Begriff „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nach § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG
Leitsatz
1. NV: Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines „Unternehmens in Schwierigkeiten“ nach § 2a Abs. 2 Satz 1 des Stromsteuergesetzes (StromStG) erfüllt, kann dieses Ergebnis nicht im Einzelfall widerlegt werden; es handelt sich nicht lediglich um eine gesetzliche Vermutung.
2. NV: Bei dem Begriff des „Unternehmens in Schwierigkeiten“ nach § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG ist eine Fortführungsprognose kein Prüfungskriterium.
Gesetze: StromStG § 2 a Abs. 2 und Abs. 3; StromStG § 9b Abs. 1; AGVO Art. 1 Abs. 4 Buchst. c; AGVO Art. 2 Nr. 18 Buchst. b; GG Art. 3 Abs. 1
Instanzenzug:
Tatbestand
I.
1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft, die ein Kraftwerk betreibt, schloss mit ihren Kommanditisten, den Stromabnehmern, auf eine Laufzeit von mindestens 20 Jahre angelegte Stromlieferverträge. Nach diesen steht den Abnehmern ein der Kommanditeinlage entsprechender Teil der Kraftwerkskapazität, der Kraftwerksanteil, zur Verfügung. Die Vollkosten des jeweiligen Kraftwerksanteils werden auf die Abnehmer umgelegt. Die Bepreisung des Strombezugs erfolgt über einen Leistungspreis, der die fixen Kosten der Errichtung und des Betriebs des Kraftwerks abdeckt, und einen Arbeitspreis, Benutzungspreis und Startpreis, der jeweils die variablen Kosten der Stromerzeugung (insbesondere die Brennstoffkosten) abbildet.
2 Der Leistungspreis setzt sich dabei aus verschiedenen Komponenten zusammen. Die Komponente „LP1“ umfasst die Kapitalkosten auf der Basis der Finanzierungsverträge, die der Kreditfinanzierung zugrunde liegen. Zu den Kapitalkosten gehört ein Aufschlag zur Sicherstellung des von den Banken geforderten Schuldendienstdeckungsgrades.
3 Die Klägerin wies in ihren Bilanzen auf den und nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten aus; die Kommanditeinlagen waren vollständig durch Verluste aufgebraucht.
4 Sie beantragte am eine Steuerentlastung für das Kalenderjahr 2017 (Streitjahr) gemäß § 9b des Stromsteuergesetzes in der im Streitfall maßgeblichen Fassung (StromStG). Eine Selbsterklärung betreffend Unternehmen in Schwierigkeiten gab sie in dem amtlichen Formular nicht ab. Sie erläuterte, trotz der bilanziellen Überschuldung kein Unternehmen in Schwierigkeiten zu sein. Die Finanzierungskosten würden wie alle sonstigen zahlungswirksamen Kosten zuzüglich eines pauschalen Aufschlags an die Kommanditisten weiterbelastet. Das Geschäftsmodell sei so angelegt, dass die Gesellschaft in den Anfangsjahren aufgrund der hohen Zinslast und der Abschreibungen Verluste erziele, obwohl keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliege. Sobald sich der Zinsaufwand und die Abschreibungen reduzierten, werde die Gesellschaft Gewinne erzielen und die bilanzielle Überschuldung ausgleichen. Sie werde daher unabhängig von der Entwicklung der Kohle- und Strompreise in der Lage sein, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Allerdings liege keine Patronatserklärung vor und es sei auch kein Ergebnisabführungsvertrag (mit den Abnehmern) geschlossen worden.
5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt —HZA—) lehnte den Antrag ab.
