BGH Urteil v. - XI ZR 75/23

Notwendige Angaben über Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag

Leitsatz

Zur Ordnungsgemäßheit der Angabe über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag.

Gesetze: § 502 Abs 2 Nr 2 BGB, § 812 Abs 1 S 1 BGB, Art 247 § 7 Abs 2 Nr 1 BGBEG

Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 7 U 14/22vorgehend LG Frankenthal Az: 7 O 60/21

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Rückerstattung von den Klägern geleisteter Vorfälligkeitsentschädigungen.

2Die Parteien schlossen am 6./ einen Immobiliar-Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 170.000 €. Sie vereinbarten einen bis zum gebundenen Sollzinssatz in Höhe von 2,0% p.a., zahlbar in 247 Monatsraten zu je 840 € ab dem und einer Schlussrate in Höhe von 401,51 €. Der Darlehensvertrag sieht für den Zeitraum der Sollzinsbindung ein jährliches, nicht auf Folgejahre übertragbares Sondertilgungsrecht von bis zu 17.000 € vor.

3Am 5./ schlossen die Parteien einen weiteren Immobiliar-Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 20.000 €. Sie vereinbarten einen bis zum gebundenen Sollzinssatz in Höhe von 3,5% p.a., zahlbar in 170 Monatsraten zu je 150 € ab dem und einer Schlussrate von 115,30 €. Der Darlehensvertrag sieht für den Zeitraum der Sollzinsbindung ein jährliches, nicht auf Folgejahre übertragbares Sondertilgungsrecht von bis zu 2.000 € vor.

4In den Darlehensverträgen heißt es jeweils unter anderem:

"4 Darlehensrückzahlung und Laufzeit (…)

Vertragslaufzeit Auf Basis der vereinbarten Konditionen ergibt sich eine voraussichtliche Vertragslaufzeit von [20 Jahren und 8 Monaten bzw. 14 Jahren und 3 Monaten]. Zinssatz- und Tilgungsänderungen können zu Änderungen der Ratenhöhe und der Anzahl und damit zur Veränderung der anfänglich vereinbarten Darlehenslaufzeit führen. Das Kapitalnutzungsrecht des vereinbarten Darlehens bleibt bei vertragsgemäßer Erfüllung für den gesamten, zur vollständigen Tilgung benötigten Zeitraum erhalten.

Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung nach Ziffer 8 an.

Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung (vergleiche Ziffer 7 dieses Vertrags) oder im Fall der außerordentlichen Kündigung auf der Grundlage eines berechtigten Interesses (vergleiche Ziffer 8 Satz 2 der Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen) hat der Darlehensnehmer der Bank denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht. Der Berechnung dieses Schadens wird der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode zugrunde legen, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Hypothekenpfandbriefen angelegt werden. Danach wird berücksichtigt:

5In Ziffer 8 der Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen heißt es jeweils:

"8 Außerordentliche Kündigung des Kreditnehmers: Eine fristlose Kündigung kann der Kreditnehmer nur dann aussprechen, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Kreditnehmer - auch unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange der Bank - unzumutbar werden lässt, den Kreditvertrag fortzusetzen.

Der Kreditnehmer kann einen Kreditvertrag, bei dem ein gebundener Sollzinssatz vereinbart und der Kredit durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, nach Ablauf von sechs Monaten nach vollständigem Empfang des Kredits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Kreditnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Kredits beliehenen Sache hat."

6Für die auf Wunsch der Kläger erfolgten vorzeitigen Darlehensrückzahlungen stellte ihnen die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.550,36 € und 7.304,39 € in Rechnung. Die Kläger zahlten unter Vorbehalt 8.550,36 € und 1.498,54 €.

7Die Klage, gerichtet auf Zahlung von 10.048,90 € nebst Verzugszinsen und Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, hatte erstinstanzlich Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten als begründet angesehen und im Übrigen zurückgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag auch im Übrigen weiter.

Gründe

8Die Revision ist unbegründet.

I.

9Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2023, 30605 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

10Den Klägern stehe ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückforderung der Vorfälligkeitsentschädigungen zu. Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen gemäß § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, da die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend seien.

11Die zur Richtlinie 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom - C-33/20, C-155/20 und C-187/20, Volkswagen Bank) sei weder unmittelbar noch mittelbar auf die hier einschlägige Richtlinie 2014/17/EU (Wohnimmobilienkredit-Richtlinie) übertragbar. Die Ordnungsgemäßheit der Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung beantworte sich allein nach den Maßstäben des nationalen Rechts. Der Gesetzgeber habe Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge mit der Neufassung der §§ 500, 502 BGB nicht vollständig den Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen gleichstellen wollen, zumal § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB unmittelbar nicht unionsrechtlichen Ursprungs sei.

