Instanzenzug: LG Aachen Az: 63 KLs 27/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
21. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen erklärte sich der Angeklagte gegenüber unbekannten Hintermännern bereit, für zehn Tage als Erntehelfer gegen eine Entlohnung von 100 Euro pro Tag auf einer von diesen in einem Reihenhaus in E. betriebenen Marihuanaplantage tätig zu werden. Er begann am nach Anleitung und Weisung eines Tatgenossen mit der Ernte in einem Raum im Erdgeschoss des Hauses, wobei er wusste, dass das Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Er wurde am in der Nähe des Objekts verhaftet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er 254 Pflanzen mit einer Gesamtmenge von 8.417,20 g Marihuana und einem Wirkstoffgehalt von 1.508 g THC abgeerntet und die Marihuanablüten auf drei Trockennetzen mit jeweils acht Etagen in der Mitte des Erdgeschossraumes ausgelegt. Aufgrund der Verhaftung unterblieb die Ernte von weiteren 588 Pflanzen in drei weiteren Räumen mit einem Gewicht von 26.390,8 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 3.200 g THC.
32. Der Schuldspruch bedarf der Änderung nach Maßgabe des am und damit nach Verkündung des angegriffenen Urteils in Kraft getretenen Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I Nr. 109), auf das im konkreten Fall als milderes Gesetz gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist. Danach ist das festgestellte Tatgeschehen als Herstellen von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) zu bewerten.
4a) Der Angeklagte hat durch die Ernte und durch das anschließende Auslegen zur Trocknung der Marihuanapflanzen (vgl. § 1 Nr. 8 KCanG) nicht nur die unbekannt gebliebenen Hintermänner der Plantage bei deren Handeltreiben unterstützt, sondern darüber hinaus, vom Landgericht nicht gewürdigt, täterschaftlich Cannabis hergestellt. Das Herstellen umfasst in Anlehnung an die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Reinigen und Umwandeln (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 119). Der Begriff umfasst damit eine Palette von Tätigkeiten. Gewinnen ist die Entnahme von Pflanzen, Pflanzenteilen oder Pflanzenerzeugnissen aus ihrer natürlichen (wildwachsenden) oder künstlich angelegten Umgebung (MüKo-StGB/– 3 StR 98/24, Rn. 9, vom – 2 StR 204/24, Rn. 13 und vom – 3 StR 278/24, Rn. 10 Da der Angeklagte damit sämtliche Tatbestandsmerkmale der Straftat in eigener Person verwirklicht hat, steht hier sein fehlender Täterwille im Hinblick auf den gesamten Produktionsprozess seiner (unmittelbaren) Täterschaft bei der Entnahme der Pflanzen nicht entgegen (vgl. hierzu , NStZ 1987, 224, 225 und vom – 1 StR 488/14, Rn. 56; vom – 2 StR 72/20, NStZ 2022, 170, Rn. 14).
5b) Das (täterschaftliche) Herstellen von Cannabis steht in Tateinheit zur Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (vgl. MüKo-StGB/– 5 StR 340/21, Rn. 1). Insofern hat sich die konkurrenzrechtliche Bewertung gegenüber den bisherigen Grundsätzen im Betäubungsmittelrecht nicht geändert (vgl. , Rn. 9 mwN).
6c) Die Neuregelung nach dem Konsumcannabisgesetz erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung (vgl. , Rn. 4 mwN) als das nach § 2 Abs. 3 StGB mildere Gesetz. Der von der Strafkammer zur Anwendung gebrachte gemilderte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG, § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 11 Jahren und drei Monaten) liegt oberhalb des Strafrahmens des § 34 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) für das täterschaftliche Herstellen von Cannabis (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB).
7d) § 265 Abs. 1 StPO hindert die Änderung nicht, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Soweit angesichts der Wirkstoffmengen jeweils die Voraussetzungen des Regelbeispiels gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllt sind, gehört diese Strafzumessungsregel nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Schuldspruch (vgl. etwa , Rn. 8). Der Senat ändert den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 i.V.m. § 354a StPO ab.
83. Die Schuldspruchänderung lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer unter Berücksichtigung der vorstehenden Würdigung auf eine niedrigere Freiheitsstrafe als ein Jahr erkannt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn die Strafkammer hat bei der Strafzumessung ausdrücklich und maßgeblich die „zum Urteilszeitpunkt absehbare Gesetzesänderung auf der Grundlage des CanG sowie die sich hieraus ergebenden Wertentscheidungen in den Blick genommen und die Strafe im unteren Bereich des geltenden Strafrahmens verortet“. Sie hat zudem strafmildernd berücksichtigt, dass es sich bei Marihuana um eine „weiche Droge“ handelt, was nach neuer Gesetzeslage nicht mehr zugunsten des Angeklagten in die Strafzumessung einzustellen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 536/23, Rn. 17, und vom – 6 StR 116/24, Rn. 5).
94. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Menges Zeng Meyberg
Schmidt Lutz
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:231024B2STR411.24.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-83904