6 Nach erfolglosem Einspruchsverfahren blieb auch das Klageverfahren ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, zwar lägen grundsätzlich unstreitig die Voraussetzungen der Steuerentlastung nach § 9b StromStG vor. Die Inanspruchnahme der Steuerentlastung sei jedoch gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG nicht zulässig, da die Klägerin ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StromStG sei. Der klare Wortlaut der Regelungen des § 2a Abs. 1 Satz 1 StromStG und des Art. 2 Nr. 18 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union —Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung— (Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— 2014, Nr. L 187, 1) —AGVO— ließen keinen Spielraum für eine einschränkende Auslegung. Die Kriterien der AGVO, auf die die nationale Regelung Bezug nehme, seien aus Gründen der Rechtssicherheit bewusst „eindeutig“ formuliert worden. Es handele sich nicht nur um eine gesetzliche Vermutung für wirtschaftliche Schwierigkeiten, die im Einzelfall widerlegt werden könne. Es komme daher nach der gesetzlichen Regelung nicht darauf an, ob sich die Klägerin trotz der Erfüllung der „harten“ Kriterien der AGVO für ein Unternehmen in Schwierigkeiten tatsächlich nicht in einer wirtschaftlichen Krise befunden habe.
7 Auch wenn die „harten“ Kriterien der AGVO, wie der Streitfall zeige, kein zuverlässiger Indikator für eine wirtschaftliche Krise eines Unternehmens seien, liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor, da die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei. Denn die Gewährung einer Steuerentlastung für ein Unternehmen, das die Voraussetzungen von Art. 2 Nr. 18 AGVO erfülle, verstieße gegen das unmittelbar anwendbare Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Da insoweit das Verfahren der Kontrolle nach Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht durchlaufen worden und auch keine Genehmigung der Europäischen Kommission erfolgt sei, greife das Durchführungsverbot Platz.
8 Die Klägerin hat dagegen Revision eingelegt und trägt zur Begründung vor, das FG habe verkannt, dass § 2a StromStG nur dann mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, wenn er einer verfassungskonformen einschränkenden Auslegung zugänglich sei. Indem das FG in dem Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV einen Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung sehe, verkenne es, dass es dem HZA durchaus möglich sei, auch Unternehmen wie der Klägerin die Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG zu gewähren, wenn das Notifizierungsverfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV im konkreten Einzelfall oder für die Begünstigungen des Stromsteuergesetzes insgesamt durchlaufen werde. Denn die beantragte Steuerentlastung stelle keine verbotene Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Darunter fielen nur solche staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten. Im Streitfall komme es aber nicht zu einer Verfälschung des Wettbewerbs, wenn der Klägerin die Stromsteuerentlastung in gleicher Weise gewährt werde wie anderen Kraftwerksbetreibern, die in gleicher wirtschaftlicher Lage aufgrund einer abweichenden Finanzierungsstruktur eine andere Handelsbilanz zeigten.
9 Unternehmen in Schwierigkeiten könnten außerdem sogar ohne Einzelnotifizierung Beihilfen auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen —VO 1407/2013— (ABlEU 2013, Nr. L 352, 1) erhalten. Die dortigen Schwellenwerte würden vorliegend nicht überschritten werden.
10 In der Vergangenheit seien für die entsprechenden Entlastungen nach dem Stromsteuergesetz das Notifizierungsverfahren durchlaufen und die Beihilfekonformität bestätigt worden. Dies sei auch weiterhin möglich. § 2a StromStG sei allein Konsequenz dessen, dass der deutsche Gesetzgeber das Notifizierungsverfahren habe vermeiden wollen. Dies könne eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG aber nicht rechtfertigen.
11 Anders als in dem Senatsurteil vom - VII R 28/19 (BFHE 276, 256) handele es sich bei der Klägerin nicht um ein Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Unter Rz 62 führe der erkennende Senat dort aus, dass es bereits an einer Ungleichbehandlung fehle, weil die von der (dortigen) Klägerin erwähnten Wettbewerber keine Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 18 AGVO wie die dortige Klägerin seien; es stehe dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpfe und die es so als rechtlich gleich qualifiziere. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aber bedürften Differenzierungen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien. Das Differenzierungskriterium müsse im Hinblick auf das Differenzierungsziel geeignet, notwendig und angemessen sein. Die Differenzierung in § 2a StromStG erfolge aber allein, um eine Einzelnotifizierung des § 9b StromStG bei der Europäischen Kommission zu vermeiden, die ohne Schwierigkeiten erlangt werden könnte. Wenn aber eine Einzelnotifizierung des § 9b StromStG möglich sei, stelle allein die Arbeitserleichterung für den Gesetzgeber beziehungsweise die Bundesregierung kein notwendiges und angemessenes Differenzierungskriterium dar.