12Die von der Beklagten verwendete Information genüge nicht den Vorgaben des nationalen Rechts. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB verlange bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen "klar und verständlich" formulierte Angaben im Vertrag über die "Voraussetzungen und die Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung". Zulässig sei eine Berechnung sowohl nach der Aktiv-Aktiv-Methode als auch nach der Aktiv-Passiv-Methode. Zur Erfüllung der Pflichtangaben zu den Voraussetzungen und der Berechnungsmethode sei die Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel nicht erforderlich und würde den Verbraucher aufgrund ihrer Komplexität überfordern. Es reiche aus, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benenne, wobei auf das Verständnis des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen sei. Diesen Maßgaben genügten die streitgegenständlichen Angaben nicht.

13In zeitlicher Hinsicht erstrecke sich die rechtlich gesicherte Zinserwartung nicht auf die gesamte vereinbarte Vertragslaufzeit der Darlehensverträge, sondern wegen der gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB bestehenden Kündigungsmöglichkeit von vornherein nur auf die ersten 10 Jahre und 6 Monate. Ob hierüber generell zu informieren sei, könne dahinstehen. Denn wenn Angaben getätigt würden, dürften diese nicht unrichtig oder irreführend sein. Die Angabe in Ziffer 8 der Verträge erwecke jedoch mit der Formulierung "Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens" den fälschlichen Eindruck, dass die deutlich längere Gesamtlaufzeit des jeweiligen Darlehensvertrags maßgebend sei. In der verwendeten Klausel werde die "(Rest-)Laufzeit" nicht näher beschrieben. Auf derselben Vertragsseite werde in Ziffer 4 indes - an einziger Stelle im Gesamtvertrag - die "Laufzeit" bzw. "Vertragslaufzeit" unter Bezugnahme auf die Gesamtlaufzeit dargestellt. Dass die "(Rest-)Laufzeit" bei der Vorfälligkeitsentschädigung abweichend als "Restlaufzeit" der Sollzinsbindung zu verstehen sei, werde nicht klargestellt und liege für einen verständigen Verbraucher fern. Aus der Erläuterung der Kündigungsmöglichkeit in Ziffer 7 der Darlehensbedingungen könne der Verbraucher nicht schließen, dass sich die berechtigte Zinserwartung nur auf den Zeitraum der Sollzinsbindung erstrecke und dieser Zeitraum für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung maßgebend sei. Auch einer Zusammenschau von Ziffer 7 mit Ziffer 3.1 der Verträge und der dortigen Regelung zum Zinssatz nach Ablauf der Sollzinsbindung könne der Verbraucher nicht entnehmen, dass die berechtigte Zinserwartung nur bis zum Ablauf der Sollzinsbindung reiche. Ziffer 3.1 beschränke die Sollzinsbindung auf 10 Jahre, enthalte aber bereits die Vereinbarung eines Zinssatzes für den sich daran anschließenden Zeitraum. Dass dieser Zins nicht an der für die Berechnung maßgeblichen berechtigten Zinserwartung teilnehme, könne der Verbraucher weder dieser Regelung noch einer Zusammenschau mit den Angaben in Ziffer 7 und 8 der Verträge entnehmen. Die von der Beklagten gewählte Formulierung lasse nicht nur offen, ob sich die Zinsschadensberechnung auf die gesamte Vertragslaufzeit oder die maßgebliche Laufzeit von 10 Jahren und 6 Monaten beziehe, sondern erwecke in irreführender Weise den Eindruck, dass Ersteres der Fall sei.

14Dazu ergänzend sei in sachlicher Hinsicht die rechtlich gesicherte Zinserwartung durch die bei beiden Darlehensverträgen für die Dauer der Sollzinsbindung vereinbarten jährlichen Sondertilgungsrechte eingeschränkt. Über den Umstand, dass hinsichtlich der zum Zeitpunkt der vorzeitigen Ablösung noch ausstehenden Sondertilgungsrechte davon auszugehen sei, dass der Darlehensnehmer diese ausgenutzt hätte, habe die Beklagte nicht informiert. Dies stelle aber einen aufklärungspflichtigen Gesichtspunkt dar, da die Berücksichtigung der Sondertilgungsrechte zur - ggf. deutlichen - Reduzierung des Zinsschadens führe.

II.

15Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein Anspruch der Beklagten auf die Vorfälligkeitsentschädigungen nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen war und die Kläger diese deshalb ohne rechtlichen Grund gezahlt haben. Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

161. In einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag muss der Darlehensnehmer gemäß Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB klar und verständlich über die Voraussetzungen und die Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung informiert werden. Ist die Information über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend, ist gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen. § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen kann, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet (Senatsurteil vom - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 42). Weitergehende Vorgaben zur Berechnungsmethode lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 159/23, BGHZ 240, 38 Rn. 20).

