Suchen
BGH Beschluss v. - 2 StR 361/24

Instanzenzug: Az: 323 KLs 12/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 750 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Abänderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.

2Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen erklärte sich der Angeklagte im August 2018 bereit, Briefumschläge, die Betäubungsmittel und Cannabis enthielten und deren Inhalt Hintermänner in das europäische Ausland veräußert hatten, an die Besteller im Ausland zu versenden. Er erhielt die fertig etikettierten Umschläge an unterschiedlichen Orten und transportierte diese zu verschiedenen Postfilialen, die ihm zuvor genannt worden waren. Dort gab er die Bestellung auf. Er wusste, dass die Briefumschläge Drogen enthielten. Deren unterschiedliche Art sowie den jeweiligen Wirkstoffgehalt nahm er billigend in Kauf. Für jeden Gang zu einer Postfiliale erhielt er von den Hintermännern 150 Euro. Er handelte, um sich durch die wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und Gewicht zu verschaffen. Die Sendungen wurden in allen Fällen von der Post angehalten und durch die Ermittlungsbehörden sichergestellt. Die Strafkammer hat folgende Einzelfälle festgestellt:

31. Am gab der Angeklagte in einer Postfiliale in K.     vier Sendungen auf, die Heroin, Kokain, Amphetamin und Haschisch enthielten (Fall II.1 der Urteilsgründe).

4a) Eine Sendung, die 99,2 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 45,2 g Heroinhydrochlorid (H-HCI) enthielt, versandte er an einen Adressaten in W.           /Österreich.

5b) Eine weitere Sendung, die 0,5 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 35 % Kokainhydrochlorid (KHC) und 1,06 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 1,5 % Tetrahydrocannabinol (THC) enthielt, versandte er an eine Empfängerin in L.        /Österreich.

6c) Eine an einen Empfänger in Dänemark adressierte Sendung enthielt 8.655 g Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 2.172,405 g Amphetaminbase und 98,8 g Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 37,3 g KHC.

7d) Eine an einen Empfänger in W.     /Österreich adressierte Sendung enthielt 31,288 g Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 16,37 g KHC und 9,7 g Heroin mit einer Wirkstoffmenge von 4,67 g H-HCI und 0,72 g Monoacetylmorphin (MAM-HCI).

82. Am versandte er in einer DHL-Filiale in B.         248,2 g MDMA mit einer Wirkstoffmenge von 186 g MDMA-Base und 231 g Amphetamin mit 66 g Amphetaminbase sowie 495 g Haschisch an einen Empfänger in Polen. Die Strafkammer hat die Versendung der 495 g Haschisch gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen (Fall II.2 der Urteilsgründe).

93. Am versandte der Angeklagte in einer DHL-Filiale in F.       drei Sendungen, die Ecstasy-Tabletten und Haschisch enthielten (Fall II.3 der Urteilsgründe).

10a) Eine Sendung mit 224 g Ecstasy-Tabletten und einer Wirkstoffmenge von circa 80 g MDMA-Base versandte er an einen Empfänger in Frankreich.

11b) Eine Sendung mit 2.509,6 g Haschisch und einer Wirkstoffmenge von 47,9 g THC übersandte er an einen Empfänger in S.          /Schweden.

12c) Eine weitere Sendung mit 229,6 g Ecstasy-Tabletten, davon 202,99 g der Prägeform „Tesla“ mit einem Wirkstoffgehalt von 66,7 g MDMA-Base (32,9 %) sowie im Übrigen der Prägeform „Kleeblatt“ mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % MDMA-Base versandte er an einen Empfänger in Irland.

134. Am versandte der Angeklagte eine weitere Sendung in einer unbekannten DHL-Filiale im Großraum K.       an einen Empfänger in W.     /Österreich (Fall II.4 der Urteilsgründe). Diese enthielt 9,7 g Kokain (Wirkstoffgehalt 35 % KHC) und 4,1 g Haschisch (Wirkstoffgehalt 1,5 % THC).