12 Die Klägerin beantragt,
das VSt aufzuheben und das HZA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom zu verpflichten, ihr die mit Antrag vom begehrte Steuerentlastung nach § 9b StromStG für das Kalenderjahr 2017 zu gewähren.
13 Das HZA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
14 Das HZA erwidert, bei Einhaltung der für die verfassungskonforme Auslegung geltenden Grenzen seien die in Rede stehenden Vorschriften keiner anderen als der vom FG vorgenommenen Auslegung zugänglich. Denn eine verfassungskonforme Auslegung komme nur in Betracht, wenn eine Rechtsnorm nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulasse, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmten, während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führten. Das von der Klägerin für sich in Anspruch genommene Auslegungsergebnis lasse sich dem Tatbestand des § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StromStG nicht entnehmen. Der Gesetzgeber habe mit den beiden Regelungen zu den Ausschlüssen von Unternehmen in Schwierigkeiten in § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 StromStG die jeweils zwingenden Vorgaben des europäischen Beihilferechts für die Fälle der AGVO beziehungsweise für die Fälle außerhalb der AGVO umgesetzt.
15 Der Umstand, dass die Widerlegung des Tatbestandsmerkmals „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Einzelfall nicht möglich sei, verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn eine tatbestandliche Beihilfe könne nur dann vom beihilferechtlichen Durchführungsverbot aus Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV freigestellt werden, wenn alle Voraussetzungen des zugrundeliegenden Freistellungsaktes —sei es wie hier die AGVO oder eine Einzelgenehmigung der Europäischen Kommission— eingehalten würden. Dies treffe auch auf den Ausschluss von Unternehmen in Schwierigkeiten zu, welcher —was die Klägerin unterschlage— auch im Rahmen der Einzelgenehmigungen von der Europäischen Kommission durchgesetzt würde.
Gründe
II.
16 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das Urteil des FG entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
17 1. Nach § 9b Abs. 1 Satz 1 StromStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag gewährt für nachweislich nach § 3 StromStG versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen hat und der nicht nach § 9 Abs. 1 StromStG von der Steuer befreit ist. Die Steuerentlastung wird jedoch gemäß § 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG für die Entnahme von Strom zur Erzeugung von Licht, Wärme, Kälte, Druckluft und mechanischer Energie nur gewährt, soweit die vorgenannten Erzeugnisse nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt worden sind. Abweichend von § 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG wird die Steuerentlastung auch für Strom zur Erzeugung von Druckluft gewährt, soweit diese in Druckflaschen oder anderen Behältern abgegeben wird (§ 9b Abs. 1 Satz 3 StromStG).
18 2. Nach § 2a Abs. 2 StromStG bestehen für die hier zu beurteilende Steuerentlastung jedoch Einschränkungen für Unternehmen in Schwierigkeiten.
19 a) § 2a StromStG ist auf den Streitfall anzuwenden. Die Neuregelung ist mit Art. 3 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes vom (BGBl I 2017, 3299) in das Stromsteuergesetz eingefügt worden. Das Änderungsgesetz ist gemäß Art. 10 Abs. 1 am in Kraft getreten. Da § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG auf die „Inanspruchnahme oder Beantragung“ abstellt, ist für die Frage der zeitlichen Anwendung der Neuregelung entscheidend, dass im Streitfall der Antrag auf Steuerentlastung nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes —nämlich am — gestellt worden ist. Dieses Ergebnis wird durch § 1e Abs. 2 Satz 3 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung bestätigt. Danach dürfen Steuerentlastungen nach § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG grundsätzlich nur festgesetzt werden, sofern sich das Unternehmen weder im Entlastungsabschnitt noch im Zeitpunkt der Antragstellung in Schwierigkeiten befand (a.A. VSt, Rz 22).
