BGH Beschluss v. - 2 StR 179/24

Instanzenzug: LG Aachen Az: 63 KLs 20/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte spätestens seit 2021 im Keller seines Wohnhauses eine Cannabisplantage. Am wurden dort zehn noch nicht erntereife Cannabispflanzen sichergestellt. Äste und Blattwerk dieser Pflanzen wiesen ein Gesamtgewicht von 997,9 Gramm mit mindestens 55,30 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) auf. Bei ungestörtem Wachstum dieser Pflanzen wäre ein Ertrag von jedenfalls 500 Gramm Blütenmaterial mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 69 Gramm THC zu erwarten gewesen. Der Angeklagte verfügte am zudem in seinen Wohnräumen über 270,5 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von mindestens 37,3 Gramm THC. Die in dieser Menge enthaltenen 140 Gramm Marihuanablüten waren für den Eigenkonsum (56 Gramm) und den gewinnbringenden Weiterverkauf (84 Gramm) bestimmt; das restliche Pflanzenmaterial sollte entsorgt werden. Der Angeklagte lagerte das sichergestellte Marihuana auch im Arbeitszimmer seiner Wohnung, in dem er in einer Ecke unter anderem eine funktionsfähige Schreckschuss-/Reizstoffpistole mit der zugehörigen Munition und ein Reizstoffsprühgerät verwahrte. Diese beiden Gegenstände dienten ihm zumindest auch zum Schutz vor unberechtigtem Zugriff Dritter auf die Drogen.

32. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana – entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage – nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Danach bestimmt sich die Strafbarkeit von Taten, die Marihuana und damit Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 4 KCanG zum Gegenstand haben, nicht mehr nach dem Betäubungsmittelgesetz, sondern nach dem Konsumcannabisgesetz. Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO grundsätzlich zu berücksichtigen. In der hier gegebenen Konstellation scheidet eine Änderung des Schuldspruchs entsprechend § 354 Abs. 1 StPO allerdings aus, weil der Senat nicht entscheiden kann, ob die bei der Tat oder die nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist.

4a) Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (, BGHSt 67, 130, 131 f. mwN). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. , Rn. 5 mwN).

5b) Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich hier nicht abschließend bestimmen, welche Rechtslage die mildere ist.

6aa) Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bewertet und einen minder schweren Fall des § 30a Abs. 3 BtMG angenommen. Einen minder schweren Fall des § 29a Abs. 2 BtMG hat die Strafkammer verneint und unter Beachtung der Sperrwirkung der höheren Mindeststrafe dieses Tatbestands einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt. Nunmehr käme – neben den tateinheitlich verwirklichten Tatbeständen des Anbaus und des Besitzes (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KCanG) – eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in Betracht, das mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu ahnden ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG). Die Tat bezog sich auch – was Tatbestandsvoraussetzung des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG) ist – auf eine nicht geringe Menge an Cannabis (zum Grenzwert für THC nach dem seit dem geltenden Recht vgl. , NJW 2024, 1968, 1969 Rn. 7 ff.).

7bb) Der konkret anzuwendende Strafrahmen nach § 34 Abs. 4 KCanG ist nicht ohne Weiteres günstiger als der vom Landgericht herangezogene der § 30a Abs. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Denn § 34 Abs. 4 KCanG lässt beim bewaffneten Handeltreiben mit Cannabis im Vergleich zu § 30a BtMG nur dann geringere Strafen zu, wenn die Regelungen für den Qualifikationstatbestand und die minder schweren Fälle direkt miteinander verglichen werden. Allerdings ist es eine vom Tatgericht zu entscheidende Wertungsfrage, ob ein minder schwerer Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis vorliegt. Allein daraus, dass das Landgericht einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angenommen hat, kann nicht der sichere Schluss gezogen werden, dass es auch zu einem minder schweren Fall des § 34 Abs. 4 KCanG gelangt wäre (vgl. , Rn. 5), zumal eine strafmildernde Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Cannabis („weiche Droge“) nicht mehr statthaft ist (vgl. , Rn. 5).

83. Die Aufhebung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Die jeweiligen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Urteils nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

94. Der Senat hat von der vom Generalbundesanwalt beantragten Beschränkung des Anklagevorwurfs gemäß § 154a Abs. 2 StPO, die der Generalbundesanwalt mit einem Antrag auf Änderung des Schuldspruchs verbunden hat, abgesehen, da er den Schuldspruch nicht geändert, sondern das Urteil des Landgerichts aufgehoben hat.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250924B2STR179.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-82253