Instanzenzug: LG Schwerin Az: 32 KLs 32/23
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, die Angeklagten J. M. und A. außerdem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und den Angeklagten S. M. überdies wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt, den Angeklagten J. M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, den Angeklagten S. M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Gegen die Angeklagten J. und S. M. hat es zudem Einziehungsentscheidungen getroffen. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen stellte der Angeklagte S. M. einer lediglich unter der Bezeichnung „Holländer“ bekannten Person ein Gehöft zum Betrieb einer Cannabisplantage zur Verfügung. S. M. sollte mit dem Cannabisanbau nichts zu tun haben, sondern lediglich den Außenbereich der Immobilie pflegen und eine von dem Holländer für den Cannabisanbau engagierte Person mit Nahrungsmitteln versorgen. Der Holländer sollte S. M. für die Nutzung des Gebäudes eine monatliche Miete von 10.000 Euro zahlen, und zwar quartalsweise 30.000 Euro. Die erste Zahlung sollte er entrichten, wenn er seine Investitionskosten für die Einrichtung der Plantage durch den Verkauf des dort angebauten Cannabis erwirtschaftet hatte.
3Da der Holländer anfangs Absatzschwierigkeiten hatte, erklärte sich S. M. bereit, ihn beim Verkauf des Cannabis zu unterstützen. Er sollte verkaufsfertig abgepacktes Marihuana im Kilogrammbereich verkaufen und den Erlös abzüglich einer Provision von 200 Euro pro Kilogramm an den Holländer abführen; dieser sollte pro Kilogramm 4.000 Euro erhalten. Da S. M. über keine Kontakte in die Betäubungsmittelszene verfügte, bat er seinen wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestraften Sohn, den Angeklagten J. M. , darum, ihm beim Verkauf des Marihuanas behilflich zu sein. J. M. kannte den Angeklagten A. , dem es dank seiner langjährigen Verbindungen zur Betäubungsmittelszene gelang, den nicht revidierenden Mitangeklagten B. als Abnehmer für Marihuana im Kilogrammbereich zu finden. S. und J. M. kamen schließlich überein, Marihuana im Kilogrammbereich an B. zu veräußern, wobei A. als Vermittler fungieren sollte. Die dem Angeklagten S. M. von dem Holländer gewährte Provision von 200 Euro pro verkauftem Kilogramm Marihuana sollte S. M. zufließen, A. sollte eine Provision in Höhe von 100 Euro pro verkauftem Kilogramm Marihuana erhalten.
4In der Folgezeit veräußerten S. und J. M. sowie A. dem gemeinsamen Tatplan entsprechend zweimal zwei Kilogramm Marihuana für jeweils 8.600 Euro (Fälle II.2.1 und 2 der Urteilsgründe) und einmal vier Kilogramm Marihuana für 17.200 Euro (Fall II.2.3 der Urteilsgründe) an B. , wobei das Landgericht zugunsten der Angeklagten davon ausgegangen ist, dass sie erst ab der zweiten Tat als Bande fungierten. Den Kaufpreis zahlte B. jeweils in bar an J. M. , der das Geld in voller Höhe an S. M. weitergab. In einem weiteren Fall verkauften die Angeklagten 7,044 Kilogramm Marihuana zum Preis von 30.000 Euro an B. , nachdem J. M. ihm das Marihuana übergeben und den Kaufpreis in bar von B. erhalten hatte, kam es zum Zugriff der Polizei, die das Marihuana und das Bargeld sicherstellte (Fall II.2.4 der Urteilsgründe).
5Bei einer anschließenden Durchsuchung des Gehöfts, das S. M. dem Holländer vermietet hatte, wurden mehr als 2.000 Cannabispflanzen in verschiedenen Wachstumsstadien aufgefunden. Der zu erwartende Wirkstoffgehalt der zum gewinnbringenden Verkauf bestimmten Pflanzen belief sich insgesamt auf 5,38 Kilogramm THC (Fall II.3.5 der Urteilsgründe).
62. Die Schuldsprüche bedürfen der Änderung, weil am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG, BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten ist. Das KCanG regelt den Umgang mit Konsumcannabis abschließend (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130) und ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO als das hier mildere Gesetz bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen. Danach sind die Angeklagten in den Fällen II.2.2, 3 und 4 der Urteilsgründe jeweils des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) und im Fall II.2.1 der Urteilsgründe des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) schuldig.
7Der Angeklagte S. M. hat sich darüber hinaus im Fall II.3.5 der Urteilsgründe der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht. Die nicht näher begründete Annahme des Landgerichts, dass S. M. die Cannabisplantage gemeinschaftlich mit dem Holländer betrieben habe (§ 25 Abs. 2 StGB), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelstrafrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 74/23, Rn. 8; und vom – 3 StR 136/22, Rn. 6). Maßgeblich sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, sodass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (vgl. , Rn. 9).