20 b) Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 StromStG ist unter anderem die Beantragung einer Steuerentlastung, die nach seinem Absatz 3 als staatliche Beihilfe anzusehen ist, nicht zulässig für Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne des Art. 1 Abs. 4 Buchst. c, des Art. 2 Nr. 18 AGVO, soweit diese Anwendung findet, oder im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABlEU 2014, Nr. C 249, 1) —Leitlinien 2014/C-249/01— in der jeweils geltenden Fassung, soweit die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung keine Anwendung findet.
21 aa) Nach § 2a Abs. 3 StromStG handelt es sich bei der Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV.
22 bb) Für den Begriff „Unternehmen in Schwierigkeiten“ verweist § 2a Abs. 2 Satz 1 StromStG primär auf die Definition dieses Begriffs in Art. 1 Abs. 4 Buchst. c, Art. 2 Nr. 18 AGVO. Nur soweit die AGVO keine Anwendung findet, kommt die Definition nach den Leitlinien 2014/C-249/01 zur Anwendung.
23 cc) Nach Art. 1 Abs. 4 Buchst. c AGVO gilt die AGVO nicht für Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten, ausgenommen Beihilferegelungen zur Bewältigung der Folgen bestimmter Naturkatastrophen. Eine Begriffsbestimmung von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ enthält Art. 2 Nr. 18 AGVO.
24 (1) Unternehmen in Schwierigkeiten sind nach Art. 2 Nr. 18 AGVO solche Unternehmen, auf die mindestens einer der dort genannten Umstände zutrifft. Nach Buchst. b Satz 1 dieser Vorschrift ist dies bei Gesellschaften, bei denen zumindest einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften (ausgenommen kleine und mittlere Unternehmen —KMU—, die noch keine drei Jahre bestehen, und, in Bezug auf Risikofinanzierungsbeihilfen, KMU in den sieben Jahren nach ihrem ersten kommerziellen Verkauf, die nach einer Due-Diligence-Prüfung durch den ausgewählten Finanzintermediär für Risikofinanzierungen in Frage kommen), gegeben, wenn mehr als die Hälfte der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist. Für die Zwecke dieser Bestimmung bezieht sich der Begriff „Gesellschaften, bei denen zumindest einige Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften“ insbesondere auf die in Anh. II der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABlEU 2013, Nr. L 182, 19) genannten Arten von Unternehmen. In Anh. II dieser Richtlinie ist auch die deutsche Kommanditgesellschaft aufgeführt.
25 (2) Wie sich aus dem Erwägungsgrund 14 der AGVO ergibt, sollen Beihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten nicht unter die AGVO fallen, sondern anhand der Leitlinien 2014/C-249/01 gewürdigt werden. Hintergrund ist, dass Unternehmen durch die Beihilfe zu einem bestimmten Tun, dem geförderten Vorhaben, animiert werden sollen. Für Fälle ohne Besonderheiten schafft die AGVO ein standardisiertes Verfahren. Bei weniger solventen Unternehmen (das heißt Unternehmen in Schwierigkeiten) besteht jedoch das Risiko, dass die Beihilfe eher zur Rettung des Unternehmens selbst eingesetzt wird als zur Umsetzung des geförderten Vorhabens. Jedenfalls besteht bei weniger solventen Unternehmen ein höheres Risiko, dass der Förderzweck nicht erreicht wird. Daher sollen weniger solvente Unternehmen allenfalls durch Beihilfen gerettet oder umstrukturiert werden, was aber nach anderen Kriterien und daher nach anderen Leitlinien beurteilt werden muss (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom - C-347/20, EU:C:2021:732, Rz 50; ferner Senatsurteil vom - VII R 28/19, BFHE 276, 256, Rz 32).
