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BGH Urteil v. - X ZR 131/22

Voraussetzungen für ausführbare Erfindungsoffenbarung bei teilweise begrenztem Wertebereich - Cer-Zirkonium-Mischoxid III

Leitsatz

Cer-Zirkonium-Mischoxid III

1. Ein nur in einer Richtung begrenzter Wertebereich kann ausführbar offenbart sein, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen (Bestätigung von , GRUR 2019, 713 Rn. 45 - Cer-Zirkonium-Mischoxid I; X ZR 34/17, GRUR 2019, 718 Rn. 26 - Cer-Zirkonium-Mischoxid II).

2. Fehlt es an einer verallgemeinerbaren Lehre in diesem Sinne, ist ein nach oben begrenzter Bereich nur dann ausführbar offenbart, wenn das Patent mindestens ein konkretes Ausführungsbeispiel schildert, das den beanspruchten Höchstwert erreicht, oder konkrete Hinweise gibt, wie ausgehend von den geschilderten Beispielen eine weitere Steigerung zu erreichen ist (Bestätigung von , GRUR 2021, 1043 Rn. 59 - Cerdioxid).

3. Diese Grundsätze gelten entsprechend für eine beanspruchte Untergrenze, wenn es nicht ohne weiteres möglich ist, einen niedrigen Wert zu erzielen.

Gesetze: Art 2 § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 IntPatÜbkG

Instanzenzug: Az: 3 Ni 39/20 (EP)

Tatbestand

1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 523 907 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom angemeldet worden ist und eine Zusammensetzung mit Oxiden aus Zirkonium, Cer und anderen seltenen Erden betrifft.

2Patentanspruch 1, auf den neun Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Composition à base d’oxydes de zirconium, de cérium et d’au moins une terre rare autre que le cérium, ayant une teneur en oxyde de cérium d’au plus 50 % en masse, caractérisée en ce qu’elle présente après calcination à 1000 °C, 6 heures, une température maximale de réductibilité d’au plus 500 °C et une surface spécifique d’au moins 45 m²/g.

3Anspruch 15 stellt ein katalytisches System mit einer solchen Zusammensetzung unter Schutz, Anspruch 16 ein Verfahren zur Abgasbehandlung von Verbrennungsmotoren mit einem solchen System oder einer solchen Zusammensetzung.

4Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1 bis 10 sowie 15 und 16 angegriffen und geltend gemacht, der angegriffene Gegenstand sei nicht patentfähig und die Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent mit einem Hauptantrag und vier Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

5Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die mit Hilfsantrag 4 verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin strebt weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang an. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent mit ihren erstinstanzlichen Anträgen sowie einem weiteren Hilfsantrag.

Gründe

6Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet und führt zur Nichtigerklärung, soweit der angegriffene Gegenstand über die Fassung gemäß Hilfsantrag 5 hinausgeht.

7I. Das Streitpatent betrifft eine Zusammensetzung mit Oxiden aus Zirkonium, Cer und anderen Seltenerdmetallen.

81. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind Produkte auf der Basis von Zirkoniumoxid, Ceroxid und einem oder mehreren Oxiden anderer Seltenerdmetalle wichtige und vielversprechende Bestandteile von Drei-Wege-Katalysatoren, mit denen Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe in Abgasen oxidiert und Stickstoffoxide reduziert werden können.

9Um wirksam zu sein, müssten diese Komponenten auch bei hohen Temperaturen, zum Beispiel von mindestens 900 °C eine große spezifische Oberfläche aufweisen (Abs. 2). Zudem müssten sie in der Lage sein, sich in reduzierender Atmosphäre zu reduzieren und in oxidierender Atmosphäre zu reoxidieren (Abs. 3). Die Temperatur, bei der diese Reduzierbarkeit und damit die Wirksamkeit des Katalysators am höchsten sei, liege bisher recht hoch, in der Regel bei etwa 550 °C (Abs. 3). Beide Eigenschaften seien nur schwer miteinander zu vereinbaren, da eine hohe Reduzierbarkeit bei niedrigen Temperaturen eine geringe spezifische Oberfläche zur Folge habe (Abs. 4).

102. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, Zusammensetzungen bereitzustellen, die eine große spezifische Oberfläche und bereits bei niedrigen Temperaturen eine maximale Reduzierbarkeit aufweisen.

113. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 eine Zusammensetzung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen zur erteilten Fassung sind hervorgehoben):

134. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.

14a) Die Merkmale 1 und 2 geben die Bestandteile der Zusammensetzung und deren maximalen Gehalt an Ceroxid vor.

15Als von Cer verschiedene Seltenerdmetalle kommen nach der Beschreibung insbesondere Yttrium, Lanthan, Neodym, Praseodym oder Gadolinium in Betracht (Abs. 15).

16Der Anteil von Oxiden dieser Metalle soll im Allgemeinen bei höchstens 30 % liegen (Abs. 17). Patentanspruch 1 gibt insoweit lediglich zwingend vor, dass der Anteil des Ceroxids höchstens 50 Gewichtsprozent betragen darf.

