Instanzenzug: LG Tübingen Az: 2 KLs 33 Js 12623/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in fünf Fällen sowie wegen Betrugs in drei Fällen verurteilt. Hiervon ausgehend hat es gegen ihn wegen Betrugs in drei Fällen sowie gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in zwei Fällen unter Einbeziehung von 28 Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in drei Fällen eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten festgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Die vom Landgericht gemäß § 55 Abs. 1, §§ 53, 54 StGB nachträglich unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren hat keinen Bestand, weil dem Senat mit Blick auf die – insoweit lückenhaften – Feststellungen deren revisionsgerichtliche Überprüfung nicht möglich ist.
3a) Das Landgericht ist zwar im Ansatz rechtsfehlerfrei von der Notwendigkeit der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 StGB ausgegangen. Auch hat es zutreffend auf die Zäsurwirkung des eine Sachentscheidung enthaltenden Berufungsurteils des Landgerichts Tübingen vom abgestellt (UA S. 4; , BGHSt 15, 66-72) und dementsprechend zu Recht nur die Taten Ziffer II. 1. bis 5. der Urteilsgründe als gesamtstrafenfähig im Sinne des § 55 StGB angesehen. Die Betrugstaten des Angeklagten waren erst beendet, als der Vermögensvorteil für ihn endgültig gesichert war. Dies ist bei durch Täuschung erlangten Zahlungen über einen längeren Bewilligungszeitraum (vgl. dazu Rn. 9 mwN) – wie hier – erst dann der Fall, wenn der letzte Zahlungseingang auf dem Zielkonto des Täters gutgeschrieben ist und der Geschädigte keine Möglichkeit mehr hat, diesen zu hindern und über die Geldmittel zu verfügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 177/24 Rn. 7 und vom – 1 StR 305/15 Rn. 3), bei Tat Ziffer II. 5. der Urteilsgründe mithin am . Demgegenüber war die Tat Ziffer II. 6. der Urteilsgründe, die sich zwar auf eine Bewilligung durch den Leistungsträger vom bezog, nicht einzubeziehen, weil diese Tat erst mit der letzten Auszahlung im August 2021 – und damit nach der zäsurbildenden Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom – beendet wurde (UA S. 23). Auch die Taten II. 7. und 8. der Urteilsgründe waren damit nicht gesamtstrafenfähig. Für sie war deshalb – wie vom Landgericht zutreffend gesehen – eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
4b) Die vom Landgericht gemäß § 55 StGB nachträglich gebildete Gesamtstrafe von drei Jahren kann gleichwohl nicht bestehen bleiben. Denn das Landgericht hat es unterlassen, die gemäß § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom (UA S. 4) mit den wesentlichen Strafzumessungserwägungen mitzuteilen. Den Urteilsgründen ist lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte wegen Betrugs in 28 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt worden ist. Eine revisionsrechtliche Überprüfung der nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe ist dem Senat deshalb nicht möglich (vgl. Rn. 23; Beschluss vom – 2 StR 134/97, Rn. 19; je mwN). Den Urteilsgründen ist zudem der Vollstreckungsstand – insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Straferlass gemäß § 56g Abs. 1 StGB – nicht zweifelsfrei zu entnehmen (vgl. Rn. 4). Auch teilt das Landgericht etwaige vom Angeklagten erbrachte Leistungen, die dieser zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, nicht mit. Solche wären gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB in Verbindung mit § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB auf die neu gebildete Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen.
52. Bei der Festsetzung der Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen für die Tat Ziffer II. 2. der Urteilsgründe hat das Landgericht keine Tagessatzhöhe bestimmt. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil eine solche auch dann festzusetzen ist, wenn Einzelgeldstrafen in einer Gesamtfreiheitsstrafe aufgehen (BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 308/15 Rn. 3 und vom – 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96). Da das Landgericht keine weiteren Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten getroffen hat, setzt der Senat – um jegliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen – die Tagessatzhöhe gemäß § 40 Abs. 2 Satz 4 StGB auf die gesetzliche Mindesthöhe von einem Euro fest (vgl. Rn. 3).
63. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen zur Strafzumessung bei der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe mit auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen bei der Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).
Jäger Wimmer Bär
Leplow Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:281124B1STR353.24.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-83477