Instanzenzug: Az: 7 KLs 1/21
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten J. zu einer solchen von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Es hat bestimmt, dass jeweils zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwölf Monate der Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Die jeweils mit der Sachrüge und Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerten die Angeklagten gemeinschaftlich vor dem in B. aufbewahrtes 15,1 kg Marihuana (Wirkstoffgehalt mindestens 5,5 % THC) an einen Abnehmer in Finnland. Den Transport mit der Fähre von L. nach Finnland übernahmen zwei Zeuginnen, die nach der Einreisekontrolle am festgenommen und in Finnland zu Haftstrafen verurteilt worden sind.
32. Dem Angeklagten J. ist auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das zu gewähren.
4Der Angeklagte hat einen zulässigen Wiedereinsetzungsantrag gestellt (§ 45 Abs. 1, § 32d Satz 1 StPO). Er hat die am abgelaufene Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) versäumt; die Rechtsmittelschrift seines Verteidigers ging am beim Landgericht ein.
5An dieser Fristsäumnis traf den Angeklagten kein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO), wie sein Verteidiger fristgerecht vorgetragen und glaubhaft gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Es ist allein auf ein Anwaltsverschulden zurückzuführen, dass die Revision nicht fristgerecht eingelegt wurde. Die versäumte Handlung hat der Verteidiger frist- und formwirksam nachgeholt (§ 45 Abs. 2 Satz 2, § 32d Satz 1 und 2, § 32a StPO).
6Der mit dem die Revision des Angeklagten J. gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden war, ist damit gegenstandslos (vgl. ).
73. Die Verurteilungen können keinen Bestand haben. Der Verfolgung der Tat steht wegen des Eintritts der absoluten Verfolgungsverjährung ein Verfahrenshindernis entgegen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB); das Verfahren ist daher nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen.
8a) Die Tat bezog sich ausschließlich auf Marihuana und damit Cannabis. Der Senat hat deshalb gemäß § 2 Abs. 3 StGB die seit dem geltende Strafvorschrift des § 34 KCanG (BGBl. I 2024 Nr. 109) als milderes Recht zur Anwendung zu bringen, welche gegenüber dem vom Landgericht der Bemessung der Strafe zugrunde gelegten § 29a Abs. 1 BtMG einen geringeren Strafrahmen vorsieht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 136/24; vom – 5 StR 153/24).
9b) Die an die gesetzliche Strafandrohung anknüpfende Verjährungsfrist des § 78 StGB richtet sich nach dem gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwendenden Recht (vgl. , NJW 1965, 52; Beschlüsse vom – 2 StR 122/05, BGHSt 50, 138, 139 ff.; vom – 5 StR 83/24). Angesichts des in § 34 Abs. 1 KCanG bestimmten Höchstmaßes der Strafe (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Der für besonders schwere Fälle nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG vorgesehene erhöhte Strafrahmen ist gemäß § 78 Abs. 4 StGB ohne Bedeutung; ein Ruhen nach § 78b Abs. 4 StGB kommt angesichts der Strafandrohung in § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG nicht in Betracht.
10c) Die absolute Verjährungsfrist war zum Zeitpunkt des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils am abgelaufen.
11Die Frist beträgt gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, § 34 Abs. 1 KCanG zehn Jahre. Sie begann am zu laufen und endete am (zur Berechnung der Verjährungsfrist vgl. ). Die absolute Verjährung war damit vor Eintritt der durch Erlass des erstinstanzlichen Urteils am gesetzlich bestimmten Ablaufhemmung gemäß § 78b Abs. 3 iVm § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB eingetreten.
12Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann die Regelung des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB nicht dahin ausgelegt werden, dass die absolute Verjährungsfrist nach dem bei Beendigung der Tat geltenden Recht zu bestimmen ist. Zwar bleiben nach dieser Vorschrift Unterbrechungshandlungen wirksam, die vor Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind und seinerzeit fristgemäß waren, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach neuem Recht bereits verjährt gewesen wäre. Solche Unterbrechungshandlungen bleiben jedoch ohne Einfluss auf die anzuwendende Verjährungsfrist und die nach § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB zu bestimmende Höchstdauer (vgl. SSW-StGB/Rosenau, 6. Aufl., § 78c Rn. 25; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 78c Rn. 27; NK-StGB/Saliger, 6. Aufl., § 78c Rn. 65). Es hätte dem Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes freigestanden, für einen Fall der vorliegenden Art zugleich eine für die Bestimmung der absoluten Verjährung abweichende Regelung zu schaffen (vgl. , BVerfGK 2, 149).
Cirener Mosbacher Resch
von Häfen Werner
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:150125B5STR290.24.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-84015