17b) Die Merkmale 4 und 5 definieren Anforderungen, denen die Zusammensetzung auch dann genügen muss, wenn sie der in Merkmal 3 definierten Behandlung unterzogen, also sechs Stunden lang bei 1000 °C kalziniert worden ist.

18Die so definierten Zusammensetzungen zeichnen sich durch eine relativ große spezifische Oberfläche und eine relativ niedrige maximale Reduzierbarkeitstemperatur aus.

19c) Die maximale Reduzierbarkeitstemperatur im Sinne von Merkmal 4 ist nach der insoweit maßgeblichen Definition in der Beschreibung des Streitpatents diejenige Temperatur, bei der eine maximale Wasserstoffaufnahme und damit eine maximale Reduktion von Cer IV zu Cer III vorliegt (Abs. 20).

20aa) Angesichts dieser Definition ist das Patentgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur um diejenige Temperatur handeln muss, bei der die Wasserstoffaufnahme ihr absolutes Maximum erreicht, und dass Temperaturen, bei denen lediglich ein lokales Maximum erreicht wird, nicht unter Merkmal 4 fallen.

21Dieses Verständnis steht in Einklang mit der Schilderung der Ausführungsbeispiele. Dort wird die Wasserstoffaufnahme in Abhängigkeit zur Temperatur durch eine programmierte Temperaturreduktion (TRP) gemessen (Abs. 85). Die maximale Reduzierbarkeitstemperatur entspricht dabei der maximalen Höhe des Peaks der durch die Messwerte erhaltenen Kurve (Abs. 113 und Figur 2).

22bb) Die Argumentation der Klägerin, wonach diesem Wert keine technische Bedeutung zukommt, weil die Wirkung eines Katalysators entscheidend durch die Gesamtmenge des aufgenommenen Wasserstoffs über einen größeren Temperaturbereich hinweg bestimmt wird, ist in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht erheblich, weil Patentanspruch 1 ausdrücklich auf die Temperatur der maximalen Reduktion abstellt und der Patentschrift keine Hinweise darauf zu entnehmen sind, dass abweichend von der oben wiedergegebenen Definition die Gesamtmenge maßgeblich sein soll.

23Unabhängig davon kommt der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur im oben aufgezeigten Sinn auch im Lichte der von der Klägerin aufgezeigten Zusammenhänge technische Bedeutung zu.

24Zwar mag es zutreffen, dass eine Zusammensetzung, die eine höhere Gesamtmenge an Wasserstoff aufnehmen kann, sich gegenüber einer Zusammensetzung mit geringerer Aufnahmekapazität auch dann als vorteilhaft erweist, wenn der maximale Aufnahmewert bei einer höheren Temperatur erreicht wird. Dies schließt aber nicht aus, dass es je nach Anwendungsfall auch vorteilhaft sein kann, wenn der Maximalwert bei einer niedrigeren Temperatur erreicht wird, obwohl die Aufnahmekapazität insgesamt geringer ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen die eine oder die andere Variante als vorzugswürdig zu betrachten ist. Technische Wirkung kommt dem in Merkmal 4 spezifizierten Parameter schon deshalb zu, weil er Einfluss auf die katalytischen Eigenschaften der Zusammensetzung hat.

255. Die mit den Patentansprüchen 15 und 16 geschützten Gegenstände werden durch den Einsatz einer Zusammensetzung nach Patentanspruch 1 geprägt und unterliegen deshalb keiner abweichenden Beurteilung.

26II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

27In den Fassungen nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 sei die Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann, ein promovierter Chemiker mit einschlägigen Kenntnissen auf dem Gebiet der Katalyse, der mit der Entwicklung von Abgaskatalysatoren befasst sei, sie ausführen könne.

28Eine Untergrenze eines beidseitig begrenzten Wertebereichs sei nur dann ausführbar offenbart, wenn das Patent mindestens ein konkretes Ausführungsbeispiel schildere, das den beanspruchten Minimalwert erreiche, oder konkrete Hinweise gebe, wie ausgehend von den geschilderten Beispielen eine weitere Reduzierung zu erreichen sei. Im Streitfall ergäben sich auch aus den Ausführungsbeispielen 1, 3 und 4 keine Hinweise darauf, wie eine Verringerung der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur auf den mit dem Hauptantrag beanspruchten Wert von 430 °C erreicht werden könne.

29Die in den Hilfsanträgen beanspruchte Untergrenze von 450 °C werde zwar bei Ausführungsbeispiel 3 erreicht. Dem Fachmann erschließe sich aber nicht, wie er die bei diesem Beispiel erreichte spezifische Oberfläche von 60 m²/g auf die mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 2 beanspruchte Obergrenze von 65 m²/g erhöhen könne, ohne dass die maximale Reduzierbarkeitstemperatur unter den Wert von 450 °C absinke.

30Die mit Hilfsantrag 3 beanspruchte spezifische Oberfläche von 60 m²/g werde in Ausführungsbeispiel 3 zwar erreicht, jedoch nicht in Kombination mit einer maximalen Reduzierbarkeitstemperatur von 500 °C.

