BGH Beschluss v. - 2 StR 219/24

Instanzenzug: LG Limburg Az: 2 Ks 6/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts stach der Angeklagte seiner Ehefrau, nachdem sie ihm mitgeteilt hatte, sich von ihm trennen zu wollen, mit einem 15 cm langen Brotmesser in den hinteren Halsbereich, wobei er ihren Tod billigend in Kauf nahm. Im Anschluss versetzte der Angeklagte der zu Boden gegangenen Nebenklägerin, die sich gegen den Angriff mit Tritten und Schlägen zu wehren versuchte, mehrere Messerstiche gegen den Körper, bis er von hinzueilenden Helfern überwältigt werden konnte. Infolge des Messerangriffs erlitt die Nebenklägerin unter anderem drei oberflächliche Schnittverletzungen im Halsbereich, die zwar keine konkrete Lebensgefahr auslösten, jedoch abstrakt lebensbedrohlich waren, was auch der Angeklagte erkannte.

3Das Landgericht hat sich im Hinblick auf die objektive Gefährlichkeit der von dem Angeklagten gegen den Halsbereich der Nebenklägerin geführten Messerstiche vom Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes überzeugt. Es hat die Tat des Angeklagten daher als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in den Begehungsvarianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB bewertet. Im Rahmen der Strafzumessung hat es den Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt und diesen gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert.

42. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, auch soweit es sich vom Handeln mit bedingtem Tötungsvorsatz überzeugt hat, weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.

53. Jedoch kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, denn das Landgericht hat bei der von ihm vorgenommenen Strafrahmenwahl nicht geprüft, ob der Sonderstrafrahmen eines sonstigen minder schweren Falls des Totschlags gemäß § 213 Alt. 2 StGB eröffnet ist.

6In Fällen, in denen das Gesetz – wie hier – bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und ein oder mehrere gesetzliche Milderungsgründe nach § 49 Abs. 1 StGB gegeben sind, ist bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind bei der weiteren Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, schrittweise die gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe heranzuziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen der gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgründe gemilderten Regelstrafrahmen zu Grunde legen (st. Rspr.; vgl. , NStZ 2019, 409, 410 mwN).

7Das Landgericht hat diese Prüfungsreihenfolge nicht beachtet und erkennbar nicht erwogen, ob – ggf. wegen des Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes nach § 23 Abs. 2 StGB – ein sonstiger minder schwerer Fall des Totschlags nach § 213 Alt. 2 StGB vorliegt, der einen dem Angeklagten günstigeren Strafrahmen eröffnet.

84. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht unter Beachtung der oben dargestellten Prüfungsreihenfolge zu einem dem Angeklagten günstigeren Strafrahmen gelangt wäre und eine mildere Freiheitsstrafe bestimmt hätte.

95. Die Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

Menges                         Appl                         Meyberg

             Zimmermann                Herold

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250924B2STR219.24.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-81800