Instanzenzug: LG Schwerin Az: 34 KLs 9/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit „unerlaubten Mitführens eines Schlagrings und eines Springmessers“ und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und eine Fahrerlaubnissperre verhängt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem zugunsten des Angeklagten geführten Rechtsmittel die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen und die Einziehung sichergestellten Bargeldes.
I.
2Die Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, zur Aufhebung des Strafausspruchs und zu einer teilweisen Aufhebung der Einziehungsentscheidung (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
31. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4a) Der Angeklagte handelte im Zeitraum von Oktober 2022 bis März 2023 insbesondere mit Marihuana. An seinen Abnehmer N. verkaufte er am ein Kilogramm und am weitere 200 Gramm Marihuana (Fälle III.1 und 2 der Urteilsgründe). Am und Mitte Januar 2023 erhielt er von seinem Lieferanten jeweils sechs Kilogramm Marihuana, die er jeweils kurze Zeit später vollständig gewinnbringend weiterverkaufte (Fälle III.3 und 4 der Urteilsgründe). Am verkaufte er 50 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 6,45 Gramm THC an eine Abnehmerin (Fall III.5 der Urteilsgründe). Im Zuge seiner Festnahme am konnten in dem von ihm – ohne Fahrerlaubnis – geführten Fahrzeug neben etwa 80 Gramm Amphetamin auch 1.197 Gramm Marihuana und 0,1 Gramm Kokain sichergestellt werden; auf dem Beifahrersitz lag zugriffsbereit ein Schlagring mit integriertem Messer, der ihm ebenso wie das in der Hosentasche mitgeführte Springmesser zur Absicherung seiner Drogengeschäfte diente. In den von ihm unterhaltenen Wohnungen konnten weitere zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Betäubungsmittel aufgefunden werden, namentlich mehr als ein Kilogramm Amphetamin, etwa 4.500 Gramm Marihuana, 270 Gramm Haschisch, knapp zwei Kilogramm Ecstasy, 455 Gramm Kokain, 77 Gramm Methamphetamin und 50 Gramm psilocybinhaltige Pilze (Fall III.6 der Urteilsgründe).
5b) Das Landgericht hat die Fälle III.1 bis 4 der Urteilsgründe jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und Fall III.5 der Urteilsgründe als gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bewertet (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG); Fall III.6 der Urteilsgründe hat es als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit „unerlaubten Mitführens eines Schlagrings und eines Springmessers“ sowie mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gewürdigt (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG, § 21 StVG, § 52 StGB).
62. Der Schuldspruch bedarf der Korrektur.
7a) Der Senat hat im Fall III.6 der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Gesetzesverletzung des Führens eines verbotenen Gegenstandes (Springmesser) nach § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.1. zum WaffG aus prozessökonomischen Gründen von der Verfolgung ausgenommen. Dies führt im Fall III.6 der Urteilsgründe zu einer Änderung des Schuldspruchs dahin, dass die tateinheitliche Strafbarkeit wegen Führens eines verbotenen Gegenstandes (Springmesser) entfällt.
8b) Der Schuldspruch bedarf auch im Übrigen der Korrektur. Das Handeltreiben des Angeklagten bezog sich in den Fällen III.1 bis 5 der Urteilsgründe auf Marihuana und im Fall III.6 der Urteilsgründe daneben auch auf Kokain, Amphetamin, Ecstasy und MDMA. Soweit sich die Tathandlungen damit (auch) auf Cannabis bezogen, unterfallen diese nach dem seit dem geltenden Konsumcannabisgesetz (BGBl. I 2024 Nr. 109) der Strafvorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KCanG (Fälle III.1 bis 5 der Urteilsgründe) und des § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG (Fall III.6 der Urteilsgründe).
9Dies hat der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, weil sich diese Strafdrohungen hier als milder erweisen als diejenige des vom Landgericht in den Fällen III.1 bis 4 der Urteilsgründe zur Anwendung gebrachten § 29a Abs. 1 BtMG und des im Fall III.5 der Urteilsgründe angewendeten § 29 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG. Dies gilt auch für Fall III.6 der Urteilsgründe. Zwar bleibt es insoweit bei einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG; die Wirkstoffanteile des zum Verkauf bestimmten Kokains, Amphetamins und MDMA überschritten jeweils die Grenzwerte der nicht geringen Menge. Hinzu tritt das bewaffnete Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG). Obgleich diese Straftatbestände – auch mit dem Waffen- und dem Verkehrsdelikt – im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander stehen und die Strafe dem Strafrahmen des § 30a Abs. 1 und 2 BtMG und nicht dem nach § 34 Abs. 4 KCanG eröffneten Strafrahmen zu entnehmen ist (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB), erweist sich die neue Rechtslage auch hier als milder. Denn die Herausnahme von Marihuana aus der Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und die gesonderte Erfassung des Cannabis durch eine (tateinheitliche) Bestrafung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG lässt aufgrund des geringeren Schuldgehalts von Taten nach dem Konsumcannabisgesetz grundsätzlich Raum für eine mildere Bestrafung (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 159/24; vom – 6 StR 374/24; vom – 6 StR 365/24; vom – 6 StR 425/24).
