Instanzenzug: Az: 2 StR 471/23 Beschlussvorgehend Az: 2 StR 471/23 Beschlussvorgehend Az: 108 KLs 24/21
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt.
2Mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Schuldspruch, dessen Erweiterung sie erstrebt, sowie den Strafausspruch und die Freisprüche in den Fällen 1 bis 5, 7 und 14 der Anklageschrift. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.
I.
31. Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen und Wertungen zugrunde:
4a) Die gesondert Verfolgten A. und R. waren Mitglieder einer Bande, die Kokaintransporte im zweistelligen Kilogrammbereich von den Niederlanden nach Großbritannien organisierte und durchführte. Nach dem in allen Fällen im Wesentlichen gleichförmig umgesetzten Tatplan ließen sie das Kokain jeweils in einem Pferdetransporter zusammen mit als Tarnladung mitgeführten Reitpferden auf dem Seeweg von Ro. oder von H. nach Ha. bringen, wobei sie sich verschiedener, mit bestimmten Aufgabenbereichen betrauter Beteiligter bedienten. Die Pferde wurden zunächst von einem Gestüt in M. mit einem Kleintransporter in die Niederlande gebracht, wo sie in einen von A. und R. zuvor erworbenen und zu einem Pferdetransporter umgebauten LKW, in dem sich das Versteck für die Drogen befand, umgeladen und von wo sie sodann mit dem Rauschgift zu einem Pferdehof in der Nähe von I. (Südengland) transportiert wurden. Anschließend wurde der Transporter zur Übergabe des Kokains an einen unbekannten Ort gebracht, während die Pferde auf dem Hof verblieben. Nach Rückkehr des LKW traten die jeweils am Transport beteiligten Personen in der Regel noch am Nachmittag des Ankunftstages die Rückreise an, wobei die Pferde nach der Fährfahrt wieder in einen Kleintransporter umgeladen und zurück nach M. gebracht wurden.
5Vor diesem Hintergrund kam es im Zeitraum von Herbst 2015 bis Frühjahr 2016 zu insgesamt 22 Drogentransporten (Fälle 1 bis 22 der Anklageschrift), bei denen jeweils 50 Kilogramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 75 Prozent Kokainhydrochlorid nach Großbritannien transportiert und dort dem gewinnbringenden Verkauf zugeführt wurden. Anlässlich einer letzten Transportfahrt (Fall 23 der Anklageschrift) stellten die britischen Zollbehörden bei der Einreise in Ha. anlässlich einer Kontrolle des Fahrzeugs rund 84 Kilogramm Kokain mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 81,49 Prozent Kokainhydrochlorid sicher.
6b) An diesen Taten beteiligte sich teilweise auch die in die Bandenstruktur eingebundene Angeklagte, die mit R. im Tatzeitraum eine Liebesbeziehung unterhielt. Soweit die Angeklagte verurteilt worden ist, handelt es sich im Einzelnen um die folgenden Fälle:
7aa) Im Verlauf des (Fall 15 der Anklageschrift) transportierten die Angeklagte und ein weiterer als Fahrer eingesetzter Beteiligter mit einem Kleintransporter zwei Pferde von M. nach H. . Nach Umladung der Pferde in den mit dem Kokain versehenen LKW reisten sie weiter zu dem Reiterhof. Dort brachte die Angeklagte gemeinsam mit dem vor Ort anwesenden A. den LKW zur Übernahme des Rauschgifts zu einem unbekannt gebliebenen Hintermann beziehungsweise zu dessen Mittelsleuten. Nach Rückkehr des Transporters lud die Angeklagte die Pferde ein und brachte diese gemeinsam mit dem Fahrer zurück nach M. .
8bb) Am (Fall 20 der Anklageschrift) begleitete die Angeklagte unter Nutzung eines separaten Fahrzeugs einen weiteren Drogentransport. In Südengland brachte sie den Transporter an einen unbekannten Ort, an dem die Übergabe des Rauschgifts an die Hintermänner erfolgte. Anschließend trat sie zusammen mit weiteren Beteiligten in dem LKW sowie den zu Tarnzwecken transportierten Pferden die Rückreise an, während das von ihr zur Hinfahrt genutzte Fahrzeug – wie von vorneherein beabsichtigt – in England verblieb.