26 (3) Der Wortlaut der Regelungen des Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO ist insofern eindeutig, als der Unionsgesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Verlust der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel in einer bestimmten Höhe zur Definition von Unternehmen in Schwierigkeiten ein Kriterium gewählt hat, das keiner Auslegung bedarf (vgl. auch Erwägungsgrund 14 Satz 2 AGVO). Dieses Kriterium sollte auch ohne eine detaillierte Untersuchung der besonderen Lage eines Unternehmens überprüfbar sein (vgl. auch Nowak in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., Art. 1 AGVO Rz 29). Deshalb geht der Senat davon aus, dass es sich nicht lediglich um eine gesetzliche Vermutung für das Bestehen wirtschaftlicher Schwierigkeiten handelt, die im Einzelfall durch den Nachweis weiterer Umstände widerlegt werden könnte (Senatsurteil vom - VII R 28/19, BFHE 276, 256, Rz 33).
27 (4) Eine Fortführungsprognose, wie sie in den Leitlinien 2014/C-249/01, Rz 20 genannt ist, enthält Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO nicht als eigenes Prüfungskriterium.
28 Die Definitionen des Begriffs „Unternehmen in Schwierigkeiten“ in Art. 1 Abs. 4 Buchst. c, Art. 2 Nr. 18 AGVO und in den Leitlinien 2014/C-249/01 sind nicht deckungsgleich: Zwar sind die Kriterien in Art. 2 Nr. 18 AGVO und Rz 20 Satz 2 der Leitlinien 2014/C-249/01 weitgehend gleichlautend —unter anderem in Bezug auf die verlorengegangenen Eigenmittel infolge aufgelaufener Verluste—; Rz 20 Satz 1 der Leitlinien 2014/C-249/01 stellt aber darauf ab, ob ein Unternehmen auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeiten gezwungen sein wird, wenn der Staat nicht eingreift. Eine solche Fortführungsprognose nennt Art. 2 Nr. 18 AGVO hingegen nicht. Demnach kann sie kein eigenes Prüfungskriterium im Rahmen des Art. 2 Nr. 18 AGVO sein, sondern allenfalls zur Überprüfung einer dort gefundenen Auslegung dienen.
29 Auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Zinatnes parks vom - C-347/20, EU:C:2022:59 führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Berücksichtigung der Leitlinien 2014/C-249/01, auf die der Erwägungsgrund 14 der AGVO ausdrücklich verweist, wird vom EuGH in dieser Entscheidung erst geprüft, nachdem das Gericht für den Begriff „Unternehmen in Schwierigkeiten“ in Art. 2 Nr. 18 AGVO zu einem (unionsrechtlichen) Auslegungsergebnis gekommen ist. Anhand der Rz 20 der Leitlinien 2014/C-249/01 hat der EuGH mithin lediglich untersucht, ob das Ergebnis seiner Wortlautauslegung auch nach der teleologischen Auslegung überzeugt (EuGH-Urteil Zinatnes parks vom - C-347/20, EU:C:2022:59, Rz 49). Auch nach den Ausführungen des EuGH in dieser Entscheidung ist es daher nicht möglich, anhand des Sinn und Zwecks von Art. 2 Nr. 18 AGVO zu einem den möglichen Wortlaut dieser Norm überschreitenden Verständnis zu gelangen (Ähnliches hinterfragen Klasse/Ader, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2023, 60).
30 (5) Die AGVO stellt bei der Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten in Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO konkret auf die einzelne Kommanditgesellschaft ab, welche die in Rede stehende Beihilfe beansprucht. Dieser auf bestimmte Gesellschaftsformen bezogene Unternehmensbegriff umfasst deshalb nicht die wirtschaftliche Einheit, die in der EuGH-Rechtsprechung in anderem Zusammenhang erwähnt wird (z.B. Urteil AceaElectrabel Produzione/Kommission vom - C-480/09 P, EU:C:2010:787, m.w.N.). Denn die Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Einheit statt der einzelnen Gesellschaft liefe auch dem Ziel der Vereinfachung zuwider, weil die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erforderlichenfalls einen gesamten Konzern und damit Unternehmen in einem Organkreis prüfen müssten, obwohl eine detaillierte Untersuchung der besonderen Lage nach dem Erwägungsgrund 14 Satz 2 AGVO gerade nicht notwendig sein soll (Senatsurteil vom - VII R 28/19, BFHE 276, 256, Rz 34). Diese Überlegung gilt gleichermaßen beim Vorliegen eines komplexen Vertragsgeflechts zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens. Denn andernfalls müssten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gegebenenfalls ein aus verschiedenen Verträgen zusammengesetztes, nicht den üblichen klaren Vereinbarungen (wie dem bereits gezeichneten, wenn auch noch nicht gezahlten Stammkapital bei Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO) entsprechendes und über einen langen Zeitraum bestehendes Geschäfts- und Finanzierungsmodell prüfen, obwohl eine detaillierte Untersuchung der besonderen Lage insoweit gerade nicht notwendig sein soll.