31In der Fassung des Hilfsantrags 4 sei die Erfindung hingegen ausführbar offenbart. Die mit diesem Antrag beanspruchten Werte von 450 °C und 60 m²/g würden bei Ausführungsbeispiel 3 erreicht.

32Der mit Hilfsantrag 4 verteidigte Gegenstand sei auch ursprünglich offenbart und patentfähig.

33Die internationale Patentanmeldung 2004/085806 (K5) offenbare abweichende Kalzinierungsbedingungen oder eine spezifische Oberfläche von unter 40 m²/g. Das in den von der Klägerin vorgelegten Versuchsberichten (K5b, K5c) beschriebene Mischoxid weise eine maximale Reduzierbarkeitstemperatur von 581 °C bzw. 435 °C auf.

34Die in der internationalen Patentanmeldung 2009/130202 (K8) offenbarten Ausführungsbeispiele belegten, dass eine maximale Reduzierbarkeitstemperatur von weniger als 500 °C nicht darstellbar und eine spezifische Oberfläche innerhalb des in Merkmal 5 vorgegebenen Bereichs bei längerer Kalzinierung nicht erwartbar sei.

35Aus der internationalen Patentanmeldung 2004/103907 (K9) ergäben sich keine weitergehenden Hinweise. K9 sehe nicht die vom Streitpatent beschriebene kurze Reaktionszeit vor, erachte Mischoxide mit einer maximalen Reduzierbarkeitstemperatur von über 500 °C als vorteilhaft und liefere keine Hinweise für eine Weiterentwicklung hin zu niedrigeren maximalen Reduzierbarkeitstemperaturen und größeren spezifischen Oberflächen.

36III. Diese Beurteilung hält den Berufungsangriffen der Beklagten stand.

371. Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass die Erfindung in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 nicht so offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

38a) Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird ( Xa ZR 100/05, GRUR 2010, 414 Rn. 23 - Thermoplastische Zusammensetzung).

39Bei einem Merkmal, das in verallgemeinerter Form beansprucht ist, ist es nicht generell erforderlich, dass die Patentschrift dem Fachmann für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzeigt. Der mögliche Patentschutz ist unter diesem Aspekt vielmehr durch den Beitrag begrenzt, den das Patent zum Stand der Technik leistet.

40Die Beurteilung dieser Frage bedarf stets einer wertenden Betrachtung. Welches Maß an Verallgemeinerung in diesem Zusammenhang zulässig ist, richtet sich im Einzelfall danach, ob der mit der jeweiligen Anspruchsfassung erschlossene Schutz sich im Rahmen dessen hält, was dem Patent aus Sicht des Fachmanns unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre zu entnehmen ist, durch die das der Erfindung zugrundeliegende Problem gelöst wird (, BGHZ 198, 205 = GRUR 2013, 1210 Rn. 21 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; Urteil vom - X ZR 32/17, GRUR 2019, 713 Rn. 42 - Cer-Zirkonium Mischoxid I; Urteil vom - X ZR 36/17, Rn. 101 f.).

41Selbst ein nur in einer Richtung begrenzter Wertebereich kann demnach ausführbar offenbart sein, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen (, GRUR 2019, 713 Rn. 45 - Cer-Zirkonium-Mischoxid I; X ZR 34/17, GRUR 2019, 718 Rn. 26 - Cer-Zirkonium-Mischoxid II). Fehlt es an einer verallgemeinerbaren Lehre in diesem Sinne, ist ein nach oben begrenzter Bereich nur dann ausführbar offenbart, wenn das Patent mindestens ein konkretes Ausführungsbeispiel schildert, das den beanspruchten Höchstwert erreicht, oder konkrete Hinweise gibt, wie ausgehend von den geschilderten Beispielen eine weitere Steigerung zu erreichen ist (, GRUR 2021, 1043 Rn. 59 - Cerdioxid).

42b) Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das Patentgericht zutreffend angenommen, dass diese Grundsätze auch für eine beanspruchte Untergrenze gelten, wenn es nicht ohne weiteres möglich ist, einen niedrigen Wert zu erzielen.

43Die aufgezeigte Rechtsprechung des Senats beruht nicht auf grundlegenden Unterschieden zwischen Ober- und Untergrenzen. Sie betrifft vielmehr Konstellationen, in denen es aus fachlicher Sicht wünschenswert, aber nicht ohne weiteres möglich ist, einen bestimmten Wert zu übertreffen. In den bislang entschiedenen Fällen ging es dabei im Wesentlichen darum, einen möglichst hohen Wert zu erzielen. Für Konstellationen, in denen es wünschenswert, aber nicht ohne weiteres möglich ist, einen möglichst niedrigen Wert zu erzielen, kann indes nichts anderes gelten. Entsprechendes gilt auch und erst recht in Konstellationen, in denen es wegen gegenläufiger Effekte oder aus sonstigen Gründen nicht ohne weiteres möglich ist, einen hohen Wert für einen Parameter mit einem niedrigen Wert für einen anderen Parameter zu kombinieren.

