat es der Nebenintervenientin auferlegt. Den im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom gestellten Antrag der Nebenintervenientin, gemäß § 712 ZPO die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat das zurückgewiesen. Durch ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten hat die Nebenintervenientin Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem für die Dauer des Prozesskostenhilfeverfahrens gemäß § 719 Abs. 2 ZPO analog beantragt.

II.

21. Der Antrag der Nebenintervenientin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bleibt ohne Erfolg.

3a) Der Antrag der Nebenintervenientin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 544 Abs. 7 Satz 2, § 719 Abs. 2 ZPO ist unzulässig, weil er entgegen § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt worden ist. Der Antrag unterliegt auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren dem Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO (st. Rspr.; vgl. nur , WM 2004, 2370 unter II. 1.; Beschluss vom - VIII ZR 145/04, WuM 2004, 416 unter II. 1.; Beschluss vom - III ZA 7/08, juris; Beschluss vom - XII ZA 30/09, JurBüro 2010, 53 Rn. 3; Beschluss vom - IV ZA 23/10, juris; Beschluss vom - XI ZA 12/11, MDR 2012, 1432 Rn. 2; Beschluss vom26. September 2018 - VIII ZR 290/18, NJW-RR 2019, 72 Rn. 3; Beschluss vom - XI ZR 547/17, juris Rn. 5; Beschluss vom - VIII ZA 27/22, WuM 2023, 303 Rn. 4).

4Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Partei für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat (vgl. , WuM 2004, 416 unter II. 1.; Beschluss vom - III ZA 7/08, juris; Beschluss vom - XII ZA 30/09, JurBüro 2010, 53 Rn. 3; Beschluss vom - IV ZA 23/10, juris; Beschluss vom  - XI ZA 12/11, MDR 2012, 1432 Rn. 2; Beschluss vom  - VIII ZR 290/18, NJW-RR 2019, 72 Rn. 4; Beschluss vom  - VIII ZA 27/22, WuM 2023, 303 Rn. 5). Aus § 78 Abs. 3 ZPO ergibt sich keine Ausnahme von dem vorbezeichneten Anwaltszwang, da diese Vorschrift über das Prozesskostenhilfeverfahren hinaus nicht auch den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung umfasst (vgl. , WuM 2004, 416 unter II. 1.; Beschluss vom - V ZA 4/04, WM 2004, 2370 unter II. 1.; Beschluss vom  - XII ZA 30/09, JurBüro 2010, 53 Rn. 3; Beschluss vom  - XI ZA 12/11, MDR 2012, 1432 Rn. 2; Beschluss vom - VIII ZR 290/18, NJW-RR 2019, 72 Rn. 4; a.A. Zöller/Althammer, ZPO, 35. Aufl., § 78 Rn. 28; Vollkommer, MDR 2012, 1432, 1433).

5b) Ob das Begehren der Nebenintervenientin deshalb als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für die Stellung eines Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auszulegen ist (vgl. , juris Rn. 3 mwN) und ob die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung über den Wortlaut von § 544 Abs. 7 Satz 2 ZPO und § 719 Abs. 2 ZPO hinaus zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bereits während der Dauer des Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde zulässig sein kann (ablehnend , juris Rn. 19; offengelassen in , juris Rn. 3; Beschluss vom - VIII ZR 290/18, NJW-RR 2019, 72 Rn. 5; Beschluss vom - VIII ZA 6/23, juris Rn. 7; Beschluss vom  - VIII ZA 27/22, WuM 2023, 303 Rn. 6; Beschluss vom - V ZA 3/23, juris Rn. 2), bedarf keiner Entscheidung, da der Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen ist.

62. Der Prozesskostenhilfeantrag ist unbegründet. Die Nebenintervenientin hat nicht dargelegt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.

7a) Eine inländische juristische Person oder parteifähige Vereinigung erhält gemäß § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Durch dieses Erfordernis soll verhindert werden, dass mittellose Verbändeeigene wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verwirklichen. Es trägt den besonderen Verhältnissen der juristischen Personen und rechtsfähigen Vereinigungen Rechnung, die eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung nur dann besitzen, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen (, ZIP 2011, 540 Rn. 9; Beschluss vom - IX ZB 77/14, ZIP 2015, 648 Rn. 8; Beschluss vom - II ZR 56/18, NZI 2019, 764 Rn. 7; Beschluss vom - II ZR 224/20, ZInsO 2022, 143 Rn. 7).

8Der Anwendungsbereich des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO beschränkt sich mithin auf Sachverhalte, die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können (, BGHZ 25, 183, 185;Beschluss vom - X ZR 23/85, WM 1986, 405, 406; Beschluss vom - II ZR 56/18, NZI 2019, 764 Rn. 8; Beschluss vom - II ZR 224/20, ZInsO 2022, 143 Rn. 8). Ein allgemeines Interesse im Sinne dieser Vorschrift kann angenommen werden, wenn außer den an der Führung des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in Mitleidenschaft gezogen würde, die Vereinigung gehindert würde, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhinge, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht (, ZIP 2011, 540 Rn. 10; Beschluss vom - IX ZB 77/14, ZIP 2015, 648 Rn. 9; Beschluss vom - II ZR 56/18, NZI 2019, 764 Rn. 8; Beschluss vom - II ZR 224/20, ZInsO 2022, 143 Rn. 8). Diese Voraussetzungen können auch erfüllt sein, wenn eine erfolgreiche Rechtsverfolgung die Befriedigung einer Vielzahl von Kleingläubigern ermöglichen würde (vgl. BGH, Beschluss vom5. November 1985 - X ZR 23/85, WM 1986, 405, 406; Beschluss vom - VIII ZR 87/90, ZIP 1990, 1565; Beschluss vom - II ZR 56/18, NZI 2019, 764 Rn. 8; Beschluss vom - II ZR 224/20, ZInsO 2022, 143 Rn. 8).

9b) Im Streitfall ist nicht, wie erforderlich (vgl. , MDR 2019, 660 Rn. 14), dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass ohne die beabsichtigte Rechtsverteidigung allgemeine Interessen gefährdet wären. Die von der Nebenintervenientin zur Begründung angeführten Umstände, dass andernfalls, entsprechend ihrer Darstellung, der Mehrheitsgesellschafter nur deswegen gewinnen würde, weil er die Beklagte "ausgeplündert", den Minderheitsgesellschaftern dadurch die Ausschüttung von Gewinnen verweigert habe und sie nach Belieben mit Prozessen vor sich "hertreibe", begründen das Vorliegen allgemeiner Interessen nicht. Die (Minderheits-)Gesellschafter der Beklagten wären danach nicht als Träger allgemeiner Interessen in Mitleidenschaft gezogen, sondern es sind nur wirtschaftliche Interessen Einzelner angesprochen, die die Nebenintervenientin aus eigener Kraft verfolgen können muss.

Born                       Wöstmann                       Bernau

              V. Sander                          Adams

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:220125BIIZA5.24.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-84461