17Aus den Gesetzgebungsmaterialien folgt, dass es dem Gesetzgeber auch im Anwendungsbereich von Immobiliar-Verbraucherdarlehen angesichts der Bedeutung des Rechts auf vorzeitige Rückzahlung für den Darlehensnehmer sinnvoll erschien, diese Informationen im Vertrag selbst zu geben, um damit von vornherein Transparenz hinsichtlich der Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung sicherzustellen (BT-Drucks. 18/5922, S. 91, 116). Aufgrund dessen sollte sich der Darlehensgeber bereits vor Vertragsschluss auf die anzuwendende Berechnungsmethode festlegen, wobei die Gesetzesbegründung insoweit auf die vom Senat unter anderem im Urteil vom (XI ZR 267/96, BGHZ 136, 161, 168 ff.) für zulässig erachteten Berechnungsmethoden Bezug nimmt (BT-Drucks. 18/5922, S. 116). Weitere Angaben zur inhaltlichen Reichweite der Information sind der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen.

18Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es nach ständiger Senatsrechtsprechung, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (, BGHZ 224, 1 Rn. 45 mwN und XI ZR 11/19, juris Rn. 42). Die Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel ist nicht erforderlich ( aaO Rn. 44 und XI ZR 11/19 aaO Rn. 41; Senatsbeschluss vom - XI ZR 648/18, juris Rn. 19). Fehlende oder fehlerhafte Angaben zur Berechnung führen zum Anspruchsausschluss (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 288/19, BGHZ 226, 310 Rn. 28; Jungmann in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 56 Rn. 756; MünchKommBGB/Weber, 9. Aufl., § 502 Rn. 14; Müller-Christmann in Ellenberger/Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 4. Aufl., § 502 Rn. 18 ff.; BeckOGK BGB/Knops, Stand: , § 502 Rn. 64; Rösler/Wimmer/Lang, Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, 2. Aufl., Rn. 489 f.). Abzustellen ist auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher (st. Rspr.; vgl. nur , BGHZ 226, 310 Rn. 22 und vom - XI ZR 258/22, BGHZ 239, 337 Rn. 38).

192. Nach diesen Maßgaben ist die streitgegenständliche Klausel, die bei der Schadensberechnung in zeitlicher Hinsicht auf die "Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens" abstellt, unzureichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

20a) Nicht zu beanstanden ist allerdings der erste Teil der Klausel, wonach im Fall der vorzeitigen Rückzahlung oder im Fall der außerordentlichen Kündigung auf der Grundlage eines berechtigten Interesses der Darlehensnehmer der Bank denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht, und bei der Berechnung dieses Schadens der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode zugrunde legen wird, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Hypothekenpfandbriefen angelegt werden (vgl. , BGHZ 146, 5, 10 ff. und vom - XI ZR 159/23, BGHZ 240, 38 Rn. 14 und 16).

21b) Die vorliegende Erläuterung der Aktiv-Passiv-Methode ist dagegen für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher im Hinblick auf den für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung maßgeblichen Zeitraum unrichtig bzw. zumindest irreführend.

22aa) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung ist der Zinsschaden lediglich für den Zeitraum rechtlich geschützter Zinserwartung ersatzfähig (, WM 1991, 760, 761, vom - XI ZR 313/98, WM 2000, 718, 719, vom - XI ZR 27/00, BGHZ 146, 5, 11 f. und vom - XI ZR 159/23, BGHZ 240, 38 Rn. 17). Eine rechtlich geschützte Zinserwartung besteht bis zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt des Rückzahlungsanspruches oder, wenn dieser zeitlich früher liegt, bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der nächsten zulässigen Kündigung, also insbesondere bis zum Ablauf eines gegebenenfalls vereinbarten Zinsfestschreibungszeitraums (Senatsurteil vom aaO), wobei die erstmalige Kündigungsmöglichkeit des Darlehensnehmers nach zehn Jahren (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) die Obergrenze darstellt (Senatsurteil vom - XI ZR 388/14, BGHZ 208, 290 Rn. 25 mwN).

23bb) Entgegen der Auffassung der Revision versteht ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vorliegend die gegenständlichen Vertragsbedingungen dahingehend, dass mit "Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens" die noch verbliebene Gesamtlaufzeit der Darlehen, nicht aber der Zeitraum der rechtlichen geschützten Zinserwartung bezeichnet wird.