44c) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Anmelder in solchen Fällen kein Recht, weitergehende Wertbereiche allein deshalb zu beanspruchen, weil Verbesserungen in geringem Umfang nach der Lebenserfahrung häufig zu erwarten sind.

45Wenn ein Patent keine verallgemeinerbare Lehre offenbart, die es erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und die im Patent aufgezeigten Werte zu übertreffen, beschränkt sich der Beitrag, den das Patent zum Stand der Technik leistet, in den konkreten Verbesserungen, die in der Patentschrift offenbart sind. Unter dieser Voraussetzung darf der Bereich dessen, was als ausführbar offenbart anzusehen ist, nicht allein deshalb erweitert werden, weil Verbesserungen in gewissem Umfang häufig zu erwarten sind. Vielmehr bedarf es konkreter Hinweise dazu, auf welchem Weg weitere Verbesserungen erzielt werden können.

46d) Unter Anlegung dieses Maßstabs hat das Patentgericht zu Recht eine ausführbare Offenbarung der in Merkmal 4 in der Fassung des Hauptantrags beanspruchten Untergrenze verneint.

47aa) Zu Recht ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass das Streitpatent keine verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es unabhängig von den konkreten Ausführungsbeispielen ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.

48Patentanspruch 1 definiert in den Merkmalen 1 und 2 nur rudimentäre Anforderungen an die Stoffe, aus denen die Zusammensetzung besteht. Als Mittel, wie damit die in den Merkmalen 4 und 5 beanspruchten Eigenschaften erreicht werden können, zeigt das Streitpatent das in der Beschreibung geschilderte Verfahren auf, das nach Maßgabe der nicht angegriffenen Ansprüche 11 bis 14 eigenständig geschützt ist.

49Vor diesem Hintergrund darf ein Wertebereich, der von den geschilderten Ausführungsbeispielen nicht abgedeckt ist, nur dann beansprucht werden, wenn die Patentschrift konkrete Hinweise dazu enthält, wie ausgehend von den Ausführungsbeispielen weitere Verbesserungen zu erreichen sind.

50bb) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Merkmal 4 nicht vorliegen.

51(1) Die Beschreibung des Streitpatents weist für die Ausführungsbeispiele 1, 3 und 4 folgende Temperatur- und Oberflächenwerte aus:

53(2) Keines dieser Beispiele weist die mit dem Hauptantrag beanspruchte Untergrenze von 430 °C für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur aus.

54Eine Verringerung unter die in den Beispielen erzielten Werte bei gleichzeitiger Beibehaltung einer spezifischen Oberfläche gemäß Merkmal 5 ist nach der Beschreibung des Streitpatents nicht ohne weiteres möglich, sondern eines der Ziele, deren Erreichung sich das Streitpatent widmet.

55(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält das Streitpatent keine konkreten Hinweise, wie eine weitere Verbesserung in dieser Hinsicht erzielt werden kann.

56(a) Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass in Ausführungsbeispiel 3 im Vergleich zu Ausführungsbeispiel 1 bei gleicher Zusammensetzung sowohl eine Verringerung der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur als auch eine Erhöhung der spezifischen Oberfläche gelungen ist, kein konkreter Hinweis darauf, dass dies auf den unterschiedlichen Ammoniak-Überschuss zurückzuführen ist.

57Nach der Beschreibung des Streitpatents kann es vorzugswürdig sein, das Zusammenbringen der Mischung mit einer basischen Verbindung unter Verwendung eines stöchiometrischen Überschusses der basischen Verbindung durchzuführen, um eine maximale Niederschlagsausbeute zu gewährleisten (Abs. 40). Dies mag nicht ausschließen, dass das Ausmaß dieses Überschusses zugleich Auswirkungen auf die maximale Reduzierbarkeitstemperatur und die spezifische Oberfläche hat. Selbst wenn es einen solchen Zusammenhang gibt, ergibt sich aus der Gegenüberstellung der in den Ausführungsbeispielen 1 und 3 gewählten Werte von 20 % und 5 % kein Hinweis darauf, ob dieser Zusammenhang auch dann zum Tragen kommt, wenn der Wert in die Nähe von 0 % oder sogar hin zu einem stöchiometrischen Defizit verändert wird.

58(b) Für die Unterschiede in der Materialzusammensetzung gilt Entsprechendes.

59Ein Vergleich der Ausführungsbeispiele 1 und 4 deutet zwar darauf hin, dass der Einsatz von Yttrium anstelle von Neodym Vorteile bieten könnte. Hieraus ergeben sich aber keine konkreten Hinweise darauf, wie die Zusammensetzung geändert werden könnte, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen.