9cc) Am (Fall 22 der Anklageschrift) transportierten die Angeklagte und ein Fahrer auf Geheiß von R. und A. erneut Kokain zu dem in der Nähe von I. gelegenen Reiterhof. Neben der Koordination der Übergabe des LKW mit den Betäubungsmitteln war die Angeklagte bei dieser Fahrt auch für die Versorgung der Pferde und deren Um- und Ausladen zuständig.
10dd) Bei einem am (Fall 23 der Anklageschrift) von der Angeklagten gemeinsam mit weiteren Beteiligten durchgeführten Drogentransport sollte diese auch die – übliche – Übergabe der Drogen an den Hintermann organisieren. Wie in den vorangegangenen Fällen wurden zwei Pferde mit einem Kleintransporter zunächst von M. nach H. gebracht, wo sie auf einem Parkplatz in den für den Drogentransport genutzten LKW umgeladen wurden. Nachdem die von der Angeklagten und weiteren Beteiligten zur Weiterreise genutzte Fähre am nächsten Tag Ha. erreicht hatte, fanden Beamte der britischen Grenzschutzbehörde bei einer Kontrolle des Fahrzeugs das Drogenversteck und stellten das Kokain sicher.
112. Darüber hinaus lag der Angeklagten mit zugelassener Anklageschrift zur Last, sich in sieben weiteren Fällen (Fälle 1 bis 5, 7 und 14 der Anklageschrift) an von den gesondert Verfolgten R. und A. durchgeführten Drogentransporten beteiligt zu haben.
12a) Im Einzelnen habe die Angeklagte, die von Anfang an in die Gruppierung um R. und A. eingebunden gewesen sei, am (Fall 1 der Anklageschrift), am (Fall 2 der Anklageschrift), am (Fall 3 der Anklageschrift), am (Fall 4 der Anklageschrift), am (Fall 5 der Anklageschrift) und am (Fall 7 der Anklageschrift) gemeinsam mit R. , der zu Überwachungszwecken mittels Mobiltelefon in Kontakt zu den übrigen Tatbeteiligten gestanden habe, die Rauschgifttransporte in einem weiteren Fahrzeug begleitet und sich dabei auch um den Transport der Pferde gekümmert. Zudem habe sie am (Fall 14 der Anklageschrift) im Rahmen eines weiteren von R. und A. organisierten Drogentransports die als Tarnladung genutzten Pferde von M. in die Niederlande gebracht.
13b) Von diesen Vorwürfen hat das Landgericht die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach den getroffenen Feststellungen begleitete diese R. zwar bei den sechs in der Zeit vom bis zum durchgeführten Fahrten und brachte darüber hinaus am zwei Pferde zum Weitertransport nach Großbritannien von M. in die Niederlande. Indes vermochte sich das Landgericht nicht davon zu überzeugen, dass die Angeklagte vor der am durchgeführten Fahrt Kenntnis vom tatsächlichen Zweck der Transporte hatte oder diesen für möglich hielt. Trotz einer Reihe von Umständen, die für eine Kenntnis der Angeklagten sprächen, sei unklar geblieben, welche Wahrnehmungen die Angeklagte bei den sechs Fahrten gemacht habe. Auch habe für R. keine Notwendigkeit bestanden, die Angeklagte einzuweihen. Zudem sei die Angeklagte – so das Landgericht weiter – finanziell und emotional von R. abhängig gewesen, weshalb sie „wenig Veranlassung“ gehabt habe, dessen Handeln zu hinterfragen. Dies gelte auch für die Fahrt vom , weil sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass sich die Erkenntnislage der Angeklagten geändert habe. Es bleibe daher die ernsthafte Möglichkeit, dass die Angeklagte erst vor dem Beginn der Fahrt am in den wahren Zweck der Pferdetransporte eingeweiht worden sei.
II.
14Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft, mit der diese eine Erweiterung des Schuldspruchs und eine Aufhebung des Strafausspruchs sowie des Teilfreispruchs erstrebt, hat in vollem Umfang Erfolg.
151. Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass die Angeklagte in den zur Verurteilung gelangten Fällen auch des täterschaftlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig ist. Nach den Urteilsgründen hatte die Angeklagte während der Transportfahrten jeweils die faktische Sachherrschaft über das Kokain (vgl. , Rn. 7, und vom – 5 StR 238/24, Rn. 18; , NStZ 2023, 47, Rn. 7). Der verbotene Besitz von Betäubungsmitteln steht zur Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit; er wird nicht verdrängt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 305/09, Rn. 7; vom – 2 StR 130/18, Rn. 9, und vom – 5 StR 61/23, Rn. 6).
