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BGH Beschluss v. - 3 StR 217/24

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 15 KLs 11/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.           wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, „wobei bei zwei Taten jeweils zwei Fälle und bei einer Tat vier Fälle tateinheitlich zusammentreffen“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und zwei Monaten verurteilt. Den Angeklagten L.               hat es wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte L.              erhebt zudem Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte S.           seit Juli 2022 einen umfangreichen Handel mit Drogen. Hierzu bestellte und erhielt er in einer Vielzahl von Fällen in unterschiedlichen Zusammensetzungen mehrere Kilogramm Marihuana, Haschisch und Amphetamin sowie Kokain im Umfang von 30 bis 330 Gramm. Das Landgericht hat in Bezug auf mehrere Bestellungen beziehungsweise Lieferungen Tat- oder Bewertungseinheiten angenommen und daher verschiedene Fälle mit Blick darauf zusammengefasst, dass der Angeklagte eine Teilmenge zurückgab und dafür bei der nächsten Lieferung Ersatz erhielt, er mehrfach gleichzeitig Zahlungen für unterschiedliche Lieferungen leistete und er zuvor erhaltenes Marihuana zusammen mit später empfangenen Drogen veräußern wollte.

3Der Angeklagte L.             schloss sich spätestens im Frühjahr 2021 einer Gruppierung an, die einen professionellen Großhandel mit Marihuana und Haschisch betrieb, und investierte selbst 70.000 € in die Geschäfte. Im April und Mai 2021 nahm er mit anderen Mitgliedern der Gruppe in zwei Fällen Lieferungen entgegen und war vor Ort dafür zuständig, die Vorgaben des Hintermanns umzusetzen und die Abläufe zu koordinieren. Er portionierte die Drogen und gab sie an Kuriere sowie Restmengen an ein Bandenmitglied zur Lagerung weiter. Im ersten Fall handelte es sich um 94,5 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 11,34 Kilogramm Tetrahydrocannabinol (THC), im zweiten Fall um 80 Kilogramm Marihuana und 50 Kilogramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 12,2 Kilogramm THC. Später betrieb der Angeklagte L.              eigenständig einen Handel. Dazu holte er am zuvor bestellte zehn Kilogramm Marihuana und fünf Kilogramm Haschisch mit insgesamt 1,4 Kilogramm THC ab und brachte sie zu Abnehmern (unter II. 11. der Urteilsgründe). Am Folgetag bestellte er weitere fünf Kilogramm Marihuana, die in einer Garage für ihn bereitgestellt wurden. Als er zur Abholung dorthin kam, hatte er aus einer anderen Quelle 48,8 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 35,2 Gramm Kokainhydrochlorid ebenfalls zum gewinnbringenden Weiterverkauf bei sich und wurde festgenommen (unter II. 12. der Urteilsgründe).

42. Die Schuldsprüche sind auf die Sachrügen zu ändern, weil nach Urteilsverkündung das Cannabisgesetz vom (BGBl. I Nr. 109) mit Wirkung vom in Kraft getreten und gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO im Revisionsverfahren zu berücksichtigen ist.

5a) Der Angeklagte S.           ist des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis in vier Fällen gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, §§ 52, 53 StGB schuldig. Die jeweiligen Taten des Handeltreibens bezogen sich stets sowohl auf Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, nämlich Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mehr als fünf Gramm Kokainhydrochlorid oder Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mehr als zehn Gramm Amphetaminbase, als auch auf Cannabis. Insofern ist der Straftatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG, selbst unter Berücksichtigung des Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 4 KCanG (vgl. zum maßgeblichen Grenzwert von 7,5 g THC , NStZ 2024, 547 Rn. 8), gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO maßgeblich (vgl. etwa , juris Rn. 13 mwN). Dass die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten ist, ist bei Cannabis - anders als bei Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - aufgrund der Ausgestaltung als besonders schwerer Fall nicht in den Schuldspruch aufzunehmen (s. , juris Rn. 7 mwN). Zudem ist es aus Gründen der Übersichtlichkeit entbehrlich, eine mehrfache tateinheitliche Verwirklichung desselben Tatbestandes in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 54/16, NStZ-RR 2016, 274 f.; vom - 3 StR 30/23, StV 2024, 425 Rn. 6; s. im Übrigen zur Abgrenzung von Bewertungs- und Tateinheit , BGHSt 63, 1).

6b) Der Angeklagte L.              ist des Bandenhandels mit Cannabis in zwei Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis und des Handeltreibens mit Cannabis schuldig (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 52, 53 StGB). In den ersten beiden Fällen stellt sich der Bandenhandel mit Cannabis im Vergleich zu dem vom Landgericht herangezogenen Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 1 BtMG als milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB dar (vgl. zur Fassung des Schuldspruchs , juris Rn. 11). Gleiches gilt hinsichtlich des Handeltreibens mit Cannabis gegenüber dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit dem vom Landgericht zugrunde gelegten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG, soweit der Angeklagte L.             später zum einen zehn Kilogramm Marihuana und fünf Kilogramm Haschisch (unter II. 11. der Urteilsgründe) und zum anderen fünf Kilogramm Marihuana bestellte (unter II. 12. der Urteilsgründe). Da er dieses im letzten Fall unter Mitführen des ebenfalls zum Weiterverkauf bestimmten Kokains abholen wollte, tritt zu dem Handeltreiben mit Cannabis tateinheitlich ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzu (s. oben unter 2. a).

7c) Die Schuldsprüche sind entsprechend § 354 Abs. 1 StPO durch das Revisionsgericht zu ändern. Die Angeklagten hätten sich durch einen Hinweis auf die neue Rechtslage nicht wirksamer als geschehen verteidigen können (§ 265 StPO). Eine Revisionserstreckung auf den Mitangeklagten nach § 357 StPO kommt bei der Aufhebung eines Urteils infolge geänderter Gesetzeslage (§ 354a StPO) grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. , juris Rn. 8 mwN).

83. Die Änderung der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der - nach der zum Urteilszeitpunkt geltenden Gesetzeslage für sich genommen rechtsfehlerfrei bemessenen - Strafen nach sich, da die Verhängung geringerer Rechtsfolgen nicht auszuschließen ist. Dies gilt angesichts der erheblichen Cannabismengen auch in den Fällen, in denen der Strafrahmen wegen der tateinheitlich verwirklichten Delikte unverändert dem Betäubungsmittelgesetz zu entnehmen ist. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind davon nicht betroffen und haben mithin Bestand.

94. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen, wie vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften näher dargelegt, keine Beanstandung zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

10Insbesondere tragen die getroffenen Feststellungen die rechtliche Bewertung, dass der Angeklagte L.              die ersten beiden Taten ungeachtet seiner gegenüber dem Hintermann untergeordneten Stellung als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) beging. Soweit er sich mit einer Verfahrensrüge gegen die Verwertung von durch den Kommunikationsanbieter „Anom“ erlangten Daten wendet, genügt das entsprechende Vorbringen nicht den Anforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, da weder die vom Generalbundesanwalt genannten Unterlagen vorgelegt werden noch vorgebracht wird, dass dies dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei und welche Bemühungen er gegebenenfalls entfaltet hat, um die sich aus den Akten ergebenden Dokumente zu erlangen (vgl. , NJW 2022, 2422 Rn. 17 mwN; Beschluss vom - 5 StR 412/22, NStZ 2024, 59 Rn. 12).

Schäfer                    Hohoff                    Anstötz

                Kreicker                   Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:121124B3STR217.24.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-82387