Zugang einer empfangsbedürftigen Willenerklärung in elektronischer Form mit qualifizierter elektronischer Signatur
Leitsatz
1. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.
2. Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
Gesetze: § 126 Abs 1 BGB, § 126 Abs 3 BGB, § 126a Abs 1 BGB, § 568 Abs 1 BGB, § 130e ZPO, § 173 Abs 2 ZPO, § 173 Abs 4 ZPO
Instanzenzug: Az: 6 S 97/22 Urteilvorgehend Az: 203 C 31/22
Tatbestand
1Die Beklagte ist - neben einem bereits rechtskräftig zur Räumung und Herausgabe verurteilten Mitmieter - Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Bonn. Für den Zeitraum von Januar 2019 bis Juli 2020 wurde die monatliche Kaltmiete von jeweils 376,60 € nicht bezahlt, so dass ein Mietrückstand in Höhe eines Betrages von insgesamt 7.155,40 € besteht.
2Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage mit Versäumnisurteil vom zunächst abgewiesen; das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden. Mit elektronischem Schriftsatz vom hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und erstmals gegenüber der Beklagten die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des oben genannten Zahlungsrückstands erklärt. Dieser Schriftsatz war durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin namentlich gekennzeichnet sowie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am durch das Amtsgericht elektronisch übermittelt worden.
3Das Amtsgericht hat daraufhin das Versäumnisurteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat vor dem Landgericht Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Gründe
4Die Revision hat Erfolg.
5Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung.
I.
6Das Berufungsgericht (, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7Die Kündigung in der Einspruchsschrift entspreche nicht der Form der § 568 Abs. 1, §§ 126, 126a BGB und sei damit gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig.
8Gemäß § 568 Abs. 1 BGB müsse die Kündigung des Mietverhältnisses schriftlich erfolgen. Die schriftliche Form könne nach § 126 Abs. 3 BGB durch ein elektronisches Dokument ersetzt werden. Das Dokument bedürfe dann gemäß § 126a Abs. 1 BGB der qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers. Anwaltliche Schriftsätze, die nach § 130d Satz 1 ZPO im Zivilprozess in der Regel per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) einzureichen seien, wahrten, sofern sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen seien, gegenüber dem Gericht das Schriftformerfordernis.
9Neben der formgerechten Abgabe sei für eine formgerechte schriftliche Kündigung aber auch notwendig, dass der bei Gericht eingegangene Schriftsatz dem Kündigungsempfänger selbst in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugehe. Dieser Grundsatz finde nicht nur auf die Schriftform, sondern auch auf die sie ersetzende elektronische Form Anwendung, weil bei letzterer unter Beibehaltung der für die Schriftform geltenden Grundsätze lediglich die für die Schriftform erforderliche eigenhändige Namensunterschrift beziehungsweise das notariell beglaubigte Handzeichen durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werde. Die Weiterleitung durch das Gericht an den Kündigungsempfänger beziehungsweise dessen Prozessbevollmächtigten reiche für den damit erforderlichen Zugang des qualifiziert elektronisch signierten Dokuments selbst dann nicht aus, wenn der Schriftsatz seitens des Gerichts per beA zugestellt werde, weil die Legitimationswirkung der Absendersignatur nur gegenüber dem Gericht und nicht - wie gesetzlich gefordert - gegenüber dem Empfänger des Schriftstücks bestehe.
10Davon ausgehend sei hier die Schriftform nicht gewahrt gewesen.
II.
11Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
121. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Nichtigkeit der in der Einspruchsschrift vom enthaltenen Kündigungserklärung wegen Formunwirksamkeit gemäß § 125 Satz 1 BGB nicht angenommen werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Legitimationswirkung einer qualifizierten elektronischen Signatur bestehe nur gegenüber dem Gericht, so dass ein qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsatz nicht formwahrend vom Gericht elektronisch an den Kündigungsempfänger beziehungsweise dessen Prozessbevollmächtigten weitergeleitet werden könne, ist rechtsfehlerhaft.
