Instanzenzug: LG Verden Az: 10 KLs 12/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung einer früher gegen ihn verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt sowie eine Kompensations- und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen fasste der Angeklagte spätestens im März 2020 den Entschluss, zur Verbesserung seiner finanziellen Situation künftig gewinnbringend mit Betäubungsmitteln zu handeln. Ende März/Anfang April 2020 verkaufte er ein kokainhaltiges Substanzgemisch mit einer Wirkstoffmenge von 129,31 Gramm Kokainhydrochlorid an seinen Abnehmer S. (Fall III.1 der Urteilsgründe). Ende April/Anfang Mai 2020 verkaufte er drei Kilogramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 150 Gramm Amphetaminbase und ein Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 130 Gramm THC an unbekannte Abnehmer. Durch den Verkauf des Amphetamins, bei dem ihm ein Fahrer behilflich war, erzielte er einen Gewinn von 600 Euro, den er zu gleichen Teilen zwischen sich und dem Fahrer aufteilte (Fall III.2 der Urteilsgründe). Im Mai 2020 erwarb der Angeklagte ein Kilogramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 765 Gramm Kokainhydrochlorid und zwei Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens260 Gramm THC. Das Kokain war zur Hälfte für einen anderen Betäubungsmittelhändler bestimmt. Den auf ihn entfallenden Anteil verkaufte der Angeklagte ebenso wie das Marihuana an unbekannte Abnehmer (Fall III.3 der Urteilsgründe). Ende Januar 2021 beauftragte er seinen Fahrer damit, 3.935,89 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 763,97 Gramm THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf auszuliefern bzw. zu lagern (Fall III.4 der Urteilsgründe).
32. Der Schuldspruch ist in den Fällen III.2 bis 4 der Urteilsgründe zu ändern, weil am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG, BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten ist, das den Umgang mit Konsumcannabis abschließend regelt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130) und gemäß § 2Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO als das hier mildere Gesetz bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen ist. Danach ist der Angeklagte in den Fällen III.2 und 3 der Urteilsgründe jeweils des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) und im Fall III.4 der Urteilsgründe des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) schuldig.
4Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Das Vorliegen des Regelbeispiels im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen, weil es sich um eine Strafzumessungsregel handelt (vgl. , Rn. 3 mwN).
53. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
6a) Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen III.2 bis 4 der Urteilsgründe. Auch wenn die Strafen in den Fällen III.2 und 3 der Urteilsgründe wiederum aus den Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes zu bemessen sein werden, kann der Senat angesichts des deutlich milderen Strafrahmens des § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG und der erheblichen Menge des Marihuanas nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des neuen Rechts von einem geringeren Schuldumfang ausgegangen wäre und auf mildere Strafen erkannt hätte. Im Fall III.4 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Strafe zwar in Anbetracht des bevorstehenden Inkrafttretens des KCanG dem für minder schwere Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vorgesehenen Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG entnommen, der demjenigen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG entspricht. Auch insoweit vermag der Senat aber nicht auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
7b) Im Fall III.1 der Urteilsgründe hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe sich nicht zu der Frage verhalten, ob der gesetzlich vertypte Strafmilderungsgrund des § 31 BtMG vorliegt. Dazu bestand Anlass, weil das Landgericht zugunsten des Angeklagten gewertet hat, dass er „durch die namentliche Benennung einiger weiterer Beteiligter“ in „besonderem Maße Aufklärungshilfe“ geleistet habe.
8c) Die Aufhebung der Strafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen, die von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind, können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden. Die Kompensationsentscheidung bleibt unberührt.
94. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen bedarf der Ergänzung um die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass der Angeklagte im Fall III.2 der Urteilsgründe den durch den Verkauf des Amphetamins erzielten Gewinn in Höhe von 600 Euro zu gleichen Teilen zwischen sich und seinem Fahrer aufteilte. In Höhe von 300 Euro haftet er mithin als Gesamtschuldner, was im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. , Rn. 2).
105. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass es ohne nähere Erläuterung rechtlich nicht unbedenklich erscheint, im Rahmen der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er „überregional tätig“ gewesen sei. Eine dadurch bedingte Steigerung des Unrechts- und Schuldgehalts der Taten erschließt sich nicht ohne Weiteres.
Bartel Feilcke Tiemann
von Schmettau Arnoldi
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:041224B6STR452.24.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-84397