BGH Urteil v. - VIa ZR 255/23

Instanzenzug: Az: 24 U 2132/21vorgehend LG Memmingen Az: 32 O 917/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Er erwarb am von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten Gebrauchtwagen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4matic Blue Efficiency mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 5). Das Landgericht hat die hinsichtlich der Beklagten auf Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie auf Freistellung von Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er neben der Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten hilfsweise Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des erworbenen Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 2a), Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2b) sowie Freistellung von Rechtsverfolgungskosten (Berufungsantrag zu 3) verlangt hat, ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat hinsichtlich der Berufungsanträge zu 2a, zu 2b und zu 3 zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine hilfsweise gestellten Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision des Klägers ist begründet.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB lägen nicht vor. Einem Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV stehe entgegen, dass das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Schutzbereich der genannten Bestimmungen liege.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten auch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die Berufungsentscheidung ist demnach im tenorierten Umfang (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen. Darüber hinaus wird es zu berücksichtigen haben, dass der Kläger sich eine weitere Nutzungsentschädigung für die Zeit ab anrechnen lassen möchte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:181224UVIAZR255.23.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-82270