Instanzenzug: LG Gießen Az: 1 KLs 6/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihm gegenüber die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 17.310 Euro, davon in Höhe von 1.610 Euro als Gesamtschuldner angeordnet. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
I.
2Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte in den Fällen II.8 und II.10 der Urteilsgründe mit Kokain in nicht geringer Menge, in den Fällen II.11 und II.18 der Urteilsgründe mit jeweils einem Kilogramm Marihuana. In den Fällen II.5, 7, 13 und 15 der Urteilsgründe unterstützte er den Mitangeklagten T. , der mit Marihuana im Kilogrammbereich handelte.
II.
3Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen zu einer teilweisen Änderung des Schuldspruchs sowie zur teilweisen Aufhebung der Strafaussprüche und der Einziehungsentscheidung.
41. Der Senat ändert die Schuldsprüche wegen des Inkrafttretens des Konsumcannabisgesetzes zum wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
5a) Der Straftatbestand des Handeltreibens mit Cannabis (in nicht geringer Menge) nach § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG ist gegenüber demjenigen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Fall II.11 der Urteilsgründe) günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO maßgeblich.
6b) Dies gilt auch, soweit das Landgericht im Fall II.18 der Urteilsgründe einen minder schweren Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 2 BtMG angenommen hat.
7Welches Recht gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zur Anwendung kommt, ist aufgrund eines konkreten Gesamtvergleichs im Einzelfall zu ermitteln und hängt, soweit das Landgericht den Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt hat, davon ab, ob die Taten nach neuem Recht als besonders schwerer Fall (§ 34 Abs. 3 KCanG) zu werten sind. Dann wäre das neue Recht nicht milder und gemäß § 2 Abs. 1 StGB das Tatzeitrecht weiter maßgeblich. Findet hingegen der Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG Anwendung, ist das neue Recht günstiger. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der grundsätzlich allein dem Tatgericht obliegt (vgl. , Rn. 6 mwN). Das Revisionsgericht kann den Schuldspruch mithin nur ändern, wenn im Einzelfall trotz der gehandelten nicht geringen Menge ausgeschlossen ist, dass der Tatrichter bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG angenommen hätte (, Rn. 15).
8Hier geht der Senat sicher davon aus, dass das Landgericht im Fall II.18 der Urteilsgründe die Indizwirkung des Regelbeispiels für widerlegt erachtet hätte. Es hat einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG unter anderem damit begründet, dass das gelieferte Kilogramm Marihuana von minderwertiger Qualität mit einem geringen Wirkstoffgehalt von nur 3,1 % THC war. Dieser Umstand wäre – ebenso wie die zahlreichen von der Strafkammer zusätzlich herangezogenen gewichtigen strafmildernden Gesichtspunkte – auch bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes ausschlaggebend zu berücksichtigen gewesen.
9c) In den Fällen II.5, 7, 13 und 15 der Urteilsgründe ist das Landgericht zwar ebenfalls zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG gelangt, dies allerdings nur unter Verbrauch der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB. Entsprechend ist die Anordnung des Konsumcannabisgesetzes unter allen Gesichtspunkten milder.
10d) § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung (in Folge geänderter Gesetzeslage) ist nicht auf die Mitangeklagten zu erstrecken (, Rn. 8 mwN).
112. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Strafaussprüche in den betroffenen Fällen nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auf der Grundlage des Konsumcannabisgesetzes geringere Freiheitsstrafen verhängt hätte. Die zu den Strafaussprüchen gehörigen Feststellungen werden von der Aufhebung nicht berührt und bleiben bestehen.
123. Zum Einziehungsausspruch hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat ausgeführt:
„Zwar hat die Strafkammer zutreffend erkannt, dass aus der Einziehung des Werts von Taterträgen auf Grund der neu abgeurteilten Taten in Höhe von 14.400 Euro und der Einziehung des Werts von Taterträgen aus dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe in Höhe von 2.910 Euro grundsätzlich gemäß § 55 Abs. 2 StGB eine einheitliche Einziehungsentscheidung zu bilden war (vgl. , Rn. 4 m. w. N.). Den Urteilsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, ob die Einziehungsanordnung aus dem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe nicht bereits durch Vollstreckung erledigt ist und damit für eine einheitliche Einziehungsanordnung nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 10/24, Rn. 11 m. w. N.). Der Umstand, dass der Angeklagte nach Rechtskraft des einbezogenen Urteils vom bis zu seiner Festnahme am rund fünf Monate auf freiem Fuß war, neben seinem wiederaufgenommenen Studium einer Erwerbstätigkeit nachging und es sich um keinen allzu hohen Betrag handelt, lässt dies zumindest als nicht ausgeschlossen erscheinen.“
13Dem verschließt sich der Senat nicht.
144. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen, da sich das Verfahren im neuen Rechtsgang nunmehr allein gegen einen Erwachsenen richtet (vgl. , Rn. 62 mwN).
Menges Appl Lutz
Zimmermann Herold
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:071124B2STR420.24.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-83301