Zur Kostenhaftung des Gesellschafter-Directors einer im Inland
ansässig bzw. ansässig gewesenen britischen Limited nach dem Brexit
Leitsatz
Wird ein Zweitschuldner in einer an ihn adressierten Gerichtskostenrechnung zu Unrecht als Erstschuldner bezeichnet, ist
die Rechnung nicht rechtswidrig, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für die Kostenhaftung des Adressaten der Rechnung (z.B.
gemäß §§ 29 Nr. 3, 31 Abs. 2 GKG) vorliegen.
Für das Gesellschaftsstatut gilt die für EU-Gesellschaften durch den Vorrang der Niederlassungsfreiheit überlagerte Sitztheorie
im Verhältnis zu Drittstaaten grundsätzlich fort. Dies gilt jedenfalls nach dem Brexit auch für nach britischem Recht gegründete
Kapitalgesellschaften, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland haben bzw. hatten.
Der Niederlassungsfreiheit stünde entgegen, die Sitztheorie und ihre Folgen rückwirkend allein auf Grund vor dem Brexit verwirklichter
Sachverhalte – insbesondere auf britische Kapitalgesellschaften mit (damaligem) Verwaltungssitz in Deutschland und auf deren
Geschäftsführer und Gesellschafter – anzuwenden. Bei einer britischen Kapitalgesellschaft schließt daher die Niederlassungsfreiheit
die Anwendung eine nach deutschem Gesellschaftsrecht vor dem Brexit (hier durch Klageerhebung) verwirklichten Handelndenhaftung
gemäß § 54 Satz 2 BGB a.F. aus.
Bei einer britischen Kapitalgesellschaft schließt die Niederlassungsfreiheit die Anwendung eine nach deutschem Gesellschaftsrecht
vor dem Brexit verwirklichten Gesellschafteraußenhaftung jedenfalls dann aus, wenn die Kapitalgesellschaft vor dem
ihren Verwaltungssitz in Deutschland aufgegeben hatte. Behält eine britische Kapitalgesellschaf ihren deutschen Verwaltungssitz
nach dem bei, liegt ein Formwechsel in eine Gesellschaftsrechtsform vor, die keine konstitutive Eintragung in ein
Handels- oder Vereinsregister voraussetzt:
Die Rechtsform einer deutschen Kapitalgesellschaft scheidet wegen des Eintragungserfordernisses aus.
Die britische Kapitalgesellschaft mit mehreren Gesellschaftern und tatsächlichem Fremdgeschäftsführer, die nur ihr Vermögen
verwaltet, um Pensionszusagen an die Gesellschafter zu erfüllen, kann ein nichtwirtschaftlicher Verein ohne Rechtspersönlichkeit
sein, für dessen Schulden die Gesellschafter bereits nach deutschem Gesellschaftsrecht nicht im Außenverhältnis unmittelbar
haften.
Sofern hingegen die britische Kapitalgesellschaft mit fortbestehendem deutschen Verwaltungssitz auf Grund ihrer wirtschaftlichen
Tätigkeit und ihrer inneren Verfassung entweder als wirtschaftlicher Verein ohne Rechtspersönlichkeit oder als Personengesellschaft
anzusehen ist, würden die Gesellschafter nach deutschem Gesellschaftsrecht grundsätzlich auch für die vor dem Brexit entstandene
Schulden der britischen Kapitalgesellschaft im Außenverhältnis haften. Zur Frage, ob diese vom Einfluss auf den Verwaltungssitz
grundsätzlich unabhängige Außenhaftung des Gesellschafters in der Konstellation des Brexit mit der Niederlassungs- oder Kapitalverkehrsfreiheit
vereinbar ist, käme im Hinblick auf die Erwartung einer Beschränkung der Außenhaftung eine Vorlage an den EuGH in Betracht.
Hat die britische Kapitalgesellschaft hingegen vor dem Brexit ihren Verwaltungssitz von Deutschland in die Niederlande verlegt,
ist auf Grund der in den Niederlanden geltenden Gründungstheorie weiterhin die Beschränkung der Außenhaftung auf das Vermögen
der Kapitalgesellschaft nach britischem Gesellschaftsrecht zu beachten, so dass durch den Brexit keine Außenhaftung der Gesellschafter
entsteht.
Die Feststellungslast für das Fortbestehen eines inländischen Verwaltungssitzes einer vor dem Brexit zugezogenen britischen
Kapitalgesellschaft als Voraussetzung für die (etwaige) Außenhaftung des Gesellschafters trägt der (hier Kosten-) Gläubiger.
Fundstelle(n): AAAAJ-81548
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