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BVerwG Beschluss v. - 6 B 5/24

Telekommunikationsrechtliche Missbrauchsverfügung

Leitsatz

Es besteht kein allgemeiner Vorrang des Zugangsanordnungsverfahrens nach § 25 TKG 2004 oder des Standardangebotsverfahrens nach § 23 TKG 2004 gegenüber dem missbrauchsaufsichtlichen Verfahren nach § 42 TKG 2004.

Instanzenzug: Az: 21 K 5249/20 Urteil

Gründe

I

1Die Klägerin ist Eigentümerin einer bundesweiten Telekommunikations-Netzinfrastruktur. Sie vertreibt Zugangsprodukte für den Geschäftskundenmarkt, die in dem hier maßgeblichen Zeitraum von dem Markt 4 der Empfehlung der Kommission 2014/710/EU vom (ABl. L 295 S. 79) erfasst waren und für die der Klägerin zuletzt durch bestandskräftige Regulierungsverfügung vom (BK2a-16/002R) Verpflichtungen zur Gewährung von Zugang sowie zur Vorlage eines Standardangebots auferlegt worden waren.

2Mit Beschluss vom (BK2c-19/032) machte die Bundesnetzagentur nach Durchführung eines auf Beschwerde der Beigeladenen sowie weiterer Wettbewerber der Klägerin eingeleiteten missbrauchsaufsichtlichen Verfahrens nach § 42 TKG 2004 der Klägerin Vorgaben für die bei der Zugangsgewährung einzuhaltenden Fristen und die bei Nichteinhaltung der Fristen zu zahlenden Vertragsstrafen. Die von der Klägerin gegen diesen Beschluss erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision. Die Beklagte und die Beigeladenen treten der Beschwerde entgegen.

II

3Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe aus § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Aus den Darlegungen in der Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat (1.), der Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gegeben ist (2.) oder nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die vorinstanzliche Entscheidung beruhen kann (3.).

41. Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Ein die Revisionszulassung rechtfertigender Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig im Sinne der Entscheidung der Vorinstanz beantwortet werden kann. Nach diesem Maßstab kann, ausgehend von den Darlegungen der Beschwerde, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht angenommen werden.

5a. Die Beschwerde stellt zunächst als grundsätzlich bedeutsam folgende auf das Verhältnis des missbrauchsaufsichtlichen Verfahrens nach § 42 TKG 2004 zum Zugangsanordnungsverfahren nach § 25 TKG 2004 bzw. zum Standardangebotsverfahren nach § 23 TKG 2004 bezogene Fragen:

"Schließt § 25 TKG 2004 als Spezialnorm die Anwendung von § 42 TKG 2004 aus?

Schließt § 23 TKG 2004 als Spezialnorm die Anwendung von § 42 TKG 2004 aus?"

6Diese auf einen ausnahmslosen Ausschluss des Verfahrens nach § 42 TKG 2004 durch ein solches nach § 25 TKG 2004 oder nach § 23 TKG 2004 gerichteten Fragen führen - unabhängig von ihrer Anknüpfung an ausgelaufenes Recht - nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Sie können, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf, mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts durch eine den üblichen Auslegungsregeln folgende Gesetzesauslegung in eindeutiger Weise verneint werden.

