Umsatzsteuerrechtliche Organschaft zwischen zwei Kapitalgesellschaften mit einem einzigen personenidentischen Geschäftsführer
trotz Stimmrechtsbindung aufgrund Treuhandvertrags
Folgerungen aus der Rechtsprechungsänderung durch das
wirtschaftliche Eingliederung
Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
Leitsatz
1. Die organisatorische Eingliederung als Voraussetzung für eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft zwischen zwei Kapitalgesellschaften
liegt regelmäßig vor, wenn beide Gesellschaften dieselbe Person als einzigen Geschäftsführer haben und somit Personenidentität
in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft besteht. Das gilt auch dann, wenn die Organträgerin nur 60 %
der Anteile der Organgesellschaft im eigenen Interesse, die übrigen 40 % dagegen als Treuhänderin hält, wenn aufgrund des
Treuhandvertrags die Treugeberin die Möglichkeit hat, einen weiteren Geschäftsführer zu installieren, und wenn die Organträgerin
die Zustimmung der Treugeberin braucht, sofern sie die Geschäfte der Organgesellschaft nicht durch den bisher einzigen Geschäftsführer,
sondern einen Dritten führen lassen will.
2. Die Organträgerin verfügt grundsätzlich nicht über die für eine finanzielle Eingliederung erforderliche Mehrheit der Stimmrechte,
wenn für Gesellschafterbeschlüsse der Organgesellschaft eine 2/3-Mehrheit erforderlich ist, die Organträgerin aber 40 % der
Anteile der Organgesellschaft lediglich als Treuhänderin hält und insoweit bei der Stimmrechtsausübung weisungsgebunden ist.
Insofern ist unerheblich, dass die Einschränkung des Stimmrechts sich nicht aus der Satzung der Organgesellschaft, sondern
lediglich aus einem schriftlichen Treuhandvertrag ergibt (gegen BFH-Rechtsprechung; Anschluss an EuGH-Rechtsprechung).
3. Es ist aber gerechtfertigt, eine Mehrheitsbeteiligung trotz Stimmrechten von nur 50 % bzw. von Stimmrechten, die keine
erforderliche qualifizierte Mehrheit (im Urteilsfall: 60 % der Stimmrechte aufgrund erforderlicher 2/3 Mehrheit für qualifizierte
Mehrheit nicht ausreichend) gewährleisten, als lediglich schwächer ausgeprägte finanzielle Eingliederung anzusehen, wenn sie
durch eine Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen von Organträger und Organgesellschaft und damit durch eine besonders
stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung ausgeglichen wird (Anschluss an .
4. Die Verpachtung eines Betriebsgebäudes mit Lagerhalle, Büro und Stellplätzen kann eine wirtschaftliche Eingliederung als
Voraussetzung für eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft begründen.
5. Macht eine Organgesellschaft geltend, dass sie aufgrund geänderter BFH-Rechtsprechung Organgesellschaft im Sinne von §
2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und damit nicht Steuerschuldnerin sei, setzt die Aufhebung einer gegenüber der Organgesellschaft ergangenen
Steuerfestsetzung nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH (vgl. ) voraus, dass der
Organträger zur Vermeidung eines widersprüchlichen Verhaltens bei der Anwendung von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO einen Antrag
auf Änderung der für ihn vorliegenden Steuerfestsetzung stellt. Diese auf den Grundsatz von Treu und Glauben basierenden Rechtsgrundsätze
sind auch auf die Rechtsprechungsänderung durch das ) anzuwenden.
6. Ein treuwidriges Verhalten ist nicht ersichtlich, wenn sich weder die Organgesellschaft auf die Rechtsprechungsänderung
durch das , berufen hat noch der Organträger Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 AO geltend gemacht hat. Der Berufung auf die Eigenschaft als Organgesellschaft steht dann auch nicht entgegen, dass
die Umsatzsteuer bislang nicht gegenüber dem Organträger festgesetzt worden ist und und dieser auch keinen Antrag auf Änderung
seiner Steuerfestsetzungen gestellt hat.
Fundstelle(n): LAAAJ-82149
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