60(c) Der Umstand, dass bei den Beispielen 1, 3 und 4 abweichend von den in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 4) geschilderten Erfahrungen aus dem Stand der Technik eine Vergrößerung der spezifischen Oberfläche mit einer Verringerung der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur einhergeht, führt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

61Die genannten Ausführungsbeispiele lassen zwar erkennen, dass es mit dem vorgeschlagenen Verfahren möglich ist, die nach dem Stand der Technik zu erwartende Gegenläufigkeit der beiden Parameter jedenfalls innerhalb eines bestimmten Wertebereichs zu überwinden. Hieraus ergeben sich aber keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dieser Effekt auch für Werte außerhalb des in der Beschreibung aufgezeigten Bereichs zu erwarten ist.

62(4) Unabhängig davon weist keines der Ausführungsbeispiele die mit dem Hauptantrag beanspruchte Obergrenze von 65 m²/g für die spezifische Oberfläche auf.

63(a) Dieser Wert liegt oberhalb des in Ausführungsbeispiel 3 erzielten Höchstwerts von 60 m²/g. Konkrete Hinweise, wie eine Verbesserung hin zu 65 m²/g erreicht werden kann, enthält die Patentschrift nicht.

64Auch insoweit ist nicht erkennbar, welchen Einfluss Änderungen bezüglich des stöchiometrischen Überschusses von Ammoniak, der stofflichen Zusammensetzung oder sonstiger Parameter auf die spezifische Oberfläche haben.

65(b) Der Umstand, dass die Beschreibung die Einschätzung äußert, unter denselben Kalzinierungsbedingungen könnten spezifische Oberflächen bis zu einem Wert von etwa 65 m²/g erzielt werden (Abs. 24), vermag vor diesem Hintergrund nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.

66Diese Ausführungen enthalten ebenfalls keine konkreten Hinweise darauf, wie eine solche Verbesserung erreicht werden kann.

672. Zu Recht hat das Patentgericht die Erfindung in der Fassung der Hilfsanträge 1 und 2 ebenfalls als nicht ausführbar offenbart angesehen.

68Die Hilfsanträge 1 und 2 sehen ebenso wie der Hauptantrag in Merkmal 5 eine spezifische Oberfläche zwischen 45 m²/g und 65 m²/g vor. Wie bereits oben dargelegt wurde, enthält die Patentschrift keine konkreten Hinweise, wie der in den Ausführungsbeispielen erzielte Wert von 60 m²/g übertroffen werden kann.

693. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass die mit Hilfsantrag 3 beanspruchte Erfindung ebenfalls nicht so offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

70a) Hilfsantrag 3 sieht in Merkmal 4 eine maximale Reduzierbarkeitstemperatur von 450 °C bis 500 °C und in Merkmal 5 eine spezifische Oberfläche von 45 m²/g bis 60 m²/g vor.

71b) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ist diese Kombination in keinem der Ausführungsbeispiele verwirklicht.

72In Ausführungsbeispiel 3 wird zwar der beanspruchte Höchstwert von 60 m²/g für die spezifische Oberfläche und der beanspruchte Minimalwert von 450 °C für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur erreicht. Keines der Beispiele verwirklicht aber die beanspruchte Obergrenze von 500 °C für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur und die beanspruchte Untergrenze von 45 m²/g für die spezifische Oberfläche.

73Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass das Streitpatent keine konkreten Hinweise darauf enthält, wie eine solche Kombination erreicht werden kann.

74Der im Streitpatent erwähnte, aus dem Stand der Technik bekannte Erfahrungssatz, wonach eine hohe maximale Reduzierbarkeitstemperatur in Kombination mit einer geringen spezifischen Oberfläche grundsätzlich einfacher zu verwirklichen ist, mag zwar ausgehend von Beispiel 3 die Erwartung begründet haben, dass bei einer Verringerung der spezifischen Oberfläche von 55 m²/g auf 45 m²/g eine maximale Reduzierbarkeitstemperatur im beanspruchten Bereich von 450 °C bis 500 °C erreichbar ist. Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, deuten die Ausführungsbeispiele 1, 3 und 4 aber darauf hin, dass die nach dem Stand der Technik zu erwartende Gegenläufigkeit der beiden Parameter bei dem vorgeschlagenen Verfahren jedenfalls nicht durchgehend gegeben ist. Ausführungsbeispiel 4 zeigt vielmehr eine Verringerung der spezifischen Oberfläche von 60 m²/g auf 55 m²/g und einen Anstieg der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur von 450 °C auf 480 °C.

75Daraus mag sich zwar die Erwartung ergeben haben, dass abweichend von dem genannten Erfahrungssatz eine weitere Verringerung der spezifischen Oberfläche zu einer höheren maximalen Reduzierbarkeitstemperatur führt. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Streitpatent aber keine konkreten Hinweise darauf, dass diese Temperatur bei einer Verringerung der spezifischen Oberfläche auf 45 m²/g noch unterhalb der beanspruchten Obergrenze von 500 °C liegt.

76c) Aus den Werten für die in der Beschreibung des Streitpatents als Ausführungsbeispiele 2 und 5 geschilderten Vergleichsprodukte ergeben sich keine weitergehenden Hinweise.