16§ 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich die Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
172. Der Strafausspruch weist – abgesehen davon, dass die gleichzeitige Verwirklichung mehrerer Straftatbestände regelmäßig strafschärfend wirken kann (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 910) − durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten auf, die sich auf sämtliche zur Verurteilung gelangten Taten beziehen und daher zu dessen gesamter Aufhebung führen.
18a) Die im Rahmen der Strafzumessung vorgenommene Wertung des Landgerichts, der Umstand, dass die Angeklagte lediglich als Gehilfin gehandelt habe, sei strafmildernd zu berücksichtigen, ist rechtsfehlerhaft. Zwar können konkret-tatsächliche Besonderheiten des Gehilfenbeitrags in die Strafzumessung eingestellt werden, die Strafkammer hat jedoch allein der Beteiligungsform als solcher eine strafmildernde Wirkung beigelegt. Diese war als gesetzlich vertypter Strafmilderungsgrund bereits Anlass für die nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB obligatorisch vorzunehmende Strafrahmenverschiebung, so dass eine erneute – doppelte – abstrakt-rechtliche Wertung allein der Beteiligungsform außer Betracht zu bleiben hatte (vgl. zu § 50 StGB , NStZ 1990, 30, und vom – 5 StR 2/21, NStZ-RR 2022, 140, 141; Beschluss vom – 2 StR 535/92, BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 5; MüKo-StGB/Maier, 4. Aufl., § 50 Rn. 4). Für die Einordnung der Schuld des Gehilfen ist das Gewicht seiner Beihilfehandlung maßgeblich, wenn auch die Schwere der Haupttat mitzuberücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. etwa , Rn. 8 mwN).
19b) Auch die von der Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten herangezogene Erwägung, diese drohten im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung in dem gegen sie anhängigen Betrugsverfahren eine weitere Strafe, erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Zum einen ist der Eintritt der Rechtskraft hinsichtlich des von der Angeklagten mit der Revision angefochtenen Urteils des Landgerichts Aachen vom , durch welches diese wegen Beihilfe zum Betrug in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt worden ist, ungewiss. Zum anderen wären im Falle der Rechtskraft die der dortigen Verurteilung zugrunde liegenden Taten mit denen im vorliegenden Verfahren gesamtstrafenfähig, so dass eine nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB zu bilden wäre.
20c) Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung höhere Einzelstrafen zugemessen hätte. Der Wegfall sämtlicher Einzelstrafen bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von den Wertungsfehlern nicht betroffen, haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO) und können um nicht widersprechende ergänzt werden.
213. Soweit sich die Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch richtet, hat sie mit der Verfahrensbeanstandung Erfolg, so dass es keines näheren Eingehens auf die sachlich-rechtlichen Einwände bedarf.
22a) Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, dass das Landgericht die im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführte Trainerlizenz der Angeklagten vom sowie das auf demselben Wege eingeführte – auf die Angeklagte ausgestellte – Zeugnis der Deutschen Reitervereinigung e.V. vom bei ihrer Überzeugungsbildung nicht erkennbar berücksichtigt hat.
23aa) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit einer Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht werden, dass eine verlesene oder im Selbstleseverfahren eingeführte Urkunde unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei, wenn der Nachweis ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung geführt werden kann (vgl. etwa , BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 53; vom – 3 StR 318/21, Rn. 4, und vom – 2 StR 266/22, Rn. 20; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 261 Rn. 210 ff.). Dies ist hier der Fall, weil mit der Ausschöpfungsrüge (§ 261 StPO) allein beanstandet wird, dass die im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten vorbezeichneten Dokumente in den Urteilsgründen keinen Niederschlag fanden, obwohl hierzu Anlass bestand.
24bb) Der gerügte Verfahrensfehler liegt auch vor, da das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung gehalten war, die durch die unberücksichtigt gebliebenen Dokumente nachgewiesene Sachkunde der Angeklagten in die gebotene Gesamtbewertung miteinzubeziehen.
25(1) § 261 StPO verlangt eine umfassende Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise und verpflichtet das Tatgericht, sein Urteil aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen. Es muss alle wesentlichen Tatsachen und Beweisergebnisse, die dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu entnehmen sind, in einer Gesamtschau würdigen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen beziehungsweise sich die Erörterung aufdrängt (vgl. , BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 50). Auch wenn das Gericht nicht gehalten ist, auf jedes Vorbringen einzugehen und jeden erhobenen Beweis im Urteil zu behandeln, muss es unter Würdigung der dafür und dagegen sprechenden relevanten Beweise und Überlegungen lückenlos darlegen, was für die Bildung seiner Überzeugung maßgebend war. Umstände, welche geeignet sind, die Entscheidung zu beeinflussen, dürfen nicht stillschweigend übergangen werden (vgl. , Rn. 7; Beschluss vom – 3 StR 252/08, NStZ 2009, 404; LR-StPO/Sander, 27. Aufl., § 261 Rn. 74 mwN).