7Dem Gesetzeswortlaut lässt sich kein Hinweis auf einen allgemeinen Vorrang der in § 25 und § 23 TKG 2004 geregelten Maßnahmen der Zugangsanordnung und des Standardangebots gegenüber dem in § 42 TKG 2004 umschriebenen missbrauchsaufsichtlichen Verfahren entnehmen. Was die Gesetzeshistorie anbetrifft, wird in der Begründung zum Gesetzentwurf des Telekommunikationsgesetzes 2004 die Unabhängigkeit des missbrauchsaufsichtlichen Verfahrens (§ 40 des Entwurfs) jedenfalls von dem Verfahren auf Erlass einer Zugangsanordnung (§ 23 des Entwurfs) ausdrücklich hervorgehoben. Dies geschieht ungeachtet des Umstands, dass die das missbrauchsaufsichtliche Verfahren regelnde Vorschrift (§ 40 des Entwurfs) als Generalklausel bezeichnet wird (zum Ganzen: BT-Drs. 15/2316 S. 71). Gesetzessystematisch sprechen die Verortung der in Rede stehenden Maßnahmen in verschiedenen Abschnitten des zweiten Teils des Telekommunikationsgesetzes 2004 - die Zugangsanordnung nach § 25 TKG 2004 und das Standardangebot nach § 23 TKG 2004 im zweiten Abschnitt, das missbrauchsaufsichtliche Verfahren nach § 42 TKG 2004 im fünften Abschnitt - sowie ihre unterschiedliche Ausgestaltung für eine jeweils eigenständige Anwendbarkeit. Vom Normzweck her fällt ins Gewicht, dass im System des durch das Telekommunikationsgesetz 2004 zur Verfügung gestellten Eingriffsinstrumentariums ( 6 C 34.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 2 Rn. 10) mit auf § 42 TKG 2004 gestützten Anordnungen im Einzelfall wettbewerbswidrige Verhaltensweisen schnell und wirksam beseitigt werden können ( 6 C 21.06 - BVerwGE 128, 305 Rn. 19) und dies sowohl innerhalb als auch außerhalb des durch eine Zugangsanordnung nach § 25 TKG 2004 oder ein Standardangebot nach § 23 TKG 2004 grundsätzlich regelbaren Bereichs (vgl. insgesamt im Sinne dieser auf der Hand liegenden Gesetzesauslegung: Roth, in: Scheurle/Mayen <Hrsg.>, TKG, 3. Aufl. 2018, § 42 Rn. 5; Schütz, in: Geppert/​Schütz <Hrsg.>, Beck'scher Kommentar zum TKG, 4. Aufl. 2013, § 42 Rn. 10 ff.; nicht überzeugend a. A.: Gersdorf, in: Säcker <Hrsg.>, TKG, 3. Aufl. 2013, § 42 Rn. 5 ff., 14 ff.; Kredel, in: Arndt/​Fetzer/​Scherer/​Graulich <Hrsg.>, TKG, 2. Aufl. 2015, § 42 Rn. 12).

8b. Die Beschwerde meint des Weiteren, das Verwaltungsgericht habe tragend angenommen, die Bundesnetzagentur verfüge auch in Bezug auf solche Zugangsleistungen, die erst auf Grund eines Kapazitätsausbaus realisiert werden könnten, allein auf Grund des im Tenor der Regulierungsverfügung vom verwandten Begriffs des Zugangs über die Befugnis zur Anordnung von auf einen Kapazitätsausbau bezogenen Abhilfemaßnahmen nach § 42 Abs. 4 Satz 2 TKG 2004, weil die Regulierungsverfügung eine Pflicht zu einem Kapazitätsausbau nicht ausdrücklich ausschließe. Hiervon ausgehend wirft die Beschwerde die Frage auf:

"Ist die Verwendung des Begriffs des 'Zugangs' im Tenor einer Regulierungsverfügung, in deren Begründung die Pflicht zum Kapazitätsausbau des eigentlichen Netzes nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird, eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür, dass die Bundesnetzagentur in einer Missbrauchsverfügung nach § 42 TKG 2004 Regelungen für Fälle trifft, deren Realisierung einen Kapazitätsausbau des eigentlichen Netzes voraussetzt?"

9Diese Frage wäre - wobei wiederum die Anknüpfung an ausgelaufenes Recht dahinstehen kann - in dem von der Beschwerde erstrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie hat sich dem Verwaltungsgericht nicht gestellt und würde sich auch in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