13a) Seit dem gilt für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedürfen und die klar erkennbar in einem vorbereitenden (zivilprozessualen) Schriftsatz enthalten sind, die durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom (BGBl. I Nr. 234, vgl. zum Inkrafttreten Art. 50) geschaffene Norm des § 130e ZPO. Diese fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Nach dem Willen des Gesetzgebers schließt diese Fiktion jene der formgerechten Abgabe der Willenserklärung ein (vgl. BT-Drucks. 20/10943, S. 57). Die Formfiktion gilt nach § 130e Satz 2 ZPO auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist. Über die Verweise insbesondere in § 70 Abs. 2, § 253 Abs. 4, § 519 Abs. 4, § 520 Abs. 5, § 549 Abs. 2, § 551 Abs. 4 und § 575 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die Vorschrift des § 130e ZPO auch auf bestimmende Schriftsätze anwendbar.
14Eine Anwendung dieser Regelung auf den vorliegend bereits vor deren Inkrafttreten erfolgten Eingang des elektronischen Schriftsatzes vom bei Gericht und dessen elektronischer Weiterleitung an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am kommt jedoch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts nicht in Betracht (vgl. , BGHZ 44, 192, 194; vom - VIII ZR 276/23, NJW 2024, 2909 Rn. 15; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., Einl. vor § 241 Rn. 14).
15Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze kann der Vorschrift des § 130e ZPO keine Rückwirkung dergestalt zukommen, dass sie auf die bereits vor ihrem Inkrafttreten erfolgte Abgabe und den Zugang einer in einem prozessualen Schriftsatz enthaltenen Willenserklärung Anwendung findet. Denn die Norm regelt, obgleich wegen ihrer Anknüpfung an einen prozessualen Schriftsatz in der Zivilprozessordnung enthalten, die das materielle Recht betreffenden Fragen der Abgabe und des Zugangs form- und empfangsbedürftiger Willenserklärungen. Ob eine form- und empfangsbedürftige Kündigungserklärung wirksam abgegeben und zugegangen ist, muss sich jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nach dem in diesem Zeitpunkt geltenden Recht beurteilen (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 276/23, aaO Rn. 16).
16Insofern richtet sich die Beurteilung des vorliegenden Falles nach der vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO geltenden Rechtslage.
17b) Das Berufungsgericht ist hierbei zunächst - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht davon ausgegangen, dass die gemäß § 568 Abs. 1 BGB für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses erforderliche Schriftform, welche nach § 126 Abs. 1 BGB eine Unterzeichnung der Urkunde mittels eigenhändiger Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens voraussetzt, gemäß § 126 Abs. 3 BGB in dem hier vorliegenden Fall der Kündigungserklärung in einem zivilprozessualen Schriftsatz, der an den anwaltlichen Bevollmächtigten des Kündigungsempfängers elektronisch weitergeleitet wird, durch die elektronische Form im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB ersetzt werden kann.
18aa) Nach der durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom (BGBl. I S. 1542) mit Wirkung vom eingeführten Vorschrift des § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
19Das Berufungsgericht ist zu Recht - stillschweigend - davon ausgegangen, dass § 568 Abs. 1 BGB - anders als beispielsweise die Formvorschriften der §§ 623, 766 Satz 2, § 780 Satz 2 und § 781 Satz 2 BGB - für die Kündigung eines Mietverhältnisses die elektronische Form nicht ausschließt.