145. Schließlich gab er am in einer DHL-Filiale in R.                     zwei Sendungen auf (Fall II.5 der Urteilsgründe).

15a) Eine davon war adressiert an eine Empfängerin in L.       /Österreich. Sie enthielt 2,46 g Kokain (Wirkstoffgehalt 35 % KHC) und 7,2 g Haschisch (Wirkstoffgehalt 1,5 % THC).

16b) Die andere Sendung ging an eine Empfängerin in Finnland und enthielt 200 g Amphetamin (Wirkstoffgehalt 10 % Amphetaminbase).

II.

17Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Abänderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat es keinen Erfolg.

181. Die Verfahrensrüge versagt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.

192. Der Schuldspruch bedarf in mehrfacher Hinsicht der Korrektur.

20a) Die Strafkammer hat bei ihrer rechtlichen Bewertung im Ausgangspunkt zutreffend gesehen, dass sich der Angeklagte durch die Aufgabe der Briefsendungen zunächst des Besitzes von Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben von Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) schuldig gemacht hat. Das gilt auch nach dem am in Kraft getretenen Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (BGBl. I Nr. 109) unverändert fort. Dabei verknüpft die gleichzeitige Aufgabe mehrerer Briefumschläge an unterschiedliche Empfänger aufgrund der Teilidentität der tatbestandlichen Ausführungshandlung diese Fälle zur Tateinheit (vgl. hierzu allgemein , BGHSt 63, 1, 4 f.).

21Die Strafkammer hat jedoch übersehen, dass sich der Angeklagte, soweit die von ihm aufgegebenen Briefumschläge Drogen enthielten, die weiterhin dem Betäubungsmittelgesetz unterfallen, zudem tateinheitlich der versuchten Ausfuhr von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 BtMG in mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht hat. Unerlaubtes Ausführen von Betäubungsmitteln setzt das Verbringen der Betäubungsmittel aus dem Geltungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes über die deutsche Hoheitsgrenze in das Ausland voraus (vgl. , BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Ausfuhr 1). Hierzu hat der Angeklagte entsprechend seinem zuvor gefassten Tatplan unmittelbar angesetzt (§ 22 StGB), als er an den verschiedenen Tagen die Briefsendungen jeweils gleichzeitig in den Filialen zur Versendung aufgab (vgl. , BGHSt 30, 363, 365). Sein Versuch war fehlgeschlagen, da die Sendungen in allen Fällen von dem beauftragten Versandunternehmen angehalten und die Briefsendungen den Ermittlungsbehörden übergeben wurden.

22Die täterschaftliche versuchte Ausfuhr von Betäubungsmitteln wird nicht durch das vollendete Verbrechen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verdrängt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 497/05, Rn. 1, und vom – 6 StR 3/24, Rn. 1). Dies hat seinen Grund darin, dass mit der versuchten Ausfuhr der Bereich der abstrakten Gefahr der Weitergabe, die den Grund für die Verbrechensstrafbarkeit des Besitzes einer nicht geringen Rauschgiftmenge bildet (vgl. hierzu , BGHSt 42, 162, 166), verlassen wird. Durch die versuchte Weitergabe wird eine konkrete Gefahr begründet. Die Delikte stehen daher zueinander in Tateinheit.

23b) Der Schuldspruch ist darüber hinaus im Hinblick auf das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) zu korrigieren, soweit der Angeklagte in den Fällen II.1b), 3b), 4 und 5a) der Urteilsgründe ausschließlich oder neben weiteren Betäubungsmitteln Haschisch und damit Cannabis (§ 1 Nr. 5, 8 KCanG) versandt hat. Auf dieses ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO als im konkreten Fall milderes Gesetz bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen.