77Für die Vergleichsprodukte weist die Beschreibung die nachfolgend wiedergegebenen Werte aus:

78Daraus ergibt sich zwar, dass sich auch bei deutlich über 500 °C liegenden Werten für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur eine spezifische Oberfläche von mehr als 45 m²/g erzielen lässt. Hieraus lassen sich aber keine Schlussfolgerungen auf die Werte ziehen, die bei dem im Streitpatent vorgeschlagenen Herstellungsverfahren erzielbar sind. Das Ausführungsbeispiel 1 weist zwar trotz einer um rund 100 °C niedrigeren maximalen Reduzierbarkeitstemperatur eine größere spezifische Oberfläche auf als die beiden Vergleichsprodukte. Wie bereits erwähnt ist dieser Wert bei den Ausführungsbeispielen 3 und 4 aber geringer, ohne dass erkennbar ist, wie sich eine weitere Erhöhung der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur auswirkt.

79IV. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich gegen den mit Hilfsantrag 4 verteidigten Gegenstand wendet.

801. Hilfsantrag 4 sieht ebenso wie Hilfsantrag 3 eine spezifische Oberfläche von 45 m²/g bis 60 m²/g vor, schränkt den Wertebereich für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur hingegen auf 450 °C bis 480 °C ein.

812. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist die Erfindung auch damit nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

82Wie das Patentgericht zu Recht ausführt, offenbart das Streitpatent in Ausführungsbeispiel 4 zwar eine Zusammensetzung, deren maximale Reduzierbarkeitstemperatur den mit Hilfsantrag 4 beanspruchten Maximalwert von 480 °C aufweist. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergeben sich daraus aber keine konkreten Hinweise darauf, wie die spezifische Oberfläche von dem für Ausführungsbeispiel 4 ausgewiesenen Wert von 55 m²/g auf die beanspruchte Untergrenze von 45 m²/g verringert werden kann, ohne dass der für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur beanspruchte Bereich verlassen wird.

83Die von der Beklagten angestellte Erwägung, es sei für den Fachmann nicht problematisch, Mischoxide zur Verfügung zu stellen, die nach Hochtemperatur-Kalzinierung eine geringere spezifische Oberfläche aufweisen, als dies in den Beispielen des Streitpatents gezeigt ist, mag mit der generellen Einschätzung übereinstimmen, die auch in den einleitenden Bemerkungen des Streitpatents (Abs. 4) geäußert wird. Wie bereits oben dargelegt wurde, deuten aber die für die Ausführungsbeispiele 1, 3 und 4 ausgewiesenen Werte darauf hin, dass ein solcher Zusammenhang bei der vom Streitpatent vorgeschlagenen Herstellungsmethode jedenfalls innerhalb eines bestimmten Bereichs gerade nicht besteht.

84Wie bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag 3 dargelegt wurde, ist die spezifische Oberfläche bei Ausführungsbeispiel 3 größer als bei den Ausführungsbeispielen 1 und 4, obwohl Beispiel 3 die geringste maximale Reduzierbarkeitstemperatur aufweist. Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus der Beschreibung des Streitpatents keine konkreten Hinweise darauf, dass auch bei dem dort vorgeschlagenen Verfahren eine Verringerung der spezifischen Oberfläche unter Beibehaltung einer maximalen Reduzierbarkeitstemperatur innerhalb des beanspruchten Bereichs möglich ist. Auch insoweit ist nicht erkennbar, ob und in welcher Weise die Unterschiede hinsichtlich des Überschusses an Ammoniak und der Bestandteile der Zusammensetzung von Bedeutung sind.

85Aus den von der Beklagten angeführten Variationen der Reaktionszeit, des Zeitpunkts der Erhitzung, der dabei erreichten Temperaturen des Reaktionsmediums und der Mindest-pH-Werte ergeben sich keine weitergehenden Erkenntnisse.

86V. Das Streitpatent erweist sich jedoch in der Fassung von Hilfsantrag 5 als rechtsbeständig.

871. Hilfsantrag 5 sieht wie Hilfsantrag 4 eine maximale Reduzierbarkeitstemperatur von 450 °C bis 480 °C vor, beschränkt den Wertebereich für die spezifische Oberfläche hingegen auf 55 m²/g bis 60 m²/g.

882. Dieser erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Antrag ist gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig.

89Zwar hat die Klägerin der Verteidigung des Streitpatents in den geänderten Fassungen nicht zugestimmt. Die darin liegende Antragsänderung ist jedoch sachdienlich (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG).

90Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der qualifizierte Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG keinen Anlass zur Stellung eines solchen Antrags gab (, GRUR 2016, 365 - Telekommunikationsverbindung; Urteil vom - X ZR 35/16, Rn. 52).

91Im Streitfall hat das Patentgericht in dem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis Zweifel bezüglich der ausführbaren Offenbarung nur hinsichtlich der beanspruchten Untergrenze von 430 °C für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur geäußert. Dies gab Anlass, gegebenenfalls Hilfsanträge zu stellen, die einen engeren Wertebereich für diesen Parameter vorsehen.