26(2) Danach musste sich die Strafkammer hier zur Auseinandersetzung mit den in Rede stehenden Urkunden gedrängt sehen. Die von der Angeklagten erworbene Trainerlizenz sowie das auf die Angeklagte ausgestellte Zeugnis der Deutschen Reitervereinigung belegen die über die Kenntnisse eines Laien deutlich hinausgehende besondere Sachkunde der Angeklagten in Bezug auf Pferdesport und Pferdehaltung. Diese kann für die Frage des – von der Strafkammer verneinten – Vorsatzes der Angeklagten hinsichtlich eines illegalen Zwecks der im November/Dezember 2015 durchgeführten Pferdetransporte bedeutsam sein. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Sachkenntnis hätte die Strafkammer die Möglichkeit in den Blick nehmen müssen, dass die Angeklagte von R. gezielt aufgrund ihrer Erfahrung im Umgang mit Pferden für die sechs Transporte in der Zeit vom 6. November bis zum gewonnen und dafür eingesetzt wurde. Dies gilt umso mehr, da die Angeklagte nach den hierzu getroffenen Feststellungen über die bloße Teilnahme an den Fahrten hinaus „beim Umladen der Pferde in den Niederlanden half, teilweise auch Anweisungen in Bezug auf den Umgang mit den Pferden erteilte“ und während der Fahrt Informationen von den weiteren am Transport beteiligten Personen an R. weiterleitete, der sich ausweislich der Urteilsgründe regelmäßig telefonisch nach dem Fortschritt der einzelnen Transportfahrten erkundigte.
27Die Sachkenntnis kann gleichzeitig ein Indiz bei der Annahme eines bedingten Vorsatzes darstellen, weil die Angeklagte unter Umständen nicht nur die Nutzlosigkeit der Pferdetransporte, sondern auch den gegen einen legalen Zweck sprechenden unsachgemäßen Umgang mit den im Übrigen lediglich zu Schulungszwecken auf dem Hof in M. eingesetzten Tieren hatte erkennen können, die nach einer viele Stunden dauernden Hinreise bereits nach kurzer Unterbrechung eine gleichermaßen strapaziöse Rückreise antreten mussten. Dadurch, dass die Strafkammer es versäumt hat, die Sachkunde der Angeklagten in ihre Erwägungen miteinzubeziehen, hat sie sich schließlich auch den Blick darauf verstellt, dass der gesondert Verfolgte R. möglicherweise gerade kein Interesse hatte, den tatsächlichen illegalen Zweck der Pferdetransporte vor der Angeklagten zu verheimlichen. Denn aufgrund des besonderen Sachverstandes der Angeklagten, die auch die – nach den Feststellungen im unteren Bereich liegende – Qualität und den Zustand der Pferde einschätzen konnte, hätte unter Umständen die Gefahr bestanden, dass diese den Zweck der Pferdetransporte hinterfragen und nicht nur R. und A. selbst damit konfrontieren würde, sondern auch auf dem Hof in N. mit Dritten oder den weiteren Beteiligten darüber sprechen und ihren Zweifeln an dem Zweck der Reise Ausdruck verleihen könnte, was wiederum das Risiko einer Tatentdeckung erhöht hätte.
28(3) Soweit die Angeklagte freigesprochen worden ist, beruht das Urteil auf diesem Rechtsfehler. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung der die Sachkunde der Angeklagten belegenden Dokumente zu einer Verurteilung gelangt wäre.
29b) Der Freispruch der Angeklagten in den Fällen 1 bis 5, 7 und 14 der Anklage kann daher keinen Bestand haben. Die Sache bedarf auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung der Freisprüche zieht die Aufhebung der zugrundeliegenden Feststellungen nach sich, da die Angeklagte diese nicht mit einem eigenen Rechtsmittel angreifen konnte.
304. Die nach § 301 StPO veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Menges Meyberg Grube
Schmidt Lutz
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:231024U2STR471.23.0
Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 10 Nr. 8
ZAAAJ-84389