10c) Der Schuldspruch ist entsprechend § 354 Abs. 1 i.V.m. § 354a StPO in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zu ändern. Dem steht die Vorschrift des § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
113. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage niedrigere Strafen verhängt hätte. Dies entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
124. Die Einziehungsentscheidung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
13a) Die Einziehung des Kraftfahrzeugs und dazugehöriger Fahrzeugpapiere und -schlüssel ist nicht tragfähig begründet und deshalb aufzuheben.
14aa) Nach § 74 Abs. 1 StGB können Tatmittel eingezogen werden. Den Urteilsgründen muss indes grundsätzlich zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 452/18; vom – 3 StR 415/21; vom – 3 StR 128/22; vom – 6 StR 276/23, Rn. 52 ff.).
15bb) Hieran fehlt es. Weder lässt sich den Urteilsgründen eine Ermessensausübung entnehmen noch war mit Blick auf die konkreten Umstände eine nähere Begründung entbehrlich (vgl. ). Es ist auch nicht auszuschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass die Strafkammer bei einer Ermessensausübung eingedenk des – bislang nicht festgestellten – Wertes des Pkw zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (vgl. zu Sonderkonstellationen etwa ).
16b) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB und des sichergestellten Bargeldes hat ebenfalls keinen Bestand; die Urteilsausführungen zu ihrer Begründung leiden unter durchgreifenden Darstellungsmängeln.
17aa) Das Landgericht hat in seine Berechnung der erlangten Taterträge Beträge eingestellt, die mit den festgestellten Taterträgen in den Fällen III.1 bis 6 der Urteilsgründe nicht vollständig übereinstimmen. Bei der Addition dieser (falschen) Beträge sind der Strafkammer zudem – wie vom Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend aufgezeigt – Rechenfehler unterlaufen. Soweit die Strafkammer von der auf diese Weise rechtsfehlerhaft ermittelten Summe des Erlangten den Wert des beim Angeklagten sichergestellten Bargeldes in Höhe von 13.320,76 Euro abgezogen hat, ist dieser Betrag – auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe – nicht nachvollziehbar belegt.
18bb) Im Übrigen vermag der Senat nicht zweifelsfrei nachzuvollziehen, auf welche Rechtsgrundlage das Landgericht die Einziehungsentscheidung betreffend das sichergestellte Bargeld in Höhe von 13.320,76 Euro gestützt hat. Das Landgericht nennt §§ 73, 73a und § 74 StGB, ohne dass sich den Urteilsgründen entnehmen ließe, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die betroffenen Gegenstände der Einziehung unterliegen sollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 46/22, Rn. 7 mwN; vom – 4 StR 450/23).
19cc) Der Senat hebt die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen und die gesondert ausgewiesene Einziehung des sichergestellten Bargeldes insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht – unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) – insoweit eine in sich stimmige Entscheidung zu ermöglichen. Die Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzungen sind möglich, soweit sie den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.
II.
20Die allein zugunsten des Angeklagten geführte und wirksam auf die Aussprüche über die Einziehung des Wertes von Taterträgen und die Einziehung sichergestellten Bargeldes beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist im Anfechtungsumfang begründet.
211. Der beschränkte Rechtsmittelangriff ist – ungeachtet des weitergehenden Aufhebungsantrags – der Revisionsbegründung eindeutig zu entnehmen (vgl. Nr. 156 Abs. 2 RiStBV). Die Beschränkung auf den Einziehungsausspruch und innerhalb dessen auf die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB und die Einziehung sichergestellten Bargeldes ist auch wirksam; insoweit ist eine getrennte Überprüfung des angefochtenen vom nicht angefochtenen Entscheidungsteil möglich (vgl. , Rn. 6).
222. Die Revision hat im Umfang der Anfechtung aus den vorstehend unter I.4 b) dargelegten Gründen auch in der Sache Erfolg.
III.
23Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
241. Das neue Tatgericht wird bei seiner Strafbemessung näher als bislang geschehen in den Blick zu nehmen haben, dass Amphetamin nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, weshalb die Gefährlichkeit des Stoffes keinen Strafschärfungsgrund darstellt (vgl. etwa , Rn. 13 mwN; Beschluss vom – 6 StR 3/24, Rn. 3).
252. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht die Einziehung des Pkw Audi A5 in Betracht ziehen, wird es zu berücksichtigen haben, dass eine Maßnahme nach § 74 StGB den Charakter einer Nebenstrafe hat und damit eine Strafzumessungsentscheidung darstellt. Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 288/22; vom – 6 StR 276/23).
263. Das neue Tatgericht wird die Voraussetzungen des § 35 KCanG eingehender als bislang geschehen zu prüfen und darzulegen haben. Insbesondere wird zu berücksichtigen sein, dass einem Aufklärungserfolg auch dann noch wesentliches Gewicht für die Aufklärung von Taten anderer Beteiligter zukommen kann, wenn hierdurch wichtige Tatsachen oder Beweise kundgetan werden oder den bereits vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage verschafft wird (vgl. zu § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 586/18, Rn. 9; vom – 1 StR 413/19, Rn. 9).
Bartel Feilcke Wenske
Fritsche von Schmettau
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:151024B6STR355.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-84396