20bb) Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob sich der Regelungsgehalt des § 126 Abs. 3 BGB darin erschöpft, die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form für den Fall zu ermöglichen, in dem eine abweichende gesetzliche Regelung fehlt, oder ob die Möglichkeit der Ersetzung der für die Wirksamkeit einer Willenserklärung angeordneten Schriftform durch die elektronische Form gemäß § 126 Abs. 3 BGB bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. den Regierungsentwurf des oben genannten Gesetzes [BT-Drucks. 14/4987, S. 15], die Stellungnahme des Bundesrates [BT-Drucks. 14/4987, S. 34 f.] und die Gegenäußerung der Bundesregierung [BT-Drucks. 14/4987, S. 41 f.]) zudem voraussetzt, dass der Empfänger der Willenserklärung hiermit einverstanden ist (so Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 126a Rn. 6; Erman/Arnold, BGB, 17. Aufl., § 126a Rn. 8; Staudinger/Hertel, BGB, Neubearb. 2023, § 126 Rn. 167; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 568 Rn. 16; jurisPK-BGB/Junker, Stand: , § 126 Rn. 87; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 26; Himmen, ZMR 2021, 711, 715; aA LG Itzehoe, Urteil vom - 9 S 33/21, juris Rn. 33; BeckOGK-BGB/Hecht, Stand: , § 126 Rn. 82 ff.; BeckOK-BGB/Wendtland, Stand: , § 126 Rn. 12 f.; MünchKommBGB/Einsele, 9. Aufl., § 126 Rn. 28 ff.; Fleindl, NZM 2024, 65, 66; Heukenkamp, ZfDR 2022, 53, 65 f.; auf Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs abstellend Hinz, MDR 2022, 1383, 1384 f.).
21Die Frage bedarf allerdings vorliegend auch keiner Entscheidung. Denn jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall der Abgabe der empfangsbedürftigen Willenserklärung im Rahmen eines Zivilprozesses durch elektronischen Schriftsatz und dessen Weiterleitung an einen von der Gegenseite bestellten anwaltlichen Prozessbevollmächtigten wäre ein erforderliches Einverständnis als erteilt anzusehen, weil dessen Schutzzweck durch die Vorschrift des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erfüllt wird.
22(1) Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte die in § 126 Abs. 3 BGB genannte Formulierung "kann ersetzt werden" sicherstellen, dass die Beteiligten die Anwendung der elektronischen Form ausdrücklich, konkludent oder nach Maßgabe bisheriger Geschäftsgepflogenheiten billigen und deshalb mit dem Zugang einer elektronischen Willenserklärung rechnen müssen (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 15, 34 f., 41 f.). Hintergrund dieser Erwägungen des Gesetzgebers ist - wie die Bezugnahme auf die Vorhersehbarkeit eines Zugangs einer elektronischen Erklärung (BT-Drucks. 14/4987, S. 15, 41) und die Möglichkeiten des Empfängers, eine elektronisch signierte und übermittelte Datei zu lesen und zu verifizieren (BT-Drucks. 14/4987, S. 15), zeigt - die Befürchtung, dass der elektronische Zugang von elektronischen Willenserklärungen (noch) nicht in gleicher Weise verbreitet und in seinen Folgen bekannt ist wie der postalische Zugang schriftlicher Willenserklärungen.
23(2) Den vom Gesetzgeber im Rahmen des § 126 Abs. 3 BGB befürchteten Risiken einer elektronischen Zustellung wird allerdings für den hier vorliegenden Fall der Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung im Zivilprozess durch elektronischen Schriftsatz und dessen elektronischer Weiterleitung an den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Erklärungsempfängers durch die Vorschrift des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hinreichend Rechnung getragen. Diese Norm statuiert die passive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für in professioneller Hinsicht am Zivilprozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, insbesondere für Rechtsanwälte (vgl. für diese auch § 31a Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 BRAO; zum Einverständnis im Sinne des § 126 Abs. 3 BGB bei Nutzern des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 26; Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 568 BGB Rn. 24). Für den hier gegebenen Fall der Zustellung an einen Rechtsanwalt sah bereits § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der zum Zeitpunkt der Zustellung im Streitfall am geltenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. I S. 4607) die passive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs vor.