31 3. Unter Anwendung der dargestellten Grundsätze kann der Klägerin keine Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG gewährt werden, weil sie ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist.
32 a) Das FG hat keine Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Entlastungsanspruchs nach § 9b StromStG getroffen. Ob diese erfüllt waren, kann allerdings offen bleiben, da es sich bei der Klägerin um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt.
33 b) Nach § 2a Abs. 3 StromStG handelt es sich bei der Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG um eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV.
34 c) Die Klägerin ist als ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO anzusehen. Denn nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wies sie zu den Bilanzstichtagen und jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten aus (Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO). Die Kommanditeinlagen waren vollständig durch Verluste aufgebraucht.
35 d) Die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen stehen ihrer Einordnung als Unternehmen in Schwierigkeiten nicht entgegen.
36 aa) Die von der Klägerin behauptete positive Fortführungsprognose ist unbeachtlich, da eine solche Einschränkung in Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO nicht vorgesehen ist (vgl. auch Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 2a StromStG Rz 15; zur Ausschließlichkeit der in Art. 2 Nr. 18 AGVO genannten Kriterien s.a. Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 2a StromStG Rz 30). Eine entsprechende Ausnahme stünde zudem im ausdrücklichen Widerspruch zu Erwägungsgrund 14 der AGVO, welcher gerade darauf abstellt, dass keine detaillierte Untersuchung notwendig sein soll, sodass nach dem Sinn und Zweck der Regelung für die Berücksichtigung von Prognosen kein Raum ist.
37 Wie bereits dargestellt, führt das EuGH-Urteil Zinatnes parks vom - C-347/20, EU:C:2022:59 zu keiner anderen Einschätzung. Die Heranziehung einer Fortführungsprognose ist erst nach Auslegung des Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO zur Überprüfung des gefundenen Auslegungsergebnisses möglich. Einen Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung einer Fortführungsprognose bietet aber Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO bei dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht: Der Verlust der Eigenmittel der KG ist vorliegend unstreitig. Es ist nicht möglich, das Finanzierungsmodell durch die Gesellschafter in den Wortlaut dieser Norm hineinzulesen. Daher ist es auch bei Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH nicht möglich, anhand des Sinn und Zwecks von Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO im Streitfall zu einem den Wortlaut dieser Norm überschreitenden Verständnis zu gelangen und das Vertragsgeflecht in die Norm einzubeziehen.
38 bb) Auch der Einwand, die Klägerin sei wegen der auf mindestens 20 Jahre gebundenen vertraglichen Abnahmeverpflichtungen ihrer Gesellschafter kein Unternehmen in Schwierigkeiten, greift nicht durch.
39 Zwar wird in der Kommentarliteratur zur Regelung in § 2a StromStG vereinzelt vertreten, dass eine unbedingte, unbeschränkte und rechtlich bindende Verpflichtung eines weiteren Unternehmens oder eines anderen Rechtsträgers zur vollständigen Übernahme von Verlusten zugunsten dieses Unternehmens zu einer abweichenden Beurteilung führe (so Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 2a StromStG Rz 27; a.A. Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 2a StromStG Rz 30). Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich hier um ein umfangreiches Vertragswerk von Austauschverpflichtungen, in die die verschiedenen Finanzierungsaspekte eingeflossen sind. Anstatt einer eher einfachen Überprüfung einer unbedingten, unbeschränkten und rechtlich bindenden Verpflichtung müsste sich das HZA hier mit einem komplexen Vertragswerk, das bewusst einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren abdeckt, befassen und prüfen, ob über die gesamte Zeitdauer der Finanzierungsplan zu einem positiven Ergebnis führen würde. Das widerspricht dem Erwägungsgrund 14 Satz 2 AGVO, der eine einfache Überprüfung durch die Verwaltung vorsieht, deutlich.
