BGH Urteil v. - IX ZR 91/24

Leitsatz

Gesetze: § 36 Abs 1 InsO, § 850b Abs 1 Nr 4 ZPO

Instanzenzug: Az: 22 S 64/23vorgehend Az: 37 C 159/22

Tatbestand

1Am beauftragte                        O.        (im Folgenden: Schuldnerin) die Streithelferin der Beklagten (im Folgenden: Streithelferin) mit der "Vornahme aller im Zusammenhang mit der Durchführung der Bestattung anfallenden Dienstleistungen und Lieferungen" entsprechend einer Kostenzusammenstellung ("Bestattungsvorsorgevertrag"). Aus Anlass dieses Bestattungsvorsorgevertrags trafen die Schuldnerin, die Streithelferin der Beklagten und die Beklagte am eine als "Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Darin verpflichtete sich die Beklagte, die von der Schuldnerin zur Finanzierung ihrer dereinstigen Bestattung bei ihr eingezahlten und noch einzuzahlenden Beträge nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen und treuhänderisch zu verwalten.

2Die Schuldnerin leistete hierauf eine Einmalzahlung in Höhe von 2.500 €. Aufgrund weiterer Ratenzahlungen der Schuldnerin belief sich der bei der Beklagten gemäß der vertraglichen Abrede zweckgebunden zu der anteiligen Finanzierung der Bestattung der Schuldnerin verwahrte Betrag am auf 2.740 €. Die Vereinbarung regelte verschiedene Fälle der Auszahlung des verwahrten Betrags nebst Zinsen. Weiter enthielt die Vereinbarung eine Bestimmung, wonach die Schuldnerin zur Sicherung der dereinstigen Bestattungskosten ihre gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag an die Streithelferin abtrat und diese die Abtretung annahm.

3Auf den am bei Gericht eingegangenen Eigenantrag wurde mit das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben vom forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf das Erlöschen der Treuhand mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 115 Abs. 1 InsO erfolglos zur Rückzahlung des bei ihr verwahrten Betrags auf. Ferner kündigte der Kläger vorsorglich den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag mit der Beklagten sowie den Bestattungsvorsorgevertrag mit der Streithelferin. Die auf Auszahlung des verwahrten Betrags gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Auszahlung des bei der Beklagten verwahrten Betrags nicht zu. Das Guthaben aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag falle in analoger Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 InsO wegen Unpfändbarkeit nicht in die Insolvenzmasse. Der Gesetzgeber habe mit der Pfändungsbestimmung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO solche Versicherungen erfassen wollen, mit denen die beim Tod des Versicherungsnehmers anfallenden Ausgaben, vor allem die Bestattungskosten, abgedeckt werden sollten. Damit erfasse die Vorschrift insbesondere sogenannte Sterbegeldversicherungen.

6Die Vorschrift sei auf den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag analog anwendbar. Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge hätten sich erst in den 2000er Jahren etabliert. Hieraus habe sich eine planwidrige Regelungslücke des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO ergeben. Es bestehe auch eine vergleichbare Interessenlage, denn ein Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag erfülle im Wege einer anderen rechtlichen Konstruktion dieselbe Funktion wie eine Sterbegeldversicherung. Ein im Vergleich zu Sterbegeldversicherungen erhöhtes Missbrauchspotential sei nicht erkennbar. Hiermit stehe ferner in Einklang, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Guthaben aus Bestattungsvorsorgeverträgen grundsätzlich der Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII unterfallen würden.

7Der angesparte Geldbetrag in Höhe von 2.740 € liege zudem unterhalb des Freibetrags von 5.400 € im Sinne von § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Die Pfändung widerspräche schließlich der Billigkeit gemäß § 36 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 850b Abs. 2 ZPO.

II.

8Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

9Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fällt das Guthaben aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag nicht in analoger Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 InsO wegen Unpfändbarkeit nicht in die Insolvenzmasse. Auch wenn ein Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag grundsätzlich eine einer Sterbegeldversicherung entsprechende Funktion erfüllen könnte, stehen der insoweit klare und eindeutige Wortlaut des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie der Umstand, dass die Pfändbarkeit von Renten und rentenähnlichen Bezügen sowie Kleinlebensversicherungen in § 850b Abs. 1 ZPO geregelt wird, einer analogen Anwendung entgegen.

101. Eine direkte Anwendung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf von einem Unternehmen treuhänderisch für eine zukünftige Bestattung gehaltene Gelder scheidet aus.

11a) Der Pfändungsschutz nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 ZPO setzt voraus, dass dem Schuldner Bezüge ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden. Das ist vorliegend nicht der Fall.

12b) Gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO werden sogenannte Kleinlebensversicherungen, die nur auf den Todesfall abgeschlossen worden sind, für nur bedingt pfändbar erklärt. Ein Vertrag über eine Lebensversicherung liegt mit dem Treuhandvertrag aber ebenfalls nicht vor.

132. Auch eine analoge Anwendung von § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf von einem Unternehmen treuhänderisch für eine zukünftige Bestattung gehaltene Gelder scheidet aus.

14a)

15Eine Analogie setzt damit voraus, dass die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch eine gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen ist. Erst die Planwidrigkeit der Regelungslücke eröffnet die Möglichkeit einer Ausdehnung der Gesetzesvorschrift über ihren Wortlaut hinaus im Wege eines Analogieschlusses. Die Lücke muss sich aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden - Regelungsplan ergeben, wie er sich aus dem Gesetz selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung ergibt. Das Vorliegen einer vom Gesetzgeber unbeabsichtigten Lücke und ihre Planwidrigkeit müssen dabei aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können (vgl. , BGHZ 232, 284 Rn. 22 mwN).

16Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags verwahrter Gelder in § 850b Abs. 1 Nr. 4

17n § 850b Abs. 1 Nr. 4

18bb)

19cc) Der Regelungszweck des § 850b ZPO erfasst keine von einem Unternehmen treuhänderisch verwahrte Gelder. Vielmehr dient d

20dd) Der Gesetzgeber will mit der Pfändungsschutzbestimmung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO Versicherungen erfassen, die dazu dienen, beim Tode des Versicherungsnehmers anfallende Ausgaben, vor allem Bestattungskosten, abzudecken. Eine solche Todesfallversicherung entlastet jene Personen, von denen gemäß § 1968 BGB die Kosten der Bestattung eines Schuldners zu tragen sind. Angesichts dieses - auch auf die Vermeidung von Armenbestattungen gerichteten - Schutzzwecks genügt es für die Anwendbarkeit der Vorschrift, dass der Versicherungsnehmer und der Versicherte identisch sind. Begünstigter kann aber auch ein Dritter, selbst ein Nichtangehöriger, sein, dem die Bestattung des Versicherungsnehmers obliegt. Damit erfasst die Vorschrift insbesondere sogenannte Sterbegeldversicherungen, welche die eigenen Beerdigungskosten des Versicherten abdecken sollen, aber zugunsten eines Angehörigen abgeschlossen werden (vgl. , ZInsO 2009, 915 Rn. 5 mwN).

21ee) Der Gesetzgeber hat daher Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, mit für bedingt pfändbar erklärt. Entsprechend den Gesetzesmaterialien ist der Gesetzgeber dabei aber nur von Leistungen auf Grund von Versicherungsverträgen ausgegangen (vgl. etwa BT-Drucks. 1/4452, S. 3, 20; 8/693, S. 47). Eine Erweiterung auf andere Vertragskonstruktionen hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Auf eine nur versehentlich unterbliebene Erweiterung lassen weder die Gesetzgebungsmaterialien zu dieser Regelung noch die nachfolgenden gesetzlichen Änderungen schließen. Der Gesetzgeber hat auch nicht eine Erweiterung auf andere Formen der Vorsorge - wie etwa bei § 90 Abs. 2 SGB XII (vgl. BT-Drucks. 16/239, S. 10, 15, 17) - zumindest angedacht.

22ff) Vor dem Hintergrund der Erörterung einer Erweiterung von § 90 Abs. 2 SGB XII bestehen schließlich keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Erweiterung des

III.

23Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

24Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag

25Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag und damit auch der

26Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag und damit auch d§ 667 BGBam und damit zur Sicherung der dereinstigen BestattungskostenStreithelferinaus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche, und somit auch der Herausgabeanspruch gemäß § 667 BGB, an die Streithelferin abgetreten und folglich aus dem Vermögen der Schuldnerin ausgeschieden.

27Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags Wirksamkeit und Reichweite der dort enthaltenen Abtretungsvereinbarung zu prüfen haben.

28Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag keinen Einfluss. Ebenso wenig steht eine Beendigung des Vertragsverhältnisses nach §§ 115, 116 InsO der Wirksamkeit einer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Abtretung entgegen. Soweit der Auftragnehmer Rechtshandlungen bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, bleiben diese auch dann wirksam, wenn das Vertragsverhältnis nach §§ 115, 116 InsO endet.

29aa)

30bb)

312. Die Frage, ob dem Kläger hinsichtlich des bei der Beklagten verwahrten Betrags ein Einziehungsrecht nach § 166 Abs. 2 InsO zusteht, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beantworten.

32a) Sollte die Abtretung der Ansprüche der Schuldnerin aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag an die Streithelferin zur Sicherung eines Anspruchs im Sinne des § 166 Abs. 2 InsO erfolgt sein (vgl. , NZI 2009, 425 Rn. 21), besteht ein Einziehungsrecht des Klägers. § 166 Abs. 2 InsO soll nach dem Willen des Gesetzgebers Rechte, an denen Absonderungsrechte bestehen, nur insoweit einem Verwertungsrecht des Verwalters unterstellen, als es sich um Forderungen handelt, die zur Sicherung abgetreten worden sind (BT-Drucks. 12/2443, S. 178).

33b) Sollte die Abtretung der Ansprüche der Schuldnerin gegen die Beklagte aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag an die Streithelferin erfüllungshalber oder aber erfüllungsstatt erfolgt sein, scheidet ein Einziehungsrecht des Klägers aus (vgl. , juris Rn. 4; , juris Rn. 26; MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 166 Rn. 68; HK-InsO/Hölzle, 11. Aufl., § 166 Rn. 35). Ob dies vorliegend der Fall ist, richtet sich einerseits nach der Auslegung der Abtretungsvereinbarung in dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag und andererseits nach dem Rechtsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Streithelferin. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags, nach dem der bei der Beklagten verwahrte Betrag letztlich für die Erfüllung der Forderung der Streithelferin gegen die Schuldnerin aus dem geschlossenen Bestattungsvorsorgevertrag zur Verfügung stehen soll, erscheint dies möglich. Im Vordergrund der Vereinbarung könnte damit nicht eine fiduziarische Abtretung, sondern eine Abtretung erfüllungshalber (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 364 Rn. 5 ff) stehen.

343. Das Berufungsgericht wird dies - nach Stellungnahme der Parteien - zu prüfen haben.

Schoppmeyer                    Möhring                    Röhl

                          Harms                     Weinland

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:160125UIXZR91.24.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-83483