24Hierdurch war und ist gewährleistet, dass der anwaltliche Prozessbevollmächtigte, dem - im Rahmen der ihm erteilten Prozessvollmacht (zur Kündigungsempfangsbefugnis im Rahmen einer zur Abwehr einer Räumungsklage erteilten Prozessvollmacht vgl. , NJW 2003, 963 unter II 2 a; Beschluss vom - XII ZR 77/98, NZM 2000, 382) - eine in einem elektronischen Schriftsatz enthaltene materiell-rechtliche Willenserklärung elektronisch zugeht, sowohl über die technischen Voraussetzungen für das Lesen und Verifizieren der elektronischen Nachricht verfügt als auch mit dem für die Kenntnisnahme einer solchen Nachricht erforderlichen eigenen Tätigwerden und den hiermit verbundenen Sorgfaltspflichten hinreichend vertraut ist. Gleiches gilt, soweit eine andere natürliche Person der Zustellung elektronischer Dokumente gemäß § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO zugestimmt hat oder juristische Personen, Vereinigungen und Organisationen, die nicht bereits unter § 173 Abs. 2 ZPO fallen, gemäß § 173 Abs. 4 Satz 3 ZPO eine Zustimmung erteilt haben (vgl. hierzu BT-Drucks. 19/28399, S. 36).
25c) Das Berufungsgericht hat weiterhin rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die in dem elektronischen Schriftsatz vom enthaltene Kündigungserklärung den Anforderungen des § 126a Abs. 1 BGB an die formgerechte Abgabe einer elektronischen Willenserklärung entspricht, weil der klägerische Prozessbevollmächtigte dem Schriftsatz seinen Namen hinzugefügt und diesen mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen hat.
26d) Jedoch kann - wie die Revision zu Recht beanstandet - mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung ein formgerechter Zugang der in dem elektronischen Schriftsatz vom enthaltenen Willenserklärung beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht verneint werden.
27aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist es - wie das Berufungsgericht noch richtig erkannt hat - zur Wahrung einer für eine empfangsbedürftige Willenserklärung vorgeschriebenen Form nicht ausreichend, dass diese nach den jeweiligen Formvorschriften abgegeben wurde. Sie muss vielmehr, um wirksam zu werden, dem Erklärungsgegner auch in der vorgeschriebenen Form gemäß § 130 BGB zugehen (vgl. , NJW-RR 2015, 735 Rn. 11; vom - XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213, 216; vom - VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 unter II 2 b bb; vom - VIII ZR 173/61, NJW 1962, 1388 unter II 2; Beschluss vom - V ZR 41/86, WuM 1987, 209 unter II 3).
28Dieses Zugangserfordernis gilt - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend und von der Revision insoweit nicht angegriffen angenommen hat - auch für den Fall einer empfangsbedürftigen Willenserklärung in elektronischer Form. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Möglichkeit der Wahrung von gesetzlichen Formvorschriften durch ein elektronisches Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur zwar auf besondere Regelungen über den Zugang bewusst verzichtet, ist aber davon ausgegangen, dass auch auf in elektronischen Dokumenten abgegebene Willenserklärungen § 130 BGB Anwendung findet (vgl. BTDrucks. 14/4987, S. 20). Dies erklärt sich durch das gesetzgeberische Ziel einer Funktionsäquivalenz zwischen der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB und der elektronischen Form des § 126a Abs. 1 BGB. Danach muss die elektronische Form so ausgestaltet sein, dass sie die mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen regelmäßig sicherstellt, wenn auch eine völlige Gleichheit hinsichtlich aller Funktionen wegen der tatsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Formen nicht erreichbar ist (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 15). Zu den mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen, welche die elektronische Form in vergleichbarer Weise sicherstellen soll, gehört - neben der Identitätsfunktion (Erkennbarkeit des Erklärenden und Möglichkeit der Identifizierung durch dessen unverwechselbare Unterschrift) und der Echtheitsfunktion (Gewährleistung der inhaltlichen Urheberschaft des Unterzeichners durch die räumliche Verbindung der Unterschrift mit dem Dokument) - auch die damit in Zusammenhang stehende Verifikationsfunktion, nach der es dem Empfänger des Dokuments möglich sein soll, zu überprüfen, ob die Unterschrift echt ist (BT-Drucks. 14/4987, S. 16 f.). Diese Funktion kann nur erfüllt werden, wenn das Dokument selbst dem Empfänger für eine Überprüfung zur Verfügung steht.