10Die Beschwerde nimmt mit dem Vortrag, durch den sie die aufgeworfene Frage einleitet, die Art und Weise sowie den Inhalt der Feststellungen, die das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Regulierungsverfügung vom getroffen hat, nur unvollständig in den Blick. Das Verwaltungsgericht hat die Regulierungsverfügung dahingehend ausgelegt, dass die Klägerin - in Bezug auf die sog. Cluster 2 und 3 - durchaus zu einem Ausbau der Netzkapazität verpflichtet worden ist. Dies ist nicht allein durch ein Abstellen auf den Begriff des Zugangs im Tenor der Regulierungsverfügung, sondern auch und vor allem durch eine Inbezugnahme der Begründung der Verfügung - insbesondere ihrer Seiten 40 und 52 - geschehen (UA S. 24 ff.). An das Ergebnis der auf diese Weise vorgenommenen Auslegung der Regulierungsverfügung ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Denn die Auslegung behördlicher Willenserklärungen einschließlich ergangener Verwaltungsakte durch die Vorinstanz ist revisionsrechtlich wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln. Für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde folgt daraus, dass die von der Vorinstanz gefundene Auslegung nur durch zulässige und begründete Verfahrensrügen erschüttert werden kann ( 6 B 31.20 - juris Rn. 15). Die Beschwerde hat derartige Rügen in Bezug auf den von dem Verwaltungsgericht festgestellten Inhalt der Regulierungsverfügung nicht erhoben. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund sowie unter Berücksichtigung der Bestandskraft der Regulierungsverfügung kommt es auf die von der Beschwerde abstrakt formulierte Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich an.

11c. Die Beschwerde stellt ferner unter Hinweis darauf, das Verwaltungsgericht habe aus der Regulierungsverfügung vom die Verpflichtung der Klägerin abgeleitet, Zugang auch zur Inhouseverkabelung zu gewähren, die Frage:

"Umfasst die Auferlegung der Zugangsverpflichtung nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 TKG 2004 von Gesetzes wegen die Verpflichtung zum Ausbau der Netzkomponenten und -einrichtungen?"

12Dieser Frage fehlt wie der vorhergehenden - hier wie dort ohne Problematisierung des Bezugs auf ausgelaufenes Recht - die Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren.

13Wie sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Beschwerde ergibt, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Klägerin nach der bestandskräftigen Regulierungsverfügung vom Zugang auch zur Inhouseverkabelung gewähren muss (UA S. 27). Mangels von der Beschwerde erhobener Verfahrensrügen ist der Senat an diese Feststellung gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die von der Beschwerde bezeichnete abstrakte Frage kann sich danach nicht mehr entscheidungserheblich stellen.

14d. Die Beschwerde macht darüber hinaus geltend, das Verwaltungsgericht sei entscheidungstragend davon ausgegangen, das Verhalten der Klägerin gegenüber den Carriern sei objektiv geeignet gewesen, die Marktverhältnisse spürbar zu beeinträchtigen und damit den Wettbewerb zu gefährden. Hieran anknüpfend formuliert sie die Frage:

"Ist es für die Annahme einer Behinderung i. S. v. § 42 TKG 2004 ausreichend, wenn das Verhalten des Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht geeignet ist, die Marktverhältnisse zu beeinträchtigen, d. h. genügt der Nachweis konkreter Gefahrenlagen für den Wettbewerb ... oder ist der Nachweis konkreter nachteiliger Marktfolgen erforderlich?"

15Es kann - auch hier ungeachtet der mit der Anwendung ausgelaufenen Rechts verbundenen Problematik - dahinstehen, ob diese Frage vor dem Hintergrund der von dem Verwaltungsgericht benannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 19 GWB (BGH, Beschlüsse vom - KVR 54/11 - NVwZ-RR 2013, 604 Rn. 40 f. und vom - KVR 69/19 - BGHZ 226, 67 Rn. 83) sowie des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 82 EGV/Art. 102 AEUV ( [ECLI:​EU:​C:​2012:​770] - Rn. 112) noch der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Denn die von der Beschwerde bezeichnete Frage kann in einem solchen Verfahren nicht geklärt werden, so dass schon deshalb die Zulassung der Grundsatzrevision nicht in Betracht kommt.