24aa) Danach hat der Angeklagte sich durch die Versendung von 1,06 g Haschisch im Fall II.1b) der Urteilsgründe, von 4,1 g Haschisch im Fall II.4 der Urteilsgründe und von 7,2 g Haschisch im Fall II.5a) der Urteilsgründe, das Haschisch hatte jeweils einen Wirkstoffgehalt von 1,5 % THC, neben weiteren Betäubungsmitteln nach Österreich und der daraus resultierenden Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz der (täterschaftlichen) versuchten Ausfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 KCanG, § 22 StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kommt in diesen Fällen keine Verurteilung wegen des Besitzes von Cannabis in Betracht. Denn die Strafnorm des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) KCanG greift nicht ein, solange sich die besessene Cannabismenge innerhalb der dort angegebenen Größen bewegt. Dabei ist unerheblich, dass der Besitz von Cannabis zur Förderung des Handeltreibens mit Cannabis verwaltungsrechtlich generell verboten ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 KCanG).

25bb) Demgegenüber hat sich der Angeklagte im Fall II.3b) der Urteilsgründe durch die Versendung von 2.509,6 g Haschisch mit 47,9 g THC des Besitzes von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) in Tateinheit mit versuchter Ausfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 KCanG, § 22 StGB) und Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Dabei stehen der Besitz von Cannabis und die versuchte Ausfuhr von Cannabis aus den oben dargestellten Gründen in Tateinheit.

26c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Dabei hat der Senat mit Blick auf die Verständlichkeit des Schuldspruchs davon abgesehen, die weitergehende gleichartige Tateinheit in der Beschlussformel zum Ausdruck zu bringen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 260 Rn. 26 mwN). Dass sich die Tat im Fall II.3b) der Urteilsgründe auf eine nicht geringe Menge Cannabis bezog (vgl. dazu nur BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216, und vom – 4 StR 50/24, Rn. 6 ff.), stellt gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG keine Qualifikation, sondern das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles dar und wird im Schuldspruch nicht zum Ausdruck gebracht. Der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ist milder (§ 2 Abs. 3 StGB) als der von der Strafkammer zur Anwendung gebrachte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei verneint (vgl. zu § 2 Abs. 3 StGB in einem solchen Fall , Rn. 11). Der in dem Fall II.1b) der Urteilsgründe zur Anwendung kommende gemilderte Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG ist ebenfalls milder als § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Gleiches gilt in den Fällen II.4 und 5a) der Urteilsgründe, in denen der gemilderte Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG mit seinem Unwertgehalt hinter dem des § 29 Abs. 1 BtMG zurückbleibt.

27§ 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der – bezogen auf die fortbestehende Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz – vorgenommenen Verböserung des Schuldspruchs ebenfalls nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 313/19, wistra 2020, 286, und vom – 3 StR 132/20, NJW 2021, 869, 873).

283. Die Schuldspruchänderung lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer unter Berücksichtigung des geänderten Schuldspruchs auf niedrigere Einzelstrafen und in der Folge auf eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. In den Fällen II.1, 4 und 5 der Urteilsgründe hat die Strafkammer die Versendung des Haschischs bei der Strafzumessung ausdrücklich nicht strafschärfend gewertet. Im Fall II.2 der Urteilsgründe erfährt der Schuldspruch lediglich eine Verschärfung. Auch im Fall II.3 der Urteilsgründe kann der Senat das Beruhen ausschließen. Die Strafkammer hat zum einen betont, dass es sich bei Haschisch um eine weiche Droge handelt, und zum anderen dessen „sehr schlechte Qualität“ hervorgehoben, sodass der Versendung des Haschischs neben der Versendung der erheblichen Mengen von Ecstasy-Tabletten und deren mehrfachen Überschreitens der nicht geringen Menge an MDMA-Base kein maßgebliches Gewicht zukam.

294. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 750 Euro ist rechtsfehlerfrei. Der Angeklagte hat für jeden Gang zu einer Postfiliale 150 Euro erhalten.

305. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Menges                        Meyberg                        Schmidt

                    Lutz                                Herold

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:231024B2STR361.24.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-83604