40 cc) Soweit die Klägerin ausführt, dass trotz der im Streitjahr erzielten Verluste keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliege, überzeugt auch dieser Einwand den erkennenden Senat nicht. Denn der Fall der Insolvenz ist in Art. 2 Nr. 18 Buchst. c AGVO als eigener Unterfall eines Unternehmens in Schwierigkeiten aufgeführt worden, was per se bedeutet, dass zwischen den Fällen des Art. 2 Nr. 18 Buchst. b und c AGVO Unterschiede bestehen, Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO also nicht nur dann eingreift, wenn eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliegt.
41 dd) Ebenso wenig greift das Argument der Klägerin durch, dass Unternehmen in Schwierigkeiten ohne Einzelnotifizierung De-minimis-Beihilfen erhalten könnten. Dies mag zutreffen, ändert aber den Maßstab des Art. 2 Nr. 18 AGVO nicht. Bei De-minimis-Beihilfen greifen andere Regeln als bei § 9b StromStG ein, zum Beispiel die Betrachtung eines Drei-Jahres-Zeitraums (vgl. Art. 3 Abs. 2 der VO 1407/2013; vgl. auch Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1408/2013 der Kommission vom über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen im Agrarsektor, ABlEU 2013, Nr. L 352, 9).
42 ee) Die in Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO enthaltenen Regelungen für Unternehmen in Schwierigkeiten verstoßen nicht gegen das (primäre) Unionsrecht.
43 Die von der Klägerin als „hart“ bezeichneten Kriterien für die Feststellung, ob sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, dienen ausweislich des Erwägungsgrunds 14 Satz 2 AGVO der Rechtssicherheit. Um Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage zu schaffen, ob ein Unternehmen als Unternehmen in Schwierigkeiten gilt, sollten diesbezüglich eindeutige Kriterien festgelegt werden, die auch ohne eine detaillierte Untersuchung der besonderen Lage eines Unternehmens überprüfbar sind. Dass vom Verordnungsgeber und durch die Verweisung in § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StromStG auch vom deutschen Gesetzgeber übersehen worden wäre, dass einzelne Unternehmen durch diese Regelung erheblich im Wettbewerb benachteiligt würden, ist eine bloße Behauptung der Klägerin.
44 Eine ähnliche Regelung enthielt nämlich bereits die Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (ABlEU 2008, Nr. L 214, 3). Nach deren Erwägungsgrund 15 sollte die Bestimmung des Begriffs „Unternehmen in Schwierigkeiten“ vereinfacht werden, um den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten zu verringern. Dieses Ziel hat der EuGH nicht in Frage gestellt und ausdrücklich entschieden, dass es dem Ziel der Vereinfachung zuwiderliefe, wenn von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verlangt würde, bei der Entscheidung über die Beihilfegewährung selbst konkret zu beurteilen, ob sich das Unternehmen in Schwierigkeiten befinde (EuGH-Urteil Nerea vom - C-245/16, EU:C:2017:521, Rz 35).
45 Die Europäische Kommission hat mit dieser Regelung nicht den ihr gesteckten Rahmen verlassen. Es liegt auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor (s. Senatsurteil vom - VII R 28/19, BFHE 276, 256, Rz 58).
46 ff) Auch ist —entgegen der Ansicht der Klägerin— keine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) gegenüber ihren Wettbewerbern gegeben.
47 Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. , BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082, Rz 98, m.w.N.). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (, BVerfGE 110, 412; , Rz 14).