16Das Verwaltungsgericht hat zwar einen Obersatz des Inhalts formuliert, es reiche sowohl für einen Behinderungsmissbrauch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 TKG 2004 als auch für einen Beeinträchtigungsmissbrauch gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 TKG 2004 aus, dass das in Frage kommende Verhalten zur spürbaren Beeinträchtigung der Marktverhältnisse objektiv geeignet sei bzw. dass eine reine Gefährdung des Wettbewerbs vorliege (UA S. 29). Das Verwaltungsgericht hat dann jedoch in tatsächlicher Hinsicht folgende Feststellungen getroffen (UA S. 30):

"... Denn die Klägerin hat sich allen Bemühungen einer adäquaten vertraglichen Regelung der bestehenden Verzögerungsproblematik verweigert. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Beschluss anschaulich dargelegt, dass es in den Jahren 2017, 2018 und 2019 zu erheblichen Verzögerungen bei der Bereitstellung von CFV- und VPN-Vorleistungsprodukten durch die Klägerin kam. Die durchschnittliche Bereitstellungsdauer betrug im knapp dreijährigen Betrachtungszeitraum über alle 1.0-Whosale-Produkte gesehen 71,56 Arbeitstage, wobei die Spannbreite von nur wenigen Arbeitstagen bis zu maximal 696 Arbeitstagen reichte. Diese Verzögerungen verschlechterten sich über die Jahre hinweg (vgl. Rn. 122 der Missbrauchsverfügung). Dabei haben die Carrier nicht nur keinen Einfluss darauf, wann die Klägerin die Vorleistungen bereitstellt; sie haben zudem, verglichen mit der Klägerin, ein erhebliches Informationsdefizit und können ihren eigenen Endkunden stets nur die Informationen über die Verzögerungen 'aus zweiter Hand' (nämlich der der Klägerin) weitergeben. Hinzu kommt, dass die Klägerin für den Fall, dass ein Endkunde die Vertragsbeziehung mit dem Carrier beendet, selbst als Anbieter auf dem Endkundenmarkt bereitsteht. Da die Kündigung in diesen Fällen in erster Linie wegen der verzögerten Bereitstellung erfolgt wäre, wäre die Klägerin dann also aller Voraussicht nach auch mit ansonsten im Vergleich zum Carrier ungünstigeren Vertragsbedingungen für den Endkunden vergleichbar attraktiv. Insgesamt stellt sich die Situation für die Wettbewerber somit als überaus ungünstig dar."

17Das Verwaltungsgericht hat - hieran anknüpfend - in tatsächlicher Hinsicht geschlossen (UA S. 30):

"... gäbe es einen funktionierenden Wettbewerb, hätte die Klägerin einen Verzicht auf angemessene Fristen bzw. Sanktionen gegenüber den Carriern angesichts der oben dargestellten Konstellation nicht durchsetzen können."

18Aus diesen Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts, die den Senat mangels von der Beschwerde erhobener durchgreifender Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden, ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht ungeachtet seines auf eine bloße Gefährdung des Wettbewerbs abstellenden rechtlichen Ansatzes in der Sache eine darüberhinausgehende tatsächliche Behinderung bzw. Beeinträchtigung im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 TKG 2004 festgestellt hat. Daraus folgt, dass sich die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich stellen würde.

19e. Die Beschwerde spricht schließlich die Thematik einer Deckelung der in dem angefochtenen Beschluss vorgesehenen Vertragsstrafen durch eine - von dem Verwaltungsgericht abgelehnte - entsprechende Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB an und misst in diesem Zusammenhang folgender Frage grundsätzliche Bedeutung zu:

"Muss die Bundesnetzagentur im Fall eines Konditionenmissbrauchs AGB-rechtliche Wertungen im Rahmen ihrer Ermessensausübung nach § 42 Abs. 4 Satz 2 TKG 2004 beachten, wenn sie dem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auferlegt, Verträge zu ergänzen oder zu ändern, um ein missbräuchliches Verhalten abzustellen?"

20Auch diese Frage ist einer Klärung in einem Revisionsverfahren mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zugänglich, weil sie sich in dieser Allgemeinheit dem Verwaltungsgericht nicht gestellt hat und auch nicht stellen musste.