92Anlass, vorsorglich auch den Wertebereich für die spezifische Oberfläche zu verringern, bestand demgegenüber nicht. Diesbezügliche Bedenken ergeben sich erst aus dem angefochtenen Urteil, und selbst dort hat das Patentgericht die mit Hilfsantrag 4 verteidigte Kombination als unbedenklich angesehen.

933. In der mit Hilfsantrag 5 verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ist die Erfindung so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

94Mit den Ausführungsbeispielen 3 und 4 werden Ausführungsformen offenbart, die die in den Merkmalen 4 und 5 beanspruchte Spanne vollständig abdecken. Das Ausführungsbeispiel 1 zeigt darüber hinaus eine Ausführungsform, die bezüglich beider Parameter im Mittelfeld liegt.

954. Der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 ist patentfähig.

96a) Der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Gegenstand ist ausgehend von K5 nicht nahegelegt.

97aa) K5 befasst sich mit der Verringerung der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur bei Zusammensetzungen auf Basis von Zirkoniumoxid und Ceroxid.

98Die vorgeschlagenen Zusammensetzungen bestehen aus Oxiden von Zirkonium, Cer und mindestens einem weiteren Seltenerdmetall. Der Gehalt an Zirkoniumoxid beträgt mindestens 50 Gewichtsprozent (K5de S. 3 Z. 22-29). Die maximale Reduzierbarkeitstemperatur liegt im Bereich von 300 °C und 500 °C (K5de S. 4 Z. 4-8), die spezifische Oberfläche beträgt nach einer Kalzinierung bei 1000 °C für 6 Stunden mindestens 40 m²/g (K5de S. 5 Z. 1-5).

99bb) Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, fehlt es damit bereits an einer Offenbarung von Merkmal 5 in der mit Hilfsantrag 4 verteidigten Fassung. Entsprechendes gilt - erst recht - für die mit Hilfsantrag 5 verteidigte Fassung dieses Merkmals, das eine Untergrenze von 55 m²/g vorsieht.

100cc) Aus den von der Klägerin vorgelegten Versuchsberichten (K5b, K5c) ergibt sich kein weitergehender Offenbarungsgehalt.

101(1) K5b gibt die spezifische Oberfläche mit 47,3 m²/g an (S. 2 oben).

102Dies liegt zwar innerhalb des mit Hilfsantrag 4 beanspruchten Bereichs, nicht aber innerhalb der in Hilfsantrag 5 vorgesehenen Grenzen.

103(2) Für die maximale Reduzierbarkeitstemperatur weist K5b die nachfolgend wiedergegebenen, aus zwei unterschiedlichen Messzyklen stammenden Ergebnisse aus.

104Keine der darin ausgewiesenen Maximaltemperaturen liegt innerhalb des in Merkmal 4 in der Fassung von Hilfsantrag 5 vorgegebenen Bereichs von 450 °C bis 480 °C.

105Die für den ersten Zyklus dargestellte lokale Spitze ist schon deshalb unerheblich, weil aus den bereits oben dargelegten Gründen nur der absolute Maximalwert maßgeblich ist. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung, ob der in der Beschreibung (K5b S. 2) mit 481 °C angegebene Wert der lokalen Spitze noch innerhalb des vorgegebenen Bereichs liegt.

106dd) Ausgehend von K5 ergab sich keine Anregung in Richtung auf den mit Hilfsantrag 5 verteidigten Gegenstand.

107(1) K5 enthält keine konkreten Hinweise dazu, wie eine größere spezifische Oberfläche bei einer maximalen Reduzierbarkeitstemperatur im Bereich zwischen 450 °C und 480 °C erreicht werden kann.

108Der in K5 enthaltene Hinweis auf die Möglichkeit von Zusammensetzungen mit anderen Bestandteilen und Mischungsverhältnissen mag Anlass zu entsprechenden Experimenten gegeben haben. Weder aus K5b noch aus sonstigen Umständen ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, dass auf diesem Weg ohne erfinderische Tätigkeit die mit Hilfsantrag 5 beanspruchten Wertekombinationen erreichbar wären.

109b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Gegenstand auch nicht durch K8 nahegelegt.

110aa) K8 betrifft eine Zusammensetzung auf der Basis von Oxiden von Zirkonium, Cer, Yttrium und gegebenenfalls eines anderen Seltenerdmetalls.

111Nach der Beschreibung von K8 besteht für Dreiwege-Katalysatoren ein Bedürfnis nach katalytischen Materialien wie Zirkoniumoxid und Ceroxid, die eine hohe und stabile Reduzierbarkeit auch bei hohen Temperaturen und eine möglichst niedrige maximale Reduzierbarkeitstemperatur aufweisen (K8de S. 1 Z. 23-29).