24Der Verbraucher begreift "Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens" als "restliche Laufzeit" des geschlossenen Vertrags im Sinne der (gesamten) Vertragslaufzeit, nicht aber als durch Zinsvereinbarungen oder durch das Gesetz näher bestimmte Zeitabschnitte desselben. Denn eine Definition der "Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens" erfolgt in den Vertragsbedingungen nicht, während die "Vertragslaufzeit" in Ziffer 4 des Darlehensvertrags in räumlichem Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Klausel erläutert wird, wobei auf die voraussichtliche Gesamtlaufzeit des Darlehens abgestellt und diese nach Jahren und Monaten angegeben wird. Anknüpfungspunkte für den Verbraucher, dass sich die "(Rest-)Laufzeit" nicht auf die zuvor definierte "(Vertrags-)Laufzeit" bezieht, liegen nicht vor (vgl. OLG Saarbrücken, WM 2023, 1877 Rn. 58 ff.; , juris Rn. 36 ff.; LG Darmstadt, Urteil vom - 13 O 6/22, juris Rn. 40 ff.; , juris Rn. 40 ff.; LG Konstanz, Urteil vom - 4 O 155/20, juris Rn. 50; BeckOGK BGB/Knops, Stand: , § 502 Rn. 66; Jungmann in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 56 Rn. 756; aA OLG Celle, Urteil vom - 3 U 8/23, juris Rn. 37; OLG Frankfurt am Main, ZIP 2021, 2118, 2119; , juris Rn. 52 ff.; LG Saarbrücken, ZIP 2022, 2126, 2128).

25Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus den in der streitgegenständlichen Klausel befindlichen Verweisen auf Ziffer 7 des Darlehensvertrags und Ziffer 8 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Kredite und Darlehen. In letzterer wird die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung des Darlehensnehmers bei Vorliegen eines berechtigten Interesses erläutert, während in ersterer die Modalitäten der vorzeitigen Darlehensrückführung bestimmt werden. Es geht jeweils um das "Ob" einer vorzeitigen Vertragsbeendigung, Regelungen zu den Rechtsfolgen enthalten diese Klauseln nicht. Soweit Ziffer 7 des Darlehensvertrags für die vorzeitige Rückzahlung auf den "Zeitraum der Sollzinsbindung" abstellt, kann der Verbraucher zwar daraus folgern, dass sich das dort geregelte Recht zur vorzeitigen Rückzahlung auf eben diesen Zeitraum bezieht; dass darüber hinaus der in der nachfolgenden, streitgegenständlichen Klausel bezeichnete Zeitraum der "Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens" für die Schadensberechnung ebenfalls (nur) den Zeitraum der Sollzinsbindung meint, kann der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher einer Zusammenschau der beiden Klauseln aber nicht entnehmen (vgl. OLG Saarbrücken, WM 2023, 1877 Rn. 62; , juris Rn. 41 ff.; LG Darmstadt, Urteil vom - 13 O 6/22, juris Rn. 41; aA OLG Celle, Urteil vom - 3 U 8/23, juris Rn. 37; OLG Frankfurt am Main, ZIP 2021, 2118, 2119).

26c) Es kann dahinstehen, ob zur Rechtfertigung eines Anspruchsausschlusses nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung eine hinreichende Schwere aufweisen muss (so , juris Rn. 108; Erman/Nietsch, BGB, 17. Aufl., § 502 Rn. 11; Freckmann, WuB 2021, 1, 3; Hölldampf, WM 2021, 325, 330; vgl. auch Müller-Christmann in Ellenberger/Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 4. Aufl., § 502 Rn. 20 Fn. 31). Eine solche liegt hier vor. Die streitgegenständliche Klausel erweckt den Eindruck, dass sich der Zinsschaden nicht nach einer Laufzeit von maximal 10 Jahren und 6 Monaten, sondern nach den deutlich längeren Vertragslaufzeiten berechnet. Dies hat nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung und ist geeignet, einen Verbraucher von der Ausübung seines Rechts auf vorzeitige Rückzahlung abzuhalten.

27d) Der den Klägern nach § 493 Abs. 5 BGB zustehende Anspruch auf Information zur Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, zur Höhe des Rückzahlungsbetrages und zur Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung ändert an diesem Ergebnis nichts. § 493 Abs. 5 BGB betrifft den Fall, dass der Verbraucher im weiteren Verlauf der Vertragsbeziehung beabsichtigt, das Darlehen vorzeitig zurückzuführen, während Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Herstellung von Transparenz im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzielen (BT-Drucks. 18/5922, S. 116).

Ellenberger                        Grüneberg                        Matthias

                    Derstadt               Schild von Spannenberg

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:031224UXIZR75.23.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-82724