21Die Beschwerde bezieht sich auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, denen zufolge die Verwendung unzulässiger allgemeiner Geschäftsbedingungen durch marktbeherrschende Unternehmen grundsätzlich einen Missbrauch im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB darstellen kann. Danach ist bei der Prüfung dieses Tatbestands die gesetzliche Wertentscheidung zu berücksichtigen, die der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB zu Grunde liegt. Zwar stellt nach dieser Rechtsprechung nicht jede Verwendung einer unwirksamen Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen Normadressaten einen Missbrauch von Marktmacht dar. Ein Missbrauch liegt aber insbesondere dann vor, wenn die Vereinbarung der unwirksamen Klausel Ausfluss der Marktmacht oder der großen Machtüberlegenheit des Verwenders ist ( - BGHZ 199, 1 Rn. 65 und vom - KZR 47/14 - juris Rn. 35).

22Bei ihrer Berufung auf diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 19 Abs. 1 GWB vernachlässigt die Beschwerde, dass dort von dem marktmächtigen Unternehmen verwandte Klauseln zur Prüfung standen. Dies entspricht dem Umstand, dass die gerichtliche Kontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen generell darauf ausgerichtet ist, die mangelnde Verhandlungsmacht des Vertragspartners des Verwenders zu kompensieren ( u. a. - NJW 2011, 1339 Rn. 35). Dagegen fordert die Beschwerde geradezu in Umkehrung dieser Ausrichtung eine Anwendbarkeit der Grundsätze der Kontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Gunsten der Klägerin als dem marktmächtigen Unternehmen. Das Verwaltungsgericht hat diesen fundamentalen Unterschied hervorgehoben. Dass die Beklagte sich gleichwohl der in dem - (NJW 2003, 2158 <2161>) enthaltenen, an § 9 AGBG a. F. – entsprechend nunmehr § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB - bedient habe, sei eine fehlerhafte, jedoch zu Gunsten der Klägerin angestellte Erwägung (UA S. 34 f.). Die Beschwerde setzt sich mit diesen rechtlichen Erwägungen in keiner Weise auseinander.

232. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder das Bundesverfassungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt haben. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die eines der genannten divergenzfähigen Gerichte aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. Nach diesem Maßstab ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerde kein Anknüpfungspunkt für eine Revisionszulassung wegen Divergenz.

24a. Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit den Erwägungen zu den Verpflichtungen der Klägerin zum Ausbau der Netzkapazität bzw. der Gewährung von Zugang auch zur Inhouseverkabelung den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die Bundesnetzagentur auf einer der Regulierungsverfügung nachgelagerten Stufe schon dann über Anordnungsbefugnisse verfüge, wenn sie im Rahmen der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung die Verpflichtung zum Kapazitätsausbau jedenfalls nicht ausdrücklich in der Regulierungsverfügung ausgeschlossen habe. Demgegenüber habe das 6 C 22.08 - (Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 1 Rn. 21) den abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt, dass die Bundesnetzagentur auf einer der Regulierungsverfügung nachgelagerten Stufe im Zusammenhang mit Kapazitätsausbauten nur dann über eine Anordnungsbefugnis verfüge, wenn sie eine solche Verpflichtung in der Regulierungsverfügung auf Basis einer eigenständigen Abwägungsentscheidung auferlegt habe.

25Diese Ausführungen belegen keine Divergenz. Weder das Verwaltungsgericht noch das Bundesverwaltungsgericht haben den jeweils von der Beschwerde insinuierten Rechtssatz aufgestellt. Vielmehr ergibt sich aus den obigen Darlegungen, dass das Verwaltungsgericht die bestandskräftige Regulierungsverfügung vom - den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend - dahingehend ausgelegt hat, dass die Klägerin sowohl zu einem Ausbau der Netzkapazität als auch zur Gewährung von Zugang zur Inhouseverkabelung verpflichtet worden ist. Das von der Beschwerde bezeichnete Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verhält sich demgegenüber ausdrücklich nicht zu dem zulässigen Umfang einer etwaigen Netzausbauverpflichtung, sondern nur zu der in jedem Fall bestehenden Verpflichtung des marktmächtigen Netzbetreibers, passende Schnittstellen seines Netzes mit den Netzen der zugangsberechtigten Wettbewerber sicherzustellen.