Gemessen hieran ist die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte sei an dem Betäubungsmittelhandel ‚des Holländers‘ mittäterschaftlich beteiligt gewesen, rechtsfehlerhaft. Sein Tatbeitrag beschränkte sich vielmehr auf das Zurverfügungstellen seines Gehöfts, der Pflege des Außenbereichs und der Versorgung des für den Anbau zuständigen N. . In den Betrieb der Plantage war er hingegen nicht eingebunden (UA S. 8).“
8Dem schließt sich der Senat an.
9Er ändert die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Das Vorliegen des Regelbeispiels im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen, weil es sich um eine Strafzumessungsregel handelt (vgl. , Rn. 3 mwN). In den Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis ist der Zusatz „in nicht geringer Menge“ in der Urteilsformel entbehrlich, weil der Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (vgl. , Rn. 5 mwN).
103. Die Schuldspruchänderungen führen zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
114. Der den Angeklagten S. M. betreffende Strafausspruch hätte unabhängig von der Schuldspruchänderung auch deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht die Wechselwirkung zwischen den gegen ihn verhängten Strafen und der ihn betreffenden Einziehung seines in den Fällen II.2.1 bis 4 der Urteilsgründe als Tatfahrzeug genutzten Pkw Opel Meriva nebst Autoschlüsseln nicht bedacht hat.
12Das Landgericht hat dazu lediglich ausgeführt, dass das Fahrzeug nach § 74 Abs. 1 StGB als Tatmittel einzuziehen gewesen sei. Abgesehen davon, dass die vom Landgericht gewählte Formulierung nicht die bei der Einziehung von Tatmitteln nach § 74 Abs. 1 StGB notwendige Ermessensausübung erkennen lässt (vgl. , Rn. 5 mwN), hätte das Landgericht in den Blick nehmen müssen, dass die Einziehung von Tatmitteln gemäß § 74 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StGB – anders als die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73, 73c StGB – den Charakter einer Nebenstrafe hat und deshalb bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist, falls es sich um einen Gegenstand von beträchtlichem Wert handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 447/19; vom – 4 StR 525/19, NStZ 2020, 407, 408; vom – 4 StR 214/20, Rn. 4 mwN). Das ist im Hinblick auf den Pkw nicht ohne Weiteres auszuschließen. Feststellungen zum Wert des Fahrzeugs hat das Landgericht jedoch nicht getroffen.
13Aufgrund des inneren Zusammenhangs zwischen dem Strafausspruch und der Einziehung des Fahrzeugs unterliegt auch die Einziehungsanordnung der Aufhebung (vgl. ). Insoweit bedarf die Sache ebenfalls neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden, insbesondere zum Wert des Fahrzeugs.
145. Die Einziehungsentscheidungen haben auch im Übrigen nicht in jeder Hinsicht Bestand.
15a) Dies gilt zunächst, soweit das Landgericht gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten J. M. in Höhe von 34.290 Euro und gegen den Angeklagten S. M. in Höhe von 34.157,70 Euro, insoweit als Gesamtschuldner, angeordnet hat. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass beide Angeklagten in den Fällen II.2.1 bis 3 der Urteilsgründe jeweils die Taterlöse in Höhe von 34.400 Euro erlangten. Von dieser Summe hat es in Bezug auf J. M. einen bei diesem sichergestellten Bargeldbetrag von 110 Euro abgezogen, weil er auf die Rückgabe des Betrags verzichtet hat. Gleichermaßen ist es betreffend S. M im Hinblick auf einen bei ihm sichergestellten Bargeldbetrag von 242,30 Euro verfahren, auf dessen Rückgabe S. M. verzichtet hat. Das Landgericht hat indes nicht berücksichtigt, dass sich die gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten J. und S. M. durch ihre Verzichtserklärungen jeweils auch zugunsten des anderen verringerte (vgl. , Rn. 3 mwN). Demgemäß reduziert sich der gegenüber ihnen als Gesamtschuldner einzuziehende Betrag jeweils auf 34.047,70 Euro. Der Senat ändert die Einziehungsaussprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.
16b) Die allein gegen den Angeklagten J. M. angeordnete Einziehung von Taterträgen in Höhe von 30.100 Euro kann nur in Höhe von 30.000 Euro bestehen bleiben. Dabei handelte es sich um den Kaufpreis, den J. M. im Fall II.2.4 der Urteilsgründe bereits von B. erhalten hatte, bevor es zum Zugriff der Polizei kam. Den Urteilsgründen lässt sich weiterhin nicht entnehmen, worum es sich bei dem darüber hinausgehenden Betrag von 100 Euro gehandelt haben soll. Selbst wenn J. M. , wovon das Landgericht möglicherweise ausgegangen ist, für die Abwicklung des Geschäfts in diesem Fall 100 Euro als Provision bekommen sollte, belegen die Urteilsgründe nicht, dass er die Provision tatsächlich erhielt; angesichts des raschen Zugriffs der Ermittlungsbehörden liegt dies vielmehr fern. Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung auch insoweit in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.
Bartel Feilcke Tiemann
Fritsche Arnoldi
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051124B6STR377.24.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-81793