BGH Beschluss v. - 5 StR 591/24

Instanzenzug: LG Berlin I Az: 539 KLs 15/24

Gründe

1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen, sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen, Herstellens kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen und Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2 Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

1.    Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand; er bedarf der beantragten Änderung. Im Einzelnen:

a)    Das Landgericht hat den Angeklagten in den Fällen A.1 bis A.4 der Urteilsgründe jeweils wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Herstellung kinderpornographischer Schriften – begangen am , am , am und am – verurteilt. Der Verfolgbarkeit der Herstellungstaten steht indessen das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegen. Bei einer tateinheitlichen Verurteilung läuft die Verjährungsfrist für jedes einzelne Delikt gesondert (vgl. , Rn. 4).

Die Verjährungsfrist betrug für die Herstellungstaten fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), so dass im Frühjahr 2020 für die vorbezeichneten Taten Verjährung eingetreten ist (§ 78a Satz 1 StGB). Verjährungsunterbrechende Maßnahmen im Sinne von § 78c StGB sind vor Ablauf dieser Frist nicht ergriffen worden. Der Tatbestand des § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB wurde erst mit Wirkung vom in die Ruhensvorschrift des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist eingefügt.

Der Angeklagte ist indessen des Besitzes kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung vom schuldig. Zwar tritt der Besitz kinderpornographischer Schriften als Auffangtatbestand regelmäßig hinter die Verschaffungsdelikte und damit auch hinter die Tatvariante des Herstellens kinderpornographischer Schriften zurück (vgl. , Rn. 6). Steht jedoch der Verfolgbarkeit des verdrängenden Herstellungstatbestandes – wie hier – das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegen, so lebt der subsidiäre Besitztatbestand wieder auf und der Angeklagte ist aus diesem zu bestrafen (vgl. , Rn. 14). Diesbezüglich ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Verjährung begann erst mit Beendigung der Tat (§ 78a Satz 1 StGB), nämlich der Sicherstellung der Datenträger am (SA Bd. I Bl. 70 ff.).

Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ändern. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

b) In den Fällen A.12 und A.13 der Urteilsgründe ist der Schuldspruch ferner an die zur Tatzeit geltende, vom Gesetzgeber mit Wirkung zum geänderte gesetzliche Überschrift des § 184b StGB anzupassen („Inhalte“ statt „Schriften“, vgl. Senat, Beschluss vom – 5 StR 55/23, Rn. 13). Für den Fall B.4 der Urteilsgründe gilt dies nicht, weil eine Tatbegehung zu einem früheren Zeitpunkt nicht auszuschließen ist.

Im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 176ff. StGB muss es nach den gesetzlichen Überschriften zudem des sexuellen Missbrauchs von Kindern statt eines Kindes heißen.

2.    Der Strafausspruch kann weitgehend bestehen bleiben.

a)    Die in den Fällen A.1 bis A.4 ausgeurteilten Einzelstrafen können unbeschadet der Schuldspruchänderung Bestand haben. Der Senat wird ausschließen können, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Verfolgungsverjährung und deren Folgen eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte. Insoweit ist zu sehen, dass das Landgericht die Strafen für diese Taten gemäß § 52 Abs. 2 StGB aus dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB in der Fassung vom geschöpft hat, der sowohl gegenüber § 184b Abs. 1 StGB als auch gegenüber § 184b Abs. 3 StGB jeweils in der Fassung vom deutlich höher liegt. Überdies ist der tateinheitliche langjährige Besitz selbst hergestellter kinderpornographischer Aufnahmen von eigenen Missbrauchstaten ebenso strafschärfend berücksichtigungsfähig wie das Herstellen der Aufnahmen selbst (vgl. , Rn. 29).

b)    Im Fall A.12 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Strafe dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 1 StGB in der Fassung vom entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorsah. Dabei konnte es nicht berücksichtigen, dass § 184b Abs. 1 StGB durch das am in Kraft getretene „Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ vom (BGBl. I 2024 Nr. 213) als Vergehen mit erhöhter Mindeststrafe von sechs Monaten neugefasst worden ist; die Strafrahmenobergrenze hat der Gesetzgeber unverändert gelassen. Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren gemäß § 354a StPO zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 298/24, Rn. 4; und vom – 1 StR 278/24, Rn. 3).

Der Senat kann jedoch von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO Gebrauch machen und – der tatrichterlichen Strafzumessung im vergleichbaren Fall A.10 folgend – die verhängte Einzelfreiheitsstrafe für die Tat A.12 auf zehn Monate herabsetzen, um eine dem Angeklagten ausschließlich begünstigende, sofort abschließende Sachentscheidung zu treffen.

Die auch mit Rücksicht auf das Alter des Angeklagten tat- und schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten wird dadurch nicht gefährdet. Angesichts der Vielzahl der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen und der nur geringfügigen Herabsetzung der Einzelstrafe für die Tat A.12 ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung der Gesetzesänderung auf eine mildere Sanktion erkannt hätte.

3 Dem schließt sich der Senat in vollem Umfang an und ändert – dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend – den Schuld- und Strafausspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich ab.

Cirener                                Gericke                                Köhler

                      Resch                                von Häfen

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:031224B5STR591.24.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-82450