29Insofern ist es für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung im Sinne des § 126a Abs. 1 BGB - vergleichbar dem Zugang einer papiergebundenen Willenserklärung - erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.
30bb) Diese Voraussetzungen sind indes - anders als das Berufungsgericht gemeint hat erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
31Zwar wird die vom Berufungsgericht für seine entgegenstehende Ansicht angeführte Begründung, die Legitimationswirkung der Signatur des Absenders gelte nur gegenüber dem Gericht, nicht aber auch im Verhältnis zu der anderen Partei, welcher der Schriftsatz durch das Gericht übermittelt werde, auch von einem Teil der Instanzgerichte (, juris Rn. 30) und des Schrifttums (vgl. BeckOGK-BGB/Geib, Stand: , § 568 Rn. 27; BeckOGK-BGB/Mehle, Stand: , § 542 Rn. 14; BeckOK-BGB/Wöstmann, Stand: , § 568 Rn. 7; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 568 Rn. 22; Fritzsche, NJW 2022, 3620 Rn. 6, 8; Meyer-Abich, NJW 2022, 3200 Rn. 17; BeckOK-Mietrecht/R. Schultz, Stand: , § 568 BGB Rn. 11) vertreten. Diese - vom Berufungsgericht und auch im Übrigen häufig auf eine entsprechende Formulierung des Amtsgerichts Hamburg in einem Urteil vom (48 C 304/21, juris Rn. 40) gestützte - Ansicht ist für den Fall der elektronischen Weiterleitung qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsätze durch das Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur jedoch nicht zutreffend; eine solche Fallkonstellation war auch in dem der Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg zugrundeliegenden Sachverhalt nicht gegeben (aaO Rn. 10).
32Anders als die in § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 ZPO vorgesehene Einreichung eines elektronischen Dokuments über einen sicheren Übermittlungsweg, die an das Verhältnis von Absender und erstem (unmittelbaren) Empfänger anknüpft, ist eine qualifizierte elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 12, Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. L 257 S. 73; im Folgenden eIDAS-VO) in dem Sinne verkehrsfähig, dass ihre Validierung (Art. 32, 33 eIDAS-VO) nicht nur für den ersten Empfänger möglich ist, sondern auch für Dritte, denen das elektronische Dokument mitsamt der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch weitergeleitet wird. Daher kann ein wirksam qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsatz grundsätzlich unter Aufrechterhaltung der gültigen und prüfbaren elektronischen Signatur elektronisch vom Gericht an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten oder - im Fall des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO - auch an den Gegner persönlich übermittelt werden (vgl. OLG Bamberg, NJW 2022, 3451 Rn. 24 [zur Weiterleitung einer qualifiziert elektronisch signierten Beschwerdeschrift an ein anderes Gericht]; Siegmund in Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 568 BGB Rn. 17; Fleindl, NZM 2024, 65, 71; Hinz, MDR 2022, 1383 Rn. 20; Müller, NJW 2015, 822, 825; Himmen, ZMR 2021, 711, 715 f.; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 874; vgl. auch , BGHZ 222, 105 Rn. 18).
33cc) Feststellungen dazu, ob der elektronische Schriftsatz vom unter Aufrechterhaltung der gültigen qualifizierten elektronischen Signatur des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten einging, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Diese Feststellungen sind - anders als die Revision zu meinen scheint - vorliegend nicht in der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung enthalten, dass der genannte Schriftsatz dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten elektronisch zugestellt worden ist. Denn es bestehen hier greifbare Anhaltspunkte dafür, dass trotz des Zugangs des elektronischen Schriftsatzes beim Adressaten bei der Weiterleitung dieses Schriftsatzes die qualifizierte elektronische Signatur des Absenders ungültig geworden sein könnte. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass das von dem Beklagtenvertreter zur Akte gereichte Prüfprotokoll vom für den Einspruchsschriftsatz eine ungültige Signatur ausweist mit dem Zusatz, die Inhaltsdaten oder die Signatur seien nach der Signatur verändert worden. Hinzu kommt, dass in dem auf den elektronischen Schriftsatz vom bezogenen Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten des Beklagten das Dokument den Dateinamen "Einspruch_VU_KlV" trägt, die in der elektronischen Gerichtsakte enthaltene Originaldatei hingegen die Dateibezeichnung "Einspruch_VU_KlV(1)".
