Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
FG Baden-Württemberg Urteil v. - 6 K 3108/18

Gesetze: AO § 12 S. 1, AO § 140, AO § 141, AO § 180 Abs. 5 Nr. 1, AO § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. II Abs. 1 Buchst. j, DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. II Abs. 1 Buchst. h, DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. II Abs. 1 Buchst. l, DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. III Abs. 1 S. 1, DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. III Abs. 2 S. 1, DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a, EStG § 4 Abs. 1, EStG § 4 Abs. 3 S. 1, EStG § 15 Abs. 2 S. 1, EStG § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, HGB § 6 Abs. 1, HGB § 238

Goldhandel einer General Partnership (GP) englischen Rechts im Jahr 2008: Gewerbebetrieb durch physischen Goldankauf und -verkauf

Betriebsstätte durch mit anderen Gesellschaften geteiltes Großraumbüro in Großbitannien

keine Buchführungspflicht, zulässige Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

ausschließlich britisches Besteuerungsrecht nach DBA-Großbritannien

Berücksichtigung der Verluste der GP bei den inländischen Gesellschaftern im Wege des negativen Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht rechtsmissbräuchlich

Leitsatz

1. Eine General Partnership (GP) wird als solche in Großbritannien steuerlich transparent behandelt und ist nach dem Rechtstypenvergleich ihrer Struktur nach mit einer Personengesellschaft deutschen Rechts vergleichbar. Damit ist das Unternehmen der GP jedem Gesellschafter (anteilig) zuzurechnen und die Einkünfte sind letztlich auf der Ebene der Gesellschafter zu versteuern, wenn diese ausnahmslos ihren Wohnsitz im Inland haben.

2. Die GP erzielt mit dem Handel von physischem Gold gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 EStG, wenn im Streitjahr (hier: 2008) unter hohem Einsatz von Fremdmitteln in fünf Transaktionen physisches Gold in einem betragsmäßig sehr hohen Umfang angeschafft und in mehreren Transaktionen teils wieder veräußert worden ist, und wenn sich der Handel mit physischem Gold nach dem Gesamtbild der Geschäftsvorfälle nicht nur auf die Verwaltung eigenen Vermögens der GP bzw. deren Gesellschafter, sondern auf den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten zur Gewinnerzielung bezog.

3. Die GP verfügt über eine Betriebsstätte i. S. d. DBA-Großbritannien, wenn sie einen ihr allein zur Vefügung stehenden, abschließbaren, durch Trennwände abgetrennten Raum „exclusiv area” von 6 bis 7 qm mit Schreibtisch, Telefon- und Internetanschluss, Computer, Drucker und Aktenschränken) in einem Großraumbüro in Großbritannien durch einen schriftlich abgeschlossenen Mietvertrag als Untermieterin angemietet hat, die GP bei Bedarf in dem Großraumbüro gemeinsam mit anderen Unternehmen einen Besprechungsraum nutzen kann, und wenn in diesen Räumlichkeiten tatsächlich eine unternehmerische Tätigkeit der GP entfaltet worden ist. Der Umstand, dass in dem angemieteten Büros weitere Gesellschaften mit ihrem Sitz registriert gewesen sind, lässt weder die aus den vertraglichen Vereinbarungen resultierende rechtliche Verfügungsmacht der GP über die angemieteten Räumlichkeiten entfallen, noch lässt dies darauf schließen, es handele sich lediglich um eine nur zum Schein eingerichtete feste Einrichtung.

4. Die Betriebsstätte eines Unternehmens kann auch in der Betriebsstätte eines anderen Unternehmens gelegen sein. Grundsätzlich kann die Mitbenutzung von Räumen eine Betriebsstätte begründen, wenn der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht besitzt und gewisse Betriebshandlungen stattfinden. Dies schließt eine abwechselnde – oder auch gleichzeitige – Nutzung von Räumen für unterschiedliche Zwecke sowie in der Folge die Tatsache, dass die Nutzung nicht ausschließlich einem einzigen Unternehmen zugutekommt, mit ein. Das gilt erst recht, wenn der Umfang der ausgeübten Unternehmenstätigkeit keine Vollzeittätigkeit erfordert.

5. Für die Ausübung einer für die Begründung einer Betriebsstätte in dem angemieteten Büroraum in Großbritannien ausreichenden Unternehmenstätigkeit kann es genügen, wenn zwar der eigentliche Goldhandel der GP von den als sog. managing partners fungierenden Gesellschaftern der GP ausgeübt worden ist und diese nur gelegentlich in dem angemieteten Büro in Großbritannien persönlich anwesend waren, wenn jedoch ein Generalbevollmächtigter der GP täglich in dem Büro anwesend war, dort die Kauf- und Verkaufsentscheidungen der Gesellschafter umgesetzt und dort auch die mit der Unternehmenstätigkeit einhergehenden administrativen Aufgaben (Sammeln und Führen von Aufzeichnungen über die verursachten Geschäftsvorfälle, die Ablage derselben sowie weiterer Korrespondenz und die Aufbereitung von Unterlagen) erledigt hat.

6. Bestehen nur Betriebsstätten in Großbritannien und keine weitere Betriebsstätte z. B. in Deutschland, können die gewerblichen Einkünfte nur den in Großbritannien bestehenden Betriebsstätten zugeordnet werden.

7. Eine weder über einen Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland noch über eine inländische Zweigniederlassung verfügende GP, an der nur natürliche Personen beteiligt sind und die lediglich eine als „Profit and loss account” bezeichnete Einnahmenüberschussrechnung erstellt und für steuerliche Zwecke Anpassungen vorgenommen hat, durfte im Streitjahr 2008 ihre Einkünfte aus Handel mit physischem Gold gem. § 4 Abs. 3 EStG durch eine Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben ermitteln. Sie war nicht aufgrund inländischer und auch nicht aufgrund ausländischer gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen.

8. Sind die gewerblichen Einkünfte einer GP nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens vollumfänglich einer oder mehreren in Großbritannien belegenen Betriebsstätten zuzuordnen, so sind die negativen Einkünfte infolge des Goldankaufs ausschließlich in Großbritannien steuerpflichtig; in Deutschland sind sie von der Besteuerung freigestellt und unterliegen dem negativen Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG in der für das Streitjahr 2008 gültigen Fassung); ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO liegt insoweit nicht vor.

Fundstelle(n):
CAAAJ-82930

In den folgenden Produkten ist das Dokument enthalten:

Kiehl Büroberufe
Kiehl Die Steuerfachangestellten Plus
NWB Lohn, Deklaration & Buchhaltung
Wählen Sie das für Ihre Bedürfnisse passende NWB-Paket und testen Sie dieses kostenfrei
Jetzt testen