48 Im Streitfall fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung. Denn soweit die von der Klägerin erwähnten Wettbewerber keine Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 18 AGVO sind, können sie mit der Klägerin nicht gleichgestellt werden. Dem Gesetzgeber steht es nämlich grundsätzlich frei, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert. Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Er darf Verschonungen von der Steuer vorsehen, sofern er ansonsten unerwünschte, dem Gemeinwohl unzuträgliche Effekte einer uneingeschränkten Steuererhebung befürchtet (, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, Rz 125). Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet zunächst aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Sachbezogene Differenzierungsgesichtspunkte stehen dem Gesetzgeber jedoch in weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Umstände stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, ist sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. , 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 77 und vom - 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, Rz 125).
49 Da der Gesetzgeber mit den hier streitgegenständlichen Beihilferegelungen einerseits das Produzierende Gewerbe subventionieren, aber Unternehmen in Schwierigkeiten aus den bereits dargestellten Gründen davon ausnehmen wollte und andererseits Rechtssicherheit bei der Feststellung, ob es sich um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt, schaffen und den Unternehmen und der Verwaltung eindeutige Kriterien an die Hand geben wollte, die auch ohne eine detaillierte Untersuchung der besonderen Lage des Unternehmens überprüfbar sind (Erwägungsgrund 14 AGVO), sind die vom BVerfG aufgestellten Grenzen der der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechenden Würdigung der Lebensverhältnisse beachtet worden. Denn die vom Gesetzgeber hier herangezogenen Kriterien decken in den meisten Fällen die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens zutreffend ab und stellen sich als einfach überprüfbar dar. Da bereits aufgrund des weiten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers die vom Gesetzgeber vorgenommenen sachbezogenen Differenzierungen hier zu keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führen, kommt es auf die Frage der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht an (so aber Klasse/Dengler, Außenwirtschaftliche Praxis —AW-Prax— 2022, 369).
50 e) Eine ausdrückliche Genehmigung der Europäischen Kommission liegt im Streitfall nicht vor. Auch kann sich die Klägerin nicht auf die allgemeine Genehmigung nach der AGVO berufen. Allerdings könnte die beantragte Beihilfe dem Genehmigungsverfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterzogen werden. Die Einordnung als Unternehmen in Schwierigkeiten führt nämlich hauptsächlich dazu, dass auf eine Genehmigung der Beihilfe durch die Europäische Kommission nicht verzichtet werden kann. Daraus ergibt sich jedoch noch keine Wettbewerbsverzerrung, wie die Klägerin meint. Gerade der Umstand, dass noch immer das Notifizierungsverfahren durchlaufen werden kann, zeigt —anders als die Klägerin meint—, dass Unternehmen, die eine Beihilfe trotz des Eingreifens der Kriterien des Art. 2 Nr. 18 AGVO erhalten wollen, ihr Begehren auf anderem Weg verfolgen können, dann allerdings nach anderen Prüfungsmaßstäben, nämlich nach den Leitlinien 2014/C-249/01 (vgl. z.B. Urteil des Gerichts der Europäischen Union Wizz Air Hungary/Kommission vom - T-142/21, EU:T:2023:164, Celex-Nr. 62021TJ0142; s. hierzu auch die kritischen Ausführungen von Klasse/Dengler, AW-Prax 2022, 369). Auch aus diesem Grund scheidet eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aus.
51 4. Eine Vorlage an den EuGH sieht der erkennende Senat nicht als erforderlich an.
52 Die von dem erkennenden Senat vorgenommene Auslegung des Art. 2 Nr. 18 Buchst. b AGVO ist auch nach dem EuGH-Urteil Zinatnes parks vom - C-347/20, EU:C:2022:59 wegen des Wortlauts der Vorschrift und wegen des Erwägungsgrunds 14 der AGVO derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. auch Senatsurteil vom - VII R 28/19, BFHE 276, 256, Rz 65). Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteile CILFIT vom - 283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415, Rz 16 und Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom - C-561/19, EU:C:2021:799).
53 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.071024.VIIR14.21.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-82734