26b. Die Beschwerde führt weiter aus, das Verwaltungsgericht sei entscheidungstragend davon ausgegangen, dass die angefochtene Verfügung keine unbeschränkte Ausbauverpflichtung vorsehe, weil die von ihr in Bezug genommene Vertragsklausel die Herstellung von Netzressourcen mit geringem - Cluster 2 - oder größerem - Cluster 3 - Aufwand regele. Dem liege der abstrakte Rechtssatz zu Grunde, dass die Bundesnetzagentur im Fall der Anordnung von Abhilfemaßnahmen nach § 42 Abs. 4 Satz 2 TKG 2004 zur Ergänzung bzw. Modifizierung von Zugangsvereinbarungen für die Erbringung von nach § 13 TKG 2004 auferlegten Zugangsverpflichtungen deren Umfang und Ausgestaltung nicht auf der Stufe der Missbrauchsverfügung festlegen müsse, sondern dem zwischen den Vertragsparteien gefundenen Verhandlungsergebnis in der Zugangsvereinbarung überlassen könne. Im Gegensatz dazu beruhe das 6 C 7.17 - (juris Rn. 121; parallel zu: 6 C 8.17 - BVerwGE 163, 181 Rn. 118) auf dem abstrakten Rechtssatz, dass der Umfang einer konkret auferlegten Zugangsleistung und die hierzu aufgeworfenen Detailfragen auf der zweiten Regelungsebene entschieden werden müssten, sofern die Regulierungsverfügung auf der ersten Stufe lediglich einen klaren Maßstab dafür vorgebe, ob die später konkret nachgefragte Zugangsleistung von der regulatorisch auferlegten Verpflichtung abgedeckt sei.

27Mit diesen Ausführungen wird eine Divergenz nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht hat eine Abstufung in der Bestimmtheit der Ausbauverpflichtung der Klägerin im Verhältnis zwischen der von ihm ausgelegten Regulierungsverfügung vom und den Maßgaben der angefochtenen Verfügung ausdrücklich verneint (UA S. 26 f.). Das von der Beschwerde genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verhält sich zu dieser Konstellation überhaupt nicht.

283. Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem die vorinstanzliche Entscheidung beruhen kann.

29Die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, weil es bei der Berechnung der Höhe der Vertragsstrafe, die es nach den in dem - (NJW 2003, 2158 <2161>) enthaltenen, auf eine Klauselkontrolle nach § 9 AGBG a. F. - entsprechend nunmehr § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB - bezogenen Maßstäben vorgenommen habe, von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei bzw. die Denkgesetze verletzt habe.

30Diese Rüge kann schon deshalb nicht zum Erfolg führen, weil selbst dann, wenn die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur konkreten Berechnung der Vertragsstrafe (UA S. 35) gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen sollten, das angefochtene Urteil nicht im Sinne des § 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf diesem Verfahrensmangel beruhen könnte. Denn die genannten Ausführungen stellen nur den zweiten Begründungsstrang des Verwaltungsgerichts zur Frage der Angemessenheit der in der angefochtenen Verfügung enthaltenen Vertragsstrafenregelung dar. Der erste, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit selbständig tragende Begründungsstrang besteht in der Verneinung der Anwendbarkeit der Grundsätze der Kontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen im missbrauchsaufsichtlichen Verfahren nach § 42 TKG 2004. Wie bereits dargelegt, ergibt sich aus dem Beschwerdevortrag in Bezug auf diesen Begründungsstrang kein tragfähiger Revisionszulassungsgrund. Ist aber eine angefochtene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. etwa 6 B 46.20 - juris Rn. 12 m. w. N.)

314. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

325. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen einen Sachantrag gestellt haben und damit nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen sind, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten der unterliegenden Klägerin aufzuerlegen. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:191224B6B5.24.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-83918