112K8 schlägt hierfür Zusammensetzungen aus Zirkonium-, Cer- und Yttriumoxid mit einem Anteil an Ceroxid zwischen 3 % und 15 %, einem sich daran orientierenden Anteil an Yttriumoxid und einem restlichen Anteil an Zirkoniumoxid vor (K8de S. 1 Z. 32 bis S. 2 Z. 10). Bei einer weiteren Ausführungsform enthält die Zusammensetzung zudem mindestens ein Oxid eines Seltenerdmetalls, das aus Lanthan, Neodym und Praseodym ausgewählt ist (K8de S. 2 Z. 11-24).

113Für die Ausführungsbeispiele werden maximale Reduzierbarkeitstemperaturen von über 500 °C angegeben (Tabelle 4). Die spezifische Oberfläche beträgt nach vierstündigem Kalzinieren bei 1000 °C zwischen 33 und 53 m²/g (Tabelle 3).

114bb) Damit fehlt es an einer Offenbarung der Merkmale 3 bis 5 in der Fassung von Hilfsantrag 5.

115cc) Wie das Patentgericht im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 zutreffend ausgeführt hat, ergeben sich aus K8 keine Hinweise oder Anregungen in Richtung einer Zusammensetzung mit diesen Merkmalen.

116Die Beispiele 2 und 5 (mit 508 °C bzw. 514 °C) belegen, dass eine maximale Reduzierbarkeitstemperatur von unter 500 °C bereits bei einer kürzeren Kalzinierungsdauer als der patentgemäßen 6-stündigen nicht erreichbar ist. Hinweise für eine Verringerung der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur durch eine Verlängerung der Kalzinierungsdauer ergeben sich aus K8 nicht, da diese keinen Rückschluss auf eine Abhängigkeit der maximalen Reduzierbarkeitstemperatur von der Kalzinierungsdauer zulässt.

117dd) Aus K9 ergeben sich keine weitergehenden Anregungen.

118(1) K9 betrifft ein Verfahren zur Herstellung und Verwendung eines Metalloxid-Mischkristalls in Nanogröße, das zur Herstellung von Mischoxiden für Dreiwege-Katalysatoren auf der Basis der Oxide von Zirkonium, Cer und mindestens einem weiteren Seltenerdelement verwendet werden soll (Abs. 2, Abs. 14-17).

119Die Beschreibung von K9 führt aus, Cerdioxid weise bei hoher Temperatur wegen Porenfüllung und Sintern der Kristallite einen großen Verlust an Oberfläche, eine starke Zunahme der Kristallitgröße und eine Verringerung der Sauerstoffspeicherkapazität und -mobilität auf (Abs. 17). K9 sucht nach Wegen, diese Nachteile zu überwinden (Abs. 27 f.).

120Zur Lösung schlägt K9 unter anderem ein Verfahren vor, bei dem ein Reaktantengemisch aus Wasser und mindestens zwei wasserlöslichen Metallverbindungen bei 200 °C bis 700 °C unter einem Druck von 180 bis 550 bar kontinuierlich umgesetzt wird (vgl. Abs. 30 ff.).

121Die Ausführungsbeispiele bestehen aus Oxiden des Zirkoniums, des Cers und einem Lanthanoid. Der Anteil an Ceroxid beträgt zum Teil über 50 Gew.-%. Die spezifische Oberfläche nach einer Kalzinierung bei 1000 °C für 6 Stunden wird mit über 30 m²/g bis 42,4 m²/g angegeben, die maximale Reduzierbarkeitstemperatur mit 550 °C und mehr (Abs. 92, Tabellen 1 und 3, Figur 3).

122(2) Damit fehlt es an einer Offenbarung der Merkmale 4 und 5 in der Fassung von Hilfsantrag 5.

123(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergab sich aus K9 keine Anregung für den Fachmann das in K8 vorgeschlagene Verfahren mit der kontinuierlichen Umsetzung aus K9 zu kombinieren.

124Aus K9 ergeben sich zwar Hinweise darauf, dass eine solche Vorgehensweise vorteilhaft sein kann. Dies begründete aber nicht die Erwartung, dass damit Zusammensetzungen mit geringer maximaler Reduzierbarkeitstemperatur hergestellt werden können. Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, stellt die Beschreibung der K9 keinen derartigen Zusammenhang her.

125c) Mit dem Patentanspruch 1 haben gemäß Hilfsantrag 5 auch die auf ihn zurückbezogenen Ansprüche 5 bis 10 und die nebengeordneten Ansprüche 15 und 16 Bestand, während die Ansprüche 2 und 3 antragsgemäß entfallen.

126d) Den in Hilfsantrag 5 vorgesehenen Anspruch 2 (in der Zählung der erteilten Fassung und des Urteilstenors: Anspruch 4) hat der Senat aus Gründen der redaktionellen Klarheit nicht in den neuen Anspruchssatz aufgenommen.

127Der darin beanspruchten Untergrenze von 50 m²/g für die spezifische Oberfläche kommt angesichts des Rückbezugs auf Anspruch 1 und die darin beanspruchte Untergrenze von 55 m²/g keine eigenständige Bedeutung mehr zu.

128VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:031224UXZR131.22.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-83803