34dd) Die vorstehend dargestellten Anhaltspunkte werden durch den von der Revision in den Blick genommenen Aktenvermerk, aus dem sich ergibt, dass das Amtsgericht eine Datei mit dem Namen "Signatur_Einspruch_VU_KlV" übermittelt hat, nicht entkräftet.
35Die Revision beruft sich in diesem Zusammenhang auf die in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur (vgl. LG Berlin, WuM 2023, 566 f.; AG Dresden, ZMR 2023, 375; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 16. Aufl., § 568 BGB Rn. 29; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 876 f.) vertretene Ansicht, dass ein formwirksamer Zugang einer Willenserklärung, die in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthalten ist, das als Schriftsatz in einem Zivilprozess bei Gericht eingereicht wird, beim Erklärungsempfänger auch dadurch bewirkt werden kann, dass diesem vom Gericht ein Ausdruck des elektronischen Dokuments und ein - dessen gültige qualifizierte Signatur belegender - Transfervermerk im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO übermittelt wird. Die Revision meint, dem oben genannten Aktenvermerk komme eine dem Transfervermerk vergleichbare Bedeutung zu.
36Dabei verkennt sie jedoch, dass der die Übermittlung ausweisende Aktenvermerk weder beweist, dass die auf den elektronischen Schriftsatz vom bezogene qualifizierte elektronische Signatur des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch wirksam beim Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingegangen ist, noch vergleichbar einem Transfervermerk im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO (zumindest) belegt, dass der elektronische Schriftsatz vom mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei Gericht eingegangen ist. Wie der Senat im Übrigen mit Urteil vom heutigen Tage entschieden hat, bewirkt die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO keinen wirksamen Zugang der in dem Dokument enthaltenen Willenserklärung beim Erklärungsgegner (vgl. dazu Senatsurteil vom - VIII ZR 159/23, unter II 2 b cc (3), zur Veröffentlichung bestimmt).
37ee) Das Berufungsurteil beruht auf dem vorgenannten Rechtsfehler (§ 545 Abs. 1 ZPO). Hätte das Berufungsgericht seiner Entscheidung die grundsätzliche Verkehrsfähigkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu Grunde gelegt, wäre es nicht ohne die im vorliegenden Fall erforderlichen weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kündigung wegen Nichterfüllung der Formvorschriften der § 568 Abs. 1, § 126 Abs. 1 und 3, § 126a Abs. 1 BGB unwirksam sei (§ 125 Satz 1 BGB).
382. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
39Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts scheitert die mit elektronischem Schriftsatz erklärte Kündigung jedenfalls nicht am Fehlen eines Kündigungsgrundes. Denn der Mietrückstand in Höhe von 7.155,40 € erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB.
III.
40Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann. Hierbei wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch den - in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigenden - von dem Revisionsanwalt der Klägerin in der Revisionsverhandlung vor dem Senat vorsorglich gehaltenen Vortrag sowie den dazu gestellten Beweisantrag zu prüfen haben, wonach der elektronische Einspruchsschriftsatz mit der Kündigungserklärung dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch das Amtsgericht mit einer für ihn prüfbaren, gültigen qualifizierten elektronischen Signatur des Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelt worden sei.
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Dr. Bünger Kosziol Dr. Liebert
Wiegand Dr. Böhm
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:271124UVIIIZR155.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-82779